Leider ist das ein sehr brisantes Thema. Antisemitismus war ein verbreitetes Phänomen in den kommunisitschen Diktaturen Osteuropas, eine Aufarbeitung fand bisher kaum statt (sehr aktuell zu dieser Thematik der Film "Das Konzert").
In Russland war der Antisemitismus schon während der Zarenzeit weit verbreitet.
Die Lage der Juden in Russland zur Zarenzeit unterschied sich fundamental von denen in West- und Mitteleuropa. Hier waren sie überwiegend in die bürgerlichen Schichten aufgestiegen und wurden erfolgreich integriert. In Osteuropa entwickelte sich das Judentum zu einer verarmten kaum assimilierten nationalen Minderheit. Hier fanden die Ideen wie einer gesonderten Existenz im Lande oder ein eigener Nationalstaat Resonanz.
Die schlechte wirtschaftliche Lage der Ostjuden, rührte vor allem von der besonderen Berufsstruktur her, 3,5 % der russischen Juden waren Bauern, gegenüber ca. 75% der russischen Bevölkerung, aber drei Viertel waren im Handel, Handwerker und Industrie tätig, dort kam es zu einer starken Überbesetzung. Am wirtschaftlichen Aufschwung der neunziger Jahre nahmen die Juden weder als Unternehmer noch als Arbeiter teil. Anstelle von Wohlstand, verarmten die Juden immer mehr. Es entstand der Begriff "Luftmenschentum", denn man konnte sich nicht mehr erklären wovon die Schtetl-Juden überhaupt noch lebten.
Alexander II. war zwar für eine jüdische Emanzipation, er liess das Schulwesen für sie öffnen, aber er war gegen eine Ansiedlung ausserhalb der Rayons. Das wäre das Mittel gewesen um die Verarmung der jüdischen Massen zu verringern. Nach der Ermordung Alexander II. 1881 gab es unter Alexander III. eine öffentliche Debatte um die Judenfrage. Sechs Wochen nachdem Attentat wurden die Juden Opfer der ersten Pogromwelle, bis 1884 kam es zu 259 Pogromen.
Der Zar sah als Ursache für diese Pogrome die ökonomische Ausbeutung der Bevölkerung durch die Juden. Juden und Polen galten seit dem Polnischen Aufstand von 1863 als geheime Mächte die den Zaren stürzten wollten.
Man war von der Schädlichkeit der Juden überzeugt. Sie verloren ihren Status als Einheimische und wurden zu Nicht-Einheimische erklärt. Sie wurden auch Moskau, St.Petersburg und Charkow vertrieben, sie durften nicht mehr von einer ländlichen Region in eine andere umsiedeln und wurden aus den Verwaltungen ausgeschlossen.
Ursache für diesen hartnäckigen und durchdringenden Antisemitismus lag in der Hinwendung des Konservatismus zu Nationalismus und Xenophobie, der in den Juden und andern Minderheiten wie Deutsche und Polen eine Bedrohung vitaler russischer Interessen und Werte sahen.
Nikolaus II sah wie sein Vorgänger die Juden als Feinde Russlands an. Zwischen 1903 und 1906 kam es zu über sechshundert Pogrome. Es wundert deshalb nicht, dass die Protokolle der Weisen von Zion im 19. Jahrhundert in Russland geschrieben wurden. Der Durchbruch für die Protokolle war das 1905 veröffentlichtes Werk von Sergej Nilus mit dem Titel „Das Grosse im Kleinen. In der zweiten Auflage 1911 nannte sein Werk „Der bald herannahende Antichrist. Adressat der Bücher ist höchstwahrscheinlich Zar Nikolaus II, der war zumindest zunächst von den Protokollen beeindruckt, nachdem er sie aber genauer untersuchen liess dieser Text verboten lies, da sie sich als Unecht herausgestellt haben.
Quelle: Werner Bergmann, Geschichte des Antisemitismus