Daraus lässt sich doch klären, ob es nun eine reguläre Handelsbeziehung oder ein durchdringender Kulturtransfer war.
Dazu habe ich ausführlich in einem anderen Pfad geschrieben, wiederhole es aber gern nocheinmal:
Es gibt kaum Spuren, die sich nach Ägypten oder Babylonien verfolgen lassen, denn die griechische Kunst ist durchaus autonom und eigenständig. Anregungen erhielt sie in mykenischer Zeit von der minoischen Kultur auf Kreta, die wiederum Verbindungen zu Vorderasien aufwies. Doch bricht die mykenische Kultur mit der Invasion der Seevölker um 1200 v. Chr. ab und findet nach den darauf folgenden "dark ages" auch keine Fortsetzung.
In der Baukunst weist weder der griechische Tempel insgesamt noch der dorische, ionische oder korinthische Stil auf Ägypten hin. Der ionische Stil erhielt wohl Anregungen von der ionischen Westküste Kleinasiens, doch ist durchaus offen, wie stark ein fremdes Element hier hervortritt. Tempel wie der Parthenon, der Poseidon-Tempel in Paestum und unzählige andere finden keine Entsprechung in Ägypten oder Babylonien.
Für die Plastik gilt das in noch sichtbarerem Maße, denn die anatomisch korrekt abgebildeten und in voller Bewegung befindlichen Körper sind den ägyptischen Plastiken entgegengesetzt und vom künstlerischen Selbstverstänmdnis her absolut fremd.
In der Religion zeigt sich eine völlig unterschiedliche Auffassung sowohl zu Vorderasien als auch zu Ägypten. Die Griechen haben ihre Götter in ganz starkem Maße personalisiert und sie weit zu sich herabgezogen. Sie sind durchaus nicht allmächtig und Verbindungen zwischen Menschen und Göttern sind an der Tagesordnung. Tiergestaltige Gottheiten kommen nicht vor und waren dem Wesen der Griechen auch fremd. Immerhin gibt es Gottheiten, die mit großer Wahrscheinlichkeit aus Vorderasien importiert wurden. So z.B. die Göttin Artemis, wohl auch Aphrodite und vielleicht auch Dionysos. Es wäre aber falsch zu behaupten, dass deshalb der Urgrund des Götterhimmels außerhalb Griechenlands zu suchen sei.
Am Anfang der griechischen Philosophie steht die Frage nach der Herkunft der Dinge und des Weltgebäudes, die von der Antwort des Mythos fortführt und zum Gedanken des "Logos" überleitet. Etwas vergleichbares gibt es in Ägypten und auch Vorderasien nicht, denn hier haben die Griechen ein ganz eigenständiges Gedankengebäude aufgebaut, das weit in die abendländische Zukunft verweist.
Die griechische Schrift wurde bekanntermaßen wohl gegen Ende des 11. Jh. v. Chr. von den Phönikern übernommen und von den Griechen ergänzt und verändert.
Fazit: Selbstverständlich steht kein Volk isoliert im Raum, sondern ist eingebunden in vielfältige Strömungen aus angrenzenden Gebieten oder von entfernten großen Kulturträgern. Das war gewiss auch im antiken Griechenland nicht anders. Solche Impulse werden also auch die Griechen erhalten haben, neben völlig eigenständigen Entwicklungen. Es wäre aber völlig verfehlt, daraus nun eine fremde Verwurzelung ableiten zu wollen.
Das typische Beispiel einer derartigen Verwurzelung bietet die römische Kultur, die gut sichtbar und nachvollziehbar in der griechischen "wurzelt", auch wenn sie manches abgewandelt hat. Dafür sind Römer aber im technischen bzw. zivilisatorischen Bereich völlig eigenständige und durchaus geniale Wege gegangen.