Kalender

deSilva

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So wie man heute die Milch aus dem Kühlregal bekommt statt von der Kuh, wird dem Historikern heute ja auch ein tagesgenaues Datum für verschiedene Ereignisse angeboten. Manchmal ist ein Datum einfach nicht überliefert (z.B. das Geburtsdatum Karls des Großen). Man kann es dann versuchen zu schätzen.

In vielen Fällen ist ein Datum schon überliefert, aber in einer anderen Zeitrechnung, die bis ins Mittelalter häufig relativ ist ("Im dritten Regierungsjahr des Kaisers X", "Als Y eponymer Beamter war"). Oder einem Kalender mit willkürlichen Schaltregeln folgt.

Zwischen islamischen, gregorianischen und julianischen Daten (jedenfalls seit dem 2. Jh.) kann man standardmäßig umrechnen. Doch gibt es regionale Unterschiede und zwischenzeitlich auch in Europa Eigentümlichkeiten wie den Revolutionskalender. Ebenfalls gibt es Umstellungen des Beginns einer Zeitrechnung (seleukidisch, varronisch, diokletianisch, "nach Dionysius Exiguus" (d.h. n.Chr.; ursprünglich und korrigiert)).

In Briefen war es bis vor 100 Jahren üblich, den Kirchentag zu nennen statt des Kalenderdatums: "Pfingstmontag 1899", "zu Marien Himmelfahrt anno 1910")

Frage: Wie kommen arbeitende Historiker eigentlich damit zurecht? Ein Blick in Tabellen? Oder ist das alles überhaupt kein Thema mehr? Was lernt man da überhaupt im Studium?

Meine Information beschränkt sich hier vor allem auf die astronomische Sicht (wie auch im anderen Thread deutlich geworden http://www.geschichtsforum.de/f83/geschichtliche-datierung-durch-astronomische-ereignisse-23074/ ).

Zum Weiterlesen gibt es hier eine AUSFÜHRLICHE Linksammlung:
Historische Hilfswissenschaften

Und hier einen etwas begrenzteren aber recht übersichtlichen Artikel.
Die Grundlagen des julianischen und gregorianischen Kalenders
 
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Frage: Wie kommen arbeitende Historiker eigentlich damit zurecht? Ein Blick in Tabellen? Oder ist das alles überhaupt kein Thema mehr? Was lernt man da überhaupt im Studium?
In meinem Fall gab es dafür ein Einführungsmodul aus Vorlesung, Seminar und Tutorium.
In der Vorlesung (Skripte hab ich da, könnte ich vielleicht mal in einen Anhang packen) ging der Dozent auf verschiedene Kalender ein und im Tutorium wurde uns der große Ploetz (setzt mit Jahreszahlen noch vor Abkühlung der Erdoberfläche ein) als Datengrab in einer Sitzung zu wichtigen Handbüchern genannt.
 
Bei islamischen Kalender ist das nicht ganz so einfach. Es gibt zwar eine Formel nach der man die Jahre des islamischen Kalenders in Jahre des christlichen Kalenders umrechnen kann, aber die ist nur sehr ungenau, was auch an der Verschiebung der Jahre liegt (100 Jahre des islamischen Kalenders Mondkalenders sind 97 Jahre des christlichen Sonnenkalenders). Bei genauen Datumsangaben kann man aber auf Tabellen zurückgreifen: Spuler, Berthold; Mayr, Joachim: Wüstenfeld-Mahler'sche Vergleichungs-Tabellen zur muslimischen und iranischen Zeitrechnung mit Tafeln zur Umrechnung orient-christlicher Ären. Wiesbaden 1961.
Für die Althistoriker gibt es den Kienast. Kienast, Dietmar: Römische Kaisertabelle: Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie. Darmstadt 1996.
 
Was ist denn von den online-Umrechnern zu halten (besonders umfangreich z. B. Kalender-Rechner)?

Ich hab damit ein paar Daten, die in den arabischen Quellen zum Zusammenbruch des córdobeser Kalifats angegeben werden umgerechnet und die mit den Umrechnungen in der Literatur (Scales, Peter: The Fall of the Caliphate of Córdoba. Berbers and Andalusis in Conflict. Leiden, NY, Köln 1994) verglichen. Sie stimmen überein (bis auf einen Fall, da wird der 11. April 1013 angegeben, nach dem Kalender ist es aber der 11. Mai).
 
Was ist denn von den online-Umrechnern zu halten?

Da gibt es z.B. immer das Problem von "Bugs" :)

Es werden keine Bereichsüberprüfungen vorgenommen; bei der Anzeige der Ergebnisse sollte das eingegebene Datum (fett hervorgehoben) noch einmal kontrolliert werden. (Beispielsweise wird die Eingabe 32. Dezember 1999 als 1. Januar 2000 interpretiert.)

So ein Satz ist immer ein schlechtes Zeichen.....

Daten des Gregorianischen Kalenders vor dem 15. Oktober 1582 werden schematisch berechnet bzw. umgerechnet und kursiv angegeben.
Das heißt "proleptisch" und kann großen Wert für Vergleiche und für die Abschätzung der Lage eines Tages im Sonnenjahr haben..

Daten des julianischen Kalenders vor dem 1. Januar 8 u. Z. erscheinen ebenfalls nur kursiv, da in Rom der Kalender bis dahin abweichend in Gebrauch war und die schematisch berechneten Daten im allgemeinen nicht mit den wirklichen Daten übereinstimmen. Daten des römischen Kalenders werden aus dem gleichen Grund vor den Kalenden des Jahres 761 a. u. c. (1. Jan. 8 u. Z.) nicht angegeben.

Damit ist eine großes Problem adressiert: Die alten Kalender liefen NIEMALS nach einem festen Schema, sondern hatten Störungen. Eigentlich muss ein Programm alle bekannten "Störungen" tabellenmäßig enthalten...

Für den Jüdischen Kalender werden die Daten bis zum Ende des 10. Jahrhunderts kursiv angegeben, da sie lediglich schematisch berechnet sind und in der Regel nicht mit tatsächlichen Daten übereinstimmen werden. Bis zum 10. Jahrhundert erhielt der Kalender seine heutige Gestalt. Die Eingabe des Monats Adar II wird in Normaljahren als Adar interpretiert.
dito
 
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Sie stimmen überein (bis auf einen Fall, da wird der 11. April 1013 angegeben, nach dem Kalender ist es aber der 11. Mai).
So etwas deutet auf einen falschen Schaltmonat hin. Da es im islamischen Kalender aber keine Schaltmonate gibt, halte ich mal die Angabe des Programms (!!) für richtig, und nicht die Angabe in der Literatur...

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Edit: Sonst probier den mal aus: http://www.nabkal.de/kalrech2.html
 
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So etwas deutet auf einen falschen Schaltmonat hin. Da es im islamischen Kalender aber keine Schaltmonate gibt, halte ich mal die Angabe des Programms (!!) für richtig, und nicht die Angabe in der Literatur...
Da die anderen Daten übereinstimmten, ging auch ich eher von einem menschlichen Fehler aus. Z.B. Tippfehler, statt der 5 die 4 erwischt.
 
Edit: Sonst probier den mal aus: Kalenderrechner 2

Mal unabhängig davon, ob's 100%ig klappt, finde ich das sehr nützlich.

Noch eine sicher laienhafte Frage dazu: Für uns Mitteleuropäer ist ja die "Zeitenwende" (vor/nach) ganz praktisch - wie machen das die Leute, die einen absoluten Anfangspunkt setzen? Ist "vor der Zeitrechnung", wie beim Rechner angegeben, überall die Lösung?
 
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Ich glaube ja:
"Im Jahr vor der Thronbesteigung des X"
"Im Jahre 10 vor der Hedschra"
"Im 12. Jahr vor Erschaffung der Welt"....

Scaliger setzte das Julianische Datum (JD) so (1. Jan. 4713 BCE nach Julianischem Kalender ), dass es nach damaligem Wissensstand keine negativen Zahlen geben sollte; es ist der einzige Kalender, in dem es einen Tag "Null" gibt.
 
Bei islamischen Daten gibt es ja meistens (sofern kein Tag bekannt ist) zwei Jahreszahlen. Dabei werden oft die erste Zahl für die Geburt und die letzte Zahl für den Tod genommen, aber insgesamt gibt es da IMHO keine genauen Regeln, womit auch die oftmals unterschiedlichen Zahlen in verschiedenen Chronologien erklärbar sind.

Hier weitere Infos zur Umrechnung:

Mondjahr x 33/32 + 622 = m
( m – 622 ) x 32/33 = Mondjahr

"=" heißt hier "ungefähr"

Hieraus:
http://www.ori.uni-heidelberg.de/fachschaft/images/studienhilfen/zeitrechnung.pdf

Hier ein Umrechner der Uni Zürich:
Islamic Calendar
und hier einer, der auch Tabellen zur Grundlage hat:
Western-Islamic Calendar Converter
 
Mit dem islamischen Kalender sollte es eigentliche wenig Probleme geben, da hier im Prinzip alles bekannt ist.

Beim von mir bevorzugten "Rechner" Kalenderrechner 2 finden sich auch die entsprechenden Anmerkungen:
Kalenderstile
Islamische Zeitrechnung
Propleme der islamischen Datierung

Da es doch viel zu lesen ist hier noch mal kurz zusammengefasst:
Der islamische Monat beginnt - wie in Rom und eigentlich in allen alten Kulturen - mit dem zunehmenden Mond (in Rom: den "kalenden"). Dies ist zwar im Mittel nach 29,53 Tagen der Fall,aber es gibt astronomische, geographische und meteorologische Unterschiede....

Wie in allen Kulturen, in denen Administration, Krieg und Handel eine Rolle spielen, hat sich deshalb auch in der islamischen Welt ein "System" herausgebildet - der zyklische Kalender - bei dem ein Monat abwechselnd 30 und 29 Tage hat.

Allerdings gibt es einen Rest, der nach 3 oder 4 Jahren das Einschalten eines zusätzlichen Schalttages erfordert (es haben dann 3 Monate hintereinander 30 Tage). Es ist deshalb i.d.R. NICHT möglich ohne Tabellen eine tagesgenaue Umrechnung vorzunehmen.

(Ich sehe gerade im letzten Link von Lynxxx, dass es offenbar 8 (!) verschiedene Interkalendationstabellen gibt - also Regeln, nach denen das Schaltjahr bestimmt wird...)

Es ist auch nach den von Lynxx angegebenen einfachen 33/32 Formeln nur gelegentlich möglich, überhaupt das Jahr zu treffen. Eine Umwandlung muss IMMER tagesgenau erfolgen.
 
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Allgemeines zum Jahresbeginn (1)

Sorry wenn ich Allgemeinwissen wiederhole.... Aber warum gibt es immer Probleme mit dem Kalender? Ich hatte da mal vor vielen Jahren was skizziert...

Für verschiedene menschliche Tätigkeiten, seien sie nun landwirtschaftsbedingt oder auch als Jäger und Sammler, gibt es die Notwendigkeit, die momentane Lage im Jahreslauf einschätzen zu können. Die hierfür weltweit genutzten Verfahren sind:

- Abschätzung der Höhe des Sonnenstands am Mittag
- Blüte von Wildpflanzen, Belaubung der Bäume

Wenn man Tage zählt, dann findet man sehr schnell, dass sich diese Vorgänge des tropischen Jahres ungefähr alle 360 Tage wiederholen, genauer gesagt nach 365,2522 Tagen hat die Sonne wieder die gleiche Kraft (aber es gibt auch noch Wolken, Wind und Regen!) Ohne Rücksicht auf diese Wetterphänomene - die sich allerdings katastrophal für den Landwirt auswirken können! - ist also eine Orientierung im Jahr durch Zählen von Tagen möglich, zur Vereinfachung gebündelt zu Wochen (von 10, 8, 7 oder 5 Tagen) oder auch zu Monaten - hierzu gleich mehr.

Das offene Problem: Wann beginnt man denn zu zählen? Selbst wenn es eine ganze Anzahl von Tagen im Jahr gäbe, dann würde man sich doch unvermeidlich irgendwann verzählen! Hilfe bringt hier die Astronomie, denn durch eine kritische Beobachtung des Sonnenstands kann man die vier astronomischen Hauptereignisse des Jahres festmachen: Der (längste) Tag des höchsten Sonnenstands, der (kürzeste) Tag des niedrigsten Sonnenstands, die beiden Tage der Tag- und Nachtgleiche im Frühling und und im Herbst. Das ist nicht wirklich schwierig zu bestimmen - man muss nur wissen, was man eigentlich will. Herbst-, Winter- und Frühlingsanfang findet man quer durch die alten Kulturen als Jahresanfangsindikator (Sommer ist mir allerdings nicht bekannt...)

Dieser Tag ist jedoch in keiner Kultur der "Tag 1"!

Das liegt vor allem am Mond..

Als äußerst präziser Kurzzeitmesser sind schon immer die Phasen des Mondes verwendet worden; man kann hiermit einen Termin auf 3 Tage genau abschätzen. "Monat" und "messen" ist in vielen Sprachen das gleiche Wort. Besonders beliebte Termine sind die Vollmonde. In allen Monatsberechnungen beginnt der Monatszyklus mit dem ersten Neulicht zu rechnen ("Kalenden" = 1. Tag des neuen Mondes; Vollmond (="Iden") ist 13 bis 15 Tage später. Ereignisse in den Vollmondnächten haben häufig einen magisch-religiösen Charakter.

Da also die Tagesangabe in Bezug auf den Monat einen religiösen Hintergrund wie auch einen praktischen Nutzen hat, wird der Jahresanfang in den meisten frühen Kulturen mit den Mondphasen zur Synchronisation gebracht, man spricht dann von einem gebundenen Luni-Solar Kalender. Kalender, die die Mondphasen ignorieren ("Ägypten", die Herkunft des Julianischen und Gregorianischen Kalenders) oder die das Sonnenjahr ignorieren ("Islamisch") sind die Ausnahmen...

Wie geht das vor sich mit den Luni-Solar Kalender? Nun, im 12. Monat (= nach etwa 330 Tagen) fangen die Priester-Astronomen an, den Sonnenstand ganz genau nach dem Jahresanfangsereignis zu beobachten, z.B. Frühlings Tag-und-Nacht-Gleiche. Wird dieses Ereignis beobachtet, dann ist der nächste Neulichttag der 1. Tag im neuen Jahr. Am 14. wird dann bei Vollmond eine Riesenfete gefeiert!

Wurde aber bis zum 13. Neulicht die Tag-und-Nachtgleiche noch nicht beobachtet, dann wird ein 13. Monat "eingeschaltet". Da Jahr beginnt dann etwa 29 Tage später. Dies ist alle 3 bis 4 Jahre notwendig.

Die großen Vorteile: Man ist mit der Natur im Einklang, man braucht nicht viel zu rechnen.

Der großen Nachteile:
- Es gibt keine einfache Prognose über die Jahreslänge
- die Anzahl der Tage im Jahr ist überhaupt sehr unterschiedlich, was für buchhalterische Vorgänge (Steuertermine!) unangenehm ist (ein Jahr hat entweder 254, 283 oder 284 Tage)
- Man liegt gelegentlich sehr spät im Sonnenjahr, was für landwirtschaftliche Tätigkeiten in nördlichen Gebieten mit kurzer Vegetationsperiode oder sehr präzisen "Katastrophen" (wie der Nilflut) problematisch ist. Dies sind übrigens auch die Gebiete, wo sich eher reine Sonnenkalender finden.

Das Problem #1, die Vorhersage der Schaltjahre, lässt sich aber mathematisch lösen! Hierzu sind allerdings genaue Langzeitbeobachtungen (Sonnenjahr, Mondmonat) nötig. Es ist sicherlich nicht falsch, in diesen Anstrengungen eine der Wurzeln der modernen Wissenschaft zu sehen...

Was die Länge der Monate angeht, so gibt es in einem Luni-Solar Kalender keine andere Lösung als abwechselnd 29 und 30 Tage zu haben. Der 13. Schaltmonat hat entweder 29 oder 30 Tage. Dies ergibt sich aus der faktischen Beobachtung am "Jahresanfang" oder nach den entsprechenden Formeln der Kalendermathematik.

Ein reiner Solarkalender hat keine Last mit der Länge der Monate, da keinerlei Synchronisation mehr mit den Mondphasen existiert. In Ägypten hatten 12 Monate 30 Tage zu je 3 Zehntagewochen, und ein dreizehnter Feiertagsmonat 5 Tage.

Bei der Übernahme durch die Römer wurden die Tage des "Kurzmonats", die Epagomene, auf die Monate verteilt, so dass wir jetzt abwechselnd 30 und 31 Tage haben. Im alten römischen Jahr, das ähnlich wie oben beschrieben am (beobachteten) Neumond nach (beobachtetem) Frühlingsanfang begann. Das war März. Der Februar war also dafür prädestiniert eine variable Länge zu haben, nämlich die Wartezeit auf den Frühlingsanfang. Über die Wirren des römischen Vorjulianischen Kalenders ist aber nicht allzu viel bekannt. Er hatte ursprünglich nur 10 Monate, der Jahresanfang wurde erst 100 Jahre vor Cäsar auf den 1. Januar geschoben (153 BC)).

Cäsar setzte den (neuen!) 1.Januar so, dass der die Frühlings Tag-und-Nachtgleiche auf den 24. März fiel; dies wurde durch den Schalttag (doppelter "Bisextil" = 24.) im Februar so austariert. Dies ist sehr merkwürdig. Warum wohl?

Unter Augustus wurde der "August" um einen Tag verlöngert, der dem Februar entnommen wurde, so dass der Frühlingsanfang seither - "nominell" auf den 25. März fällt, die Wintersonnenwende - das Fest der "unbesiegten Sonne" - auf den 25. Dezember.

Durch die Ungenauigkeit des Julianischen Kalenders hatte sich der wirkliche Frühlingsanfang im Jahre 325 aber bereits auf den 21. März geschoben. Seither - dem Konzil von Nicäa - ist dieses Kalenderdatum - nominell! - Frühlingsanfang und Basis für die Osterberechnung.

Auch hier fragt man sich: Quid? Dem Konzil war ja wohl bewusst, warum es vom 25. auf den 21. nachgebesert hatte. Wie konnte man erwarten dass dieser Termin auch nur 100 Jahr überstehen konnte? Sehr seltsam...

1582 wurde dann der Kalender - zum letzten Mal - so nachgebessert, dass der 21. März seitdem wirklich auf den astronomischen Frühlingsanfang fällt.

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Hier noch ein Link: http://www.ilf-mainz.de/projekte/ZeitHP/KALEND/kal-fol.pdf
 
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Durch die Ungenauigkeit des Julianischen Kalenders hatte sich der wirkliche Frühlingsanfang im Jahre 325 aber bereits auf den 21. März geschoben. Seither - dem Konzil von Nicäa - ist dieses Kalenderdatum - nominell! - Frühlingsanfang und Basis für die Osterberechnung.

Auch hier fragt man sich: Quid? Dem Konzil war ja wohl bewusst, warum es vom 25. auf den 21. nachgebesert hatte. Wie konnte man erwarten dass dieser Termin auch nur 100 Jahr überstehen konnte? Sehr seltsam...

Ich finde es nicht besonders seltsam, die Sache ist doch ganz einfach: Man hat sich auf einen (vom jüdischen Kalender abweichenden) Berechnungsmodus - keinen fixen Kalender-"Termin"! - geeinigt, um nichts anderes ging es. Vorher gab es keinen einheitlichen Berechnungsmodus, insofern wurde auch nichts "nachgebessert".
 
Jetzt habe ich mich doch noch mal ausführlicher mit der Osterproblematik beschäftigt...
wikipedia schrieb:
So wurde das Osterdatum, vermutlich Erzbischof Athanasius folgend, auf dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 auf den ersten Sonntag festgelegt, der dem 14. Tag des Frühlingsmonats (luna paschalis XIV), der sogenannten Ostergrenze, folgt. Der genaue Wortlaut des Beschlusses ist jedoch nicht mehr erhalten. Aus einem Schreiben Kaiser Konstantins lässt sich schließen, dass das Osterfest zu feiern sei:

1. an einem Sonntag
2. nach dem jüdischen Pessach
3. nach Frühlingsbeginn.

Die für die Berechnung des Osterfestes eines bestimmten Jahres nötige Bestimmung des Frühlingsanfangs in diesem Jahr sollte bezogen auf den astronomischen Frühlingsbeginn in Alexandria, dem damals wichtigsten astronomischen Zentrum der Welt, berechnet werden.

Diese Festlegung führte aber zu praktischen Schwierigkeiten. Im Jahr 525 wurde daher der kalendarische Frühlingsanfang von Dionysius Exiguus einheitlich auf den 21. März festgelegt. Dadurch wurde, obwohl der Frühlingsanfang sich damals bereits dem 20. März näherte, sichergestellt, dass Ostern immer nach dem Termin für Pessach gefeiert wurde. Überhaupt war die Bestrebung nicht höchste Genauigkeit, sondern so nah wie möglich an den richtigen Zeitpunkt heranzukommen, ohne jemals zeitlich zu früh (vor Pessach) Ostern zu feiern

Ich interpretiere das mal so: In Nicäa saßen ganz vernünftige Leute (Definition nach den astronomischen Gegebenheiten). Das dieser astronomische Frühlingsanfang um 325 auf dem 22. März lag (obwohl der "offizielle julianische Kalenden" den 25. März bezeichnete) brauchte sie nicht zu interessieren. Sie HÄTTEN sich natürlich fragen können, wie es denn wohl in 1000 Jahren aussehen würde. Aber das war in der Tat nicht ihre Baustelle...

Offenbar erkannte man aber 525 diese Problematik deutlicher, nachdem sich weitere 1,5 Tage Diskrepanz aufgesammelt hatten. Ostern wäre nach der nizäischen Regel zwar jahreszeitlich weiterhin korrekt, aber kalendarisch immer früher gefeiert worden, und hätte bald die Konstantinische Regel #2 verletzt. Statt einer notwendigen Kalenderreform zog man aber "nur" die Notbremse (machte ein "work around", wie wir heute sagen): Die o.g. Anforderungen Kaiser Konstantins konnten nun strikt eingehalten werden, auch wenn Ostern dann irgendwann in den Hochsommer gefallen wäre...
 
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Wo ich hier jetzt "Frühlingsmonat" lese....
Ich habe in meiner obigen Erzählung von Anno irgendwas eine sehr einfache Regel für ein "Neujahrsfest" angegeben: Im Monat NACH Frühlings-, Herbst- oder Winteranfang. In der Tat feiern wir dies heute auch so 31.12/1.1. Das Chinesische Neujahrsfest findet nicht am Vollmond des Monats nach der Wintersonnenwende statt, sondern am Ende dieses Monats, also am 2. Neumond.

In Mitteleuropa beginnt das Landwirtschaftsjahr aber recht früh, bekanntlich im Märzen. Um dies zu signalisieren muss also nicht der Monat NACH dem astronomischen Fundamentalereignis Frühlingsanfang (21.3.) bestimmt werden, sondern zu einem Neumond muss erkannt werden, ob der Frühlingsanfang wohl in die ersten beiden Wochen dieses Monats fallen wird. Dies ist eine bedeutend schwierigere Beobachtungsaufgabe, die möglicherweise die in Nordeuropa verbreiteten komplexen Steinsetzungen oder die noch früheren Kreisgrabenanlagen verursacht haben mag.
 
In Mitteleuropa beginnt das Landwirtschaftsjahr aber recht früh, bekanntlich im Märzen. Um dies zu signalisieren muss also nicht der Monat NACH dem astronomischen Fundamentalereignis Frühlingsanfang (21.3.) bestimmt werden, sondern zu einem Neumond muss erkannt werden, ob der Frühlingsanfang wohl in die ersten beiden Wochen dieses Monats fallen wird. Dies ist eine bedeutend schwierigere Beobachtungsaufgabe, die möglicherweise die in Nordeuropa verbreiteten komplexen Steinsetzungen oder die noch früheren Kreisgrabenanlagen verursacht haben mag.

Da sich die Natur nicht an Kalenderdaten zu halten pflegt und der Frühling mal zwei Wochen früher, mal zwei Wochen später Einzug hält, muß der Bauer vor allem die Flora und Fauna seiner Umgebung beobachten. Das ist auch eine komplexe Aufgabe, die viel Erfahrung erfordert. Diese Beobachtungen verraten dem Bauern, wann die rechte Zeit zur Aussaat ist - und nicht Mond, Sterne und Kreisgrabenanlagen.
 
Die hierfür weltweit genutzten Verfahren sind:

- Abschätzung der Höhe des Sonnenstands am Mittag
- Blüte von Wildpflanzen, Belaubung der Bäume
Tja, ich stamme "vom Land" :)
Leider ist die Angelegenheit nicht ganz so einfach. Die "Bauernregeln" über einen späten und einen frühen Sommer, einen nassen oder trockenen Mai, Siebenschläfer und die Eisheiligen treffen mal zu und mal nicht. Die Sonne bestimmt immer noch mit viel größerer Genauigkeit die Landwirtschaft als die jährliche Witterung. Und die Sonne hält sich - oh Wunder - an den Kalender, jedenfalls an den "korrekten". Wenn man nicht rechtzeitig die Saat in die Erde bringt, dann ist es eventuell zu spät. Auch wenn's mal schneit draußen: Im März geht's los :)
 
Da sich die Natur nicht an Kalenderdaten zu halten pflegt und der Frühling mal zwei Wochen früher, mal zwei Wochen später Einzug hält, muß der Bauer vor allem die Flora und Fauna seiner Umgebung beobachten. Das ist auch eine komplexe Aufgabe, die viel Erfahrung erfordert. Diese Beobachtungen verraten dem Bauern, wann die rechte Zeit zur Aussaat ist - und nicht Mond, Sterne und Kreisgrabenanlagen.

Irgendwie schade, dass sich hier die Diskussionen wiederholen http://www.geschichtsforum.de/f22/kreisgrabenanlagen-2649/index2.html

Aber so komplexe Bauwerke können auch mehr als einen Sinn haben.
 
Tja, ich stamme "vom Land" :)
Leider ist die Angelegenheit nicht ganz so einfach. Die "Bauernregeln" über einen späten und einen frühen Sommer, einen nassen oder trockenen Mai, Siebenschläfer und die Eisheiligen treffen mal zu und mal nicht. Die Sonne bestimmt immer noch mit viel größerer Genauigkeit die Landwirtschaft als die jährliche Witterung. Und die Sonne hält sich - oh Wunder - an den Kalender, jedenfalls an den "korrekten". Wenn man nicht rechtzeitig die Saat in die Erde bringt, dann ist es eventuell zu spät. Auch wenn's mal schneit draußen: Im März geht's los :)

Wenn der Boden im März aber zu naß und kalt ist, bleibt die Saat bestenfalls liegen. Aussaaten 2 Wochen später bei erwärmten Boden, sind dann genauso weit und oft gesünder.
Trotzdem denke ich, dass die Bauern als Anhaltspunkt schon den Sonnenstand im Auge hatten.
 
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