Ich bin weder Jurist noch Völkerrechtler und will deine Ausführungen gar nicht in Frage stellen.
Unter dem Strich bleibt aber: Stalin seine Verbrechen sind ungesühnt geblieben! Er hatte im September 1939 feige Polen angegriffen, als dieses von fast besiegt war. 17 Tage zuvor hatte man Hitler dafür, vollkommen berechtigt, den Krieg erklärt. Und bei Stalin nichts. Das ist ein ganz trauriges Kapitel.
Ebenso hat Stalin Finnland angegriffen. Und der Westen? Eben, wieder nichts! Man brauchte Stalin im Kampf gegen Hitler und da sah man drüber weg. Auch später nach dem Kriege nichts. Stalin hat seinen Anteil von Polen einfach behalten.
Was hätte "der Westen" auch tun können, außer zu protestieren? Die USA hatten sich nach dem Vertrag von Versailles fast völlig aus der europäischen Politik zurückgezogen, die Politik der USA war isolationistisch, eine Intervention oder gar Militäreinsätze in Europa war vorerst undenkbar. GB und Frankreich waren beide auf einen Krieg nicht vorbereitet. Vor allem in Frankreich war die Bevölkerung kriegsmüde. "Mourir pour Danzig? (Am Ende) für Danzig sterben" war ein populäres Schlagwort, das die vorherrschende Stimmung auf den Punkt brachte. Für Finnland im Kriegseinsatz sterben, war der Bevölkerung noch weniger zu vermitteln. Weder GB, noch Frankreich konnten Polen wirksam zu Hilfe kommen. Das Einzige, was sie tun konnten, war Hitler den Krieg zu erklären, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass man mit dem Mann nicht verhandeln konnte, dass Verträge ihm gar nichts bedeuteten. GB tat es recht mutig, obwohl man wusste, dass man wenig entgegensetzen konnte, Frankreich tieftraurig, im Schlepptau von GB und ohne jede Begeisterung.
Was F und GB hätten tun können, wäre gewesen während des "Sitzkrieges" anzugreifen, Deutschland hatte in Polen fast alles an Munition verbraucht, was die Wehrmacht hatte, Im Winter 1939/40 hätte die Wehrmacht nicht viel entgegen setzen können. Das wussten die Alliierten nicht, und kein Armeeführer hätte bei der Einstellung und Moral zu Beginn des Krieges, schlecht gerüstet eine Offensive an der Westfront riskiert.
In Finnland oder in Polen auch nur zu versuchen, sich auch noch mit Stalin anzulegen, als man mit Hitler schon nicht fertig wurde, war völlig unsinnig.
Die Person Stalins und seine Verbrechen sind das eine, die politischen Fakten das andere. Die Sowjetunion war an der Friedensordnung von Versailles nicht beteiligt worden, Briten und Franzosen hatten kurz nach dem 1. Weltkrieg versucht, in Murmansk zu landen und eine Konterrevolution zu starten. Polen war im Polnisch-Sowjetischen Krieg bis nach Kiew vorgestoßen. Auch die Sowjetunion war schlecht auf einen Krieg vorbereitet, das gesamte Offizierskorps, fast alle höheren Offiziere über Major-Rang hatte Stalin bei seiner Säuberung liquidieren lassen. Finnland, das Baltikum und Bessarabien, das heutige Moldavien, hatten Jahrhunderte lang zum Russischen Reich gehört. Der Pakt mit Hitler war äußerst zynisch, er war nur mit zwei totalitären Staaten möglich, eine Wendung der außenpolitischen Linie um 180 °. Er gab Stalin die Chance, die Interessensphäre der SU auszudehnen.
Die Alliierten hatten überhaupt keine Möglichkeit, das zu verhindern. Als Hitler dann die Sowjetunion angriff, hatte "der Westen" zwei Optionen. Entweder zuzusehen wie sich die beiden Diktaturen gegenseitig vernichten oder die Sowjetunion zu unterstützen. Churchill sagte, er nähme nichts zurück, was er je über den Kommunismus gesagt habe, wenn aber Hitler in der Hölle einmarschiert, werde er einige freundliche Worte für den Teufel übrig haben.
Aus moralischer Sicht hätte der Westen jedes Recht gehabt, der SU Hilfe zu verweigern. Das wäre allerdings auch eine gefährliche Politik gewesen. Zeitweise sah es so aus, als könnte die Wehrmacht Erfolg haben. Das wiederum hätte bedeutet, Hitler Zugang auf Ressourcen und Rohstoffe zu gewähren, die ihm ermöglichten, seinen Rasse- und Vernichtungskrieg unbegrenzt oder wenig begrenzt fortzusetzen.
Churchill hat Stalin früher durchschaut, als Roosevelt, der sich von "Uncle Joe" betören ließ. Stalin hat dann in Osteuropa Fakten geschaffen. Er konnte das tun, weil er nun einmal der starke Mann war, der Vertreter der SU, weil man ihn brauchte, um Hitler loszuwerden. Weil selbst er noch das kleinere Übel war. Ja, er hat seine "Beute" behalten, Polens Grenzen wurden ohne Rücksicht auf ethnische Zusammensetzung um 300 km nach Westen verschoben. Es ist die Frage, ob man das den Alliierten vorhalten kann.
Stalin lebte aber, als die KSZE-Akte unterzeichnet wurde, schon seit 20 Jahren nicht mehr. In den ehemaligen Ostgebieten lebten kaum noch Deutsche, die Flüchtlinge waren inzwischen in den 2 deutschen Staaten, vor allem in der Bundesrepublik integriert. Die Generation der Söhne und Enkel war meist in der BRD geboren. Für die "Beute" hatte die Sowjetunion sehr teuer bezahlen müssen. Die deutschen Ostgebiete waren futsch! Die Unterzeichnerstaaten konnten gar kein Interesse daran haben, Deutschland in den Grenzen von 1937 zu reanimieren-aus gutem Grund. Im Zeitalter des Kalten Krieges, als sich die beiden Supermächte argwöhnisch belauerten, war eine Politik der Entspannung überfällig, im Interesse des Friedens in Europa. So etwas geht nun mal nicht ohne Zugeständnisse, auch wenn das bedeutete, mit "Fossilen" des Kalten Krieges wie Breschnew und Gromyko verhandeln zu müssen.
Es ist in der Geschichte nicht selten vorgekommen, das großes Unrecht nie gesühnt wurde, dass sich die stärkeren Bataillone, nicht das moralische Recht durchsetzen, dass Akteure die Politik gestalten, die eigentlich ein Fall für ein internationales Tribunal wären. Das kann man natürlich bedauern, dass muss man sogar bedauern, ein Argument gegen Verständigung, gegen die KSZE-Verträge ist das aber nicht.