Teilung Polens 1939 - Truppenbewegungen

floxx78

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Hallo!

Im Netz finde ich grad nichts Gescheites und hier bin ich nicht sicher, wo es anzuhängen ist:

Ich stelle mir gerade die Frage, ob im Verlauf des Polenfeldzuges Gebiete zunächst von Deutschen besetzt worden sind, die gemäß des Geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag dann an die Sowjetunion gefallen sind.

Insbesondere interessiert mich, ob es Informationen über die Reaktion der Bevölkerung auf diese (von mir angenommenen) Machtwechsel innerhalb des recht kurzen Zeitraumes gibt.

Ein Danke vorab!
 
@floxx: Ich stelle mir gerade die Frage, ob im Verlauf des Polenfeldzuges Gebiete zunächst von Deutschen besetzt worden sind, die gemäß des Geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag dann an die Sowjetunion gefallen sind.
Ja, das gab es. So zum Beispiel die "Heldenfestung Brest" (offizieller Sprachgebrauch zu Sowjetzeiten). Im Juni 1941 musste sie deutscherseits ein zweites Mal eingenommen werden.

Es kam auch zu gemeinsamen deutsch-sowjetischen Paraden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo!
Ich stelle mir gerade die Frage, ob im Verlauf des Polenfeldzuges Gebiete zunächst von Deutschen besetzt worden sind, die gemäß des Geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag dann an die Sowjetunion gefallen sind.

Die Demarkationslinie, die zur Abgrenzung der im Geheimen Zusatzprotokoll vereinbarten Interessensphären vorgesehen war, wurde dem OKH/OKW erst kurz vor Beginn des sowjetischen Einmarsches am 17.9.1939 bekannt gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hatten wohl einzelne deutsche Truppenteile die vorgesehene "Grenze" schon überschritten und wurden zurückbeordert. Dazu befürchtete man Zusammenstöße oder Irrtümer, wenn die Truppenteile aufeinandertreffen.

Näheres müßte ich nachschlagen.

Der Stand des deutschen Vormarsches am 17.9. geht aus den vom Bibilo-Verlag herausgegebenen "OKH-Lageatlas", Band 1: Polenfeldzug hervor. Daraus müßte auch der Abgleich der Linien mit der späteren "Grenze" hervorgehen.

Da mW die Order am 17.9. oder am Vorabend herausgegeben worden ist, dürfte bereits am Folgetag sichergestellt worden sein, dass sich die deutschen Truppen aus der sowjetischen Besatzungszone zurückziehen. Näheres müßte ich nachschlagen, aber bei den Korrekturen dürfte nur ein ganz kurzer Zeitraum in Frage kommen.
 
Guderian durchstieß von Pommern kommend den "Korridor" zog duch Ostpreußen und kam an Białystok vorbei bis Brest-Litowsk. Von der Slowakei aus stießen Verbände bis nach Przemysl und Sambor vor.
 
Guderian durchstieß von Pommern kommend den "Korridor" zog duch Ostpreußen und kam an Białystok vorbei bis Brest-Litowsk. Von der Slowakei aus stießen Verbände bis nach Przemysl und Sambor vor.

Es sind Einheiten bis in das Weichbild von Lemberg vorgestossen. Wobei ich mich an den Satz "ergab sich Lemberg den gerade heranmarschierten Russen" aus einer Publikation noch aus den Kriegsjahren erinnere.

Ein Satz den ich, unter der Belastung heutigen Wissens, nicht richtig verstehe.
Ist damit gemeint, dass sich Lemberg "lieber" den Russen als den Deutschen ergab, oder haben die Deutschen gleich gar keine Besetzung mehr angestrebt?
 
Vielen Dank schonmal dafür! Das erleichtert die Recherche sehr!

Wenn jetzt noch jemand Hinweise zu meinem "Spezialinteresse" geben könnte, wäre das wirklich ein "Sahnehäubchen".

Insbesondere interessiert mich, ob es Informationen über die Reaktion der Bevölkerung auf diese (von mir angenommenen) Machtwechsel innerhalb des recht kurzen Zeitraumes gibt.

Ein Danke vorab!

Oh... und ich bin wirklich faul heute. :rotwerd:
 
Ja, das gab es. So zum Beispiel die "Heldenfestung Brest" (offizieller Sprachgebrauch zu Sowjetzeiten). Im Juni 1941 musste sie deutscherseits ein zweites Mal eingenommen werden.

Es kam auch zu gemeinsamen deutsch-sowjetischen Paraden.

Nicht nur das. Verwundete deutsche Soldaten wurden von den Sowjets entsprechend gut versorgt und dann in das Besatzungsgebiet der Wehrmacht geleitet.

Am 17.09. gab das OKW eine sogenannte Vormarschgrenze bekannt, die dann am 18.09 vom OKH korrigiert will heißen präzisiert wurde. Deutsche Truppen, die bereits über diese Linie hinaus vorgedrungen waren, mussten bis spätestens 21.09. sich diesseits der Demarkationslinie befinden. Das ging dann noch so ein bißchen weiter, will heißen Bekanntgabe neuer Linie und Rückzugstermine.

Bei Biyalstok und Brest kam es dann zur Fühlung mit der Roten Armee und es wurden Absprachen dahingehend getroffen, das die Rote Armee den Abzug der Wehrmacht erst in einen Abstand von ca. 25 Kilometern folgen sollte.
 
1940 erschien ein Buch, das die Erlebnisse eines deutschen Aufklärungsfliegers während des Polenfeldzuges beinhaltet. Dort wurden die Einnahme von Brest, die Begegnung mit sowjetischen Truppen und der begeisterte Empfang durch die zuvor von den Polen schikanierte weißrussische Bevölkerung (Transparente: "Es lebe Hitler, es lebe Stalin - es lebe die deutsch-sowjetische Freundschaft") anschaulich geschildert. Ich muss es suchen, wenn ich Papas Bücherregal mal wieder vor mir habe, den genauen Titel weiß ich so nicht.

Ich las es mit 14 und es fiel mir wie Schuppen aus den Haaren. 1940 - also musste es wahr sein. Alles was man in der DDR dazu hörte oder las war folglich erstunken und erlogen. Man war systemkonform genug, um damit nicht in der Schule zu kommen. Aber von der Stunde an waren bei mir der Staat und seine Politik, wie die ganze Ideologie, durchgefallen.
 
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Wenn jetzt noch jemand Hinweise zu meinem "Spezialinteresse" geben könnte, wäre das wirklich ein "Sahnehäubchen".

Das wird wohl schwer, da könnte ich mir zunächst nur mal polnische Beiträge zu vorstellen. Dazu ist zu bedenken, dass die Reaktionen dann innerhalb des sowjetischen Machtbereiches stattfanden.

Ein Ansatzpunkt: Der polnische Widerstand formierte sich ja während der deutschen Besetzung, es gab teilweise ein wildes Hinundher, Rekrutierungen, Organisation von Widerstandszellen in Städten etc.

Das gibt es vom MGFA ein Band, der einige Darstellungen auch zu dieser Frühphase, möglicherweise auch Reaktionen des Widerstands auf Räumungen enthält: Band 57 der Beiträge zur Militär und Kriegsgeschichte: Die Polnische Heimatarmee.

Näheres müßte ich nachschlagen, aber ich erinnere mich an Darstellungen zu umfangreichen polnischen Partisanenaktionen in der sowjetischen Besatzungszone und Kämpfe, die bis zum Juni 1941 andauerten, danach gegen die erneute deutsche Besatzung weitergeführt wurden (zB Großraum Bialystock).
 
Es sind Einheiten bis in das Weichbild von Lemberg vorgestossen. Wobei ich mich an den Satz "ergab sich Lemberg den gerade heranmarschierten Russen" aus einer Publikation noch aus den Kriegsjahren erinnere. Ein Satz den ich, unter der Belastung heutigen Wissens, nicht richtig verstehe. Ist damit gemeint, dass sich Lemberg "lieber" den Russen als den Deutschen ergab, oder haben die Deutschen gleich gar keine Besetzung mehr angestrebt?
Aus einem zeitgenössischen Kriegsbericht (Göldner, Der Feldzug in Polen 1939 [1939], S. 85), geht hervor, dass Lemberg sich "am 21. September den bereits in Abmarsch befindlichen Truppen ergeben" hatte; S. 88 wird freilich der 22.9. genannt. Die Ablösung durch russische Verbände erfolgt am 22.9. (S. 87), am gleichen Tage besetzten die Russen auch Bialystock und Brest-Litowsk.

Bezüglich Lembergs hieß es in einem deutschen Merkblatt für die Truppen im Süden: "Marxistische Widerstände dürfen nur von der Industriearbeiterschaft Lembergs und dem jüdischen Proletariat des Erölgebietes Boryslaw-Drohobycz zu erwarten sein" (zit. b. Jochen Böhler, Auftkat zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939 [206], S. 50).
 
Aus einem zeitgenössischen Kriegsbericht (Göldner, Der Feldzug in Polen 1939 [1939], S. 85), geht hervor, dass Lemberg sich "am 21. September den bereits in Abmarsch befindlichen Truppen ergeben" hatte; S. 88 wird freilich der 22.9. genannt. Die Ablösung durch russische Verbände erfolgt am 22.9. (S. 87), am gleichen Tage besetzten die Russen auch Bialystock und Brest-Litowsk.

Eine schöne Untertreibung der deutschen Propaganda-Büchlein zum Polenfeldzug.

Die auf Lemberg vorgestoßene 1. Gebirgsjäger-Division befand sich in besonders schweren Kämpfen und in kritischer Lage, rückwärtig abgeschnitten und tagelang über Luft versorgt.
 
@silesia: Heldenfestung Brest: das bezog sich erst auf die Verteidigung im Juni 1941.
Das meinte ich auch. Die Story bekamen wir schon als Jungpioniere eingebleut. Umso verblüffter war ich, von der Einnahme 1939 zu lesen.

Zitat:
balticbirdy
1940 - also musste es wahr sein.

Wieso sollten die Darstellungen in der deutschen Propagandaliteratur 1939/40 stimmen?
Weil, abgesehen von Einzelheiten, die Kungelei Stalin-Hitler vor 1941 deutlich wurde. In der DDR war es Tabuthema und ich hatte nie dergleichen gehört. Die offizielle Lesart war, dass die Rote Armee einrückte, um Ostpolen vor der faschistischen Barbarei zu schützen. Eine Begründung, warum das Gebiet nach Kriegsende gleich einbehalten wurde, gab es nicht.

Ab 1941 hätte es wahrscheinlich auch die Nazipropaganda gern anders gesehen. Das Buch passt perfekt in ein kurzes Zeitfenster und ich kann mir nicht vorstellen, dass es weitere Auflagen gab. Und dass sich der Autor die Tatsache nicht völlig aus den Fingern gesogen hatte, war klar. Schließlich lagen die Ereignisse erst wenige Monate zurück. Das meinte ich mit "musste wohl wahr sein".
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine schöne Untertreibung der deutschen Propaganda-Büchlein zum Polenfeldzug.

Die auf Lemberg vorgestoßene 1. Gebirgsjäger-Division befand sich in besonders schweren Kämpfen und in kritischer Lage, rückwärtig abgeschnitten und tagelang über Luft versorgt.

Stimmt, jetzt fällt es mir wieder ein, Freund meines Vaters, Schwäbischer Skimeister 1937, 1941 schwer verwundet und ein Krüppel sein Leben lang, erzählte von den Kämpfen vor Lemberg, "2 Tage eingeschlossen in einem Friedhof, die Polen waren die tapfersten Soldaten"

Aber der Versuch der Polen sich den Deutschen und nicht den Russen zu ergeben muss stimmen. Zentner schreibt dies ebenfalls.
 
floxx78 schrieb:
Ich stelle mir gerade die Frage, ob im Verlauf des Polenfeldzuges Gebiete zunächst von Deutschen besetzt worden sind, die gemäß des Geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag dann an die Sowjetunion gefallen sind.

In DRZW Band 2, S.126, ist zu lesen, das einige Verbände bereits bis 200 km östlich über die vereinbarte Linie des Vertrages vom 23.08.39 standen.


balticbirdy schrieb:
Die offizielle Lesart war, dass die Rote Armee einrückte, um Ostpolen vor der faschistischen Barbarei zu schützen. Eine Begründung, warum das Gebiet nach Kriegsende gleich einbehalten wurde, gab es nicht.

Sicher war dann in diesem Kontext die Gefangennahme von über 230.000 polnischen Soldaten und die Zwangsumsiedlung von 1.200.000 polnischen Bürgern nach Russland nur ein bedauerliches Missverständnis.

Unerklärlicherweise, warum bloß, war denn der polnische Botschafter doch überrascht, als er am 17.09. in Moskau in Volkskommissariat des Äußeren vom Einmarsch der Roten Armee in Kenntnis gesetzt wurde?

Eigenartigerweise hat dann am Abend des 17.September der polnische Präsident und die Regierung dann die Koffer gepackt und das Land verlassen.

Das ist doch Geschichtsklitterung der übelsten Art. Haben die Herrschaften eigentlich den Müll geglaubt, den sie den Kids einbläuten?
 
@Turgot: Das ist doch Geschichtsklitterung der übelsten Art. Haben die Herrschaften eigentlich den Müll geglaubt, den sie den Kids einbläuten?

Das von dir erwähnte "Missverständnis" kam natürlich gar nicht zur Sprache. Die Lehrer haben das sicher auch geglaubt, sie waren ja nicht kurz vor der Rente und hatten das auch schon erzählt bekommen. Es gab keine (legalen) Quellen, Kriegsteilnehmer erzählten bestenfalls im Familienkreis.

Die polnische Regierung? Das waren doch üble Kapitalisten, die das Weite suchten. :devil: Die wahre Vertretung des polnischen Volkes waren selbstverständlich die späteren Mitglieder des Lubliner Komitees. Und der Warschauer Aufstand war natürlich vom Westen initiiert, um den Sieg des Sozialismus in Polen zu verhindern. :devil:
 
Die polnische Regierung? Das waren doch üble Kapitalisten, die das Weite suchten. :devil: Die wahre Vertretung des polnischen Volkes waren selbstverständlich die späteren Mitglieder des Lubliner Komitees. Und der Warschauer Aufstand war natürlich vom Westen initiiert, um den Sieg des Sozialismus in Polen zu verhindern. :devil:


Das Verhalten der polnischen Regierung und Militärführung ist aber tatsächlich "mehrdeutig".
Zentner schreibt, es wären bis Stunden vor der Flucht nach Rumänien Pressekonferenzen mit detaillierten Stories von siegreichen Schlachten, die überhaupt nie stattfanden, abgehalten worden.
 
...In der DDR war es Tabuthema und ich hatte nie dergleichen gehört. Die offizielle Lesart war, dass die Rote Armee einrückte, um Ostpolen vor der faschistischen Barbarei zu schützen. Eine Begründung, warum das Gebiet nach Kriegsende gleich einbehalten wurde, gab es nicht.
Es gab schon eine Erklärung: Weil die Grenzen im "Potsdamer Abkommen" so festgelegt wurden.
Das war die Erklärung - eine andere gab es nicht.
 
Aber der Versuch der Polen sich den Deutschen und nicht den Russen zu ergeben muss stimmen. Zentner schreibt dies ebenfalls.

Habe noch ein Kriegsberichter-Machwerk von 1942 aufgetan (Leo Leixner: Vom Lemberg bis Bordeaux), welches das bestätigt (S. 97): Die polnische Besatzung ergab sich am 21.09.39, "bevor die Russen in Lemberg-Ost einmarschiert waren". Was ich nicht wusste: Die 1. Gebirgsjäger-Division war schon sehr früh, nämlich am 13.09., vor Lemberg, hatte dann aber - siehe oben - schwer zu kämpfen.

Darin auch die - natürlich mit Vorsicht zu genießende - Aussage, dass insbesondere die ukrainische Minorität ("Ukrainer - die entrechteten Parias Polens", S. 81) die Deutschen äußerst freudig begrüsst hätten. Die "aufflammende Hoffnung eines bislang geknebelten Volkstums" sei aber angesichts des Anmarsches der Roten Armee und des Abzugs der Deutschen jäh in sich zusammengesunken (S. 100).
 
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