Ich melde mich auch nochmal zu Wort; erstmal Danke für die sehr interessante Diskussion, zu der ich selber leider nichts beitragen kann, die mir aber einen groben Einblick in das Geschachere damals geben.
Ich will auch mal kurz einen kleinen Einblick geben, wieso mich die Frage an sich interessiert;
Ich bin hier in der Kurpfalz aufgewachsen, meone Eltern und Großeltern sind aber alles Vertriebene und Flüchtlinge, die sich per Zufall in ihrer neuen Heimat Mannheim trafen.
Meine Großeltern verbaten ihren Kindern bei Strafe, den Dialekt hier anzunehmen (weil sie ihn als furchtbar empfanden); so wuchs ich dann vollkommen dialektfrei hier auf.
In der Schule bekam man nun beigebracht, daß man hier in Baden lebe, plus der gesamten Badener Geschichte bis zur Schaffung von Ba-Wü. Wirkliche Pfälzer- oder Kurpfälzer Geschichte: Fehlanzeige.
So hat es eine ganze Weile gebraucht, bis ich herausfand daß die Region hier eigentlich sehr wenig mit Baden zu tun hat; ein völlig anderer Dialekt, eine andere Eßkultur, etc.; und daß die Pfälzer, Badener und Hessen in diesem Eck hier eine gemeinsame Geschichte haben. Das Wissen dazu muß man sich mühsam erarbeiten, anders als vielleicht der Heimatunterricht in Bayern oder im Schwabenländle.
Mich interessiert daher seit längerem die Frage, wie es dazu kam, daß Fürstentümer wie Baden, Württemberg, Bayern, das Saarland oder Hessen sich zu heutigen Bundesländern mit einigermaßen kultureller Abgrenzung zu den Nachbarländern entwickeln konnten, die Kurpfalz aber im heutigen Bewußtsein nur noch bei jenen präsent ist, die sich dafür interessieren.
Auch in meinem Freundeskreis hat es lange gedauert (bis man etwa 27-28 war), ehe man sich nicht mehr als Badener, sondern bei Nachfrage offen als Kurpfälzer bezeichnet hat.
Das geht ja so weit, daß man den Raum hier nur noch als "Rhein-Neckar-Dreieck" bezeichnet (obgleich der Interessensverband der Gemeinden unter dieser Bezeichnung weitgehend identisch ist mit der Ausdehnung der ehem.Kurpfalz).
Zu mir zurück: ich habe dann vor einigen Jahren angefangen, mir den Dialekt quasi verspätet selbst anzueignen, während sich viele hier für das Kurpfälzische als "Arbeiterdialekt" eher schämen. Dabei gibt es hier auch ziemlich genau "gezogene" Grenzen dieses Dialekts: in Altlußheim (wo ich wohne) spricht man noch genauso wie in Mannheim; bereits ein Ort weiter südlich ist der Dialekt (in meinen Ohren) aber nicht mehr vom "Karlsruher Schwäbeln" zu unterscheiden ("Geschwind", "Gä" und "Brötle" würde hier kein Mensch sagen).
(Übrigens sieht man an dem Beispiel, daß ich mit der "Kurpfalz" auch eher den kulturellen Raum der Rheinfranken meine, da Altlußheim niemals Teil der Kurpfalz war, vom Dialekt her aber eindeutig dem Raum zuzuordnen ist).
Interessanterweise hat mich bei Rottweil neulich jemand gefragt "Ihr da in Mannheim habt ja sicher fast den gleichen Dialekt wie hier, da sollte man kaum einen Unterschied hören, oder?" - was ich erstmal heftig verneinen mußte. Eine Bekannte zog von dort vor einigen Jahren nach Frankenthal nud sie hatte extrem Probleme, die Leute hier zu verstehen und auch verstanden zu werden.
Aber solche Fragen offenbaren, daß unsere Region auch außerhalb praktisch gar nicht mehr als eigene Region wahrgenommen wird.
Zu verstehen, wie das und warum mit dieser Region so gekommen ist, ist also mein Hauptanliegen.
Gruß Alex