Stephan2
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Es ist absolut glaubhaft. Und die meisten Darstellungen von beispielsweise Fischer, Hillgruber, Hildebrandt, Wehler und auch Clark betonen die tiefe Kluft zwischen der militätrischen und der politischen Betrachtung.
Und der Schlüssel für das Verständnis liegt in der semi-absolutistischen Regierungsform des DR, wie Ritter es bezeichnet, in Kombination mit dem spezifischen deutschen bzw. preußischen Militarismus.
Und ist bereits in seinen Auswirkungen der Überbetonung offensiver, präventiver Kriegsführungen auch schon dargestellt worden.
Tja, mit dem Glauben ist das so eine Sache. Wenn ich meinen Kunden erzähle, "Ich glaube ...", erhalte ich als Antwort "Dann denken Sie doch bitte noch einmal über die Sache nach und melden sie sich wieder, wenn sie etwas wissen." Das es zwei parallele Hierarchien im Dt. Reich gab, ist weder ein Beweis für die Friedensliebe der einen noch für die Kriegslüsternheit der anderen Seite.
Das Autoritäten-Zitat nach dem Motto "aber Alle sagen doch" ist zunächst nur ein schönes argumentatives Stilmittel, das durch Ritters "semi-absolutistische" Regierungsform irgendwie entkräftet wird und ist wohl seiner Vorliebe für Bethmann Hollweg geschuldet. Seinen Ansichten über KW II stimmte nicht einmal W. Churchill zu, s. [1].
Seit 1890 waren die Verhältnisse bzgl. eines Kriegsfalls zwischen Politik und Militär geregelt: Der Generalstab hatte angefragt und nicht nur ein OK sondern sogar die Zusage der Unterstützung durch die Diplomatie von von Holstein erhalten. Moltke war damit zufrieden und hat seine Hausaufgaben gemacht - der Rest nicht. Wenn der Regierung etwas an einer Mitsprache gelegen hätte, hätte sie aktiv werden müssen und nicht Moltke - fast 25 Jahren sollten dazu wohl ausreichen.
Es gab in der relevanten Periode nach den Balkankriegen, nach 1911, keine systematische Abstimmung und Reinterpretation der Planungen von Schlieffen.
Die Balkankriege fanden 1912 und 1913 statt, 1911 war der "Panthersprung" nach Marokko. [Ironie an]Übrigens ein besonders anschauliches Beispiel für die Dominanz des deutschen Militärs.[Ironie aus]
Schlieffen hat 1912 in einer Denkschrift seine ursprüngliche Ansicht "macht mir den rechten Flügel stark" abgeschwächt und dem Aspekt der Abwehr eines französischen Angriffs mehr Bedeutung beigemessen. Er lag damit auf der Linie Moltkes, der diese Modifikation bereits vorweggenommen hatte - und dafür später hart kritisiert wurde. Also im Generalstab gab es durchaus "Reinterpretationen".
Die "Risikostrategie" von Bethmann- Hollweg & Ritzler an der Peripherie im südöstlichen Europa und dem Versuch, die Russen in 1914 durch "Bluff" vom Krieg abzuhalten und die "Entente" dadurch zu sprengen, hätte, und darauf weist Hillgruber explizit hin, die Konzentration der Armee im Osten erfordert, um der Politik als Instrument zu sekundieren.
Zwei Historiker - Drei Meinungen. Eine begründete Widerlegung der Überlegungen des Generalstabs zur Heeresaufstellung ergibt sich daraus nicht.
Das Militär folgte diesen politischen Vorstellungen nicht. Konnte es wahrscheinlich auch gar nicht, weil es die politische Strategie vermutlich gar nicht kannte oder nicht verstanden hatte.
Und nicht zuletzt wie oben schon deutlich gemacht, das Militär war nicht bereit, den politischen Prämissen zu folgen!
Worauf stützt sich diese Einschätzung der intellektuellen Fähigkeiten des Militärs und seiner Bereitschaft etwas zu tun bzw. nicht zu tun konkret?
Und an diesem Punkt, und darauf weisen eine Reihe von Autoren hin, wurde Clausewitz in seinem grundsätzlichen Verständnis von Politik und Militär vom preußischen Militär von den Beinen auf den Kopf gestellt.
Konkrete Belege stehen immer noch aus. Außer Hypothesen bisher nichts gewesen.
In diesem Sinne schreibt Ritter "....kaiserlichen Deutschland: während hier überhaupt keine förmlichen Beratungen zwischen politischen und militärischen Stellen ....(S. 89) stattfanden, erfolgte dieses in den westlichen Demokratien.
Die französischen und englischen Politiker waren näher am Ball - waren sie deshalb friedfertig?
Auf jeden Fall standen die französischen Politiker militärischen Anliegen wohl offener gegenüber als ihre deutschen Kollegen. Während Frankreich fleißig die Zahl der ausgebildeten Soldaten erhöhte und schließlich Dtschl. relativ und absolut überholte, durfte sich der deutsche Kriegsminister schon bei der Heeresaufstockung 1890 vorhalten lassen, dass man der Wirtschaft zu viele Arbeitskräfte entziehe: Mehr Soldaten bedeutet weniger Arbeiter, Abgeordneter Richter[2]
Und fährt auf S. 100/101 fort, die präkere Situation des Reichskanzlers zu beschreiben, der, so Ritter explizit, die Planung des Generalstabs durch zivile Stellen nicht hat kontrollieren lassen können!
Der Dienstweg führte über den Kaiser und sollte dem Kanzler bekannt gewesen sein. An der Uni verbittet sich der Fachbereich Philosophie auch die Einmischung des Fachbereiches Physik in seine Kompetenzen.
Und Ritter läßt Bethmann-Hollweg direkt zur Wort kommen: " An der Aufstellung des Feldzugsplanes ist die politische Leitung nicht beteiligt gewesen. ....Überhaupt ist während meiner ganzen Amtstätigkeit keine Art von Kriegsrat abgehalten worden, bei dem sich die Politik in das militärische Für- und Wider eingemischt hätte". (S. 101).
"Direkt zu Wort" - 35 Jahre nach seinem Tod?
Ritter zitiert aus Bethmann Hollwegs "Betrachtungen zum Weltkriege" von 1919.
War als Quelle des "Kriegsrats" in der Mitte von [3] schon kommuniziert.
Aber gelohnt hat sich die Diskussion letztlich, wurde ich durch sie doch auf [4] aufmerksam.
[1] War der letzte deutsche Kaiser ein Kriegstreiber? - Nachrichten - DIE WELT
[2] http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k8_bsb00018664_00183.html
[3] http://www.geschichtsforum.de/700375-post515.html
[4] Hans Ehlert, Michael Epkenhans, Gerhard P. Groß (Hrsg.): Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente. Paderborn 2006. - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher