Osmanisches Reich Nachfolgestaat des Römischen Reichs?

Andronikos

Mitglied
Wie stark steht das Osmanische Reich eigentlich in der Tradition des Byzantischen Reiches und ist damit neben dem parallel bestehenden HRRDN einer der Nachfolgestaaten des römischen Reichs?

Ich stelle mal einige Argumente für die These in den Raum:
Die Territorien des Byzantinischen Reichs und des Osmanischen Reichs sind auf dem jeweiligen Höhepunkt der Macht zu ca. 80% (geschätzt) deckungsgleich - Nordafrika, Ägypten, Syrien, Kleinasien, Balkan.
Die Hauptstadt ist identisch.
Formal hat 1453 lediglich ein gewaltsamer Dynastiewechsel stattgefunden, wie es sie in der Geschichte schon öfter gegeben hat, genauso hat damit verbundene Religionswechsel vorher schon gegeben (z.T. vergleichbar: der Sieg von Konstantin über Maxentius).
Ebenso wie vorher unter den byzantinischen Kaisern stand das Kontantinopeler Patriarchat unter den Patronat der Sulatane. Die orthodoxe Kirche war damit wieder in einem Reich vereint.
Sultane sahen sich selbst als legitime Nachfahren Ostroms.

Hier noch ein Zitat:
Der Beginn des Osmanischen Reiches ist eine permanente militärische und kulturelle Auseinandersetzung mit dem Byzantinischen Reich. Es war Vorbild und Gegner in einem. Dabei ging es immer um die Zerstörung der eigenständigen Macht von Byzanz, aber nie um die Zerstörung, weder der Verwaltungstechniken als Vorbild noch dem Anspruch als Kultureller Mittelpunkt der damaligen Welt. Da sich der Osmanische Staat in der Auseinandersetzung mit Byzanz entwickelte, integrierte er kulturelle Traditionen, die sich, nicht nur in der geographien Deckung des Naturraum wider- spiegelte, sondern in vielen patorischen Einrichtungen, der osmanischen Verwaltung und Kultur. Byzanz als Vermittler zwischen Orient und Okzident ist Teil eines Erbes im osmanischen Vielvölkerstaat zwischen Europa und dem Nahen Osten. Und beide Reiche legitimierten Ihre Existenz in der Rolle als Religöserwächter der Einen und richtigen Religion. Es waren schon die türkischen Vorfahren, nämlich das Seldschukische Reich ( Rum-Seldschuken) die Byzanz als Römer und damit legitime Nachfolger des Imperium Romanum empfanden, so wie die Osmanen die Eroberungen auf dem Balkan als römisches Gebiet betrachteten und als Rumelien bezeichneten, als das Land der Rhomaer. Selbst Heute sieht sich die türkische Osmanistik in der Tradition des Nachfolgestaates des Byzantinischen Kaiserreich (Basileia ton Rhomaion) und benennt den osmanischen Staat als Osmanisches Kaiserreich ([font=Times New Roman Tur,serif]Osmanli Imparatorluk[/font][font=Times New Roman Tur,serif]). [/font]
http://www.osmanischesreich.com/Geschichte/Literatur/BYZANZ/byzanz.HTM
 
Soweit ich weiß sahen sich die Deutschen, aufgrund der Amtsnachfolge auf dem römischen Thron, nicht als Nachfolger sondern als DAS römische Reich.

Die Russen beanspruchen, den Status auch für sich, als drittes Rom.
 
Defacto war das deutsche Kaiserreich aber eine Neugründung auch wenn es sich als das Römische Reich selbst sah. Das Byzantinische Reich war aber tatsächlich das Römische Reich auch staatsrechtlich, wenngleich es sich territorial und gesellschaftlich von seinen Wurzel entfernt hatte.

Dehalb auch meine Frage, sahen sich die Osmanischen Sultane direkt als Nachfolger der römischen Kaiser? Soweit ich bis jetzt sehe doch ja!? Und wenn das so ist, kann man doch in diesem Fall sogar von einer direkten Kontinuität sprechen. Es änderten sich zwar die Herrscherdynastie und die Staatsreligion aber auch das hatte es in der Geschichte des Römischen Reiches alles schon vorher gegeben ohne das man von einem "neuen" Reich gesprochen hätte. Besteht die strikte Trennung zwischen diesen Reichen nicht im wesentlichen durch unsere christlich/abendländische Sicht der Dinge?
 
Ich denke, dass man nicht vergessen sollte, dass das Byzantinsische Reich christlich war und das Osmanische Reich muslimisch. In meinen Augen stellt dieser Unterschied einen solch gravierenden Bruch mit der Vergangenheit dar, dass ich mich mit dem Gedanken, dass sich das Osmanische Reich als Nachfolger von Rom sah, einfach nicht anfreunden kann.
 
Das Osmanische Reich erstreckte sich im Gegensatz zu Rom nicht über so weite Teile Europas. Partiell im Nahen Osten, Nordafrika und z.B. Griechenland hat es aber schon die Länder eingenommen, die Rom vorher hatte.
Außerdem siedelten die Osmanen an vielen Stellen wo vorher die Römer waren.
Da man im frühen Rom anfangs noch von Naturreligionen sprechen kann, später dann die Eroberung durch das Christentum, und das Osmanische Reich den Islam als Religion hatte, gibt es natürlich einen gravierenden Unterschied.
Die Osmanen versuchten aber ihren Vielvölkerstaat nicht gleichzuschalten, sondern es gab für viele Regionen eine weitreichende innere Autonomie unter der die Leute gut lebten.
 
rolo schrieb:
Das Osmanische Reich erstreckte sich im Gegensatz zu Rom nicht über so weite Teile Europas. Partiell im Nahen Osten, Nordafrika und z.B. Griechenland hat es aber schon die Länder eingenommen, die Rom vorher hatte.

Hallo rolo,

ich denke, ein Verlgeich mit dem Territorium des antiken Rom ist nicht sinnvoll. Immerhin war das Byzantinische Reich, wie Andronikos schon richtig sagte, ein Nachfolgereich des römischen. Es geht ihm in meinen Augen eher primär um die eventuell vorhandene Nachfolgeschaft Byzantinisches Reich - Osmanisches Reich, da die Verbindung Römisches Reich - Oströmisches Reich wohl außer Frage steht.

Liebe Grüße
 
Es ist tatsächlich so, dass das Osmanische Reich sich als Nachfolger des Römischen Reiches sah bzw. sich selbst als Römisches Reich betrachtete. Es besteht allerdings ein Unterschied darin, sich als Nachfolger eines Staates zu betrachten und tatsächlich ein Nachfolger zu sein. Das Römische Reich des Mittelalters (ich nenne es mal so, da der Begriff "Heiliges Römisches Reich" erst im 13. Jahrhundert auftauchte, wo das Reich bereits 500 Jahre lang existierte) entstand im Jahre 800, als Karl der Große zum Römischen Kaiser gekrönt wurde. Die Krönung brachte ihm keine weiteren Gebietsgewinne, das "Römische Reich" bestand aus den Königreichen der Franken und der Langobarden. Beide hatten völlig andere Ursprünge und stammten nicht vom Römischen Reich ab. Dennoch betrachtete sich der König der Franken und der Langobarden als Römischen Kaiser. Das der byzantinische Kaiser im Pax Nicephori 812 Karl als Römischen Kaiser anerkannte ändert auch nichts an den unterschiedlichen Ursprüngen des Fränkischen und des Römischen Reiches.

Klar, das Byzantinische Reich war das Römische Reich. Das Römische Reich der Antike entwickelte sich langsam zum Byzantinischen Reich, so dass man keinen Anfangspunkt für Byzanz setzen kann. Das Osmanische Reich mag vielleicht den Verwaltungsapparat und der Sultan sich als Kaiser bezeichnet haben, doch verhält es sich hierbei genauso wie beim westlichen Römischen Reich des Mittelalters: das Osmanische Reich hatte völlig andere Ursprünge als Byzanz oder gar als das antike Rom. Das alleine reicht, denke ich, aus, um das Osmanische Reich nicht als Fortsetzung Roms gelten zu lassen. Andernfalls könnte man das westliche Reich auch als Fortsetzung betrachten, v. a. da es im Gegensatz zum Osmanischen Reich christlich war.
 
Aber zumindest im Sinne einer Kontinuität sind die Verbindungen des Byzantischen Reiches zum Osmanischen wesentlich stärker als die des Römischen Reiches der Antike und des Mittelalters. Außerdem war das Osmanische Reich dem universalen Kaisertum römischer Prägung weit stärker verbunden als das Heilige Römische Reich (zumindest bis ins nationalistische 19. Jhd.). Es gab dort im Gegensatz dazu eine Vielfalt der Religionen und der Völker. Es gab zwar auch Italiener und Franzosen im HRR aber die bestimmende Mehrheit waren doch die Deutschen, im Osmanischen Reich machten die Türken nur eine Minderheit neben Arabern, Armeniern, Griechen, Serben, Bulgaren, Albanern, Rumänen,... aus. Gerade das orthodoxe, byzantinische Christentum lebte auch im Osmanische Reich weiter und der Patriarch von Konstantinopel erlebte durch die neue Staatlichkeit einen erneuten Machtzuwachs, im Vergleich zum vorherigen, dahinsiechenden Byzantinischen Reich.

Ich sehe natürlich auch einen Bruch im Jahr 1453 aber dieser Bruch ist wesentlich kleiner als die riesige Kluft zwischen 476 und 800.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, der Bruch ist natürlich kleiner. Aber dennoch groß genug, um aus dem Osmanischen Reich etwas Eigenständiges zu machen. Immerhin existierte es etwa 150 Jahre lang gleichzeitig neben Byzanz, so dass man wirklich nicht von einer Nachfolgeschaft sprechen kann.

Außerdem bestand auch nach 1453 ein "echtes" Römisches Reich weiter: das Kaiserreich Trapezunt, das 1204 kurz vor der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer entstand und bis 1461 existierte. Trapezunt hat m. E. mehr Ansprüche auf eine Nachfolge als das Osmanische Reich, da es direkt aus dem Römischen Reich entstand.
 
Zitat:" dass das Byzantinsische Reich christlich war und das Osmanische Reich muslimisch"

eigentlich spielte das für Volk das damals in den betreffenden Ländern lebte kaum eine Rolle. Als die Kreuzfahrer durch Anatolien zog um nach Palästins zu kommen. Haben die christlichen Bewohner des Landes fast immer Zuflucht bei den Seldschuken gesucht, weil sie ihnen kulturell nicht zu fremdartig waren wie diese blonden Lateiner.

Wie schrieb der Chronist über die Ankunft Babarossas in Konstaninopel?:
" Wehe uns, Friedericus,Häuptling der Alemannen steht vor den Mauern und bettelt nach Brot!"
 
Andronikos schrieb:
Ich sehe natürlich auch einen Bruch im Jahr 1453 aber dieser Bruch ist wesentlich kleiner als die riesige Kluft zwischen 476 und 800.
Ich bin immer vorsichtig, was die "dunklen Jahre" der Völkerwanderungszeit angeht. Da wenige Quellen vorliegen, ist eine Kontiuität über 300 Jahre schwerer nachzuweisen, als bei einem eindeutig identifizierten Bruch 1453. Ich habe ja den Verdacht, dass die spätrömische Bürokratie (wie etwa in der notitia dignitatum) länger Bestand hatte, als auf den ersten Blick zu vermuten ist. Das andere Problem ist natürlich ein Perspektivisches: Wo man einen Bruch sehen will (wie gewisse alte Historiker), ist auch einer...
 
Soweit ich weiß wurde in der westlichen Welt Häresie mehr verachtet als ein fremder Glaube. Es gab ja uch einen ganzen Haufen Kreuzzüge gegen Häretiker, z. B. die Albigenserkreuzzüge.
 
Imperator schrieb:
Soweit ich weiß wurde in der westlichen Welt Häresie mehr verachtet als ein fremder Glaube. Es gab ja uch einen ganzen Haufen Kreuzzüge gegen Häretiker, z. B. die Albigenserkreuzzüge.
Politisch ist das leicht nachzuvollziehen: Abweichende Meinungen ("Ich weiß es besser!") haben ein großes gesellschaftliches Zersetzungspotential. Nicht umsonst hat Friedrich II vor den Päpsten Ketzerei zu einem Kapitalverbrechen erklärt...
 
Bis 1461 mag das stimmen aber ab diesem Zeitpunkt wurde auch dieser Nachfolgestaat des RR von den Osmanen einkassiert. Inwieweit die Ansprüche von Trapezunt als Nachfolger des RR überhaupt berechtigt sind kann man sich sowieso streiten.
Trapezunt war Teil des BR und hat sich nach 1204 von diesem abgespalten, bzw. ist eine von zwei oder 3 Neugründungen (Nicäa, Epirus, Trapezunt) nach der Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches.
Die Osmanen waren ebenso zeitweise Untertanen der Byzantiner und wurden von denen sogar nach Europa geholt, insofern hat ihr Staat auch eine gewissen Anspruch sich aus einem Teil des Römischen Reiches heraus entwickelt zu haben. Natürlich entspricht das Byzantische Reich des Jahres 1300 nicht unserem Verständnis des Römischen Reiches, für die (von uns so genannten) damaligen Byzantiner war es das aber schon. Als damals Osman als defacto byzantinischer Untertan auf byzantinischem Boden sein Reich gründete, tat er doch nichts anderes als die Komnenen-Dynastie die sich nach 1204 in Trapezunt selbstständig machte.
 
Doch, zwischen dem Osmanischen Reich und Trapezunt gab es sehr wohl einen Unterschied um diese Zeit: ersteres anerkannte die byzantinische Oberhoheit, während letztere sich selbst als Byzanz bzw. Rom ansah. Außerdem war Trapezunt griechisch-orthodox und die Herrscherdynastie mit der von Konstantinopel eng verwandt.
 
Beiden Staaten war daran gelegen die Macht im Gesamtreich zu erringen, das zu dem Zeitpunkt aber eigentlich selbst nur noch ein zentrales Teilreich war, die Herrscher von Trapezunt kamen aber nie mehr auf den Thron in Konstantinopel (im Gegensatz zu den Palaiologen aus Nicäa vorher), die Osmanen aber schon. Sehe die Zeit von 1183-1461 doch einfach als langen Konflikt mehrer Teilreiche um die Macht im Gesamtreich. Die Osmanen siegten in diesem Konflikt und führten das Reich zu einer Blüte und Macht die es seit Justinian nicht mehr hatte. Die Rolle der Religion sollte man in der Sache nicht überbetonen.
 
Erbe bzw Nachfolger des byzantinischen Reiches ist in meinen Augen auf keinen Fall die Tuerkei sondern Russland - Zentrum der Ostkirchen ( Grossteil Osteuropas hat das Christentum ueber Byzanz erhalten, auch ist das kyrillische Alphabet an dem griechischen angelehnt), Kirchen wurden nach byzantinischen Vorbild gebaut, Ikonenmalerei kam aus Byzanz nach Russland und 1472 heiratete der Großfürt von Moskau, Iwan III. , Zoe Palaeologus, die Nichte des letzten byzantinischen Kaisers.
Auch ist der russische Doppelkopf Adler von den Byzantinern uebernommen - genauso wie Zar - russische Version von Cäsar
Da gibts keine Kontinuitaet Byzanz - Osmanisches Reich....
 
Zuletzt bearbeitet:
Merowig schrieb:
Erbe bzw Nachfolger des byzantinischen Reiches ist in meinen Augen auf keinen Fall die Tuerkei sondern Russland - Zentrum der Ostkirchen ( Grossteil Osteuropas hat das Christentum ueber Byzanz erhalten, auch ist das kyrillische Alphabet an dem griechischen angelehnt), Kirchen wurden nach byzantinischen Vorbild gebaut, Ikonenmalerei kam aus Byzanz nach Russland und 1472 heiratete der Großfürt von Moskau, Iwan III. , Zoe Palaeologus, die Nichte des letzten byzantinischen Kaisers.
Auch ist der russische Doppelkopf Adler von den Byzantinern uebernommen - genauso wie Zar - russische Version von Cäsar
Da gibts keine Kontinuitaet Byzanz - Osmanisches Reich....


Ich würde auch eher das Russische Reich als Nachfolger von Byzanz ansehen. Moskau wurde nicht umsonst "Das Dritte Rom" genannt.
Wie Du schon sagst, oientierte sich die russische Kunst an der byzantinischen, im Gegensatz zum Osmanischen Reich, welches mit der byzantinischen Baukunst brach.
 
Andronikos schrieb:
Die Osmanen siegten in diesem Konflikt und führten das Reich zu einer Blüte und Macht die es seit Justinian nicht mehr hatte.

Du meinst seit Justinian dem Großen (* 482, + 565, Ks. 527-565)?
Ich würde sagen, Byzanz erlebte seinen letzten Zenit um das Jahr 1000, als Basileios II. Bulgaroktónos (der Bulgarentöter) 1014 Zar Samuel von Bulgarien vernichtend schlug und dessen Reich ins Byzantinische Reich eingliederte.
Der Anfang des Niedergangs ist eher ab 1071 einzustufen, als die Selschuken Kaiser Romanos IV. bei Mantzikert durch Verrat besiegten.
 
Übrigens: Anscheinend sah sich Kaiser Friedrich III. (* 1415, + 1493, Kg. 1440, Ks. 1452) ab 1453 als gesamtrömischer Kaiser, da er von da an den byzantinischen Doppeladler in seinem Wappen führte.
 
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