Schweizer Dialekte

Repo

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OT:
Frage ich mich schon lange.
Neuchatel.
Französisch ist dies ja eigentlich nicht, deutsch auch nicht. Es gibt ein Schwyzer-Deutsch, (verstehen wir gerade noch, in den anderen deutschen Gauen keiner) gibt es auch ein Schwyzer-Französisch? (versteht man bis Besancon und in Dole schon nicht mehr?)

Grüße Repo
 
Bin zwar keine Sprachwissenschaftlerin ;) Versuche es aber trotzdem deine Frage zu bantworten:


Neuchatel hier darfst du dies ^Zeichen auf dem a vergessen. Neuchâtel

Nun zum Schweiz-Französisch:

Die Romands in Vaud, Neuchâtel, Genf, Jura und in den zweisprachigen Kantonen Bern, Freiburg und Wallis sprechen in der Regel Schriftfranzösisch als Umgangssprache. Die Ortsmundarten, Patois, in den ländlichen Gebieten sind am Aussterben. Einzig im Jura ist Patois als Freifach in Schulen möglich.

Aus Wikipedia:

Die heute in der Schweiz nahezu ausgestorbenen Dialekte gehören der galloromanischen Sprachgruppe an. Zu letzterem gehören das Frankoprovenzalische, die Langues d'oïl (zu dem auch das Standardfranzösisch gehört) und das Okzitanische.

Während ursprünglich fast in der ganzen Romandie frankoprovenzalisch gesprochen wurde, wurde im nördlichen Kanton Neuenburg, im französischsprachigen Bern und im Kanton Jura ein Dialekt, welcher zur Gruppe der Langues d'oïl gehört, gesprochen.
 
OT:
Frage ich mich schon lange.
Neuchatel.
Französisch ist dies ja eigentlich nicht, deutsch auch nicht. Es gibt ein Schwyzer-Deutsch, (verstehen wir gerade noch, in den anderen deutschen Gauen keiner) gibt es auch ein Schwyzer-Französisch? (versteht man bis Besancon und in Dole schon nicht mehr?)

Grüße Repo

Bist du sicher das du alles im Schwiizer Dütsch verstehst ;)

Da gib es doch grosse Unterschiede.
 
Historisches Lexikon der Schweiz

2 - Französische Schweiz

Die D. oder die Formen des Patois in der franz. Schweiz sind das Resultat eigenständiger Weiterentwicklungen des im jeweiligen Gebiet gesprochenen Lateins. Mit Ausnahme der jurass. D., welche die Franche Comté sprachgeografisch gewissermassen in die Schweiz hinein verlängern und zu der nordfranz. Sprachgruppe, der Langue d'oïl, gehören, zählen sie zum Frankoprovenzalischen, einer rom. Sprache, die zwar dem Französischen nahe verwandt ist, sich aber doch von diesem unterscheidet. Der frankoprovenzal. Mundartraum erstreckt sich längs der alpinen Transitrouten zwischen dem Aostatal und Lyon. In der Schweiz umfasst er die - in Bezug auf die sprachl. Entwicklung gesehen - konservativsten Gebiete des Galloromanischen überhaupt: In D.n des Mittelwallis erhielten sich die lat. Qualität der Auslautvokale (andernorts wurde das lat. zum [y]) und teilweise, wie im Altfranzösischen, auch Reste der Deklination im Zweikasussystem.

Die Dialekte der franz. Schweiz unterscheiden sich infolge unterschiedlicher Entwicklungen erheblich voneinander, weshalb sie häufig ausserhalb des eigenen Verbreitungsgebiets nicht mehr verstanden werden. Diese Aufsplitterung, die auf das Fehlen von Normen, einer schriftl. Tradition und jeglicher übergreifenden Instanz zurückzuführen ist, hat wiederum wesentlich zum Bedeutungsverlust und schliesslich zum Aussterben der D. in weiten Teilen der franz. Schweiz im 20. Jh. beigetragen. Dabei spielte allerdings auch das Verbot der D. in der Schule eine Rolle, das seit Beginn des 19. Jh. besteht. In den wenigen Gebieten, in denen noch Dialekt gesprochen wird (Ende des 20. Jh. im Wallis 6,3% der Bevölkerung, in Freiburg 3,9%, im Jura 3,1%), werden die lokalen und regionalen Sprachtraditionen heute nicht mehr automatisch von einer Generation an die nächste weiter gegeben; eine Ausnahme bildet diesbezüglich die Walliser Gem. Evolène, in welcher der lokale Dialekt in einigen Familien immer noch tradiert wird.

Die Erhaltung des Patois, die auch in der 1976 redigierten jurass. Verfassung verankert ist, ist das Ziel der Fédération romande et interregionale des patoisants, die nach einer langen, schon 1947 einsetzenden Diskussion 1954 unter dem Namen Conseil des patoisants romands gegründet wurde. Diese Bemühungen und die gelegentl. Versuche, die Mundarten zu unterrichten, reichten aber nicht aus, um die D. zu beleben. Die Forschung begann auf Initiative von Louis Gauchat anfangs des 20. Jh., den reichen Wortschatz der versch. Dialekttraditionen zusammenzutragen. In dem überaus umfangreichen "Glossaire des patois de la Suisse romande", das aus diesen Bemühungen entstand, sind seit 1924 mehr als 5'000 Seiten publiziert worden.

Autor: Andres Kristol / PvC
 
Danke Ursi für die ausführlichen Infos.

Hab mal im Papstpalast in Avignon erlebt, wie der Fremdenführer (hatte allerdings keinen Zahn mehr) einen Herrn, der ihn absolut nicht verstand und laufend nachfragte, frug aus welchem Land des Erdkreises er kommen würde, "och nur aus Paris" war die Antwort.
Was meine Frau mit franz. Diplom wieder beruhigte, sie verstand auch kein Wort.

Grüße Repo

Grüße Repo
 
also da ich selber schweizer bin und auch aus einem so genannten 'zweisprachigen' (*hust*) kanton komme, möchte ich die sache mal etwas genauer erläutern...

also. es ist so, dass sich die dialekte von kilometer zu kilometer unterscheiden können. gravierende unterschiede zwischen den dialekten gibt es auch, von west nach ost, von süd nach nord. (mein dialekt ist einer von zweien, die noch im altgermanischen stadium zurückgeblieben sind, daher versteht mich ein berner (ca. 20 km entfernt) kaum und ein zürcher (ca. 100 km) hat keine chance auch nur ein wort zu verstehen ^^ ). so würden auch hochdeut ssprechende einige dialekte besser verstehen als andere.

beim welschen ist es so, dass es mehr oder weniger mit dem übereinstimmt, welches in frankreich gesprochen wird. je näher man zum röstigraben kommt, desto mehr abweichungen vom frankreich-französisch gibt es (beim deutschen ist es dasselbe. die leute in meiner region fluchen alle nur auf welsch ^^ ). diese unterschiede sind jedoch nur klein, also vereinzelte wörter. es gibt aber noch einige kleine welschsprechende gebiete in der schweiz mit eigenem dialekt, aber die sind wirklich klein.

und nein, neuchatel hat keinen eigenen dialekt und ist vollkommen welsch. wäre mir neu, dass da ein dialekt gesprochen würde...
 
also da ich selber schweizer bin und auch aus einem so genannten 'zweisprachigen' (*hust*) kanton komme, möchte ich die sache mal etwas genauer erläutern...

also. es ist so, dass sich die dialekte von kilometer zu kilometer unterscheiden können. gravierende unterschiede zwischen den dialekten gibt es auch, von west nach ost, von süd nach nord. (mein dialekt ist einer von zweien, die noch im altgermanischen stadium zurückgeblieben sind, daher versteht mich ein berner (ca. 20 km entfernt) kaum und ein zürcher (ca. 100 km) hat keine chance auch nur ein wort zu verstehen ^^ ). so würden auch hochdeut ssprechende einige dialekte besser verstehen als andere.

beim welschen ist es so, dass es mehr oder weniger mit dem übereinstimmt, welches in frankreich gesprochen wird. je näher man zum röstigraben kommt, desto mehr abweichungen vom frankreich-französisch gibt es (beim deutschen ist es dasselbe. die leute in meiner region fluchen alle nur auf welsch ^^ ). diese unterschiede sind jedoch nur klein, also vereinzelte wörter. es gibt aber noch einige kleine welschsprechende gebiete in der schweiz mit eigenem dialekt, aber die sind wirklich klein.

und nein, neuchatel hat keinen eigenen dialekt und ist vollkommen welsch. wäre mir neu, dass da ein dialekt gesprochen würde...

Woher kommst du denn? Und was für ein Dialekt sprichst du?
 
und nein, neuchatel hat keinen eigenen dialekt und ist vollkommen welsch. wäre mir neu, dass da ein dialekt gesprochen würde...

Sie den Artikel aus dem Historischen Lexikon der Schweiz (Beitrag 4)

Auch hier noch nachzulesen: http://hls-dhs-dss.ch/textes/d/D24595-1-2.php

Und hier noch einen Artikel über das Patois Neuchâtelois von der Universität Neuchâtel
http://www2.unine.ch/dialectologie/page9451.html


Was verstehst du unter vollkommen welsch? Ich habe noch nie von der vollkommenen welschen Sprache gehört.
 
Zuletzt bearbeitet:
also ja ich komme aus fribourg, einem von diesen möchtegern zweisprachigen kanton... die verwaltung, post etc ist alles auf welsch, glück,dass es überhaupt deutsche schulen gibt ... ^^

und ich spreche den dazugehörigen senselerdialekt, hier nachzulesen

sehr urchig dieser dialekt....


das mit dem patois stimmt schon, aber wie auch in freiburg ist dieser in neuchatel kaum verbreitet. aber dieses patois ist schrecklich, da versteht man kaum was.

das schweizerische französisch im vergleich mti dem französischen kann man ungefähr vergleichen wie das hochdeutsch aus berlin und das aus münchen... man verstheht einander aber es ist nicht identisch...so ungefähr ^^
 
einem von diesen möchtegern zweisprachigen kanton... die verwaltung, post etc ist alles auf welsch,
"Fort mit dem welschen Gruß Adieu, grüß deutsch Auf Wiedersehen"
Ein Spruch aus den Zeiten den 1. Weltkriegs.
Spass beiseite, in Deutschland ist "welsch" als Bezeichnung für ital. oder franz. total aus dem Sprachgebrauch verschwunden.

Es ist aber auch bei uns im Bereich Schwarzwald/Baar/Schwäbische Alb zu beobachten, dass faktisch in jedem Ort ein leicht unterschiedlicher Dialekt gesprochen wird. Der Kundige erkennt nach 2-3 Sätzen den Herkunftsort ziemlich zuverlässig.
Wobei, 1648 waren weite Landstriche fast entvölkert, und es gibt ganze Dörfer die damals von aus der Schweiz zugezogenen wieder neu besiedelt wurden. Das hat sich bis heute im jeweiligen Dialekt niedergeschlagen.
Im Harz wird auch gejodelt, und denoch verständigen sie sich nicht mittels Grunzlauten, wie die Schweizer
Hat mir ein Anonymus zu einer Bewertung geschrieben.
Auch bei den Familiennamen gibt es in den entsprechenden Gegenden eine Häufung von sonst eher in der Schweiz anzutreffenden.

Grüße Repo
 
das schweizerische französisch im vergleich mti dem französischen kann man ungefähr vergleichen wie das hochdeutsch aus berlin und das aus münchen... man verstheht einander aber es ist nicht identisch...so ungefähr ^^

In der Schule lernt man ein Französisch wo in Lausanne und in Paris verstanden wird. So wie man Deutsch lernt, damit man auch ein Buch lesen oder hier im Forum schreiben kann. Kannst das ganze ja als Standartsprache anschauen.

Die verschiedenen französischen Dialekte unterscheiden sich in Frankreich wie auch in der Schweiz.

ursi schrieb:
Was verstehst du unter vollkommen welsch? Ich habe noch nie von der vollkommenen welschen Sprache gehört.

Kannst du mir bitte noch diese Frage beantworten?
 
also das vollkommen welsche, das du vermutlich meinst, ist einfach die standartsprache, also im deutschen wäre es das hochdeutsch, das wir jetzt benutzen. in der welschschschweiz spricht man ein welsch, das leicht anders ist, vermutlich wegen der nähe zum deutschsprachigen raum.

konkret heisst das, dass man, je näher man zum röstigraben kommt, mehr fremdsprachige wörter benutzt. das sieht man im deutschen wie auch im welschen. so flucht man hier bei uns meist auf welsch, während die welschen viele wörter benutzen, die vom deutschen abgeleitet werden.

ich hoffe das ist einigermassen verständlich geschrieben ;-)
 
also das vollkommen welsche, das du vermutlich meinst, ist einfach die standartsprache, also im deutschen wäre es das hochdeutsch, das wir jetzt benutzen. in der welschschschweiz spricht man ein welsch, das leicht anders ist, vermutlich wegen der nähe zum deutschsprachigen raum.

Also entschuldige bitte, aber ich lernte ich der Schule Französisch und Deutsch und nicht welsch. Dem sagt man auch Standartsprache

konkret heisst das, dass man, je näher man zum röstigraben kommt, mehr fremdsprachige wörter benutzt. das sieht man im deutschen wie auch im welschen. so flucht man hier bei uns meist auf welsch, während die welschen viele wörter benutzen, die vom deutschen abgeleitet werden.

was sind den welsche Fluchwörter? (du darfst sie ausnahmsweise mal hier reinschreiben).

Und was für Wörter werden dann benutzt?

ich hoffe das ist einigermassen verständlich geschrieben ;-)

Nein für mich nicht.
 
Bei Welsch als eigener Sprache (eben weil welsch neben Italienisch manchmal auch Französisch meinte) fällt mir noch am ehesten Rotwelsch ein. In der Sprache gab es, glaube ich auch Flüche. Diese Sprache fand ja gerade im Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Sprache Eingang (siehe "Hortus Bellicus" von Herbert Langer).
 
Die Dialekte oder die Formen des Patois in der französicher Schweiz sind das Resultat eigenständiger Weiterentwicklungen des im jeweiligen Gebiet gesprochenen Lateins . Mit Ausnahme der jurassischem Dialekt, welche die Franche Comté sprachgeografisch gewissermassen in die Schweiz hinein verlängern und zu der nordfranzösichen Sprachgruppe, der Langue d'oïl, gehören, zählen sie zum Frankoprovenzalischen, einer romanischen Sprache, die zwar dem Französischen nahe verwandt ist, sich aber doch von diesem unterscheidet. Der frankoprovenzal. Mundartraum erstreckt sich längs der alpinen Transitrouten zwischen dem Aostatal und Lyon. In der Schweiz umfasst er die - in Bezug auf die sprachl. Entwicklung gesehen - konservativsten Gebiete des Galloromanischen überhaupt: In D.n des Mittelwallis erhielten sich die lat. Qualität der Auslautvokale (andernorts wurde das lat. zum [y]) und teilweise, wie im Altfranzösischen, auch Reste der Deklination im Zweikasussystem.

Die Dialekte der französischen Schweiz unterscheiden sich infolge unterschiedlicher Entwicklungen erheblich voneinander, weshalb sie häufig ausserhalb des eigenen Verbreitungsgebiets nicht mehr verstanden werden. Diese Aufsplitterung, die auf das Fehlen von Normen, einer schriftl. Tradition und jeglicher übergreifenden Instanz zurückzuführen ist, hat wiederum wesentlich zum Bedeutungsverlust und schliesslich zum Aussterben der Dialekte in weiten Teilen der französischen Schweiz im 20. Jh. beigetragen. Dabei spielte allerdings auch das Verbot der Dialekte in der Schule eine Rolle, das seit Beginn des 19. Jh. besteht. In den wenigen Gebieten, in denen noch Dialekt gesprochen wird (Ende des 20. Jh. im Wallis 6,3% der Bevölkerung, in Freiburg 3,9%, im Jura 3,1%), werden die lokalen und regionalen Sprachtraditionen heute nicht mehr automatisch von einer Generation an die nächste weiter gegeben; eine Ausnahme bildet diesbezüglich die Walliser Gem. Evolène, in welcher der lokale Dialekt in einigen Familien immer noch tradiert wird.

Die Erhaltung des Patois, die auch in der 1976 redigierten jurass. Verfassung verankert ist, ist das Ziel der Fédération romande et interregionale des patoisants, die nach einer langen, schon 1947 einsetzenden Diskussion 1954 unter dem Namen Conseil des patoisants romands gegründet wurde. Diese Bemühungen und die gelegentl. Versuche, die Mundarten zu unterrichten, reichten aber nicht aus, um die D. zu beleben. Die Forschung begann auf Initiative von Louis Gauchat anfangs des 20. Jh., den reichen Wortschatz der versch. Dialekttraditionen zusammenzutragen. In dem überaus umfangreichen "Glossaire des patois de la Suisse romande", das aus diesen Bemühungen entstand, sind seit 1924 mehr als 5'000 Seiten publiziert worden.

In der Westschweiz entwickelte sich nie eine eigentl. Schrifttradition auf der Grundlage der angestammten Dialekte; diese wurden immer hauptsächlich mündlich gebraucht. Im MA (13.-15. Jh.) richteten sich die in der Volkssprache abgefassten Verwaltungstexte in Freiburg, Neuenburg, Genf und im Jura nach den Sprachmodellen der kulturellen Zentren im benachbarten Frankreich (Dijon, Lyon), doch wiesen sie auch einige lokale Eigentümlichkeiten auf (Scripta "para-francoprovençale"). Bern liess die amtl. Texte, die für seine Untertanen im Waadtland bestimmt waren, ins F.e übersetzen. Im Wallis wurden die Schriftstücke der Rechtspflege und teilweise auch der Verwaltung bis zur Franz. Revolution lateinisch verfasst. Ab dem 16. Jh. entstanden sporadisch Texte in Frankoprovenzalisch (Dialektliteratur ). Abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen ist die gesamte Westschweizer Literatur seit ihren Anfängen (Otto III. von Grandson) in franz. Sprache gehalten. Mit ein Grund für diese Entwicklung war die Reformation, da Calvins Wirken namhafte franz. Humanisten und Drucker nach Genf zog.

Wie in den meisten französischsprachigen Gebieten verbreitete sich das Französische auch in der Westschweiz auf schriftl. Weg; die Kenntnis der Sprache musste durch bewusstes Lernen mit Hilfe von Büchern erworben werden. Bevor das Französisch sich als Sprache für die spontane Konversation durchsetzte, wurde es v.a. beim lauten Vorlesen verwendet. Die während der Reformation entstandene Schultradition in den ref. Kantonen trug dazu bei, dass man auch in den benachbarten Ländern Genf, Neuenburg und Lausanne als Zentren der francité wahrnahm, in denen ein gepflegtes F. gesprochen werde. Der Französischunterricht für Ausländer erlangte grosse Bedeutung, und im 19. Jh. beschäftigten viele vornehme Familien in Europa Genfer, Waadtländer und Neuenburger Gouvernanten.

Ständig bemüht um eine möglichst prestigeträchtige Sprache, sind die Westschweizer Intellektuellen stets darauf bedacht, die Reinheit des F.en zu bewahren. Der Kult des "guten" F. hat in der Westschweiz eine lange Tradition. In sprachpurist. Schriften, die in der ersten Hälfte des 20. Jh. in der Westschweizer Presse veröffentlicht wurden, tritt eine heftige Deutschfeindlichkeit zutage. Westschweizer Puristen kämpften mit allen Mitteln gegen echte und vermeintl. Germanismen und postultieren eine idealisierte Hochsprache, die sich allein am F. der Hauptstadt Paris orientiert. Gegenüber Regionalismen nahmen sie eine zwiespältige, manchmal unverhohlen feindl. Haltung ein, wobei sie im Mundartgebrauch - zu Unrecht - eine Bedrohung der sprachl. Reinheit sahen. Diese Sprachpolitik erweckte bei vielen Romands, die überzeugt waren, nicht das "richtige" F. zu sprechen, Schuldgefühle. Zudem verknappte sie die Ressourcen, aus denen sich die Weiterentwicklung der Sprache speist: Mit dem volksnahen, dem spontanen mündlichen Gebrauch entlehnten Sprachgut liess sich die Alltagswirklichkeit in mancherlei Hinsicht besser zum Ausdruck bringen als mit dem abgehobenen "Buchfranzösisch", das oft als die einzig "gute" Sprache galt.

Regionalfranzösisch: Besonderheiten und Funktionen

Die langen Traditionen der Schriftsprache und der eigenständigen schul. Vermittlung erklären, weshalb sich in der Westschweiz einige vom Standardfranzösisch der Hauptstadt abweichende Archaismen erhalten haben. Die Bezeichnungen der drei Tagesmahlzeiten, déjeuner (Frühstück), dîner (Mittagessen) und souper (Abendessen), entsprechen dem Sprachgebrauch in Frankreich bis Anfang des 19. Jh. In der Aussprache sind die verlängerten Schlussvokale in Wörtern wie "journée" oder "amie", wie sie in der gepflegten Aussprache des Pariser F.en bis ins 18. Jh. üblich waren, teilweise gebräuchlich geblieben. Selbst der scheinbare Germanismus il a aidé à sa mère statt il a aidé sa mère (er half seiner Mutter) erweist sich bei genauerem Hinsehen als ein durch den Kontakt mit dem Deutschen gestärktes Relikt des alten Hochfranzösischen.

Der Gebrauch der franz. Sprache in der Westschweiz zog viele Anpassungen an die örtl. Verhältnisse nach sich. Helvetismen wie votation (Abstimmung) oder bourgeoisie (Bürgergemeinde) bezeichnen Phänomene aus dem polit. Leben, die in Frankreich so nicht vorkommen. Dies gilt auch für einige Germanismen wie les Neinsager. Der Ausdruck numéro postal (Postleitzahl) wurde in der Schweiz schon benutzt, bevor Frankreich, sich über den Sprachgebrauch in der übrigen Frankofonie hinwegsetzend, den Begriff code postal einführte. Erst seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. werden auch schweiz., belg. und kanad. Ausdrücke in die franz. Wörterbücher aufgenommen.

Ursprünglich war F. der Soziolekt der Pariser Oberschicht. Um die kommunikativen Bedürfnisse der diversen französischsprachigen Bevölkerungsgruppen abzudecken, musste diese Sprache in grossem Umfang Entlehnungen bei Dialekten und Regionalsprachen machen. Die meisten Ausdrücke für Phänomene aus den alpinen Regionen wie luge (Schlitten), varappe (Klettern), moraine (Moräne), névé (Firn), sérac (Eiszacken) und avalanche (Lawine) stammen beispielsweise aus dem Frankoprovenzalischen, aus Savoyen oder aus der Westschweiz. Einige gelangten über Rousseau in die Sprache der franz. Literatur. Die angestammten Mundarten erlaubten die präzise Beschreibung und Bezeichnung der materiellen Welt. Dieser Vorzug ist bis zu einem gewissen Grad auf das Regionalfranzösische übergegangen, das eine Ergänzung zur Hochsprache bildet. Solange regionale Besonderheiten wie carnotzet (Weinstübchen), raccard (Speicher) und bisse (Wasserkanal) im Wallis, armailli (Senn) im Greyerzerland und taillaule (spezielles Hefegebäck) in Neuenburg existieren, sind auch die entsprechenden Bezeichnungen notwendig.

Neben seiner Hauptaufgabe, eben dem Bezeichnen regionaler Besonder- und Begebenheiten, hat das Regionalfranzösische auch eine identitätsstiftende und symbol. Funktion. Diese ist der Grund, weshalb in der Westschweiz hartnäckig an einigen Ausdrücken festgehalten wird, für die es im Standardfranzösischen exakte Entsprechungen gibt: galetas statt grenier (Estrich), pive statt cône du sapin (Tannzapfen) usw. Häufig wird quatre-vingts statthuitante verwendet, während sich septante und nonante neben soixante-dix und quatre-vingt-dix behaupten. Die Möglichkeit der Abgrenzung erklärt auch die liebevolle Pflege der zwischen den einzelnen Westschweizer Kantonen bestehenden sprachl. Unterschiede. Durch das Verschwinden der Dialekte verliert das Regionalfranzösische allerdings zunehmend den Nährboden. Dementsprechend lässt sich im Sprachgebrauch der Westschweizer Jugendlichen eine Abneigung gegen regionale Ausdrücke und das Auftreten von - häufig dem Englischen entlehnten - Wörtern und Wendungen aus der jeweils gerade angesagten Trendsprache beobachten.


Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz
 
@ Brissotin
Bei "welsch" als eigener Sprache fällt mir noch am ehesten Rotwelsch ein.


Das hat aber nur ganz wenige Anleihen aus den romanischen Sprachen, die meisten Vokabeln stammen aus dem Jiddischen, Satzbau und Grammatik entsprechen Deutsch. Oft sind das, wie bei modernen Anglizismen, aneinandergekoppelte termini technici: z.B. Gleistrmpelmarodepink= Veterinär (Gleistrampel=Kuh, pink= Mann). Eigentlich war das Rotwelsch auch keine richtige Sprache, das Vokabular beschränkt sich auf nicht viel mehr als 1000 Vokabeln. Für Dinge, die es in der Lebenswirklichkeit der Gauner und Vaganten nicht gab, existierten auch keine eigenen Begriffe, dafür gab es gut ein Dutzend Vokabeln für verschiedene Arten des Diebstahls. Die Bedeutung des Rotwelschs läßt sich noch an vielen Begriffen der heutigen Umgangs- und Vulgärsprache ablesen: Kittchen, Kies, Schickse, Ische, Fotze, schwindeln, piesacken, ficken, link, betucht, angeschickert, doof, marode, im Tran sein.
 
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Das hat aber nur ganz wenige Anleihen aus den romanischen Sprachen, die meisten Vokabeln stammen aus dem Jiddischen, Satzbau und Grammatik entsprechen Deutsch.
Obgleich welsch natürlich mit den zwei genannten romanischen Sprachen in Verbindung gebracht wird, darf man auch nie das Mitschwingen der Bedeutung fremd einfach dazu vergessen, finde ich.
 
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