Herkunft der Protobulgaren

Die Baktrien Theorie ist sehr abenteuerlich, um es höflich auszudrücken. Wenn die Bulgaren Nachfahren Städtebauender Kulturen waren, wären sie nicht mit Jürten bis an die Donau gekommen.

Zu dem ist Baktrien ein von Alexander dem großen künstlich errichteter Staat und kein natürlich entstandenes Staatsgebilde der Iraner.

Was die Sprache betrifft, so hat sich das türkische bei den Wolgabulgaren augenscheinlich durchgesetzt, wobei es unklar bleibt inwiefern bereits die Stämme in Kubrats Bulgarien einheitlich türkisch gesprochen haben. Zweifellos hat die Elite in allen bulgarischen Horden türkisch gesprochen, aber die Horden bestanden nicht nur aus Türko-Mongolen und das einfache Volk hat auch nicht nur slawisch gesprochen, bzw. geht es hier nicht um das einfache Volk von Donau-Bulgarien, sondern ist mit einfachem Volk der Teil einer Horde gemeint, der nicht zur Führungsschicht gehörte. Als die Protobulgaren nach Bulgarien kamen, war das nicht bloß ein Haufen Adliger, sondern sie führten selbst Bauern mit, diese Bauern waren laut Raschew alanisch-iranischen Ursprungs, während der Adel türkisch war.

P.S.: @Kolev: Raschew ist der Archäologe den du meinst ;) Ich empfehle seine Bücher sehr, mittlerweile das letzte vernünftige was man in Bulgarien zu dem Thema lesen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine das allgemeine Protobulgarische Volk

Du meinst im Ernst, das könnte eine andere Sprache als sein eigener Adel und eine andere Sprache als die unterworfene Sprache gesprochen haben? Das wäre aber eine ziemlich einzigartige Situation.


Wer hat Namensliste mit Geschichtsforum-a là SergejKorolev bestellt?

http://www.geschichtsforum.de/325692-post140.html
Oh, vielen Dank, das war ja gleich um die Ecke.
Da hätten wir also die baktrischen Namen:

Osh
Balgar
Boil
Shuman
Suvar
Humoi
Varnu
Mara
Madar
Dazu als Vergleich gerade mal drei Ortsnamen in Donaubulgarien und fünf in Wolgabulgarien?

Auf diesem Zufallsniveau wirst Du wohl in fast jeder Gegend der Welt fündig, ich habe es gerade mit ein paar deutschen Bundesländern probiert:

Schleswig-Holstein:

Osh -> Osdorf
Humoi -> Hummelfeld
Varnu -> Warnau
Mara -> Marne

Niedersachsen:

Osh -> Osnabrück
Balgar -> Balge
Suvar -> Schwarme
Varnu -> Varel
Mara -> Marl

Rheinland-Pfalz:

Balgar -> Belg
Boil -> Beulich
Suvar -> Schauren
Humoi -> Homberg
Mara -> Maroth
Madar -> Mauden
 
Die Baktrien Theorie ist sehr abenteuerlich, um es höflich auszudrücken. Wenn die Bulgaren Nachfahren Städtebauender Kulturen waren, wären sie nicht mit Jürten bis an die Donau gekommen.

Zu dem ist Baktrien ein von Alexander dem großen künstlich errichteter Staat und kein natürlich entstandenes Staatsgebilde der Iraner.

Was die Sprache betrifft, so hat sich das türkische bei den Wolgabulgaren augenscheinlich durchgesetzt, wobei es unklar bleibt inwiefern bereits die Stämme in Kubrats Bulgarien einheitlich türkisch gesprochen haben. Zweifellos hat die Elite in allen bulgarischen Horden türkisch gesprochen, aber die Horden bestanden nicht nur aus Türko-Mongolen und das einfache Volk hat auch nicht nur slawisch gesprochen, bzw. geht es hier nicht um das einfache Volk von Donau-Bulgarien, sondern ist mit einfachem Volk der Teil einer Horde gemeint, der nicht zur Führungsschicht gehörte. Als die Protobulgaren nach Bulgarien kamen, war das nicht bloß ein Haufen Adliger, sondern sie führten selbst Bauern mit, diese Bauern waren laut Raschew alanisch-iranischen Ursprungs, während der Adel türkisch war.

P.S.: @Kolev: Raschew ist der Archäologe den du meinst ;) Ich empfehle seine Bücher sehr, mittlerweile das letzte vernünftige was man in Bulgarien zu dem Thema lesen kann.

Ehrlich gesagt erscheint mir die Theorie von Raschev (Danke für den Tip. werde wenn ich in Sofia bin, gleich mal fragen) doch sehr glaubwürdig.

Allerdings finde ich die Baktrien-Theorie nicht ganz so abenteuerlich, immerhin haben viele Stämme dort gelebt, die Nomaden waren (Saken, Kushan (Kutchi=Nomade auf persisch), Messageten usw.)

Apropos: Ich wollte fragen, ob es eigentlich eine Schädelrekonstruktion eines Protobulgaren gibt (nachgewiesener Protobulgare bitte!), da ich in Macedonischen Wikipedia eine Konstruktion eines TATARISCHEN Schädels im Protobulgaren-Artikel gesehen hab.


Du meinst im Ernst, das könnte eine andere Sprache als sein eigener Adel und eine andere Sprache als die unterworfene Sprache gesprochen haben? Das wäre aber eine ziemlich einzigartige Situation.


Oh, vielen Dank, das war ja gleich um die Ecke.
Da hätten wir also die baktrischen Namen:

Dazu als Vergleich gerade mal drei Ortsnamen in Donaubulgarien und fünf in Wolgabulgarien?

Auf diesem Zufallsniveau wirst Du wohl in fast jeder Gegend der Welt fündig, ich habe es gerade mit ein paar deutschen Bundesländern probiert:

Schleswig-Holstein:

Osh -> Osdorf
Humoi -> Hummelfeld
Varnu -> Warnau
Mara -> Marne

Niedersachsen:

Osh -> Osnabrück
Balgar -> Balge
Suvar -> Schwarme
Varnu -> Varel
Mara -> Marl

Rheinland-Pfalz:

Balgar -> Belg
Boil -> Beulich
Suvar -> Schauren
Humoi -> Homberg
Mara -> Maroth
Madar -> Mauden

Mein Gott hyo! Bitte gib nicht den Bayern noch mehr Stoff, damit sie beweisen können, sie seien Bulgaren...:ironie::rofl:

Abgesehen vom österreichischen Pulgern, und der Gemeinde "Bulgarogasso", in der italienischen Region Molize, aber die haben tatsächlich etwas mit den Bulgaren (Alzeko-Bulgaren) zu tun

Aber das da schon eine GROSZE ÄHNLICHKEIT zwischen Madar und MadarA (übrigens, soll in Madar auch ein ähnliches Felsrelief sein, wie in Madara) sowie mit VarnU und VarnA und BAlgar und BOlgar ist, kannst auch du nicht abstreiten. Vor allem viel näher als deine Beispiele in den Deutschen Bundesländern.
 
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Als die Protobulgaren nach Bulgarien kamen, war das nicht bloß ein Haufen Adliger, sondern sie führten selbst Bauern mit, diese Bauern waren laut Raschew alanisch-iranischen Ursprungs, während der Adel türkisch war.

Auch diese Szenario kommt mir etwas merkwürdig vor. Welcher Nomadenstamm führt denn auf seinen Wanderungen fremdstämmige Bauern mit? Und wozu?


P.S.: @Kolev: Raschew ist der Archäologe den du meinst ;) Ich empfehle seine Bücher sehr, mittlerweile das letzte vernünftige was man in Bulgarien zu dem Thema lesen kann.

Leider ist er vor einigen Monaten bei einem Zugunglück ums Leben gekommen.
 
Auch diese Szenario kommt mir etwas merkwürdig vor. Welcher Nomadenstamm führt denn auf seinen Wanderungen fremdstämmige Bauern mit? Und wozu?

Gegenfrage: Wieso nicht? Das ganze Hunnenreich war ja nicht homogen, sondern eine Promenadenmischung bestimmter Völker. Ausserdem werden die wohl kaum ein Volk, wie die Skytho-Sarmaten, dass so riesig war, einfach ausschließen bzw. auslöschen können.

Leider ist er vor einigen Monaten bei einem Zugunglück ums Leben gekommen.

Das ist wirklich traurig. Als ich ihn in der Doku gesehen habe, war er einer der wenigen, die wirklich in Ordnung waren.
 
In der Tat, Bulgarien hat einen seiner letzten ernsten Historikern verloren.

zu Hyokkose:
In der Völkerwanderung kam es oft vor, dass zwei Völker gemeinsam umherwanderten, wobei eins der beiden Völker den Adel stellte. Siehe Angel und Sachsen oder Wandalen und Alanen. Aus einem Buch über die Geschichte der Hunnen weiß ich dass Ernak, ein Sohn Attilas der mit Irnak aus der bulg. Königsliste gleichgesetzt wird, die Herrschaft über zwei Horden von seinem Vater erbte, einer hunnischen und einer alanischen Horde. Es ist anzunehmen, dass von diesen beiden Horden, die hunnische den Adel stellte, während die Alanen, zwar auch Nomaden aber vertrauter mit Ackerbau, den Bauernstand repräsentierten.

Die Tatsache dass die Urbulgaren sowohl alanische, als auch hunnische Merkmale aufweisen spricht zudem dafür, dass die Verbindung zwischen den Namen Ernak und Irnak nicht zufällig ist. Somit ist die alte These von der hunnischen Abstammung der Bulgaren gar nicht so unaktuell.

Zu Korolev:
Dass Baktrien Einfluss gehabt haben kann auf mehrere Reitervölkerkulturen, darunter den Urbulgaren, will ich nicht bestreiten, aber man sollte echt aufpassen mit diesen Namensvergleichen, sonst kommen wir am Ende noch zu den Schluß, dass die Bulgaren aus Belgien eingewandert sind.

Was die Gesichtsrekonstruktion betrifft hast du bestimmt diese gesehen:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/mk/8/87/Bugarin.jpg

Das ist Mostic, ein General von Zar Boris, und der Schädel ist nachweislich aus seinem echten Grab entnommen. Als prominenter Vertreter der bulgarischen Aristokratie des 9. Jhd. ist sein Schädel mit einer so großen Sicherheit protobulgarisch, dass es eigentlich kaum sicherer geht. Diese Schädelrekonstruktion is damit auch einer der stärksten Gegenbeweise zu der Wunschvorstellung mancher Rassisten von einem reinarischen Protobulgarischen Volk (eine Vorstellung die es erschreckenderweise wirklich gibt!).
 
@Dr. Iotschev: Diese Schädelrekonstruktion is damit auch einer der stärksten Gegenbeweise zu der Wunschvorstellung mancher Rassisten von einem reinarischen Protobulgarischen Volk (eine Vorstellung die es erschreckenderweise wirklich gibt!).
Eine einzelne Rekonstruktion beweist gar nichts. Diese erinnert mich mehr an Statler, einen der beiden Opas in der Loge der Muppet-Show.
http://en.wikipedia.org/wiki/Statler_&_Waldorf
 
In der Tat, Bulgarien hat einen seiner letzten ernsten Historikern verloren.

zu Hyokkose:
In der Völkerwanderung kam es oft vor, dass zwei Völker gemeinsam umherwanderten, wobei eins der beiden Völker den Adel stellte. Siehe Angel und Sachsen oder Wandalen und Alanen. Aus einem Buch über die Geschichte der Hunnen weiß ich dass Ernak, ein Sohn Attilas der mit Irnak aus der bulg. Königsliste gleichgesetzt wird, die Herrschaft über zwei Horden von seinem Vater erbte, einer hunnischen und einer alanischen Horde. Es ist anzunehmen, dass von diesen beiden Horden, die hunnische den Adel stellte, während die Alanen, zwar auch Nomaden aber vertrauter mit Ackerbau, den Bauernstand repräsentierten.

Die Tatsache dass die Urbulgaren sowohl alanische, als auch hunnische Merkmale aufweisen spricht zudem dafür, dass die Verbindung zwischen den Namen Ernak und Irnak nicht zufällig ist. Somit ist die alte These von der hunnischen Abstammung der Bulgaren gar nicht so unaktuell.

Zu Korolev:
Dass Baktrien Einfluss gehabt haben kann auf mehrere Reitervölkerkulturen, darunter den Urbulgaren, will ich nicht bestreiten, aber man sollte echt aufpassen mit diesen Namensvergleichen, sonst kommen wir am Ende noch zu den Schluß, dass die Bulgaren aus Belgien eingewandert sind.

Was die Gesichtsrekonstruktion betrifft hast du bestimmt diese gesehen:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/mk/8/87/Bugarin.jpg

Das ist Mostic, ein General von Zar Boris, und der Schädel ist nachweislich aus seinem echten Grab entnommen. Als prominenter Vertreter der bulgarischen Aristokratie des 9. Jhd. ist sein Schädel mit einer so großen Sicherheit protobulgarisch, dass es eigentlich kaum sicherer geht. Diese Schädelrekonstruktion is damit auch einer der stärksten Gegenbeweise zu der Wunschvorstellung mancher Rassisten von einem reinarischen Protobulgarischen Volk (eine Vorstellung die es erschreckenderweise wirklich gibt!).

Muss ich vollständig recht geben! Auch zu der Vorstellung (leider erlebe ich das jeden Tag

Also das heißt er war wirklich ein Bulgare (ich habe es schon für einen Tataren gehalten). Tja so kann man sich vorstellen.

Allerdings

Eine einzelne Rekonstruktion beweist gar nichts. Diese erinnert mich mehr an Statler, einen der beiden Opas in der Loge der Muppet-Show.
Statler and Waldorf - Wikipedia, the free encyclopedia

Muss ich auch dir zustimmen. (Auch der Vergleich :rofl::rofl::rofl:)

Das heißt die Aristokratie sah aus wie zB Mostic, und der Rest der Horde war europoid, rightig?

Allerdings, würde ich es mehr auf gesamt Skytho-Sarmatisch ausdehnen, nicht nur die Alanen.
 
Gegenfrage: Wieso nicht? Das ganze Hunnenreich war ja nicht homogen, sondern eine Promenadenmischung bestimmter Völker.

Gegen eine "Promenadenmischung" ist nichts zu sagen (außer, daß man den Ausdruck eher für Hunde verwendet).

Wenn aber jemand käme und würde behaupten, die Hunnen könne man säuberlich in eine tibetische Aristokratie und in ein baltisches Bauernvolk unterteilen, würde ich das erst einmal für eine recht steile These halten, die einer guten Beweisführung bedarf, um als plausibel zu gelten.

Die Protobulgaren, die sich im Donaugebiet etablierten, waren sicher ebensowenig homogen wie die Skythen, die Hunnen, die Awaren, die Türken oder die Mongolen. Da mögen neben dem tschuwaschischen Kern noch sonstige türkische, ugrische, sarmatische, hunnische, awarische, slawische, germanische und was weiß ich was für sonstige Anteile beteiligt gewesen sein. Um den ganzen Haufen zu kommandieren, brauchte man allerdings Kommandosprache, die von allen verstanden wird, und das wird vermutlich die Sprache der Kommandierenden gewesen sein.

Für die Behauptung, die "breite Masse" habe iranisch gesprochen, sehe ich nach wie vor keinen überzeugenden Beweis. Auch nicht in dem hier irgendwo schon einmal verlinkten Aufsatz von Rasho Rashev, der sich im Gegensatz zu dem einen oder anderen hier in die Diskussion geworfenen Pseudowissenschaftler immerhin bemüht, seine Argumentation auf die Basis korrekter Fakten zu stellen.
Tatsächlich sind aber auch seine Argumente oft nicht stichhaltig. Der anthropologische Befund sagt über die Sprache wenig bis gar nichts aus. Der Vergleich zwischen dem heutigen Bulgarisch und dem heutigen Ungarisch ist schief und besagt nichts über die einstigen Sprachverhältnisse innerhalb der einstigen Protobulgaren. Es gibt keine Regel, nach der ein bestimmter Prozentsatz einer eingewanderten Bevölkerung einen bestimmten Prozentsatz an Substratwörtern hinterlassen muß.


Ausserdem werden die wohl kaum ein Volk, wie die Skytho-Sarmaten, dass so riesig war, einfach ausschließen bzw. auslöschen können.
Ich weiß nicht, wie "riesig" das Volk der Skytho-Sarmaten zu einem gewissen Zeitpunkt war.
Ich weiß aber, daß das Volk verschwunden ist. In der ganzen Gegend, wo einst Sarmaten lebten, spricht schon lange kein Mensch mehr Sarmatisch.
 
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Die Baktrien Theorie ist sehr abenteuerlich, um es höflich auszudrücken. Wenn die Bulgaren Nachfahren Städtebauender Kulturen waren, wären sie nicht mit Jürten bis an die Donau gekommen.

So ist es! Als nomadisches Steppenvolk stammten die Proto-Bulgaren aus der Gegend, die zur fraglichen Zeit ihrer Ethnogenese auch Chasaren, Petschenegen, Ogusen und andere Turkvölker hervorbrachte. Das war der südrussische Steppenraum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, bis hin zu Balksch-See.

Baktrien zählte in jener Zeit zu Perserreich, ganz abgesehen davon, dass dieser Name im 6./7. Jh. schon nicht mehr existierte.
 
Eine einzelne Rekonstruktion beweist gar nichts. Diese erinnert mich mehr an Statler, einen der beiden Opas in der Loge der Muppet-Show.
Statler and Waldorf - Wikipedia, the free encyclopedia

Du hast mich falsch verstanden, fürchte ich. Das soll kein Beweis sein für eine bestimmte Theorie über das Aussehen der Urbulgaren, sondern gegen über den absoluten Ausspruch, dass alle Bulgaren europid gewesen sein sollen. Wenn Mostic, wie es scheint, nicht europid war, kann man schwer behaupten, dass ALLE Protobulgaren europid waren, aber genau dieser Ausspruch wird leider oft gebracht.
 
Gegenfrage: Wieso nicht? Das ganze Hunnenreich war ja nicht homogen, sondern eine Promenadenmischung bestimmter Völker. Ausserdem werden die wohl kaum ein Volk, wie die Skytho-Sarmaten, dass so riesig war, einfach ausschließen bzw. auslöschen können. .
Ich glaube, man sollte Begriffe wie Volk mit Vorsicht gebrauchen, und nicht mit heutiger Konnotation:

Einführung in die Ethnologie Zentralasiens. 2003 S. 76 ff. VI.1. Vorbemerkungen und S. 87 ff. VI.2.4. Einige Bemerkungen zur ethnischen Identität und Sprache

Die dortigen angesprochenen Nomadenkonföderationen und Prozesse dürften sich ähnlich auch vorher abgespielt haben.
 
So ist es! Als nomadisches Steppenvolk stammten die Proto-Bulgaren aus der Gegend, die zur fraglichen Zeit ihrer Ethnogenese auch Chasaren, Petschenegen, Ogusen und andere Turkvölker hervorbrachte. Das war der südrussische Steppenraum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, bis hin zu Balksch-See.

Baktrien zählte in jener Zeit zu Perserreich, ganz abgesehen davon, dass dieser Name im 6./7. Jh. schon nicht mehr existierte.

Mich wundert es dass Chazaren und Bulgaren als Einzelvölker behandelt werden, laut einer arabischen Quelle sprachen sie die gleiche Sprache. Der einzige Unterschied ist demnach, dass sie eigene Reiche hatten. Wenn die Herkunft eines der beiden Völker sicher geklärt ist, ist auch automatisch die des anderen sicher festgestellt.
 
Gegen eine "Promenadenmischung" ist nichts zu sagen (außer, daß man den Ausdruck eher für Hunde verwendet).

Wenn aber jemand käme und würde behaupten, die Hunnen könne man säuberlich in eine tibetische Aristokratie und in ein baltisches Bauernvolk unterteilen, würde ich das erst einmal für eine recht steile These halten, die einer guten Beweisführung bedarf, um als plausibel zu gelten.

Die Protobulgaren, die sich im Donaugebiet etablierten, waren sicher ebensowenig homogen wie die Skythen, die Hunnen, die Awaren, die Türken oder die Mongolen. Da mögen neben dem tschuwaschischen Kern noch sonstige türkische, ugrische, sarmatische, hunnische, awarische, slawische, germanische und was weiß ich was für sonstige Anteile beteiligt gewesen sein. Um den ganzen Haufen zu kommandieren, brauchte man allerdings Kommandosprache, die von allen verstanden wird, und das wird vermutlich die Sprache der Kommandierenden gewesen sein.

Für die Behauptung, die "breite Masse" habe iranisch gesprochen, sehe ich nach wie vor keinen überzeugenden Beweis. Auch nicht in dem hier irgendwo schon einmal verlinkten Aufsatz von Rasho Rashev, der sich im Gegensatz zu dem einen oder anderen hier in die Diskussion geworfenen Pseudowissenschaftler immerhin bemüht, seine Argumentation auf die Basis korrekter Fakten zu stellen.
Tatsächlich sind aber auch seine Argumente oft nicht stichhaltig. Der anthropologische Befund sagt über die Sprache wenig bis gar nichts aus. Der Vergleich zwischen dem heutigen Bulgarisch und dem heutigen Ungarisch ist schief und besagt nichts über die einstigen Sprachverhältnisse innerhalb der einstigen Protobulgaren. Es gibt keine Regel, nach der ein bestimmter Prozentsatz einer eingewanderten Bevölkerung einen bestimmten Prozentsatz an Substratwörtern hinterlassen muß.


Ich weiß nicht, wie "riesig" das Volk der Skytho-Sarmaten zu einem gewissen Zeitpunkt war.
Ich weiß aber, daß das Volk verschwunden ist. In der ganzen Gegend, wo einst Sarmaten lebten, spricht schon lange kein Mensch mehr Sarmatisch.

Das Volk war auf alle Fälle nicht so geschrumpft, dass sie komplett "absorbiert" wurden. Das sie noch in der Völkerwanderung großen Einfluss gehabt hatten, ist sicher.

Außerdem, wir sprechen heute auch kein Gotisch mehr.

PS: Gibt es auch Quellen, wie Zar Boris aussah?
 
@Dr. Iotschev: Wenn Mostic, wie es scheint, nicht europid war, kann man schwer behaupten, dass ALLE Protobulgaren europid waren, aber genau dieser Ausspruch wird leider oft gebracht.
Da muss man gar nicht das Gegenteil beweisen. Wer behauptet so einen Mist in 100%iger Absolutheit?
Ist doch genauso falsch wie die Aussage: Alle Raben sind schwarz. Es gibt auch Albinos.
Oder sind ALLE Schweden blond? Nein. Oder sind gar ALLE Moslems Terroristen???
 
Zuletzt bearbeitet:
Lies mal bitte obige Seiten im PDF...

Habe ich.

Ich habe nichts anderes behauptet, ich sage nur, dass man nicht in der Ethnogenese der Protobulgaren die iranischen Völker ausschliessen sollte. Sie hatten Ihren Anteil in der Ethnogenese, und der war vermutlich größer als bisher vermutet.

Da muss man gar nicht das Gegenteil beweisen. Wer behauptet so etwas in 100%iger Absolutheit? Ist doch genauso falsch wie die Aussage: Alle Raben sind schwarz. Es gibt auch Albinos.
Oder sind ALLE Schweden blond? Nein. Oder sind gar ALLE Moslems Terroristen???

Stimmt.
 
zu Hyokkose:
In der Völkerwanderung kam es oft vor, dass zwei Völker gemeinsam umherwanderten, wobei eins der beiden Völker den Adel stellte. Siehe Angel und Sachsen oder Wandalen und Alanen.

Die Angelsachsen sind ein ganz schlechtes Beispiel, weder hat eines der Völker den Adel und das andere die Bauern gestellt, noch handelt es sich um Ethnien mit total verschiedener Sprache wie etwa Türken und Iraner, sondern sie sprachen dieselbe Sprache, außerdem handelt es sich auch nicht um zwei Völker, sondern um ein Volk, das eine Mischung aus mehreren Stämmen darstellte (Angeln, Sachsen, Jüten, Friesen), wobei die Angeln und Sachsen für die meisten Namensbildungen verantwortlich waren - die Königreiche Essex (=Ostsachsen) und Wessex (=Westsachsen) haben ihren Namen von den Sachsen, das Königreich England den Namen von den Angeln.
Über die Herrschaftsstrukturen des vandalisch-alanischen Verbands weiß ich nichts, außer daß die Könige vandalischer Abstammung waren. Das heißt noch lange nicht, daß alle Vandalen Aristokraten waren und daß es bei den Alanen keine Aristokratie gab. Eine derartige These hielte ich ebensowenig haltbar wie die These von den türkischen Aristokraten und den iranischen Bauern.



Es ist anzunehmen, dass von diesen beiden Horden

Reine Annahmen interessieren mich eigentlich weniger; was mich beeindrucken würde, wären handfeste historische Belege.


Somit ist die alte These von der hunnischen Abstammung der Bulgaren gar nicht so unaktuell.
Angenommen, diese These würde stimmen, dann wüßten wir aber über die Sprache immer noch nichts. Es gibt keine Texte, von denen man weiß, daß sie "hunnisch" sind, und wir wissen nicht, was "Hunnisch" für eine Sprache war. Im Gegensatz dazu gibt es (wenn auch sehr fragmentarische) Texte, von denen man weiß, daß sie "bulgarisch" sind, und die lassen sich auch eindeutig als turksprachig klassifizieren.


aber man sollte echt aufpassen mit diesen Namensvergleichen, sonst kommen wir am Ende noch zu den Schluß, dass die Bulgaren aus Belgien eingewandert sind.

Hervorragend! Auf die Gleichsetzung von "Bulgaren" = "Belgien" bin ich noch gar nicht gekommen.
Hoffentlich kommt kein Wirrkopf, der das noch allen Ernstes glaubt...
 
Das Volk war auf alle Fälle nicht so geschrumpft, dass sie komplett "absorbiert" wurden. Das sie noch in der Völkerwanderung großen Einfluss gehabt hatten, ist sicher.

Vor allem wurden sie in der Völkerwanderung endgültig in alle Winde zerstreut. Ein Teil zog mit den Vandalen mit und kam bis nach Spanien und Nordafrika, andere scheinen sich in den Kaukasus verzogen zu haben. Die übrigen sinde in Dutzenden anderer Völker aufgegangen. Vielleicht waren zu der Zeit, als die Protobulgaren kamen, noch ein paar Sarmaten übrig, die sich den Protobulgaren anschlossen, könnte ja immerhin sein.


Außerdem, wir sprechen heute auch kein Gotisch mehr.

Richtig, es gibt auch schon lange keine Goten mehr. Die letzten Goten lebten vor ein paar Jahrhunderten auf der Halbinsel Krim; sie sind inzwischen in der russischen Bevölkerung aufgegangen.
 
Meines Wissens nach spielen die Iraner eine Substrat-Rolle in der Ethnogenese aller Turkvölker, darum ist überhaupt der europide Typ bei fast allen Turkvölkern zu finden, einschließlich den Uiguren im heutigen China. Möglicherweise ist dies überhaupt der Grund für die Abspaltung der Ur-Türken von dem hypothetischen altaischen Urvolk. Durch die Absorbtion der iranischen Elemente konnten sie sich zu einer Ethnie entwickeln die sich deutlich von der mongolischen unterscheidet.
 
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