Mentalität der 80er Jahre in der BRD

Ashigaru

Premiummitglied
Da ich in den 80er Jahren aufgewachsen bin, beschäftigt mich das Thema sehr. Ich finde, die bundesdeutsche Gesellschaft hat sich seit dieser Zeit stark verändert, was natürlich vor allem mit der Wende 89/90 zu tun hat. Neulich kam im Fernsehen der Film "Am Tag als Bobby Ewing starb" über eine Kommune in Norddeutschland im Jahr von Tschernobyl. Obwohl er mir nicht soo gut gefallen hat, fand ich die Gesellschaft jener Zeit dort gut porträtiert. Bald kommt wieder ein Film in die Kinos - "Die Wolke" - nach einem 80er-Jugendbuch-Klassiker, der m.E. ebenfalls sehr typisch für dieses Jahrzehnt ist. Mich würde sehr eure Meinung zu diesem Thema interessieren. Hier einige meiner Überlegung:

- ich denke, dass damals ein tief verwurzelter Pessimismus eingehend mit Ängsten vor apokalyptischen Bedrohungen einherging, Schlagworte "Dritter Weltkrieg - Umweltzerstörung - Atomare Vernichtung durch Super-GAUs bzw. Atombomben". Ich erinnere mich an viele sehr ernste Jugendbücher bzw. Filme (als Bücher z.B. "Nach dem großen Glitsch" oder halt "Die Wolke" oder auch "Momo"), in denen solche Zivilisationsängste beschworen wurden, oder an zahlreiche Bücher meiner Eltern, in denen vorgerechnet wurde, dass unsere Rohstoffe nur noch 10 - 20 Jahre reichen oder über das Waldsterben etc.
Heute geht es vielen schlechter, aber dennoch besteht m.E. nicht diese Angst vor dem Weltuntergang. Die damalige Haltung drückt sich natürlich gut im "No Future"-Spruch aus und wurde genährt durch tatsächliche Zivilisations-Katastrophen wie Tschernobyl.


- vielleicht auch aus meinem persönlichen Umfeld hatte ich den Eindruck, dass die Zeit sehr "links" war. Es gab z.T. riesige Demonstrationen wie gg. den Nato-Doppelbeschluss, oder die ganzen Ostermärsche. Andererseits ging es nicht mehr so stark darum, den Staat umzustürzen, sondern viele "Kinder" der 68er waren im Berufsleben angekommen und versuchten ihre Lebenswelt durch eine Vielzahl von Projekten zu verbessern - ich denke z.B an die Drittweltläden, in dieser Zeit kamen auch zumindest bei uns in der Region die ersten Biobauernhöfe auf, es gab viele besetzte Häuser und andere alternative Projekte. Auch die Leute im allgemeinen empfinde ich als etwas politischer, man interessierte sich viel dafür, was in der dritten Welt passierte, die Bilder von RAF-Terroristen hingen in jeder Bank. Ich denke, dass dieses Interesse nach der Wende absank (die, das darf man nicht vergessen, viele Politiker in der Opposition zunächst einmal enttäuschte).

- trotz allem hatten die 80er, in denen es den Bürgern doch relativ gut ging, auch etwas rückschrittliches und technologiefeindliches. Anders als in den USA oder Japan waren z.B. Computerspiele ein wenig verpönt, in entsprechende Spielhallen gingen nur schattige Subjekte (was dann auch tatsächlich der Fall war). Aus meiner Kindheit erinnere ich mich, dass häufig vor den Gefahren des Fernsehens gewarnt wurde und Überlegungen darüber, was Kinder sehen durften (was freilich auch heute noch gilt).

- obwohl die Leute wahrscheinlich netto mehr Geld verdienten, war in gewissen Bereichen der Lebensstandard noch einfacher. Es gab noch nicht so häufig die Zweit- und Drittwagen in den Familien, auch Multimedia-Technik im Allgemeinen wie Computer (die viel teurer waren), Video und CD-Player waren noch nicht so stark verbreitet, obwohl sie verfügbar waren.

Das erst mal als Anfang. Diese Eindrücke sind auf jeden Fall subjektiv gefärbt, einfach meine Gedanken dazu. Mich interessierte eure Antwort: habt ihr ähnliches erlebt? oder liege ich da völlig falsch? Ich hoffe, dass auch andere dieses Thema interessant finden.
 
Hallo Ashigaru,

ein sehr interessantes Thema, das wohl viele ansprechen dürfte.

Ein paar Fragmente von meiner Seite (denn eine abschließende Stellungnahme würde Bände füllen):

* Anfang der 80er kam die "Neue Deutsche Welle", kurz NDW. Ich habe damals an einem der Brennpunkte des Geschehens gelebt und alles haunah mitbekommen. Es war einfach irre, was da musikmäßig abging! Aber leider ging es der NDW ähnlich wie schon ihren Vorgängern, angefangen von R&R, Elvis bis hin zu den Stones oder anderen Supergroups: Wenn der Kommerz das Thema entdeckt hat, ist die Luft raus, dann geht es abwärts...

* 1984 wurde in den Medien als "Orwell-Jahr" mit düsteren Farben angekündigt. Ich sehe das heute als versuchte künstliche Massenpsychose, denn 1984 war auch nicht anders als 1983 oder 1985.

* 1986 begann mit 2 Katastrophen: Die Explosion der Challenger und natürlich Tschernobyl. Das hat sich sehr dämpfend auf das Empfinden ausgewirkt. Und die Atomkraftgegner (Stichwort "Gorleben") waren bestärkt in ihrer Meinung: Atomkraft - nein Danke!

* Dieser Slogan war einer der meistverbreiteten Aufkleber jener Jahre. Der andere kam vom anderen politischen Spektrum, von der Bild-Zeitung und lautete: "Ein Herz für Kinder".

* Dann wurde in Deutschland das Privat-TV eingeführt, vorher gab es nur öffentlich-rechtlich. Seitdem werden Filme von Werbung unterbrochen. Damals war der große Aufreger eine Show namens "Tutti-Frutti" wo man spärliche Frauen zu sehen bekam. Ein Skandal! Die Kritiker befürchteten durch das Privatfernsehen eine Niveau-Absenkung im deutschen TV und eine allgemeine Verdummung weiter Schichten des Volkes. (Ob sie recht hatten möge jeder selbst entscheiden...)

* Dadurch, dass der brav-bieder Helmut Kohl (für den sich bald der Spitzname "Birne" gefunden hatte) Deutschland regierte, führte zwangsläufig zu einer Hinwendung nach Links. Vor allem, wenn man Kohl mit seinem Vorgänger Schmidt verglich...

* Ab Mitte der 80er verbreiteten sich CD-Spieler und Videorekorder, wobei letztere eher zögernd angeschafft wurden, da man erst abwarten wollte, welches der 3 auf dem Markt befindlichen Systeme (Betamax, Video2000, VHS) sich durchsetzte.

* Und Ende der 80er gab es durch die Umbrüche in Mittel- und Osteuropa eine unbeschreibliche Aufbruchstimmung. Ich habe noch ein paar Zeitungen aus der Zeit des Mauerfalls, man ist heute ganz gerührt, wenn man die liest...

Ja, soweit einige Splitter aus meinem Schatzkästlein der Erinnerung ... :rolleyes:


Grüße,

Jacobum
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Jacobum, ich komme leider nicht umhin, gleich darauf zu antworten...
:rofl:
* Anfang der 80er kam die "Neue Deutsche Welle", kurz NDW...
Schätze, du bist ein paar Jahre älter als ich, denn mit der Musik kam ich damals kaum in Berührung, hatte mich aber auch noch nicht so interessiert. Ich würde die "NDW" nicht durchgängig, aber doch ein wenig als Gegenentwurf, auf dieses ernste, sehr politische sehen, wie es bei Rockbands wie "Ton Steine Scherben" angesagt war. Wenn man an Gruppen wie Trio, Andreas Dorau oder Geier Sturzflug denkt, die ja auch ein wenig "sinnlose" Songs hatten.

* 1984 wurde in den Medien als "Orwell-Jahr" mit düsteren Farben angekündigt. Ich sehe das heute als versuchte künstliche Massenpsychose, denn 1984 war auch nicht anders als 1983 oder 1985.

* 1986 begann mit 2 Katastrophen: Die Explosion der Challenger und natürlich Tschernobyl. Das hat sich sehr dämpfend auf das Empfinden ausgewirkt. Und die Atomkraftgegner (Stichwort "Gorleben") waren bestärkt in ihrer Meinung: Atomkraft - nein Danke!

Das finde ich halt das Interessante: diese düstere Stimmung durchzieht schon die frühen 80er, aber dann traten tatsächlich Ereignisse ein, die die bösen Vorahnungen zu bestätigen schienen.

* Dann wurde in Deutschland das Privat-TV eingeführt...

Ja, das seh ich auch als bedeutend an. Wobei wir (als Alt-68er-Familie) jahrelang keinen Fernseher hatten und ich erst ab 91' in den "Genuss" von Sat 1 & Co. kam...

Dadurch, dass der brav-bieder Helmut Kohl (für den sich bald der Spitzname "Birne" gefunden hatte) Deutschland regierte...

Bieder ja, aber brav? Wenn man ihn heute in Interviews sieht (was ich immer sehr interessant finde, obwohl er nun nicht mein Lieblinspolitiker ist), hat man den Eindruck, dass er die CDU sehr gut und fest in Griff hatte und sich immer wieder gegen innerparteiliche Konkurrenten durchsetzte. Obwohl, Außendarstellung... Urlaub am Wolfgangsee etc., da hast du vermutlich recht.

Und Ende der 80er gab es durch die Umbrüche in Mittel- und Osteuropa eine unbeschreibliche Aufbruchstimmung. Ich habe noch ein paar Zeitungen aus der Zeit des Mauerfalls, man ist heute ganz gerührt, wenn man die liest...

Da der Großteil meiner Verwandten in der DDR lebte, erinnere ich mich auch daran noch gut. Wir besuchten uns ständig gegenseitig und ich finde die Stimmung von damals, obwohl ich erst elf war, unbeschreiblich. Im nächsten Jahr war Deutschland Fußballweltmeister, auch das hatte mich damals total begeistert! Gleichzeitig markierte diese Zeit aber auch ein wenig das Ende der Lebenswelt, wie ich sie in meiner Kindheit kannte. Ich denke manchmal, die BRD wurde durch die Wende im positiven wie im negativen Sinne aus dem Dornröschenschlaf gerissen.
 
Die Technologie Feindlichkeit (bzw. Rückständigkeit) ist für mich auch irgendwie Typisch 80er Jahre (ich selbst bin Jahrgang 80). Während man in den USA und Japan schon begann die Kinder an den Schulen mit der neuen Technik vertraut zu machen, dauerte dies in Deutschland noch weit bis in die 90er Jahre. Stattdessen gab es Tannenzapfen aufsammeln im Stadtpark, das ist zwar romantisch aber nicht unbedingt förderlich. Aber was sollte man uns auch beibringen? Wir würden doch eh alle in einen Atompilz verglühen.

Einer meiner Lieblingsfilme zu dem Thema ist Wargames, auf der einen Seite typische 80er Jahre Technologie Angst/Feindlichkeit, auf der andern Seite...der Junge hatte einen Computer mit dem er sich ins Pentagon einhacken konnte. ;)

Ich muss dabei aber auch an die ganzen Deutschen Behörden denken die ja mehr als langsam arbeiteten was Informationstechnik anging...damit meine ich die damalige Bundespost. "Guten Tag, sie haben die Wahl zwischen einem grauen und eine beigen Telefon, gegen Aufpreis auch mit Tastenfeld statt mit Wählscheibe"

Obwohl...wir hatten schon einen Mirkowelle, C64, Video2000 und sogar nen VHS. Allerdings wurde das aus dem Verwandtenkreis schon Kritisiert.

Was meiner Meinung nach VIEL zerstört hat war das Privatfernsehen! Die Leute haben sich halt nach Feierabend noch mit mehr beschäftigt als vor der Flimmerkiste zu sitzen, ob nun man sich nun zum Öko-Stammtisch oder zum Computer Basteln traff. Ich erinnere mich noch das man ja angestrengt diskutierte wieviel TV in der Woche für Kinder gut ist. Ich selber habe schon eine Menge TV gesehen, aber das auch meistens Samstags und Sonntags morgens. Heute gibt es 3-4 Sender NUR für Kinder!

(und ohne Fernsehen währe wohl nie dank "Es war einmal..." mein Interesse an Geschichte geweckt worden)

obwohl die Leute wahrscheinlich netto mehr Geld verdienten, war in gewissen Bereichen der Lebensstandard noch einfacher. Es gab noch nicht so häufig die Zweit- und Drittwagen in den Familien, auch Multimedia-Technik im Allgemeinen wie Computer (die viel teurer waren), Video und CD-Player waren noch nicht so stark verbreitet, obwohl sie verfügbar waren.

Wahrscheinlich weil man bei den Menschen noch nicht so ein "Bedarfsgefühl" für solche Produkte wecken konnte. Heute rennen die Leute jedes halbe Jahr los um sich das aktuellste Handy zu kaufen. "Uhh...jetzt mit 3Megapixel Kamera statt nur 2.5!" :p

Zur Politik...ich denke mal das dürfte daran gelegen haben das es ja noch Zwei konkurrierende Systeme gab. Und die nicht unbegründete Angst vor einen Krieg. Daher auch ein größeres Interesse der Menschen (minus Privat Fernsehen)
 
Ashigaru schrieb:
Hallo Jacobum, ich komme leider nicht umhin, gleich darauf zu antworten... .

Wieso denn "leider", ist doch gut so.

Schätze, du bist ein paar Jahre älter als ich
Stimmt, ich habe in den 80ern geheiratet und wurde ein paar mal Vater. Auch ein Grund, warum mir dieses Jahrzehnt persönlich was gebracht hat.

Wobei wir (als Alt-68er-Familie) jahrelang keinen Fernseher hatten und ich erst ab 91' in den "Genuss" von Sat 1 & Co. kam...
Haben wir bei unseren Kindern auch gemacht: Vor der Einschulung kein TV.

Bieder ja, aber brav? Wenn man ihn heute in Interviews sieht (was ich immer sehr interessant finde, obwohl er nun nicht mein Lieblinspolitiker ist), hat man den Eindruck, dass er die CDU sehr gut und fest in Griff hatte und sich immer wieder gegen innerparteiliche Konkurrenten durchsetzte. Obwohl, Außendarstellung... Urlaub am Wolfgangsee etc., da hast du vermutlich recht.

Heute wird Kohl natürlich ganz anders gesehen als in den 80ern. Wie gesagt ggü. Schmidt wirkte er damals wie der Langweiler in Person. Strickweste, Wolfgangsee, Pfälzer Saumagen... das sind nur einige Stichworte.
Dass er 1989/90 als gewiefter und eiskalter Taktiker die deutsche Einheit gegen z.T. erbitterten Widerstand im In- und Ausland erwirkt hat, konnte damals keiner voraussehen.

Ach ja , noch ein Punkt fällt mir gerade ein:

* Computer kamen in den 80ern in die Läden. Manch einer war von der Technik fasziniert, konnte aber auf die Frage, was man mit einem so teuren Gerät anstellen sollte, keine Antwort geben. Ein Bekannter hat sich damals wagemutig einen C-64 gekauft und war ganz stolz darauf, dass er in wochenlanger Programmierarbeit eine Liste seiner rund hundert Bücher in den Computer eingegeben hat, die man dann alphabetisch geordnet sowohl nach Autoren als auch nach Buchtiteln auf dem zentnerschweren Röhrenmonitor betrachten konnte.:rofl:

Grüße,

Jacobum
 
Ach ja, die 8oer! Das war mich die lange Zeit der Kohlrestauration. "Ein Lächeln breitete sich über das Land", sang Herbert Grönemeyer. Überhaupt Musik, das meiste Zeug war ja grottenschlecht. Die Neue Deutsche Welle, das kam auf, als ich so 14 oder 15 war. An Duran Duran und Boy George erinnere ich mich noch heute lebhaft, 1983 Schüleraustausch in Romsey, Südengland. Das spielten sie dauernd, als wir uns auf die Dorfschlampen konzentrierten. Und dann natürlich die Videoclips Tina Turner und Madonna und Jacko und Udo Lindenberg und Rio Reiser "Sonderzug nach Pankow" und "König von Deutschland"lang lang ist´s her. Die 80er, das war aber auch die Zeit der Ostermärsche und Natodoppelbeschlüsse, der Hüttendörfer. Der Gewissensteste! Die beliebteste Frage lautete "was würden sie tun, wenn sie im Park mit ihrer Freundin von ein paar Russen überfallen werden". Dann denke ich auch an Startbahn West und Brockdorf und Gorleben. Günther Wallraff war damals als Türke Ali und Gutmensch noch "Ganz unten" und nicht als Stasizuträger unten durch. Boris Becker war immer für einen guten Nachmittag gut, bei ihm freute man sich auf den dritten Satz, bei Kohl war das nicht der Fall. Ach ja und der gute alte Ronny Reagan! Er träumte von SDI und vom Krieg im Weltraum. Er bescherte uns viele Pershings, über seinen Bitburgbesuch waren wir alten Naiven not amused. Ein Hoffnungsträger war Gorbatschows Glasnost und Perestroika. Tschernobil gab einen kleinen Vorgeschmack auf die atomare Katastrophe. Die neue Partydroge war Kokain und die neue Seuche Aids, damals war das aber noch weit weg, man hielt das damals noch für so eine Art Strafe Gottes für unsittlichen Lebenswandel, es erwischt ja auch immer die anderen. Und dann sah ich auf BBC, ich war damals in Irland, wie die Mauer fiel. Mit Trabikolonnen und Begrüßungsgeld gingen dann die 80er in einer Einheitsbesoffenheit zu Ende.
Dann kamen die 90er, und die alte BRD ergriff Goldgräberstimmung beim Anblick des herrlichen Beuteguts aus der Konkursmasse des Ostblocks. All die schönen Zigaretten, Carl Zeiss Zena Gläser und Makarovpistolen zum Spottpreis! Statt der immer beschworenen "Flut aus dem Osten" in Form der Roten Armee sorgten viel mehr die "Nataschas" für Furore.
 
Oh Gott!!! Ich bin noch damit beschäftigt, dieses Jahrzehnt geistig zu verdrängen,..und jetzt taucht es HIER auf! Das Grauen der Schwarzwaldklink und des DenverClans klingen noch nach!!!
 
...Das Grauen der Schwarzwaldklink und des DenverClans klingen noch nach!!!
Ja! Genau! Und Dallas! Fürchterlich, wie diese "armen Reichen" (ich bezeichne sowas heute als "Geldsäcke") dargestellt wurden. Ich komme ja zwar aus dem Osten, aber über das Westfernsehen (das ich fast ausschließlich sah - Ostprogramme dagegen fast nie!) war man ja gut informiert. Anfang der 80er war ich 14/15 Jahre alt, da kam die NDW - aber ich mochte diese Musikrichtung überhaupt nicht - außer NENA! Die finde ich heute noch gut! Aber sonst war die Musik der 80er wirklich Super - nicht umsonst wird sie heute ständig gekopiert.
Auch Anfang der 80er ging die Regierungszeit von Helmut Schmidt zuende - ich kann mich noch gut daran erinnern, daß sogar die Kommunisten uns darüber informierten, daß nun die CDU an die Regierung kam und man bereitete uns darauf vor, daß die politische Situation nun wohl schwieriger werden würde.
Dieser Regierungswechsel hatte - nach meiner Erinnerung - mit der Weltwirtschaftskriese zu tun, die zur gleichen Zeit tobte, wobei viele Firmen pleite gingen. Die Arbeitslosigkeit stieg dabei ins Unermeßliche - ich glaube mich daran erinnern zu können - von unter 1 Mill. - Ende der 70er - bis auf über 2,5 Mill. - Anfang der 80er.
Über die Mentalität in der BRD halte ich mich lieber ein wenig heraus. Es wurde ja auch schon vieles aufgezählt, woran ich mich auch noch gut erinnere.
Hat jemand Gorbatschow eigentlich schon erwähnt? Er war doch der große Hoffnungsträger - hüben wie drüben.
Ich ging in den 80ern in die Schule (bis 1985), machte dann meine Lehre (1985-1987) und ging dann in dem erlernten Beruf arbeiten. 1989 kam dann die Wende und in dieser Zeit lebte ich dann auf und wurde auch politisch aktiv.
Zum Mauerfall habe ich in einem anderen Pfad schon was geschrieben - hier nachzulesen (der paßt hier auch wirklich gut mit rein) - aber ich hatte wärend und nach der Wendezeit den Eindruck, daß einige Bürger im Westen die Veränderungen und die Einheit eher weniger begrüßt haben, weil alles teurer wurde oder auch wegen anderer Befindlichkeiten.
:nono:
 
Daß die 80ér eher links waren (insbesondere in der Jugend), läßt sich wohl
so sagen, meines erachtens nach aber auch erheblich weniger tolerant
gegenüber Andersdenkenden ... was einem aber auch schöne Anlässe zum Provozieren gab!
Ich beklebte mit Vorliebe meinen Schulkoffer mit Aufklebern wie "black is beautiful - Junge Union" oder "auch nachts hellwach - Bundeswehr".
Die darauffolgenden Auseinandersetzungen drohten des öfteren die verbale Ebene zu verlassen ( ... "mach das ab" ... "versuchs doch abzumachen" ...),und nur mein durch die Nebenarbeit in der Fischerei bereits damals recht breites Kreuz bewahrte mich des öfteren vor schlagkräftigen Gegenargumenten!
 
Ja, das stimmt! Jetzt, wo wir ein bißchen in die Jahre gekommen sind, werden viele von uns ja von der Nostalgie angesteckt. Die Musik aus den 80ern wird wieder gespielt. Es gibt eigene 80er Partys, wo dann Tequila gesoffen wird, das Kultgetränk der 80er, und selbst Nena ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht.
Aber jenseits aller Nostalgie gebe ich eigentlich @ Askan Recht, denn es war kein großes Jahrzehnt. Es ging seit damals bergab. Wie Barbarossa@ schon gesagt hat, die alte BRD hatte 1985 bereits 2,5 Millionen Arbeitslose. Aber in der Retrospektive erscheint es manchen fast als Goldenes Zeitalter, als die DM noch was wert war, und es noch saubere Feindbilder gab.
 
wenn die achtziger "links" waren, dann habe ich wohl in einem anderen land gelebt. ich hab in erinnerung behalten, dass in dieser zeit helmut kohl und die cdu die wahlen haushoch vor der spd gewonnen haben.

sicher mag in der erinnerung vor allem der protest gegen wackersdorf (erfolgreich), startbahn west oder den nato-doppelbeschluss (beide erfolglos) hängengeblieben sein. aber trotz hundertausender, die da demonstriert haben, war das nicht die mehrheit der bevölkerung.

und selbst unter den wenigen jugendlichen, die sich politisch betätigten war die junge union bei uns in baden-württemberg deutlich stärker als jusos und grüne zusammen. aber den meisten ging politik sowieso am allerwertesten vorbei.
 
@ Collo & Scorpio: das ist eine interessante Problematik, die ihr da eröffnet!

Aber jenseits aller Nostalgie gebe ich eigentlich @ Askan Recht, denn es war kein großes Jahrzehnt. Es ging seit damals bergab. Wie Barbarossa@ schon gesagt hat, die alte BRD hatte 1985 bereits 2,5 Millionen Arbeitslose. Aber in der Retrospektive erscheint es manchen fast als Goldenes Zeitalter, als die DM noch was wert war, und es noch saubere Feindbilder gab.

Das mit dem "Goldenen Zeitalter" gilt, so finde ich, auch für die damalige Linke. Die erlebte dann ja auch im Grunde eine große Krise durch den Mauerfall, dessen Bedeutung viele führende Politiker der SPD und der Grünen nicht richtig erkannt hatten, ja zum Teil sogar nicht akzeptieren konnten. Was die Zeit vorher betrifft, so denke ich, dass dies die Zeit war, in der sich viele Alt-68er gesellschaftlich und beruflich etablieren konnten. Vielleicht war es nicht mehr eine Atmosphäre, in der die Revolution zum Greifen nahe schien, aber ich fand - wenn ich mich so an damalige Fernsehsendungen, Jugendbücher etc. erinnerte, dass die Linke das Meinungsbild sehr stark bestimmte, mehr als es davor und danach der Fall war.

wenn die achtziger "links" waren, dann habe ich wohl in einem anderen land gelebt. ich hab in erinnerung behalten, dass in dieser zeit helmut kohl und die cdu die wahlen haushoch vor der spd gewonnen haben.

Wobei die Partei der Linken wohl doch eher die Grünen waren als die SPD, die ja auch viel stärker zu einer Heimat von Alt-Apo-Aktivisten wurden als die Sozialdemokratie.

und selbst unter den wenigen jugendlichen, die sich politisch betätigten war die junge union bei uns in baden-württemberg deutlich stärker als jusos und grüne zusammen. aber den meisten ging politik sowieso am allerwertesten vorbei.

Ja, ja, the good ol' south... aber Spass beiseite. Natürlich spielt der persönliche Background - und der war ein bißchen anders. Meine Eltern waren und sind, könnte man sagen, typische Bildungsbürger. Nur war das damals, so hatte ich auch angesichts ihres Freundeskreises den Eindruck, mit deutlich linkeren politischen Positionen verbunden. Als ich so 7/8 war, hatte mein Vater seine wilde Studentenzeit schon hinter sich gelassen, engagierte scih aber immer noch sehr stark in der Friedensbewegung und
ging - Tendenz mit den Jahren sinkend - noch auf Demos. Obwohl beide nie sehr stark politisch aktiv waren, waren bestimmte Sachen für uns Kinder absolut tabu, das erzähle ich gern, weil es heute lustig erscheint: Dazu zählten etwa die "Star Wars"-Filme, die wir um keinen Preis sehen sollten. Wie sie es damals begründet haben, weiß ich nicht mehr genau, aber ich glaube schon, dass sie sie im Grunde als eine Art Propaganda betrachteten, mit denen Jugendliche auf den Dritten Weltkrieg vorbereitet werden sollten.
 
Die drohende nukleare Katastrophe habe ich schon vor Tschernobyl als bedrohlich empfunden. Ich bin ja eigentlich wirklich kein Pazifist, und habe mich immer für Taktik und Strategie interessiert. Hätte man damals nicht Kriegsdienstverweigerer als vaterlandslose Gesellen diffamiert und einem Gewissenstest ausgesetzt, es hätte mir nicht das Geringste ausgemacht, Dienst an der Waffe zu leisten. Doch ich zweifelte an der Verteidigungsdoktrin der Nato. Ich erinnere mich, daß mein Vater zu einer Wehrübung einberufen wurde. Er erzählte mir, wenn in der Tagesschau das Codewort "Blauer Stier" durchgegeben werde, müsse er einrücken, um die freie Welt zu verteidigen, während alle anderen ganz normal zur Arbeit gingen. Er entwarf mir das Planspiel für einen modernen Krieg in Mitteleuropa, der spätestens am Rhein ein nuklearer werden würde. Da wurde vom "nuklearen Vergeltungsschlag" gesprochen, und ein Areal von etwa 30-40 km 2 mit zwei Hiroshimabomben belegt.
Nettelbeck@ hat aber recht, wenn er sagt, daß es ein intolerantes Jahrzehnt war. Das gilt für viele Linke wie Rechte gleichermaßen. Viele Linke waren noch vom Neomarxismus der 68er geprägt. Ein Typ wie Ceaucescu stand bei vielen außerhalb der Kritik. Das änderte sich erst schlagartig mit seinem Sturz. Ideal waren aber damals die Sandinisten in Nicaragua. Es war kein Zufall, daß viele alte Naive durch die Wende ideologisch völlig auf dem falschen Fuß erwischt wurden.
Bei einigen Konservativen, um nicht zu sagen Reaktionäre, waren langhaarige, "Grüne", "Zecken" Ökos" fast schon als Staatsfeinde. "Die Grünen sind außen grün, innen rot, und im Kern sind sie braun" schwadronierte F.J Strauß.schließlich waren die 80er das Jahrzehnt, in dem die Faschos seit den 60ern wieder ganz groß rauskamen. Michael Kühnen, Küssl, Christian Worsch, Udo Voigt die kamen damals. Zuerst in Frankreich Le Pen und bald darauf Schönhuber und Frey. Die Republikaner, die DVU waren plötzlich in den Parlamenten vertreten. Vieles, was CDU, aber durchaus auch SPD Politiker von sich gaben, unterschied sich allerdings kaum von dem was aus der ultrarechten Ecke kam. Es war ein Scheißjahrzehnt!
 
Nun ist aber höchste Zeit eine Lanze FÜR die 80er zu brechen! Wie jede Zeit wurde eine Menge Müll produziert.
Gleichzeit waren die 80er aber das coolste Jahrzehnt überhaupt! Geniale Musik wie Falcos "Ganz Wien" oder "Helden von heute", von Punk Rock zu New Wave - da war schon geniales dabei!

Und die Bildsprache der 80er konnte auch einiges. Dieses ganz auf perfekte Oberfläche getrimmte Optik, oder besser, nur anscheinend auf Obefläche getrimmt konnte einiges. Der Chrom-Klassizismus der Postmoderne (Hollein vor dem Haas-Haus), Günther Domenig und Holzbauer - net schlecht (hab jetzt ganz bewusst österreichische Architekten gewählt, war zu faul zum Nachschauen).

Und genauso mit den 80-ern Verbunden die Bildwelten des Peter Greenaway. Ob "Kontrakt des Zeichners", (mein absoluter Lieblingsfilm) "Der Bauch des Architekten" (man sehe sich die Eingangseinstellung des Trailers an, diese Kamerafahrt vorm nächtlichen Pantheon die dann in die Abendgesellschaft bricht) oder "Koch, Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber".

Fatalistische Tiefe unter glatter Obefläche erzeugte eine Spannung, man spürte die bevorstehende totale Veränderung.
 
Ich muss zugeben, dass ich als kleines Kind die BRD nur aus dem Schwarzen Kanal kannte, naja von den Kindersendungen im Westfernsehen mal ganz abgesehen.;)

Ich denke aber ein bisschen aus der Retrospektive, dass man den Herrn Kohl am Wolfgangsee nicht allzu sehr belächeln braucht, er war damit eher an der Seele der Zeit, als ein Kiesinger als Kunstmäzen. Ich meine Kohl stand auch zu einem ganzen Teil einfach für die Werte, mit denen sich viele Bundesbürger identifizieren konnten. Urlaub in Österreich, in den Alpen überhaupt, das war was. Ich sah noch in den frühen 1990ern wie selbst die etwas abseits gelegenen Orte Tirols von dem boomenden Tourismus leben konnten, während heute sich der Tourismus wieder eher auf die Kerngebiete wie Seefeld i. Tirol, St. Anton etc. beschränkt. Auch wenn ich selbst nicht so ganz mit der Auffassung und em Regierungsstil eines Kohl mitgehen kann, fand ich seine Aussagen immer wieder sehr viel vereinbarer einfach mit dem Grundbedürfnis einer Familie, wozu eben ein Familienurlaub gehört, als Leute die keine Familienmenschen sind in der Politik. Auch wenn man das nicht überbewerten sollte, darf man dies auch nicht unterschlagen.

Bei den 80ern denke ich auch viel an die NDW, die für mich zeigte dass deutsche Musik eben nicht immer nur ein Abkupfern sein muss, wie zu Zeiten der Elvislocke, sondern auch mal eigene Wege einschlagen kann. Dabei muss ich zugeben, dass ich als Kind in den "Goldenen Reiter" immer noch ein bisschen mehr hinein interpretieren wollte.

Naja vom technischen Fortschritt bekam ich in der anderen Zone leider kaum was mit, außer wenn mir meine Mutter von neuen PCs auf der Arbeit erzählte, das gabs auch...
 
Rovere@
An den guten alten Falco denke ich auch gerne zurück "Rock me Amadeus", Dra di net um, schau, schau der Komissar geht um", dann "Jeannie". Den Goldenen Reiter von Joachim Witt kenn ich auch noch, Brissotin@, na klar kommen da noch nostalgische Erinnerungen hoch, das war doch der Kram, den sie bei unseren ersten Discobesuchen spielten. Wenn ich heute "Material Girl" von Madonna oder "Please, please tell me now" von Duran Duran höre, steigen erotische Erinnerungen an erste verschämte Zungenküsse und Griffe unter den Rock hoch. Allerdings denke ich bei Musik eher an Madonna, Tina Turner und Jacko. Ich war damals für ein Jahr in den USA. Falco wurde allerdings auch dort gespielt. Damals kamen die Videoclips auf. Und auch die "Toten Hosen" waren schon zu hören. Quijote@ und Askan@ haben schon auf Dallas, Dynastie, ich glaube es hieß auf der ganzen Welt so, nur in Deutschland war es der Denverclan. Ich muß ehrlich sagen, daß ich an diese Zeit fast wehmütig zurückdenke. Wenn man es mit dem heutigen "Unterschichtenfernsehen" vergleicht, war das doch noch saubere Familienunterhaltung.
Sicher hast Du recht, Rovere@, es gab ganz erhebliche politische Veränderungen: Gorbatschows Glasnost und Perestroika. Freiheit für Nelson Mandela, die Solidarnoszbewegung in Polen, die Befreiungstheologie in Lateinamerika. Doch daß sehr große Veränderungen anstanden, spürte man in der alten Bonner Republik doch nur sehr unterschwellig. Ich glaube, niemand kann im Westen behaupten, daß die deutsche, die europäische Einigung auch nur als Utopie absehbar waren. In der alten BRD hatte man sich doch recht gut damit eingerichtet. Wären die Pershings und SS 20 Raketen nicht gewesen, der Begriff "Spaßgesellschaft" hätte auf die BRD der 80er viel besser gepaßt, als auf die 90er.
Aber in der Erinnerung erscheint manches glanzvoller, als es in Wirklichkeit war. Im Grunde unterscheiden wir heute Enddreißiger uns mit unserer 80er Jahre Nostalgie kaum von unseren Eltern, die wir einstmals belächelt haben, wenn sie von Petticoats und Brillantine, von James Dean und Peter Krauss schwärmten.
Doch insgesamt denke ich, daß es kein glanzvolles Jahrzehnt war, an die 90er denke ich jedenfalls viel lieber zurück.
 
Es ist ja nun hier schon so einiges geschrieben worden. Ich kann eigentlich allen Autoren irgendwie zustimmen.
Doch was ich für Erinnerungen an die 80er habe das ist vor allem
AUFKOMMENDE DEKADENZ in der "Mittelschicht"! Konsumrausch.... vor allem gegen Ende der 80er.
Es stimmt wohl, dass man sich damals gegen Tierversucher sehr einsetzte. Aber die "Volksmassen" rannten in die Einkaufs-Höllen was das zeug hält...
... ok das tun se heute auch noch.... und wundern sich dann wenn das heute etwas weniger vorhandene Geld auf einmal nicht mehr ausreicht.
Mein ja nur. Der Kaufrausch nahm damals ganz neue Dimensionen an!

In den 90ern wurde das dann zwar fortgesetzt aber irgendwie anders.

Mal ein Beispiel: In den 90ern war es nicht mehr "in" asi-getoastet (also braun gebrannt) rumzulaufen. Was mich irgendwie gefreut hat.
Also sagen wir so: An den 90ern freute mich das WENIGER Vorhandensein von:
- Westernstiefeln
- Extrem-Dauerwellen
- unnatürliche Hautbräune
- Mantas
- aufgebauschten Röcken
- vo-ku-hi-la-Frisuren

Aber da ich in den 90ern jugendlich war und die Aufbruchstimmung in den frühen 90ern miterlebt habe, kann ich zur Stimmung während der frühen 80er nicht sooo viel schreiben.
 
Zur Musik der 80er sind ja schon viele Bands genannt worden. Ich denke da noch an Pink Floyd "The Wall", für das Konzert 1981 in der Westfalenhalle war ich allerdings noch zu jung. The Cure, U2, Police, und und und. Die Neue Deutsche Welle fand ich allerdings nur voll peinlich. "Da, da, da, sie liebt mich nicht", "jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt" "Oh, oh, Hohe Berge", "99 Luftballons", hört mir nur auf mit dem Quatsch! Das ist wohl auch die Erklärung weshalb damals so viel Tequila gesoffen wurde.
Wenn ich an die 80er denke, fallen mir noch verschiedene Jugendkulturen ein. In den 80ern kamen in der alten BRD die Punks und Gothics auf, damals sagte man noch Grufties. Die biederen Popper waren allerdings bald wieder von der Bildfläche verschwunden. Zählebiger waren da die Skinheads mit ihren Bomberjacken, Springerstiefeln und umgekrempelten Hosenbeinen. "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein", dieser Aufnäher mit der Reichskriegsflagge kursierte damals bei einigen Typen aus meiner Schule.
Die Partydrogen waren Tequila und Kokain. Da wurde ein wahnsinniger Kult mit betrieben. Man zelebrierte das Tequilaritual. Manchmal brachte dann ein total Verückter eine Flasche mit einem Wurm drin mit. Wenn die Flasche aber bis zur Neige geleert war, störte einen auch der Wurm nicht mehr. Man tat eine Prise Salz auf die Hand, leckte sie ab, biß dann in eine Limette und spülte das Ganze mit Tequila herunter. Es schmeckte genau so beschissen, wie es sich anhörte, aber alle taten, als sei´s der Gipfel der Genüsse.
Den glaubten andere wiederum im Kokain zu finden, das damals noch enorm teuer war etwa 250-300 Mark das Gramm. Heute könnte man sich für den Schwarzmarktpreis das Zeug auch von Merck kommen lassen. Ich erinnere mich, in den USA eine Politsendung gesehen zu haben, in der Altbundeskanzler Schmidt, ein Liebhaber des Schnupftabaks zu sehen war. Der Kommentator betonte ausdrücklich, daß das das kein Koks war. In den USA turnten sich damit anfangs noch die Cheerleader und der Captain des Footballteams damit an, bis um die Mitte des Jahrzehnts erst Free Base und bald darauf Crack auftauchten, das eine billigere und konzentriertere Variante für die Latinos und Schwarzen war. Da waren dann plötzlich diese Glaspfeifchchen in aller Munde, mit denen bei uns noch Cannabis geraucht wurde. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, war das aber auch schon nichts exotisches mehr und Falco sang "Den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren, kennt heute jedes Kind."
 
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