Buhurt, Tjost, Kolbenturnier, Formen des ritterlichen Turniers

Der Thread heißt ja "... Formen des ritterlichen Turniers", womit vielleicht das Turnier der Neuzeit ausgeschlossen wäre, weil die "Ritter" der Neuzeit erstens nicht mehr Ritter in dem wohl von Scorpio angenommenen Sinne mehr waren und außerdem teilweise garnicht die Zugehörigkeit zum Ritterstand für die Turniere der Neuzeit bisweilen nötig war (vielleicht waren das noch Salonritter im weitesten Sinne =) ) Daher kommt meine Entschuldigung.
Besteht diese Trennung in Rennen und Gestech in allen (west- und mittel-)europäischen Staaten? Die Entwicklung des Turnierwesens war ja nicht linear. Es verschwand ja und tauchte zu unterschiedlichen Zeiten in den Staaten auf. Viel hat das sicherlich mit zwei Faktoren zu tun: Kultur und fürstliches Repräsentationsbedürfnis. Dabei fällt mir auf, dass man bei weiterem Bohren in der Frage vielleicht etwas OT werden könnte. Aufgepasst!:richter: Dennoch meinst Du, Timo, dass die Kleinstaaterei im HRR das Turnierwesen beförderte? Dies könnte ja für eine größere Vielfalt gesorgt haben.
 
Besteht diese Trennung in Rennen und Gestech in allen (west- und mittel-)europäischen Staaten?

Spontane Antwort, da ich bis dato nichts Gegenteiliges gefunden habe: meines Wissens besteht diese Trennung grundsätzlich für West- und Mitteleuropa.

... meinst Du, Timo, dass die Kleinstaaterei im HRR das Turnierwesen beförderte? Dies könnte ja für eine größere Vielfalt gesorgt haben.

Auch hier eine spontane Antwort, da dies auf persönliche Interpretation hinausläuft: teilweise.
Dies bedeutet natürlich nicht, daß es mehr als die üblichen drei Turnierformen gegeben hat, denn das war ja mW nicht der Fall.
Besonderheiten des HRR sind jedoch einmal die genossenschaftlichen Turniere und Turniergesellschaften, zum anderen offenbar auch die Stadtbürgerturniere.
Desweiteren ist natürlich offensichtlich, daß es im HRR relativ viele kleine ritterliche Turniere neben den großen höfischen Turnieren gab und die Turniere v.a. Sache des Adels und weniger des Königtums waren, diametral zu England (Turnier Sache des Königs), aber auch zu Frankreich (zwar oftmals keine Förderung durch König, aber Sache zumindest der großen Fürstenhäuser, z.B. Burgund, Anjou).
Insofern sind dies natürlich alles Erscheinungen, welche das Staatsgebilde aus Territorien (HRR) sicherlich hervorgebracht hat und zu denen es in den Staaten der Ligesse (England, Frankreich) nicht kam.
Das ist allerdings - wie eingangs bereits erwähnt - meine persönliche Interpretation...
 
Ein weiterer Auszug zu den Formen ritterlicher Turniere aus dem Kapitel "Das Turnier" in Andreas Schlunk/Robert Giersch "Die Ritter. Geschichte - Kultur - Alltagsleben" - Begleitbuch zur Ausstellung "Die Ritter" im Historischen Museum der Pfalz Speyer 30.03. - 16.10. 2003 - Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2003 (hier S. 70 f.).

Erneut erlaube ich mir an der Stelle einige ausgewählte Bezugspunkte auf vorige Beiträge anhand dieses Buches, und vieles wird auch eher eine Wiederholung sein.
Ich habe versucht, den zitierten Text sinnvoll zu kürzen, aber es waren dennoch wieder längere Passagen aus dem Text im Buch zu zitieren...

Das Turnier im Spätmittelalter schrieb:
Die gesellschaftlichen Veränderungen des Spätmittelalters spiegelten sich in der Turnierkultur wieder. Die militärische Bedeutung des Turniers rückte immer mehr in den Hintergrund und der sportlich-festliche Charakter trat hervor. So nennt der 1276 verstorbene Steiermärker Ulrich von Liechtenstein (Einordnung: das Interregnum von etwa 1250 bis 1273 gilt für das HRR als Zwischenphase vom Hoch- zum Spätmittelalter - Anm. von mir) fünf Motive, die ihn sich für das Turnier begeistern ließen: Freude am Kampf und Kräftemessen, Übung, Beute, Beifall von Seiten der Frauenwelt, Mehrung des persönlichen Ruhms.
Im späten 14. Jh. kam zu diesen Motiven noch eine politische Komponente hinzu: Das Turnier wurde zunehmend Instrument der restaurativen Adelskräfte. Die Regulierung der Teilnahme wurde bis zum Exzess geübt und diente der sozialen Abgrenzung. Der Begriff vom Turnieradel kam auf, vor allem, als Kaiser Karl IV. begann, Adelsbriefe an Unternehmer und andere für ihn nützliche Zeitgenossen auszustellen. Die alten edelfreien und ministerialen Geschlechter sahen in dieser Praxis einen Angriff auf die althergebrachte Ordnung und erkannten in der Exklusivität der Turniere ein Mittel, um sich vom Neuadel abzugrenzen...
Von besonderer Bedeutung waren die vom Adel seit dem 14. Jh. gegründeten Turniergesellschaften. Diese Adelsbünde besaßen eine zweifache Stoßrichtung: Einerseits sollten sie die Initiative der Fürsten ersetzen, die als spendable Ausrichter von festlichen Turnieren weitgehend ausgefallen waren; andererseits sollten sie den niederen und mittleren Adel unter dem Deckmantel geselliger Zusammenkünfte gegen die Ansprüche der Fürsten und Städte einen. Diese politische Bedeutung... verstärkte sich vor allem in der ersten Hälfte des 15. Jh., als sich die Spannungen zwischen den Territorialfürsten und dem Adel erheblich verschärften...
Waffentechnisch wurde das Turnei zunehmend durch das Kolbenturnier ersetzt. Statt mit Lanze und Schwert wurde mit einem hölzernen Kolben oder Schlegel gekämpft... Das Kolbenturnier kreierte einen eigenen Helm, den Spangenhelm, der als Oberwappen des Turnieradels heraldisch besondere Bedeutung gewann. Im 15. Jh. war es üblich, mit dem Kolbenturnier zu beginnen...
...
Schließlich wurde auch die Zahl der den Ritter begleitenden Knechte reglementiert: Die Fränkische Turnierordnung von 1479 schrieb vor, daß jeder Ritter nur einen Waffenmeister bei sich haben dürfe. Die Zahl der weiteren Knechte war vom sozialen Stand des Kämpfers abhängig: Fürsten durften sich von vier Knechten, Grafen und Edelherren von drei, Ritter von zwei und Edelknechte nur von einem Knecht begleiten lassen.
Das Beutemachen entfiel ebenfalls in der alten Form: War es einst üblich, daß der Besiegte Rüstung und Pferd verlor oder willkürlich Lösegeld bezahlen mußte, wurde nun in den Turnierordnungen genau festgelegt, wie hoch ein Lösegeld ausfallen durfte... In England wurde der Turnierablauf gegen Ende des 13. Jh. (Einordnung: für England wird der Beginn des Spätmittelalters oftmals mit dem Beginn der Herrschaft von König Edward I. (1272) angesetzt - Anm. von mir) sogar gesetzlich geregelt.
Ansonsten gewann der Tjost, das Stechen, immer größere Bedeutung. Spätestens seit dem 15. Jh. wurden zuweilen Turniere abgehalten, die nur aus Gruppenstechen bestanden. Das Stechen wurde zudem wesentlich entschärft, indem das Reglement vorschreiben konnte, daß der Turnierer nur noch die Tartsche, einen erst im Spätmittelalter aus Italien eingeführten Turnierschild, treffen sollte...
Als Spätform des Stechens wurde im 15. und 16. Jh. das sogenannte Welsche Stechen betrieben (kursive Hervorhebung durch mich). Dieser Tjost unterschied sich vom herkömmlichen Stechen durch die Errichtung einer hölzernen Balustrade, die die Wege der beiden Kontrahenten trennte.
Überhaupt keinen mittelalterlichen Hintergrund besitzen Spiele, die heute verschiedentlich als Bestandteile von Ritterturnieren präsentiert werden: Ringstechen oder Kopfrennen, dei denen Mohren- oder Türkenköpfe aus Pappe gestochen werden, sind Erfindungen der frühen Neuzeit und kamen frühestens im Laufe des 16. Jh. auf.

Dieses Unterkapitel wollte ich noch nachreichen... :fs:
 
Was genau war der Buhurt?

Die Quellen im Internet geben sehr unterschiedliche Definitonen zum Buhurt.

Ein Turnier besteht doch aus Bogenschiessen, Schwertkèampfen, Buhurt, Tjost und dem Turnier.
Leider wird in vielen Quellen der Buhurt so dargestellt, dass er sich überhaupt nicht vom Turnier unterscheidet.

Kann mirm wohl jemand genau erklären, was nun der Buhurt war und inwiefern er sich vom eigentlichen Turnier unterschied?
Einige Quellen reden von einem Schaulaufen (Beherrschung des Pferdes, der Nachweis der guten Dressur und der eigenen reiterlichen Fähigkeiten), andere wiederum von einem Turnier mit stumpfen Waffen, andere wiederum unterscheiden überhaup nicht.

Kann der Buhurt so etwas wie das Knappenturnier gewesen sein? Eine Art Schauturnier an dem auch "Nochnichtritter" teilnehmen konnten
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Suchfunktion des Forums ist auch hilfreich.:fs:
...Der Buhurt oder Gyrum war eher ein Reiterspiel, das auf uralte, wohl germanische Zeiten zurückgehen soll. Bei diesem Spiel sollte eine möglichst perfekte Reitkunst gezeigt werden. Beim Buhurt wurden daher keine Waffen, sondern in der Regel Stäbe eingesetzt. Wegen dieses friedlichen Charakters war die Abhaltung eines Buhurts sogar den Tempelrittern erlaubt, denen sonst das Turnieren strikt verboten war....
http://www.geschichtsforum.de/f48/buhurt-tjost-kolbenturnier-formen-des-ritterlichen-turniers-12782/
 
Der Suchfunktion-Hinwies ist ja jedes Mal sehr nett gemeint. Klarstellen möchte ich, dass ich diese 1) benutzt habe (wieso sonst hätte ich in einen bereits bestehenden Thread gepostet) und 2) den Text gelesen habe.

Da es aber überall unterschiedliche Darstellungen gibt, wollte ich nochmal Reaktionen zu dem Thema bekommen um die Sache zu klären.

Es gibt noch weitere Fragen die zudem unbeantwortet bleiben. Wer waren die Teilnehmer? Nur Ritter oder auch Knappen? In einer Quelle wurde erwähnt, dass die angehenden Ritter bereits am Buhurt teilgenommen haben. allerdings lässt sich dies sonst nirgendwo finden.
Oder wieso hatten sie Waffen (ob Lanzen oder Stäbe) wenns ums Reiten ging beim Buhurt?

Ich denke schon, dass es zu dem Thema noch mehrere ungelöste Fragen gibt...
 
Also, das ist eine Darstellung, keine Quelle. <= Das ist keine Schlauschieterei sondern vermeidet Missverständnisse. Da für die einzelnen Sachverhalte keine Quellen genannt werden, ist man mehr oder weniger gezwungen, der Darstellung Glauben zu schenken. Das heißt jetzt nicht, dass sie schlecht sei. Aber sie ist eben auch nicht überprüfbar.
 
Wolfram von Eschenbach unterschied im Parzival den Buhurt von der Tjoste als Kampf mehrerer Ritter gleichzeitig.
Er kannte diese Art des Kampfes also schon entweder aus der französischen Vorlage oder der Geschichte. Und natürlich war Gachmuret schon dabei.
Aber das ist natürlich nur Literatur und kein historischer Beleg.
 
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Besteht diese Trennung in Rennen und Gestech in allen (west- und mittel-)europäischen Staaten? Die Entwicklung des Turnierwesens war ja nicht linear. Es verschwand ja und tauchte zu unterschiedlichen Zeiten in den Staaten auf. Viel hat das sicherlich mit zwei Faktoren zu tun: Kultur und fürstliches Repräsentationsbedürfnis.


Die Unterscheidung zwischen Rennen und Gestech war recht einheitlich. Den Speerkampf zweier individueller Gegner nannte man juste (mhd tjost), wobei zwischen dem juste a plaissance mit stumpfen Lanzen und dem gefährlichen juste a outrance unterschieden wurde. Aus der harmloseren Variante entwickelte sich im Spätmittelalter das Gestech (französisch joute, italienisch giostra) aus der gefährlicheren Variante das Rennen (französisch course, italienisch carrierra).

Zum Tjost konnte man Gegner durch Herolde herausfordern, vielerorts kopierte man aber das seit 1230 bekannte englische Beispiel des "Artushofes" wobei die Schilde der an einem Wappenbaum hängenden Kontrahenten mit der Lanze berührt wurden.

Aus Sicherheitsgründen spezialisierte sich im 14. Jahrhundert die Ausrüstung für das Gestech, während das Rennen praktischerweise im üblichen Feldharnisch ausgetragen wurde. Das Rennen wurde mehr und mehr zu einer freiwilligen Sonderveranstaltung, bei der sich wagemutige Ritter hervortun konnten, wobei man teure Spezialausrüstung benötigte. Bei der Einholung der Braut anlässlich der Landshuter Hochzeit von 1475 lieferten sich einige Ritter gefährliche Bravourstücke. Sie rannten ohne Helme und nur mit Pfannen statt Tartschen ausgerüstet.

von Wilwolt von schaumburg, einem Glücks- und Turnierritter des 15. Jahrhunderts ist überliefert, dass er sich mit einem Eberhard von Brandenstein ein Rennen lieferte, bei dem beide ohne Helme antraten und jeder einen kleinen Spiegel auf der Tartsche anbrachte. Der Veranstalter wollte das rennen verbieten, doch die beiden sprengten aufeinander los, wobei Brandenstein den rand des Bretts traf, auf dem der Spiegel befestigt war, während Wilwolt von Schaumburg das Spiegelglas auf von Brandensteins Schild traf.

Auf Betreiben maximilian I., der 1485- 90 ein Stechzeug bestellte, wurde wenig später ein eigenes rennzeug hergestellt, das sich in Wien erhalten hat. zusammen mit seinem Hofplattner dachte sich Maximilian einige Spielereien aus. Ein Schleudermechanismus an der Brust warf bei gut geführtem Stoß die Tartsche ab und simulierte deren Abrennen.
 
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