Siedlungsgeschichte Germaniens - Archäologie & Ethnographie

Muspilli

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Angesichts einer aktuellen Diskussion http://www.geschichtsforum.de/f35/welche-v-lker-besiedelten-nrw-1727/index6.html#post365566 und aufgrund der Aufforderung zum ausgeschriebenen Thema einen eigenen Thread zu eröffnen, fällt es mir gar nicht leicht, hier einleitende Worte zu schreiben. Vielleicht beginne ich probehalber mit der Eingrenzung des Themas:
1. in zeitlicher Hinsicht vielleicht das letzte Jahrhundert vor Ztr. bis 4. Jahrhundert n. Ztr.
2. in räumlicher Hinsicht in etwas begrenzt von der Nordsee, der Elbe und Saale im Osten, im Westen und Süden vom Rhein und Main.

Allgemein geht es in etwa darum, ob ältere Fundkarten wie beispielsweise diejenigen des Germanenforschers Rafael von Uslar° bisher aktualisiert wurden, ob die Interpretationen des damit zusammenhängenden Fundgutes noch aktuell oder völlig überholt sind.

Vielleicht sollte ich auch wenigstens einen Fundplatz vorstellen (nach Peter Schmid, 2005)*, nämlich Feddersen Wierde: Im Marschgebiet an der Wesermündung gelegen, hat man hier eine kontnuierliche Besiedlung und Bewirtschaftung seit dem 1. Jh. v. Ztr. nachgewiesen. Zunächst auf ebenen Gelände sollen die Bewohner bald zum Wurtenbau übergegangen sein. Im 2. Jh. n. Ztr. soll die Dorfwurt bereits 14 landwirtschaftliche Höfe, im 3. Jahrhundert n. Ztr. schließlich 26 Wirtschaftsbetriebe gezählt haben. Für den letzt genannten Zeitraum hat man die EInwohnerzahl von Feddersen Wierde auf 300 geschätzt, die Rinderzahl auf 450 und die landwirtschaftliche Nutzfläche auf 300 ha. Man geht weiter davon aus, daß damit die Subsistenz nicht gesichert war, so daß sich die Bewohner schon im Jahrhundert zuvor zu einem Mehrbetriebshofsystem übergegangen waren. Zur gleichen Zeit soll auch ein Herrenhof entstanden sein, der mindestens bis ins 5. Jh. überdauert hat.

Diese Siedlung war nicht isoliert, wie ein Fundort im nahegelegenen Geestgebiet anzeigt: In Flögeln bildete sich allerdings erst im 2. Jh. ein Dorf, vormals eine Streusiedlung der vorrömischen Eisenzeit, verdichtete sich die Ansiedlung im 1. Jh. n. Ztr. und "bildete dann um 100 n. Chr. eine kompakte Dorfanlage. Ab dem 4. Jh. liegen die Höfe wieder etwas weitläufiger, bevor sie um 450 n. Chr. erneut zu einem Dorf zusammenwachsen." (W. H. Zimmermann, 2005, S.32)*

Die Frage, um auf das zweite Thema des Threads zu kommen: Die Artikel, auf die ich für diesen Beitrag bezug nehme, wurden unter dem Thema "Altsachsen" publiziert. Im Einleitungsartikel zu diesem Thema von Matthias Knaut (2005) heißt es, daß sich "mehere benachbarte Stämme in der Folgezeit [d. h. nach dem 1. Jh. n. Ztr.] zu einem lockeren Bund zusammenschlossen, der bis zur Karolingerzeit unter dem Namen Sachsen agierte" (S.22) Dann folgt die Aufzählung: genannt werden Cherusker und Angrivariern, Reudigner und Avionen, vor allem aber die Chauken als "wohl der bedeutendste Betandteil" (ebd.).
Könnte man hier eigentlich von (frühen) Altsachsen oder müßte man nicht zunächst von die Chauken sprechen? Läßt sich diese Frage eigentlich eindeutig entscheiden?

* Archäologie in Deutschland 2005/3:
- M. Knaut, "Eine Waffe gab den Namen", S.22-25
- W. Haio Zimmermann, "Von wandernden Dörfern und Herrschersitzen" S.32-35
- P. Schmid, "Ein Dorf und seine Führungsschicht", S.36-39
- Matthias D. Schön, "Prunk und Pracht im hölzernen Sarg", S.26-30 (daraus angehängte Graphik)
 

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Die Frage lautet, wie Bringe ich Befunde mit Namen überein?


Also ein schriftlose Kultur(en) welche von Leuten benannt wurden die oftmals mehrer tausend Kilometer entfernt lebten, teilweise ihre Wisse nur aus zweiter, dritter Hand hatten. Dazu die Meldungen unregelmäßig erscheinen vielleicht alle 40 oder 50 Jahre.

Ich denke bei so etwa ist ein gewisser Mut zu Lücke berechtigt und die aktuelle Literatur geht davon weg jeden Fundort mit einem Stammesnamen zu benennen.

Es gibt auch unzählige Aufsätze zu der Frage Franken oder Sachsen und keiner kann eine befriedigende Antwort geben…
 
In der Tat läßt sich meine skizzierte Problemstellung in die einfache Frage übersetzen, wie man archäologische Befunde mit historiographisch überlieferten Namen in Verbindung bringen kann, aber ich möchte auch auf eine Diskussion von Kriterien hinaus, um festzustellen, ob sich Übereinstimmungen ergeben, worin die möglichen Widersprüche begründet liegen.

Also ein schriftlose Kultur(en) welche von Leuten benannt wurden die oftmals mehrer tausend Kilometer entfernt lebten, teilweise ihre Wisse nur aus zweiter, dritter Hand hatten. Dazu die Meldungen unregelmäßig erscheinen vielleicht alle 40 oder 50 Jahre.

Ich denke bei so etwa ist ein gewisser Mut zu Lücke berechtigt und die aktuelle Literatur geht davon weg jeden Fundort mit einem Stammesnamen zu benennen.

So gerne ich dir zustimmen würde, sehe ich das nicht so. Gerade in der neueren Germanenforschung ist die ethnische Deutung archäologischer Befunde en vogue. So grenzt man beispielsweise ein "fränkisches Kulturmodell", das sich freilich weder vor noch nach Chlodwig mit dem Raum, der von Franken kontrolliert wurde decke - so Walter Pohl in seinem Studienbuch über die Germanen* - das man dann versuchsweise anderen Kulturmodellen (galloromanischen, alemannischen, sächsischen) gegenüberstellen kann. Das gleiche hat schon Rafael von Uslar in zahlreichen Arbeiten versucht. Innerhalb des von mir eingegrenzten Gebietes respektive der von mir betrachtete Ausschnitt (siehe Anhang) wären zur älteren römischen Kaiserzeit verschiedene "germanische" Kulturmodelle (archäologische Fundgruppen bzw. Fundprovinzen) zu finden: Die Grobeinteilung differenziert eine "westgermanische" Gruppe (Mitteldeutschland), eine "nordseegermanische" Gruppe (Nordwestdeutschland) und eine "elbgermanische" Gruppe im Osten. Im Text des Artikels, der mir dazu vorliegt, heißt es ferner "Feine Unterschiede in der Keramik erlauben überdies, einzelne Teilgebiete auszusondern, die nach ihrer geographischen Lage mit bestimmten Stämmen beziehungsweise Kultverbänden in Zusammenhang zu bringen versucht werden durfte." (1952, S.154 f) Diese wären (Anm. 30; vgl. von Uslar, 1938):
1. eine rheinisch-westfälische/ "istväonische" Gruppe
2. eine südhannoversche/ "cheruskische" Gruppe
3. eine hessen-nassauische/ "chattische Gruppe
4. eine thüringisch-sächsisch-meinfränkische/ "hermundurische Gruppe
Im fotlaufenden Text heißt es weiter, daß das im Norden, Nordwesten anschließende nordseeküstennahe Gebiet noch eingehender Untersuchung entbehre, das aber anscheinend auch "nicht einheitlich sei, jedenfalls scheinen sich keramische Formenkreise aussondern zu lassen; einer von ihnen würde dann wohl derjenige sein, den man heute gern als 'chaukisch' bezeichnet" (S.155); ihre Keramik "ähnelt jedenfalls stark derjenigen aus der ersten [gemeint ist wohl die "westgermanische" Gruppe], geht aber selbständige Wege, zeigt auch nahe Beziehung mit dem dritten Gebiet beiderseits der Elbe. [...] Will man eine Verbindung mit einemüberlieferten Nemen wagen, so wäre es der Kultverband der Ingwäonen, zu dem ja auch die erwähnten Chauken gehören." (S.156) In einer Anmerkung dieses Absatzes verweist von Uslar auf eine Studien von R. H. Carsten, der für die Spätlatènezeit und die ältere Kaiserzeit zwei keramische Gruppen im Emsgebiet voneinander sondert, eine westlich, "friesisch-batavische" Gruppe und eine östliche mit Beziehung zur Jastorfkultur, die er den Chauken zuweist.

Ich behaupte einfach mal, daß solche Studien (im Zusammenhang der Frankenforschung z. B. die von Böhme) nach wie vor maßgeblich sind, die zwar gelegentlich mit gewissen Vorbehalten erwähnt werden, aber nicht widerlegt wurden.

Es gibt auch unzählige Aufsätze zu der Frage Franken oder Sachsen und keiner kann eine befriedigende Antwort geben…

Aber ich komme auch nicht daran vorbei, daß überhaupt und nach wie vor, darüber diskutiert wird.

* Walter Pohl. Die Germanen. München: Oldenbourg, 2004, S.112
R. v. Uslar, "Archäologische Fundgruppe und germanische Stammesgebiete vornehmlich aus der Zeit um Christi Geburt." (ausführlich Literaturangabe wird nachgeliefert)
 

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Es ist sicherlich richtig, dass sich einige Untergruppen oder regionale Unterschiede bestimmen lassen. Allerdings bleibt die Frage ob sich keramische Sonderformen auch als politische Gruppe interpretieren lassen.
So gelten halt beim Sachsen Franken Problem im 7./8. Jahrhundert durchaus die westfälische Region in der Beigabe von Waffen als eigenständig, aber für die zu der Zeit literarisch beschriebene Großgruppe der Sachsen ist die Eigenständigkeit regional zu klein.

Auch die Keramik zu der Zeit, handgeformt bei Sachsen, Drehscheibe bei den Franken ist nur eine kurze Bestimmungsmöglichkeit, da sobald engerer Kontakt da war, dieser Unterscheid schnell verschwindet und sich annähert, hier zu der technologischen Drehscheibenkeramik.

Wenn ich mir die aktuelle Politik der letzen 60-70 Jahre anschaue, gab es etliche pol. Systeme und Landesgrenzen und Zugehörigkeiten die sich mehrfach änderten.

Eine Bestimmung mit entsprechend weniger Daten, z.B. für die Zeit um 0, kann nur mit äußerster Vorsicht gemacht werden.
Vorteil hier ist bestimmt, das ein Technologischer Fortschritt nicht so schnell war wie in heutiger Zeit.
Dennoch ist es spannend!!
 
Es ist sicherlich richtig, dass sich einige Untergruppen oder regionale Unterschiede bestimmen lassen. Allerdings bleibt die Frage ob sich keramische Sonderformen auch als politische Gruppe interpretieren lassen.
Mit diesem Einwand, so befürchte ich, setzt du voraus, daß die in den antiken Quellen genannten Stämme gleichzeitig als politische Einheiten zu begreifen sein müßten, was anscheindend in der Germania nicht der Fall war; so hat etwa Reinhard Wenskus (1961) vorschlagend, den Stammesbegriff für ethnische Einheiten und für die politische Gemeinschaft den verfassungsgeschichtlichen Begriff "Völkerschaft" anzuwenden, darauf hingewiesen, "daß wir auch in der älteren römischen Kaiserzeit mit einer Gleichsetzung von Stamm und politischer Gemeinschaft nicht unbedingt rechnen dürfen, obwohl manche Formulierung bei Tacitus in diesem Sinne ausgelegt werden könnte." (S.49 f) Dieses Problem versucht er u. a. anhand der Germania zu belegen; den Begriff "gens" verwendet Tacitus u. a. in den Abschnitten 13, 38 f und 43. Der erste behandelt das germanische Gefolgschaftswesen: demnach könne ein germanischer Gefolgherr oder Stammeshaupt (prinzipum) durch ein zahlreiches Gefolge auch bei den Nachbarstämmen ein hohes Ansehen erlangen. Die anderen Zitate befinden sich in der Stammeslehre, wobei interessant sein könnte, daß Tacitus nicht schreibt, daß die Sueben nicht wie die anderen von ihm (zuvor) aufgeführten Stämme ein einheitlicher Stamm seien, sondern daß er diesen Unterschied nur gegenüber den Tenkterern und Chatten konstatiert. Jedenfalls ließen sich die Sueben nach Tacitus auf eine (semnonische) Abstammungsgemeinschaft zurückführen, die vor allem im Kultischen ihren Ausdruck findet. Ähnlich verhält es sich bei Lugiern und Naharnavalen.
Wenskus (1961) bringt mehrere Argumente für die Unterscheidung von Stamm und politischem Verband (Ethnos) vor: Erstens können sich Abstamnmungsgefühle über politische Gemeinschaften hinaus erstrecken oder innerhalb politischer Verbände erhalten, was schon für die ältere römische Kaiserzeit gelte. Zweitens setzen Kartographien von Stammesgebieten stillschweigend Stämme als Siedlungsgemeinschaften voraus, was allerdings lediglich nur unter der bestimmten Bedingung der Stämme als Personalverband gelten könne; eine Siedlungskammer, die mit einer "germanischen Siedlungsgemeinschaft" in Verbindung gebracht wird, wäre nach Wenskus (1961) dann zunächst eine "primär politische Gemeinschaft, die sich allerdings in vor- und frühgeschichtlicher Zeit schnell auch zu einem Ethnos entwickelte." (S.45) Ein solche "ethnisches Bewußtsein" wiederum kann sich in "Wanderzeiten" aber auch bewahren und führt dann dazu, "daß in einem Siedlungsraum kein einheitliches Stammesbewußtsein herrscht." (ebd.)
Was würde der Autor nun zu meiner beispielhaften Frage sagen:
Könnte man hier [in Feddersen Wierde und Flögeln] eigentlich von (frühen) Altsachsen oder müßte man nicht zunächst von die Chauken sprechen? Läßt sich diese Frage eigentlich eindeutig entscheiden?

Zunächst einige Informationen über die Chauken aus der Literatur: Sie bewohnten "nach dem übereinstimmenden Zeugnis der [Quellen anfangs das Gebiet östlich der unteren Ems bis zur Elbe hin; die Weser schied sie in zwei Teile, die Großen und die Kleinen Chauken." (Schmidt, 1937, S.33) Plinius (Naturalis historia IV 101) erwähnt sie - wohl eine "Abzweigung des Volkes" (Schmidt, ebd.) -darüber hinaus auf den Inseln zwischen der Waal (Helinium) und Vlie (Flevum). Auf der nach Cassius Dio und Livius überlieferten drusischen Expedition ins Chaukenland des Jahres 12 v. Ztr. soll Stabons Kenntnis der Chauken als Anwohner des Ozeans fußen. Tiberius soll nach Vellius Paterculus im Jahre 5 n. Ztr.mit den Chauken einen Klientelvertrag abgeschlossen haben. Und Germanicus soll sich nach Tacitus (Annalen) nach einem Schiffbruch einige Zeit am Strande der Chauken aufgehalten haben. Bis zur Mitte des 1. Jh. n. Ztr. hatten sich die Beziehung der Chauken zum Röm. Reich gewissermaßen gelöst, da sie nach Sueton und Cassius Dio nun als Seeräuber im niederrheinischen Küstengebiet erschienen. Plinius (XVI 203) wußte gar von den Schiffen der plündernden Chauken an der gallischen Küste zu berichten, die aus "leichten, ausgehöhlten Baumstämmen" (Schmidt, 1937, S.34) bestanden. Die Unterscheidung zwischen Großen und Kleinen Chauken ist etwas verworren ist, aber wie dem aber auch sei, die Chauken saßen nach den Quellen an der Wesermündung und Walter Pohl (2004) gibt denn auch an: "Archäologisch ist der dem vermutlichen chaukischen Siedlungsgebiet ungefähr entsprechende Bereich der 'nordseeküstennahen Fundgruppe' gut erschlossen." (2004, S.21; vgl. dazu die Karte in Hoops RGA 1981, 2. Auflage, Bd.4, S.399)

Nun scheint aber Siedlungskontinuität über die eindeutigen Nachrichten der Chauken nachgewiesen zu sein, wie in Beitrag #1 bereits andeutet: Von Chauken erfährt man in eindeutiger Weise das letzte Mal im 2. Jahrhundert n. Ztr. Im Laufe des 1. Jh. n. Ztr. hatten sie noch die Amsivarier von der Ems vertrieben (Tacitus, Annalen XIII 55) - möglicherweise, aber nicht sicher auch die Chasuarier -, sowie das einstige Gebiet der Angrivarier in Besitz genommen (Tacitus, Germania 33) und fanden so ihre Grenze mit den "gegen die Cherusker siegreichen Chatten" (Tacitus, Germania 35). In der Tabula Peuteringiana sind die Chaci/Haci "im Rücken der Chamavi qui et Franci verzeichnet." (Schmidt, 1937, S.37)

Ausgehend vom Stichwortverzeichnis bin ich denn auch die Stellen durchgegangen, an denen Wenskus die Chauken erwähnt: Einige entsprechend natürlich der Darstellung bei L. Schmidt. Mehr als Nebenbemerkung ist der Satz zu verstehen: "Die Chauken waren als gefürchtete Seefahrer die Vorläufer der Sachsen." (Wenskus, 1961, S.290) Diese Äußerung wird vorm Hintergrund von Lammers Arbeit verständlich, der bezüglich der Chauken den "Gesamteindruck der eines Drängens nach Westen und Süden [hatte], was als eine Vorwegnahme der späteren Sachsenbewegung erscheint." (Wenskus, 1961, S.342) In einem Abschnitt, in dem sich Wenskus (1961) mit der Geltung des Mannusgenealogie auseinandersetzt heißt es. "Plinius rechnet z. B. Kimbern, Teutonen und die gentes der Chauken zu den Ingaevonen. Weder in der vorchristlichen Eisenzeit noch in der älteren Kaiserzeit gehörte jedoch das Kimberngebiet im Norden der jütischen Halbinsel mit dem Chaukenland an der Nordseeküste zwischen Ems und Elbe zur gleichen Fundgruppe, wie die Karten bei Moberg zeigen." (S.237 f) Allerdings wird im im selben Abschnitt eine Inkongruenzthese behauptet, demnach die "die ethnische Tradition durch politische Überschichtungen oder genealogische Verbindungen der führenden Gruppen entstanden sind, die die einheimischen kulturellen Traditionen weitgehend unberührt ließen." (S.238) Weitere Erwähnung der Chauken bei Wenskus beziehen sich auf Chauken-Salier- sowie auf die Chauken-Sachsen-Fragen. Diesbezüglich vertritt Wenskus die Auffassung, (erstens) daß ein Traditionskern der Chauken in den Saliern und damit Franken aufgegangen sein könnte (ähnlich auch heute Eugen Ewig); dieser fände dann auch seinen Ausdruck in der epischen Bezeichnung der Franken als Hugas; Hugmerki wäre demnach tatsächlich in der Tat als "Chaukenmark" als Gauname im Gebiet der Lauwers: "Huga ist eine Nebenform von Chauci germ. *Hauhos, und das ehemalige Grenzgebiet der Friesen gegen die Chauken heißt noch im Mittelalter Hugmerki." (Wenskus, 1961, S.527) Wenskus sieht (zweitens) darin keinen Widerspruch zu der Annahme, daß die Chauken ein bedeutender Teil der Sachsen wurden; dabei schließt weiterstgehend den Ergebnisse von W. Lammers (Die Stammesbildung bei den Sachsen. Eine Forschungsbilanz. Westfälische Forschungen 10/1957, S265-275) an, der ein Übergreifen des Sachsennamens über die Elbe ab dem 2. Jh. konstatiert, ohne sich festzulegen, "inwieweit sich dieser 'Trend' in Siedel- und Wanderbewegungen, politische Expansion, Überschichtungen oder andere Elemente im einzelenen aufzulösen läßt." (zit. nach Wenskus, 1961, S.544) Demnach liegen von den Quellen her mit den Chauken und Sachsen zwei nicht identische Verbände vor, so etwa bei Ptolmaois. Nach Wenskus ergibt sich so "eine chronologische Eingrenzung für den Übertritt der Sachsen auf das südliche Elbufer in die Zeit zwischen 170, als Chauken zum letzten Mal an der Elbe genannt wurden, und 350." (Wenskus, 1961, S.343)

Wenskus würde also bezüglich meiner Ausgangsfrage wohlmöglich keine Bedenken äußern: Man könnte von Chauken genauso gut sprechen wie von späteren Sachsen. Ein Übergang von einer zur anderen Identität erscheint hier eher poblemlos. Nur hat Springer (z. B. 2005) herausgearbeitet, daß nicht für einen so frühen Zeitpunkt, sondern erst ab dem 6. Jh. von Sachsen als Bewohner des nordwestlichen Deutschlands gesprochen werden kann. Er verwirft sowohl die Angabe Ptolemaois' aus philoslogische Gründen, als auch die Nachricht des Eutropius für das 3. Jhs.; als früheste Nennung der Saxones akzeptiert er die Rede Julians, in der von "Franken und Sachsen [...] am Rhein und am westlichen Meer" die Rede ist. Ich kann Springer allerdings nicht ganz folgen, wenn er behauptet, daß hier noch keine "Sitze" zuweisbar sind, denn immerhin sind sie angedeutet und eine solche Andeutung findet sich denn auch bei Hieronymus, in dessen Lebensschreibung des Helarions sich eine vage Lokalisierung steht, demnach die Francia (früher Germania genannt) zwischen den Sachsen und den Alemannen liege. Mit einem "Land der Sachsen" könne Hieronymus nach Springer (2005, S.452) wohl nur ein Gebiet gemeint sein, das "auf dem rechten Ufer des Niederrheins, das aber weiter flußabwärts liegen mußte als das Land der Franken" oder möglicherweise "auch [...] nicht am Ufer des Rheins, sondern im Binnenland"; auch wenn das nicht Springers Intention trifft, wäre es also möglich Sachsen in Nordwestdeutschland wenigstens schon im 4. Jh. n. Ztr. und diese an der Nordsee zu sehen.
In der im Einleitungsbeitrag zitierten Archäologie in Deutschland heißt es im Artikel von P. Schmid bezüglich der Dorfanlage Feddersen Wierde, daß man anhand der Quellen als Bewohner für die genannte Siedlung für den Zeitraum der römischen Kaiserzeit "zunächst die Chauken, und ab dem 2. Jh. die Sachsen" (AiD 2005/3, S.36) in Anschlag bringen kann. Problematisch bleibt für mich nach wie die Rede von den Sachsen oder diese wäre zumindest nach wie vor zu begründen.

Pohl, Die Germanen. München, 2004
Schmidt, Die Westgermanen. Teil 1. München, 1937
Springer, "Die angeblich und die tatsächlich frühesten Nennungen des Namens der Sachsen." Studien zur Sachsenforschung 15. Oldenburg, 2005, S.437-455
Wenskus, Stammesbildung und Verfassung. Köln/ Graz, 1961

So gelten halt beim Sachsen Franken Problem im 7./8. Jahrhundert durchaus die westfälische Region in der Beigabe von Waffen als eigenständig, aber für die zu der Zeit literarisch beschriebene Großgruppe der Sachsen ist die Eigenständigkeit regional zu klein.
Auch die Keramik zu der Zeit, handgeformt bei Sachsen, Drehscheibe bei den Franken ist nur eine kurze Bestimmungsmöglichkeit, da sobald engerer Kontakt da war, dieser Unterscheid schnell verschwindet und sich annähert, hier zu der technologischen Drehscheibenkeramik.
Wenn ich mir die aktuelle Politik der letzen 60-70 Jahre anschaue, gab es etliche pol. Systeme und Landesgrenzen und Zugehörigkeiten die sich mehrfach änderten.
Eine Bestimmung mit entsprechend weniger Daten, z.B. für die Zeit um 0, kann nur mit äußerster Vorsicht gemacht werden.
Vorteil hier ist bestimmt, das ein Technologischer Fortschritt nicht so schnell war wie in heutiger Zeit.
Dennoch ist es spannend!!

Soweit ich weiß, kennst du ja Springers Sachsenbuch, das gewissermaßen die Vorstellung der Sachsen als Ethnos, wenn nicht sogar in vorkalingischer Zeit, so doch wenigstens in einer Zeit vor den Merowingern in Frage stellt. Das hat auch Implikationen seiner Anlayse für eine fragliche Ethnogenese. Die Sachsen bleiben also auf jeden Fall ein Problem! Ich werde bei Gelegenheit aber mal endlich die Artikel lesen, die sich ja mit dem Franken-Sachsen-Problem beschäftigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Seeräuber und Mythen.

Springer ist mir bekannt.
Ja und die Seeräuber.
Sind es Völker oder Banden?
Ich meine Normannen ist auch ein früher Begriff für alle die „dorten oben“, welche von Seeräuberei leben. Hinzu kommt das man auf Seeraub nicht unbedingt Frauen und Kinder mitnimmt.
Also wieder eher eine Art die anderen Begriff.
Wir kommen da schnell in den bereich der Männerbünde, wie Kris Kershaw, sie beschreibt.
Gründungsmythen tun ihren Teil auch dazu bei.
Dieter Geuenich versuchte in seinen Vorträgen die Ethnogenese bei den Alemannen zu beschreiben, wo kleine Gruppen der Kern für ein ganzes „Volk“ wurden.
Ähnliches wird halt auch anderswo von Seeräubern oder anderen erfolgreichen Gruppen geschehen sein. Dann das ganze Gewusel mit politischen Einheiten , welche Du ansprichst.
Wenn Ich die oben erwähnte Kershaw lese, wird mir einiges klarer, aber bin halt nicht von allem überzeugt, nur das vieles in verschiedenste Richtungen zu deuten ist.
Aber das man die Deutungen immer als Theorie verstehen sollte und nicht als „Wahrheit“.

Um wieder in den Norden zurück zu kehren ist alleine die Deutung der Lebuinsvita in den letzten Jahrzehnten total konträr ausgelegt worden.
Empfehlen kann ich dazu Studien zur Sachsenforschung 12.
 
Lies einfach mal den Aufsatz von S. Brather

Nun lehnt Sebastian Brather (2004) ethnische Deutungen nicht schlichtweg ab, so spricht er bezüglich der "Suche nach 'Völkern' im archäologischen Material" von einer "berechtigte[n], 'legitime[n]' Frage" oder verneint in der dazu gehörigen Anmerkung die "rhetorische Frage bei U. Sommer 2003, ob es sich um eine 'sinnlose Fragestellung' handele", dezidiert. Eine Auseinandersetzung mit seinem Ebenenmodell (Kp. 18) kommt vielleicht mal wann anders. Nichts desto weniger versuche ich das im Hintergrund meiner Überlegungen zur beispielhaften Frage nach "Chauken und/oder Sachsen an der Wesermündung?" zu behalten.
Aber zunächst muß ich das diskursiven Spannungsfeld abstecken: Welche Implikationen hat die Kritik zentraler Lehren der Sachsenforschung seitens M. Springer. Es besteht hier eine erstaunliche Kluft, die sich sogar in der Edition der RGA zeigt: Springer (2004) im historischen Abschnitt über die Sachsen resümiert lapidar seine Kritik an den herrschenden Lehren, während Torsten Capelle im archäologischen Abschnitt diese Lehre tatsächlich expliziert. Springer geht bekanntlich vom textkritischen Argument aus, daß Ptolemaois nichts von Saxones, sondern von Aviones weiß (§ 3b); dem steht die Ansage gegenüber, daß die Kenntnis von den Sachsen in Übereinstimmung mit Ptolemaios im Südwesten Schleswig-Holsteins beginne (§4, S.46). Ich tendiere durchaus zu der Auffassung, daß die Stelle bei Ptolemaios nicht überstrapaziert werden sollte, daß man aber für die Behauptung von transalbingischen Sachsen anderwertige, valide Argumente beibringen muß, um deren Ausbreitung in heute niedersächsisches Gebiet zu belegen; ich bezweifel aber, daß sich solche Argumente für die ältere Kaiserzeit finden lassen, wenn man Springers Überlegungen auf die Ethnogenese der "frühen Sachsen" anwendet. Allerdings habe ich in meinem vorhergehenden Beitrag Springer entgegen gehalten, daß man Sachsen ggf. schon im 4. Jh. n. Ztr. als Nachbarn der Franken wahrgenommen haben könnte. Aus demselben Jahrhundert stammt denn auch eine griechische Inschrift mit dem Ländernamen Saxonia und Springer (2002) bringt selbst interessanterweise eine solche Lokalisationsmöglichkeit, und zwar in seiner Besprechung der Notitia dignitatum, worin nicht nur vom Litus Saxonicum, sondern auch von einer Ala prima Saxonum die Rede ist, deren Rekruten möglicherweise aus einem Gebiet zwischen der Ems und der Niederelbe stammten, denn die hiesigen Bodenfunden habe man geschlossen, "dass Söldner, die aus diesem Gebiet stammten, während des 4. und 5. Jahrhunderts in diesem Gebiet gedient haben." (S.45; vgl. Böhme, 1999) Entsprechend argumentiert Springer bezüglich der Besiedlung Britanniens durch Saxones im 5. Jh., daß diese dorthin über den Seeweg von Dover aus und den Ärmelkanal gelangt wären. In diesem Zusammenhang steht ein weiteres Argument, das sich auf Bedas Hinweis bezieht: die (britischen) Saxones würden einem Gebiet entstammen, das man seinerzeit (Anfang des 8. Jh.) Antiqui Saxones nannte.
Hier soll es nun darum gehen, ob Springer möglicherweise etwas aus archäologischer Sicht entgegenegehalten werden kann, wenn er die herrschenden Lehren vom sächsischen Stammesschwarm und der sächsischen Eroberung anzweifelt. Gegen die erste Lehre wendet er lediglich pauschale Einwände. Die zweite ist hier insofern relevanter, insofern sie mit der Rekonstruktion der Sachsengeschichte anhand der Quellen unmittelbar zusammenhängt. Sie wurde in der traditionsbildenden Form von dem Sachsenforscher M. Lintzel formuliert (z. B. 1927): Demnach hätten die in Holstein sitzenden Sachsen zunächst die Reudinger aufgenommen (wenn nicht miteinander zu identifizieren), die Avionen gewaltsam angegliedert und vielleicht auch die Langobarden zum größten Teil vertrieben, sehr bald die Chauken teils vertrieben, teils unterworfen usw. Dies ist gewiß eine radikale Auffassung, die man kritisert hat. Aber gewissermaßen bleibt sie auch implizit erhalten, nur in moderner Terminologie umgeschrieben, wie von Torsten Capelle; zwar kenne ich seine einschlägige Arbeit über die Sachsen im frühen Mittelalter noch nicht, wenn er daran festhält, daß Ptolemaois vermutlich Informationen aus Tiberius Flottenfahrt in 5 n. Ztr. nutzen konnte, und diese so festgestellte Tatsache in Kombination der weiteren Behauptung, daß die Sachsen demnach "im 2. Jahrhundert in Alexandria bekannt waren" (Capelle, 1999), den Schluß zieht, daß die Sachsen in "ihrer eigenen Region weit früher geläufig gewesen sein [werden]. Sie gehörten sicher schon damals als feste Größe zum Weltbild der Antike. Ihr Name wurde schon bald zum Synonym für aus dem Norden drohende Piraten, wobei ein einschneidiges Hiebmesser durchaus schon einen
Faktor der eigenen Identität gebildet haben kann." (S.77) Die Schwierigkeit dieses Zitates impliziert, daß sich möglicherweise schon zu Beginn der Zeitrechnung, aber spätestens etwa 200 Jahre später eine sächsische Ethnie entwickelt haben dürfte. Ich bezweifel, daß sich für solche Behauptungen wie von Torsten Capelle wirkliche gut begründen lassen, zumindest überhaupt für einen so frühen Zeitpunkt. Denkbar wäre das eher ungefähr nochmal knapp 200 Jahre später. Im Grunde weiß das auch Capelle, denn an anderer Stelle muß Capelle (RGA 26= 2004) dann selbst zugeben, daß "weder auf historischer noch auf archäologischer Grundlage bis zur Mitte des 1. Jahrtausends ein einseitig ethnisch und fest umrissener Sachsen-Begriff verwendet werden [kann]." (S.29)

Der von mir eröffnete Thread soll jedenfalls in gewisser Hinsicht dazu dienen, die "ethnische Deutung" innerhalb der archäologischen Literatur am konkreten Beispiel der Sachsen zu reflektieren; daß etwa Tosrsten Capelle hier "munter und unreflektiert ethnisch interpretiert" (Janssen, 1988, S.28; zit. nach Brather, 2004, S.5) ist offensichtlich.

Vor wenigen Jahren kam auch beispielsweise Maren Siegmann (2002) in einer aus ihrer Dissertation über die Perlenfunde in Liebenau und Dörverden hervorgegangenen Dissertation nicht an der Frage der ethnischen Deutung der Fundplätze vorbei und mußte feststellen, daß die Ausgräber und Bearbeiter nicht erläutern, was eigentlich als "sächsisch" zu verstehen sei; dabei problematisert sie dieses Defizit u. a. mit Hinweis darauf, daß beide im Mittelwesergebiet liegenden Gräberfelder aufgrund des Beginns ihrer Belegung (spätes 4. Jh.) nicht per se als sächsisch ausgewiesen werden können, da sie sich in einer Grenzregion zur Francia antiqua (vgl. http://www.geschichtsforum.de/230974-post145.html) befinden. Als Diskussionspunkt erwähnt sie in ihrer Anmerkung (S.31, Anm. 104) zum einen die Angrivarier, deren Zuordnung - ob Sachse oder Franken - auch vielen Gründen gewissermaßen fraglich bleibt; zum anderen führt sie Kartierungen des sächsischen Stammesgebietes an: Die "sächsisches" Gebiet markierende Rasterungen reichen je nach Autor "bis in das Mittelwesergebiet knapp südlich von Schinna und Stolzenau" oder "etwas weiter nach Süden bis zur Porta Westfalica." (Siegmann, a.a.O.) Als Beispiel führt sie Häßler (1991; s. angehängte Graphik). Die Frage wäre, ob dieses so kartographierte sächsische Gebiet vielleicht auch archäologisch belegen ließe.


Lit.:
S. Brather, Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie. Berlin/New York: De Gruyter, 2004; Hans-Jürgen Häßler (Hg.), Ur- und Frühgeschichte in Niedersachsen. Stuttgart: Theiss, 1991; H. W. Böhme, Franken und Sachsen? Beiträge zur Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte in Westfalen vom 4.-7. Jahrhundert. Studien zur Sachsenforschung 12, S.43-73; M. Springer, Sachsen, § 3 (Historisches) & T. Capelle, Sachsen § 4 (Archäologisches) in: Hoops' Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd. 26/2004, 2. Auflage, S.31-53; Torsten Capelle, Zur Kontinuität der Sachsen von den Anfängen bis zur Karolingerzeit. Studien zur Sachsenforschung 12, S.75-81; Matthias Springer, Die Sachsen. Stuttgart: Kohlhammer, 2004;
M. Siegmann, Bunte Pracht - Die Perlen der frühmittelalterlichen Gräberfelder von Liebenau, Kreis Nienburg/ Weser, und Dörverden, Kreis Verden/Aller. Teil I. Weissbach: Beier & Beran, 2002;
 

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  • Ausschnitt aus Franken & Sachsen im 5. Jh. (aus Häßler, 1991, S.286, Abb. 152 nach Böhner et al..jpg
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Natürlich muß man der ethnischen Deutung archäologischer Funde kritisch gegenüber stehen. Allerdings handelt es sich im Falle der kaiserzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen Germanen nicht um eine schriftlose Zeit. Es gibt etliche Schriften, wenn auch keine von den Germanen rechts des Rheins selbst. Wenn wir also von den Chauken sprechen, so dürfen wir mit einigem Recht bei Funden zwischen Ems und Elbe von chaukischem Inventar ausgehen. Problematisch wird es halt nur, wenn sich dieses Inventar nur wenig oder gar nicht von dem der umliegenden unterscheidet. Problematisch wird es auch dann, wenn wir uns in eine Zeit begeben, in der wir nicht mehr sicher davon ausgehen können, daß die chaukische gens der taciteischen Zeit noch bestand hat.

Ich habe mich, nach einigem Zögern, seit längerem der Springerschen These über den Sachsenstamm bzw. über den nicht existierenden Sachsenstamm, angeschlossen. Das es diese gens nicht gab, bedeutet aber nun doch nicht, daß es auch keine saxones gab. Wir müssen uns die Situation der nachtaciteischen Zeit einmal vergegenwärtigen. Die großen, alten Stämme Cherusker, Sigambrer, Chauken, Chatten, Semnonen und Hermunduren waren in Auflösung. Spätestens zum Ende des 3. Jhds. hören wir von ihnen nur noch in Remineszenzen. Im zweiten und dritten Jhd. brachen von Osten Gruppen der Przeworsk- und der Luboszyze(ich bin mir grad nicht sicher ob ich die richtig geschrieben habe), vereinfacht Burgunder und Silingen, nach Westen ins Maintal. Die Markomannenkriege hatten schon vorher die Welt der Germanen in Unordnung gebracht. Alte Bindungen innerhalb der gentes waren zerbrochen, nicht zuletzt dadurch, daß Rom nach Belieben germanische Gruppen unterstützte oder bekämpfen ließ, Könige ein- und absetzte. Gerade die vielen Funde römischer Münzen und militärischer Ausrüstungsgegenstände lassen vermuten, daß der Einfluß aus dem Reich auf die germanischen Gesellschaften groß war und der Nutzen aus dieser Verbindung stand wohl nicht allen gleich zur Verfügung. Ich denke hier an einen Vergleich mit Gallien, wo "nationale" und "römische" Parteien letztlich erheblich zum Niedergang der civitates beitrugen. Wenn wir also von Ethnien sprechen, so muß uns klar sein, daß wir es nicht mehr mit einer bzw. zwei chaukischen Ethnien zu tun haben, sondern mit einer Mehrzahl chaukischer Ethnien. So gab es im 2. Jahrhundert mit Sicherheit keine Cherusker mehr, aber cheruskische Gruppen mögen noch bestanden haben. All diese Gruppen strebten danach erhalten zu bleiben. Besser ist es vielleicht zu sagen, ihre Führer strebten danach ihre Macht zu erhalten. Ruhm und Reichtum gab es nur im Westen. Dorthin trieb es viele. Im Allgemeinen bezeichnen wir diese Gruppen als Sachsen an der Küste, als Franken am Niederrhein und als Alamannen am Oberrhein. Ethnische Bedeutung haben diese Namen vorerst nicht. Für die Alamannen wissen wir bereits, daß es eine einheitliche gens erst nach der Eroberung gegeben hat, nämlich die des fränkischen regnum. Für die Sachsen haben wir mit Springer den Ansatz, daß es auch sie erst nach der fränkischen Eroberung als Ethnie gegeben hat. Für die Franken hatte ich in einem Thread schon mal eine solche ähnliche Hypothese aufgestellt, nämlich daß es die Franken als Ethnos erst seit Chlodwigs Eroberungen gab. Sie alle mögen Franci, Saxones und Alamanni gerufen worden sein, gewesen sind sie es nicht. Darum verwirrt es uns, wenn wir die Chatten mal bei den Franken finden, dann aber wiederum nicht, wenn wir die Chauken bei den Franken zu finden glauben und dann wiederum bei den Sachsen, wenn wir Funde aus "sächsischem" Gebiet die auf fränkische Zugehörigkeit schließen usw. Es gibt diese klaren Einteilungen nicht. Nicht zuletzt persönliche Bande der Führungseliten werden alte ethnische Verbindungen gekappt haben aber auch u.U. wieder neugeschlossen.
Was bedeutet dies nun für uns? Wenn wir Siedlungskontinuitäten feststellen, dann sollten wir davon ausgehen, daß hier Verbände lebten, deren Traditionen althergebracht waren. Wir können aber nicht automatisch sagen, welchen politischen Gruppen sie zuzuordnen sind. Wir müssen davon ausgehen, daß politische Einheiten auch zu einer kulturellen Angleichung führten, nur wie stark oder wie schnell ist fraglich.
Daher müssen Muspilis Fragen nach meiner Meinung wie folgt beantwortet werden. Sind alte Karten (z.B. von Uslar) noch aktuell oder müssen sie überholt werden? Ja, sie sind überholungsbedürftig, da sie zu stark an den alten gentes haften und zu wenig oder gar nicht, die Zerstörung der germanischen "Stammeslandschaft" in der jRKZ wiedergeben.
Könnte man hier von frühen Altsachsen oder müßte man von Chauken sprechen? Beides ist nicht richtig. Von Chauken kann man in der 2. Hälfte des 3.Jhds. nur noch sehr bedingt sprechen, von frühen Altsachsen sollte man sogar vielleicht gar nicht sprechen. Die Gruppen befanden sich in einem Transformationsprozess, der auch in seiner Richtung gar nicht festgelegt war.
 
Seeräuber und Mythen.

Springer ist mir bekannt.
Ja und die Seeräuber.
Sind es Völker oder Banden?
Ich meine Normannen ist auch ein früher Begriff für alle die „dorten oben“, welche von Seeräuberei leben. Hinzu kommt das man auf Seeraub nicht unbedingt Frauen und Kinder mitnimmt.
Also wieder eher eine Art die anderen Begriff.
Wir kommen da schnell in den bereich der Männerbünde, wie Kris Kershaw, sie beschreibt.
Gründungsmythen tun ihren Teil auch dazu bei.
Dieter Geuenich versuchte in seinen Vorträgen die Ethnogenese bei den Alemannen zu beschreiben, wo kleine Gruppen der Kern für ein ganzes „Volk“ wurden.
Ähnliches wird halt auch anderswo von Seeräubern oder anderen erfolgreichen Gruppen geschehen sein. Dann das ganze Gewusel mit politischen Einheiten , welche Du ansprichst.
Wenn Ich die oben erwähnte Kershaw lese, wird mir einiges klarer, aber bin halt nicht von allem überzeugt, nur das vieles in verschiedenste Richtungen zu deuten ist.
Aber das man die Deutungen immer als Theorie verstehen sollte und nicht als „Wahrheit“.

Es dürfte sich um dieses Buch handeln: Odin. Der einäugige Gott und die indogermanischen Männerbünde:
Der erste [Teil] ist Odin und der germanischen Überlieferung gewidmet und nimmt insbesondere die „bündischen“ und initiatorischen Aspekte in den Blick, der zweite untersucht die Struktur der indoeuropäischen Männerbünde, und der dritte behandelt die indische Tradition, in welcher der Sturm- und Totengott Rudra dem Odin auf verblüffende Weise ähnelt.
Auf die Indogermanen wollte ich denn doch nicht hinaus. Das ist mir ein zu weites Feld. Letztendlich schließt man auch lediglich aufgrund von Information von Völkern, denen man eine indoeuropäische Herkunft zuschreibt, auf mögliche Urformen von Stammesverhältnissen, ist also aus schon nur Rekonstruiertem rekonstruiert. Den Vergleich des Sachsennamens mit dem der Normannen und Wikinger macht ja auch Springer in seinem Sachsenbuch, lehnt aber gleichzeitig mögliche Schlußfolgerungen, die über eine Analogie hinausgehen, vollständig ab: Zu denken sei dabei an Ansätze, wie sie neuerdings von Seebold, angeblich auch von T. Capelle im Anschluß an Karl Hauck (1970) sowie von Drögereit und Genrich in ihren späteren Arbeiten formuliert wurden. In der mir vorliegenden Fassung fragt sich beispielsweise W. Haio Zimmermann (2005), welchem König der Herr oder Dorfhäuptling von Flögeln unterstellt war und verweist auf die Heidenschanze sowie die Heidenstadt, die man aufgrund Goldfunde der Völkerwanderungszeit als Machtzentren betrachtet, das wiederum als Teil eines skandinavischen Machtnetzwerkes angesehen wird, zu dem Gudme oder Sorte Muld gehören würde. Sofern also die Fundregion um Sievern als Schlüsselstellung für die Entstehung des Sachsenstammes in Betracht zu ziehen sei, so wäre "in Holßl/Sievern ein zentraler Platz hohen Ranges mit politischer und kultischer Bedeutung zu sehen." (AiD 3/2005, S.35) Der Autor spricht zwar von Flögeln, scheint aber mit Hinweis auf den Beitrag von Schmid (2005) Feddersen Wierde und Fallward zu meinen: Wie bereits erwähnt, wird ein Herrenhof für das 2. bis 5. Jh. angenommen. In Feddersen Wierde fanden sich übrigens provinzialrrömische Gegenstände wie Terra sigillita-Tonware aus mittelgallischen Werkstätten und Trier aus dem ausgehenden 2. Jh., die man wegen des Datums mit chaukischen Piratenzügen der 170er Jahre in Verbindung bringt. Auf dem Hofgelände kommen noch Buntmetallfunde und römische Münzen hinzu, allerdings fürs 4./5. Jh. An der Dorfwurt Fallward hat man zwei Gräberfelder ausgegraben, das man in das 4./5. Jh. datiert: rund 200 Brandschüttungs- und Urnengräbern und gut erhaltene Köpergräber, etwa 60 an der Zahl: Neben einfachen Erdgräbern hat man Sargbeisetzungen gefunden; überwiegend handelt es sich um Tröge, des weiteren einen Baumsarg und zwei Einbaumsärge. Wurde eine in einem Eichenbaum-Sarg besatteten Frau Holzschüsseln beigegeben, war es im anderen Bootsgrab ein kerbschnittverzierter Prunksessel (sog. "Klotzstuhl") mit Runeninschrift sowie ein kleiner Holztisch, ein vogelförmiges Holzgefäß mit drehbarem Deckel, eine Holzschale und einen Holzkessel sowie verzierten Metallbeschlägen eines spätantiken Offiziersgürtel. Diese und weitere Funde sind hier ausgestellt: Museum Burg Bederkesa. Vergleichsfunde zu den Bootsgräbern wurden in Südskandinavien gemacht, zu den Gürtelteilen beispielsweise in Abbéville (Dép. Somme) und Oxford, was die Möbel betrifft etwa in Süddeutschland. Die Autoren scheinen nicht daran zu zweifeln, daß es sich um Sachsen handelt, die hier bestattet wurden. So setzt z. B. Matthias D. Schön zwar das Adjektiv "sächsisch" in Anführungsstrichen, wenn er von den gleicharmigen Fibeln spricht, "von denen ein bemerkenswertes Exemplar ebenfalls von der Fallward stammt" (AiD, 3/2005, S.29), spricht aber einleitend ganz direkt von "zwei altsächsischen Bestattungsplätzen" (S.26).
Was ist nun von dem Hinweis auf Funde aus der Sieverner Gegend bei Langen/Cuxhaven^-Wesermünde zu halten? Bei der Heidenschanze handelt sich um eine Art befestigtes Oppidum, bei der Heidenstadt nach Hauck (1970) um eine Handwerkersiedlung. Die Anlage der Heidenschanze liegt aufgrund der gefundenen Keramik in die früheste römische Kaiserzeit, da die älteste Keramik mit der aus der älteste Keramik der späten Latènezeit von Feddersen Wierde (2. Hälfte des 1. Jhs. v. Ztr.) übereinstimmt; Auf die Benutzung der Befestigung vielleicht mindestens bis zur Mitte des 1. Jhs. n. Ztr. weist die Keramik vom Randtyp Jastorf c hin, die auf einem Töpferofen gefunden wurde - gemäß Parallelfunden im Küstengebiet, wo diese bis ins 1. Jh. n. Ztr. in Gebrauch war. Außerdem erwähnt Haarnagel (1965) jüngere Gefäßeformen, die noch ins beginnende 2. Jh. verweisen könnten. Jedenfalls soll es ein Handels- und Stapelplatz bzw. Hafen und Marktort gewesen sein und zur Sicherung eines "an einem auf dem Geestrücken der 'Hohen Lieth' entlangführenden Verkehrsweg[es]" (Schmid, 1976, S.200) gedient haben. Während Siedlungsspuren im direkten Süden von Sievern als noch kaiserzeitlich, hat man am Grapenberg zwischen Sachsendingen und der Heidenschanze römische Importware und ein Gräberfeld des 6. Jh. gefunden. Auf dem Gelände der Heidenschanze hatte man noch Münzen aus der Zeit von Vespasian bis Marc Aurel (75-178 n. Ztr.) gefunden, während man schon Anfang des 19. Jh. ostwärts der Heidenstadt, auf der Lütjen Geest im Mulsumer Moor, neben einem zweiteiligen Halsring mit Halbmondmotiv vier Goldsolidi mit Ösen von Valentinian I, Valentinian III, Leo I. und Anastasius I (Anfang 5. Jh.) sowie eine Nachahmung von letzterer gefunden hatte. In der näheren Umgebung hat man noch einige Goldbrakteaten gefunden, die nach Hauck dem gleichen Fundhorizont (6. Jh.) wie der zuvor genannte Schatzfund entstammt: wenige hundert Meter südostwärts der Heidenschanze im Moosmoor wurden beim Torfstechen im Jahr 1942 elf gefunden und ein weiterer 1950 beim Sandabladen, der vermutlich aus einer Bestattung des 6. Jhs. am Grapenberg. Es handelt sich um einen Brakteaten vom Typus A mit dem Männerkopfmotiv und einer Runeninschrift, zwei stempelgleiche vom Typus C mit dem Motiv des Menschenkopfes über einem stilisierten Reiter, die restlichen acht Stücke sind vom Typus D mit verschiedenen Randverzierungen, aber vom Hauptmotiv ebenfalls stempelgleich und zeigen eine Art Schlange mit Vogelschnabel, das einzeln gefundene Exemplar ist vom Typus B, dessen Motiv eine Menschengestalt mit zurückgebeugten Haupt in einem Verzierungsrahmen zeigt. Die Brakteaten vom Typus A gelten nach Seebold (1994) typologisch und wahrscheinlich auch chronologisch zu den ältesten Brakteaten. Im Anschluß an Hauck (1970) läßt sich die Abbildung auf dem A-Brakteaten von Sievern als "gentiler Windgott (Wodan-Odin) mit dem 'Zauberhut', der mit stürmischem Atem Würmer vertreibt" (S.149; S.190, Fig. 14 f; S.215, Fig.21b) umschreiben. Die C-Brakteaten übersetzt der Autor beispielsweise entsprechend: "Ankündigung der Hufverletzung von Baldrs Pferd vor dem Sturz, um dessentwillen Wodan-Odin als Nothelfer erscheint" (S.170, Fig.14c; S.223, Fig.22); oder "Wodan-Odin als Nothelfer für das verletzte Pferd, dessen tropfender Huf auf Wurmbefall weisen könnte" (S.193, Fig.15b) Kurz: Hauck rekonstruiert einen Zusammenhang mit der nordischen Mythologie. So sieht es auch die gegenwärtige Brakteatenforschung, an der Hauck maßgeblich beteiligt war: Während der Männerkopf im Profil gemäß Forschungsstand "deutlich auf die Heils- und Schutzfunktion" (Simek, 2004, S.31) hinweise und gemeinhin "Odins Rolle als Heiler und Götterfürst auf den Brakteaten weitgehend gesichert erscheint, ist die Interpretation weiterer Figuren auf den B-Brakteaten (sog. Drei-Götter-Brakteaten) trotz verschiedener Deutungsansätze noch immer nicht überzeugend gelungen" (ebd., S.32). Wie bezieht Karl Hauck die Brakteatenforschung nun auf die Stammesbildung der Sachsen? Springer faßt diese Auffassung so zusammen, daß zum Ende des ersten Drittel des 6. Jhs. nordische Seefahrer in der Landschaft Hadeln gelandet waren, die Theuderich I gegen die Thüringer unterstützt und im Anschluß Land bis zur Unstrut zugewiesen bekommen haben sollten. Am Umschlagpltz bei Sievern organisierten Kaufmannsdynastien einen Widerstand gegen die dort herrschende Macht der Thüringer. Durch die Landzuweisung seitens der Franken entstand so ein als "frühe normannische Herrschaftsbildung" ein neuer Stammesstaat, der sich im späten 6. und 7. Jh. südwärts ausdehnte (vgl. Hauck, 1970, S.271) Dazu hat Hauck die sagenhafte Überlieferung der nordisch-normannischen Abstammung rehabilitiert, die Widukind zwar überliefert, aber zugunsten der makedonischen verworfen hatte; des weiteren sieht er in der Überlieferung der Quedlingburger Annalen "von den 'Thuringi' an den Küsten Hadelns" (S.83) eine historische Angabe, ebenso die von Rudolf von Fulda überlieferte Landung in Hadeln und de sächsischen Beteiligung der Sachsen an der Zerschlagung des Thüringerreiches, die von den fränkischen Quellen nicht überliefert wird. Schließlich rekurriert er auf die von Widukind von Corvey als auch von Rudolf von Fulda genannten Namen eines Sachsenführers Hadugoto/'Hathugot (*Hathugaut), das er sowohl mit der Stammesversammlungsüberlieferung (Maklo-Thing) und einem Kultfest in Verbindung bringt, usw. Es mag hier vieles spekulativ klingen, aber anders als Seebold, der wohl neuerdings die Besitzergreifung der kontinentalen Nordseeküste in die zweite Hälfte des 2. Jhs datiert (so nach Springer, RGA - Sachsen § 3) und sich damit gewissermaßen der Eroberungstheorie Lintzels, der die Landungssage mit antiken Nachrichten des 2./3. Jahrhundert verbindet (vgl. Hauck, 1970, S. 83 f), anschließt, versucht Hauck den Sagenkern der also angesprochenen Überlieferungen mit einer These Wenskus zu verbinden, daß es sich etwa bei Neuankömmlingem an der Saale um Rücksiedler von den britischen Inseln handelt (vgl. Hauck, 1970, S.27), oder mit einem Hinweis von J. de Vries folgend, "daß neben Tiwaz-Saxnot [- dem Schwertgott des Nahkampfes -] Wodan-Odin insbesondere als Gott der List bei der Führung und dem Geleit der Neuankömmlinge erschlossen werden kann." (S.78)
Diese durchaus spekulative Theorie hat aber den ausgesprochenen Vorteil, daß man die Stammesentwicklung der Sachsen nicht allzufrüh, nämlich in die römische Kaiserzeit, verlegen muß.

Bleibt aber die Frage, um welche Könige sollte es sich denn handeln, die in der antiken Schriften genannt werden? Mir fällt dabei nur ein, daß die Chauken nach Tacitus' Annalen (XI 18-20) Mitte des 1. Jh. unter der Führung eines gewissen Gannascus, einem Cannenefaten, sich an der gallischen Küste niederlassen wollte, aber vom Kommandanten der Germania inferior zurück getrieben wurden. Gewissermaßen paßt das zu einer anderen Angabe von Schön, der die kleine Tische von der Fallward ebenfalls mit dem Bericht aus Tacitus' Germania in zusammenhang bringt. Vielleicht stiftet das unsystematische Ineinanderwürfeln von solchen Rückgriffen gar keine grundsätzlich Verwirrung mehr, wenn man - wie skizziert- von der späten Einwanderung eines normanno-sächischen Traditionskerns ausgeht?

hinzugefügte Lit.:
K. Hauck, Goldbrakteaten aus Sievern. Spätantike Amulett-Bilder der 'Dania Saxonica' und die Sachsen-'Origio' bei Widukind von Coryey. München: W. Fink, 1970: daraus angehängte Graphiken
R. Simek, Götter und Kulte der Germanen. Beck, 2004
E, Seebold, Das erste Auftreten germanischer Bildelemente und Runen auf den Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. in H. Ucker (Hg.), Studien zur Altgermanischen (1994)
 

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Erstmal Danke für die mehr als Ausführliche Darstellung!
Ich glaube ich muss mich in manchen Dingen noch mehr einfuchsen…


„Bleibt aber die Frage, um welche Könige sollte es sich denn handeln, die in der antiken Schriften genannt werden?“

Neben dem Problem der Begrifflichkeit eines Königs, würde ich nicht von so gefestigten herrschenden Dynastien ausgehen.
Wenn ich von den vor Jahren als demokratisch bezeichneten Thingversammlungen der Sachsen sehe, bleibt für mich der Schluss, dass dies Gebilde noch recht unzentral war bis ins 8.Jahrhundert. Kleine Teile hatten so etwas wie Häuptlinge oder Stammesälteste, zu den bei bestimmten Gelegenheit einer mit mehr Machtbefugnissen ausgestattet wurde, für begrenzte Zeit und sicherlich, wird sich nicht jeder dem gefügt haben.
Nannen und Familien müssten dabei recht flüchtig bleibe, so das sich kein höherer Adel ausbilden konnte.
Sind also diese überlieferten Namen nicht nur kurze Erscheinungen, deren Nachhall lange wert, aber deren Amt nur kurz war?
 
Unbezweifelt ist, daß nordische Seefahrer Anfang des 6. Jhds entlang der südlichen Nordseeküste fuhren (Hygelak-Cochilaicus). Unbestreitbar ist auch, daß es an der flandrisch-französischen Küste, im Rheindelta und Friesland zu einer Ballung germanischer Gruppen kam, deren Herkunft fast sämtlich aus Jütland stammt. Es bleibt aber fraglich, in wie weit diese Gruppen Anteil an einer sächsischen Ethnogenese hatten, bezogen jetzt allein auf die Altsachsen. Ganz interessant finde ich in diesem Zusammenhang Springers Abstecher zur Geschichte des Sachsen Adovacrius, den er mit Odoaker in Verbindung bringt. Thüringer, Sachsen, Skiren, mal dies mal jenes. Es zeigt sehr schön, wie unbestimmt gentile Zugehörigkeit zu einem Ethnos war. Wir haben z.B. die sächsischen "Quaden", die ich als Kobanden zu identifizieren glaube, im Niederrhein-Gebiet. Später erscheinen dort die Warnen, die Angeln, an anderer Stelle werden dort die Thüringer erwähnt. Für mich stellt sich mittlerweile die Frage, haben wir es mit Kleinstreichen zu tun, die sich abwechselten oder nebeneinander bestanden oder bezeichnen sie vielleicht nur ein regnum, indem je nach Machtverteilung mal das eine oder das andere ethnische Element die Oberhand hatte? Werden die Sachsen Altsachsens nur deshalb Thüringer genannt, weil sie unter der Oberherrschaft der Saale-ländischen Thüringer standen? Erscheinen sie an anderer Stelle als Sachsen, weil sie ethnisch halt keine Thüringer waren?
Ich hatte, wie Springer, mit der Stammesversammlung auch meine Probleme. Letztlich ging ich nicht soweit sie gänzlich zu bestreiten. Ich konnte mich bis jetzt nicht dazu durchringen dies zu tun. Allerdings bin ich skeptisch, ob es sich bei ihr um eine jährliche Versammlung gehalten hat. Es hängt völlig von der politischen Struktur Sachsens ab. War Sachsen unabhängig, waren die Sachsen lose abhängig oder vielleicht sogar Teil der Merowingerherrschaft. Was war vor 531, was danach? Sicher ist zu dieser Vollversammlung, wie auch zu jedem anderen Thing in Sachsen nur eines, demokratisch waren sie mitnichten. Ich sehe die Gliederung in Stände und deren Begrenzung auf je 12 Mann als eine Maßnahme, um die Sicherheit und den Frieden solcher Versammlungen zu bewahren. Kein Teilnehmer sollte durch die Masse seiner Gefolgschaft Beschlüsse solcher Versammlungen von vornherein bestimmen. Doch wer nahm als Führungselite an den Versammlungen Teil? Was ist mit diesen Satrapen? Für mich steht fest, das ein Großteil dieser Satrapen seit dem 6. Jhd in der Klientel der Merowinger stand. Die Franken waren nicht Herren dieser Länder, sondern die sächsischen und thüringischen Kleinkönige waren Gefolgsleute der Merowinger. Es bleibt die Frage, waren z.B. 50 Gauvorsteher direkt unter den Merowingern oder gab es in Sachsen ein System von Ober- und Unterkönigreichen oder wie immer wir es nennen wollen. Sind vielleicht die drei bekannten Heerschaften sächsische Großeinheiten unter "Königen". Ich teile hier Saschas Frage nach der Flüchtigkeit solcher regna. Es wäre schön, wenn wir demnächst in der Lage sind sächsische Herrschaftszentren zu benennen, Ober- und Unterzentren, wenn wir diese dann vielleicht auch archäologisch in Gruppen unterteilen könnten, um dem Geheimnis der Sachsen näher zu kommen.
 
Hallo Beorna, ich werde mich jetzt nach und nach mit deinen Beiträgen auseinandersetzen.

Ich habe mich, nach einigem Zögern, seit längerem der Springerschen These über den Sachsenstamm bzw. über den nicht existierenden Sachsenstamm, angeschlossen. Das es diese gens nicht gab, bedeutet aber nun doch nicht, daß es auch keine saxones gab.

Das ist das Paradoxon, an dem ich mich zur Zeit anscheinend aufwendig abzuarbeiten bemühe. Mit Springer kann man fast alle Theoreme, die die Forschung über die Sachsen aufgestellt hat, stark kritisieren; neben der Betonung des Verzichtes auf die ptolemäische Angabe nach Kahrstedt, wüßte ich gerade keine positive Aufnahme eines solchen Sachsenforschungsergebnisses, bis auf eine, die ich auch in einem meiner Beiträge (#8) - allerdings falsch zitiert - habe und die gewissermaßen meine Fragestellung der Verbindung von Ethnographie und Archäologie anbetrifft. Im Zusammenhang der Ala Saxonum, von der er auch sagt, daß diese möglicherweise anfangs auch tatsächlich "aus 'echten' Sachsen bestanden" habe schreibt: "Aus Bodenfunden zwischen der Ems und der Niederelbe wird geschlossen, dass Söldner, die aus diesen Gebieten stammten, während des 4. und 5. Jhs. im römischen Heer gedient haben." (Springer, 2004, S.45) Neigt Springer eigentlich einer Auffassung zu, daß eine Art kontinentale Saxonia faßbar werden könnte? Was mich daran aber irritiert ist sein plötzlich positive Bezugnahme auf Forschungsergebnisse, die seiner textkritischen Methode gewissermaßen zuwider laufen. Er referiert jedenfalls auf einen Beitrag von Böhme (1999b), in dem der Autor wahrscheinlich machen will, daß sächsische Heerführer im römischen Heerwesen im ausgehenden 4. Jh. ansehnliche Stellungen, wenn auch keine höheren Offiziersstellen, erreicht haben könnten. Ich werde im folgende einige Belegstränge referieren, wobei ich die Diskussion der Bestattungssitte grundsätzlich weglassen, dafür aber andere Arbeit von Böhme (1976a, 1999a) miteinbeziehe:

Die Betrachtung der Solidi-Funde für das 4. bis Anfang 5. Jh. führt den Autoren zunächst zu dem Schluß, daß sie gewissermaßen im Einklang mit den Quellen stehen, daß zwar Alemannen und Franken, aber keine Sachsen höhere Offiziersstellen bekleidet haben dürften. Der Hortfund von Lengerich ist dabei problematisch, den Böhme an anderer Stelle als Opferfund eines fränkischen Magnaten des 4. Jhs. plausibel machen will; im Zusammenhang mit den Insignien heißt es denn auch eindeutig, daß der Schatz "nur wegen seiner topographischen Lage im Ems-Weser-Gebiet aufgeführt [wird], obwohl der einst bedeutsame einheimische Söldnerführer nur schwerlich für die Sachsen in Anspruch zu nehmen ist." (S.62) Bezüglich des singulären Fundes dreier Silberbarren aus Diesdorf (Raddestorf), die um 418 in Trier oder Konstantinopel gegossen worden sein sollen, lasse aber "erkennen, daß ein in römischen Diensten erfolgreicher Söldnerführer von der Mittelweser (nur wenig südlich von Liebenau) im ersten Drittel des 5. Jhs. in den Besitz einer größeren ungemüßten Silbermenge gelangt sein muß." (S.52 f) An weiteren Einzelfunden nennt Böhme auch noch die spätantike Silberschale von Altenwalde, eine Elfenbeinarbeit aus Stendorf bei Osterholz-Scharmbeck, sowie Arm- und Fingeringe und Zwiebelkopffibeln (neben dem bereits aus Lengerich erwähnten) aus Meinerfehn (Uplengen/ Leer) und Hummeldorf, sog. Vestlandkessel (Bronzegefäße) aus Helle; auch Glasschalen und -becher aus Helle, Altenwalde, Issendorf, Wiepenkathen und Ritsch bei Stade nennt der Autor in diesem Zusammenhang.
Nun mögen derartige Funde für gewisse Kontakte eines „Siedlungsgebietes zwischen Unterweser und Elbmündung mit dem römischen Reich auch noch im 5. Jh.“ (Böhme, 1976a, S.211) sprechen, aber dieses Siedlungsgebiet schon als „sächsisch“ anzugeben, erscheint weniger belegt als vielmehr voraussgesetzt. Was ist also weiter anzuführen? Böhme (1999b) verweist auf die Funde von den ca. 250 Kerbschnittgarnitur-Exemplaren, die man mit "germanischen Söldnergräbern der Grenzprovinzen von Britannien über Gallien bis ins Donaugebiet, bes. häufig jedoch im nördlichen Gallien und gelegentlich auch im rechtsrheinischen Barbaricum" (Böhme, 1999b, S.54) in Verbindung bringt.
Die Mehrzahl der mehrteiligen Garnituren datiert demnach etwa Ende 4. Jh. u. Anfang 5. Jh., wurde aber abgelöst von der sog. Einfachen Gürtelgarnitur, die bis zur Mitte des 5. Jh. in Gebrauch war. Daneben gab es eine einfachere Form. Einen Prunkgürtel, den man in Grab 32 von Sahlenburg (Cuxhaven) gefunden hat, schreibt er einem sächsischen Sölnerführer, der unter Valentinian I gedient hätte, zu. Weitere Exemplare stammen aus Herbergen (südlich von Kloppenburg) - Böhme vermutet hier ein nicht erkanntes Körpergrab - sowie aus dem Oldenburger Land; ersteres zeichnet sich durch eine besonders Breite Gürtelschnalle aus, letztere durch die Verzierung Riemenzunge des Typs Misery. Die Gürtelgarnitur von der Fallward wird als Typ Vieuxville ins frühe 5. Jh. datiert, wobei Böhme (ebd., S.56) das dendrochronologische Datum des Bootsarges angibt (421 n. Ztr.). Von der zweiten, jüngeren Variante hat man Exemplare in Helle, Liebenau, Bremen-Mahndorf und Wijster gefunden; zwei der dritten Variante stammen aus Haselünne und Stolzenau. Durch die kartogrpahische Auswertung kommt Böhme zu dem Schluß, daß sich also archäologisch nachweisen ließe, "daß nicht nur Franken und Alemannen, sondern auch sächsische Sölnder bereits in valentinianischer Zeit angeworben wurden [...], besonders intensiv scheint jedoch sächsischer Zuzug zur spätrömischen Armee während des 5. Jhs gewesen zu sein" (S.59 f).
Aber auch hiermit ist noch nicht belegt, daß es sich wirklich um „Sachsen“ handelt. So kommt er auf die sog. Stützarmfibeln mit Trapezfuß und die von Männern getragenen Stützarmfibeln mit gleichbreitem Fuß zu sprechen, die unter dem Einfluß spätrömischer Zwiebelknopffibeln entstanden seien. Älteren Exemplare aus Bronze gelten dem Autoren als "sächsisch"; seit Beginn des 5. Jh. erscheinen auch welche aus Silberpreßblech. Die meisten und "gewichtigsten" sind nach Angabe sog. gleicharmige Kerbschnittfibeln des 5. Jhs., die ebenfalls "typisch sächsisch" seien und unter römischen Einfluß entstandene Muster aufweisen. Das massive Autreten dieser Fibeltypen im Elb-Weser-Dreieck führten den Autoren zu der Ansicht, diese "für genuin sächsische Fibeln" zu halten. Von den Stützarmfibeln mit Trapezfuß (Niedersächs. Typ A u. B) haben sich lediglich vier Exemplare außerhalb dieses mutmaßlich sächsischen Kerngebietes gefunden: Ihr Auftreten in Nordgallien (spätes 4. Jh.) dienen dem Autoren denn als Nachweis für Anwesenheit sächsischer Söldner bzw. dessen Frauen, während es auch gallische Typen gibt, die auf diese sächsischen Vorbilder zurückgehen sollen; keine wurde in Britannien gefunden, weshalb der Autor dort für das 4. Jh. nicht mit nennenswerter Anwesenheit sächsischer Söldner rechnet. Entsprechendes gilt für sog. Tieföhrnadeln, "die sich durch den Grabfund von Bliedersdorf in die Zeit um 400 datieren lassen" (S.70), so daß sich - wenn auch spärlich - eine Fundkonzentration mutmaßlich sächsisch einzuordnender Zuschreibung in der Provinz Germania II ergebe.
Damit komplettiert Böhme zwar seine Kartierung gallorömisch-nordseegermanischer Beziehungen, aber auch hier ist noch zu erweisen, was er belegen will: daß es sich „sächsische“ Söldner handelt. Im folgenden kommt Böhme (1999b) zum Kern seiner Argumentation: Die Übergangsform (Vorstufe Issendorf) der Stützarmfibel mit Trapezfuß zur späteren gleicharmigen Kerbschnittfibel sieht der Autor in fünf Exemplaren, die ausschließlich im nördlichen Elb-Weser-Dreieck nachgewiesen wurden. Als Weiterentwicklung sieht der Autor die Frühform Seraing an, kleine gleicharmige Gewandspangen aus Bronze" (S.67). Erst ins frühe 5. Jh. datieren die ersten gleicharmigen Fibeln vom Typ Sahlenburg, die flächendeckende Kerbschnittmuster aufweisen. Fünf einheitliche Exemplare stammen aus dem Elb-Weser-Dreieck, eines aus Ostengland (Mucking), "wohin es nur mit seiner Trägerin, einer Sächsin des frühen 5. Jhs. gelangt sein kann.“ (S.67) Weitere Exemplaren dieser gleicharmigen Kerbschnittgewandspangen, zum Teil auch aus Silber und vergoldet (Typ Dösemoor und Nesse), wurden je ein Exemplar in Mahlstedt und Obernhausen (Oldenburg) gefunden, waren aber auch zwischen Weser und Rhein sehr verbreitet, was Böhme dahingehend deutet, "daß wohl seit dem mittleren 5. Jh. auch andere Bevölkerungsgruppen außerhalb des Elb-Weser-Dreiecks sich mit typisch sächsischen Trachtenaccessoirs geschmückt haben, um damit ihre Zugehörigkeit zu diesem [...] 'Stammesverband' zu bekunden" (S.67), während das gleichzeitige Auftreten dieses Typus in Britannien "als Beleg der auch schriftlich bezeugten Zu- und Einwanderung sächsischer Bevölkerungsgruppen" (ebd.) gelten könne. Während der ersten Hälfte des 5. Jhs. entstanden auch die dem Autoren als typisch sächsisch geltenden Stützarmfibeln mit bandförmigen Bügeln (Typen Mahndorf und Perlberg) im Elb-Weser-Dreieck, deren Verbreitung in in Ostengland ebenfalls die Anwesenheit sächsischer Bevölkerungsgruppen belegen sollen. Nun liegt mir sein Verweisartikel von 1986 nicht vor, aber schon früher schrieb er, daß man mit J. Werner den „Beginn der „sächsischen Siedlung in England“ (Böhme, 1976a) um 400 ansetzen könne, worauf die Gräberfelder in Muckin (Essex), Spong Hill (Norfolk) und auch Dorchester (Oxforshire) hinweisen würden; dezidiert nennt er hier die um diese Zeit von ihm datierten Fibeltypen: gleicharmige Kerbschnittfibel-Typ Sahlenburg, verzierte komponierte Schalenfibeln und Stützarmfibeln mit bandförmigen Bügel. Interessant ist die Aufstellung der Auslaufdaten dieser Fibeltypen: „Tutulus- und Stützarmfibeln (mit Trapezfuß) waren bereits um 400 außer Mode gekommen, die komponierten Schalenfibeln und schmalen Stützarmfibeln scheinen nach der Mitte des 5. Jhs. nicht mehr benutzt worden zu sein, und die [...] jüngsten Kerbschnittfibeln und die gegossenen Schalenfibeln kommen am Ende des 5. Jhs. außer Gebrauch.“ (Böhme, 1976a, S.219) In dem so kartierten Gebiet tauchen nun andere Fibelformen (Bügelfibeln ohne Kerbschnittverzierungen), deren Verbreitung im Süden, Osten und Nordosten liegt; daß Vergleichsstücke auch aus England stammen, deutet der Autor dahingehend, „daß auch noch nach der Mitte des 5. Jhs. mit Kontakten zwischen dem östlichen Elb-Weser-Raum und der neuen überseeischen Heimat der Sachsen zu rechnen ist“ (ebd.), obzwar die mutmaßliche Herkunft dieser Fibelform (nach südosteuropäischer und donauländischer Anregung) „im Thüringerreich und den nördlich anschließenden Gebieten“ (ebd.) gesehen wird. Insofern ist gar eine Kartierung der Bügelfibeln mit (gelappter oder gelochter) Kopfplatte bei Böhme (1999a, S.65) irreführen, die durchaus enge Beziehungen zwischen den Ländern der "Angelsachsen" und "Sachsen" belegen könnte, wenn sie nicht auf der seiner Fundanalyse der 70er Jahre basieren würde und sich als Detailansicht herausstellt.


Was nun die Stammesentwicklung der Sachsen betrifft, führt Böhme (1999b) neben der Piraterie im ausgehenden 4. Jh. gemäß Autor vor allem zur Indienstnahme sächsischer Söldner ins römische Heer; die Bildung einer sächsischen Reitertruppe (Ala saxonum) falle dabei wahrscheinlich noch in die Zeit Diocletians (Böhme, 1976a); möglicherweise wurde der als "kühne, gefolgschaftliche Seefahrer" konnotierte, "durch kriegerische Unternehmungen des 4./5. Jhs. (anfangs Piratenzüge, später Söldnerdienste)" prestigeträchtige Sachsenname "auch bei ursprünglich nicht zugehörigen Bevölkerungsgruppen im Hinterland" (1999b) - beispielsweise aus dem Gebiet zwischen der Ems und der Weser oder von der Mittelweser "an den Seefahrten teilnehmen wollten, dadurch erfolgreich integriert werden konnten und auf diese Weise zu 'Sachsen' wurden." (S.71) Der Zuzug wurde von sächsischen Heerführer organisiert, deren Gräber man auf der Fallward, in Issendorf oder Helle gefunden hat. Als Indiz für eine "sächsische Identität" wertet Böhme also die Tracht und scheint ein sächsisches Kernland nahezulegen, nämlich das Elb-Weser-Dreieck. Ein weiteres Argument für die Ausbreitung der Sachsen wenigstens bis zur mittleren Weser ließe sich dann weiter mit Böhme (1999a) durch die Verbreitung der Bügelfibel mit gelappter Kopfplatte vom Typus Liebenau-West Stow anführen, wovon auch ein Exemplar in einem Frauengrab (F 128) aus dem westfälischen Beele - einer wohl spätantik-frühmittelalterlicher Gräberfeld, daß z. T. eine kaiserzeitliche Siedlung überlagerte - stammt und die er zweifelsfrei einer Sächsin zuschreibt, da diese Gewandspangenform "im ausgehenden 5. Jh. ausschließlich von Sächsinnen zwischen Niederelbe und Mittelweser getragen wurde." (S.64)

All das zusammengenommen mag zwar gewisse Indizien für die Kartierung eines sächsischen Stammesgebietes ergeben, wie sie etwa Häßler abgebildet hatte, aber damit ist die Rede von „Sachsen“ im Sinne einer ethnischen Einheit mitnichten belegt und bleibt ausgesprochen problematisch. So ist S. Brathers zuzustimmen, demnach die als "angelsächsisch" gedeuteten Funde seit dem späten 4. Jh. auf der britischen Insel zwar ein gewisser Beleg für Siedler sein mögen, sie belegen aber "zugleich - durch ihre starke Ähnlichkeit zu kontinentalen Funden Nordwesteuropas - anhaltende Beziehungen, gewissermaßen 'Rückkopplungen' zum Kontinent und den dort gelegenen Herkunftsgebieten (Keramik, gleicharmige und kreuzförmige Fibeln). Im Fundmaterial sind interessanterweise auch Beziehungen in den fränkischen, alemannischen und thüringischen Raum zu erkennen, was auf heterogen zusammengesetzte und nicht auf geschlossene Siedlergruppen hinweist (vor allem in den Körpergräberfeldern südlich der Themse). Außerdem sind die Beziehungen nach Norwegen offensichtlich (Abb. 36)." (S.272)
Die Funde, insonders die frühen, ließen sich vielleicht mit Saxones zusammenbringen, aber gewiß nicht mit einer Saxonia antiqua im ethnischen Sinne.

Lit.:
H.-W. Böhme, Das Land zwischen Elb- und Weser-Mündung vom 4. bis 6. Jh. Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 29: Das Elb-Weser-Dreieck I. Mainz am Rhein: v. Zabern, 1976, S.205-225
ders., Franken oder Sachsen? Beiträge zur Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte in Westfalen vom 4.-7- Jahrhundert. Studien zur Sachsenforschung 12, S.43-73
ders., Sächsische Söldner im römischen Heer. Das Land zwischen Ems und Niederelbe während des 4. und 5. Jahrhunderts. Über allen Fronten. Nordwestdeutschland zwischen Augustus und Karl dem Großen. Oldenburg: Isensee, 1999, S.49-73
 

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In einem anderen Thread schrieb ich mal:"Da es sich bei den sächsischen Gruppen vornehmlich um eine Art Piraten handelt, halte ich eine Ableitung von sacan, sacu, saec(c) - streiten, Streit, Kampf für durchaus möglich, falls es sprachlich halt möglich ist, was ich so nicht beurteilen kann. Im Übrigen könnte, mal reine Vermutung, sacan auch mit saxum, bzw. secare verwandt sein (aber auch mit sacco-sacco di Roma), also im Sinne von "aus Stein sein, mit etwas schneiden können, im Kampf schneiden (töten)". Damit wären die Sachsen und ihr Gott also "Steit-, Kampfgenossen"."
Diese Bezeichnung paßt eigentlich in der Spätantike auf jeden Germanen. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn man meinetwegen schon unter Diokletian Saxones fände. Folglich wäre jedes Sachgut Saxonisch. saxonisches Fundgut befindet sich dort wo später Sachsen bezeugt sind, also sächsisches Fundgut und sächsische Bewohner. Und genau das scheint der Fehler zu sein. Daher stimme ich deiner Analyse voll zu: "All das zusammengenommen mag zwar gewisse Indizien für die Kartierung eines sächsischen Stammesgebietes ergeben, wie sie etwa Häßler abgebildet hatte, aber damit ist die Rede von „Sachsen“ im Sinne einer ethnischen Einheit mitnichten belegt und bleibt ausgesprochen problematisch. So ist S. Brathers zuzustimmen, demnach die als "angelsächsisch" gedeuteten Funde seit dem späten 4. Jh. auf der britischen Insel zwar ein gewisser Beleg für Siedler sein mögen, sie belegen aber "zugleich - durch ihre starke Ähnlichkeit zu kontinentalen Funden Nordwesteuropas - anhaltende Beziehungen, gewissermaßen 'Rückkopplungen' zum Kontinent und den dort gelegenen Herkunftsgebieten (Keramik, gleicharmige und kreuzförmige Fibeln). Im Fundmaterial sind interessanterweise auch Beziehungen in den fränkischen, alemannischen und thüringischen Raum zu erkennen, was auf heterogen zusammengesetzte und nicht auf geschlossene Siedlergruppen hinweist (vor allem in den Körpergräberfeldern südlich der Themse). Außerdem sind die Beziehungen nach Norwegen offensichtlich (Abb. 36)." (S.272)
Die Funde, insonders die frühen, ließen sich vielleicht mit Saxones zusammenbringen, aber gewiß nicht mit einer Saxonia antiqua im ethnischen Sinne
."
Vielleicht wäre es eine Idee, wenn wir vor der fränkischen Eroberung Sachsens durch Karl d. Gr. von saxonisch sprechen, danach von sächsisch. Allerdings bleibt die Frage wann bildete sich so etwas wie eine saxonische gens? Wir haben bis 530 zwei "Großreiche" im Bereich des heutigen Deutschlands, die Franken im Westen und die Thüringer im Osten. Wenn wir mal die Notiz von der Herrschaft der Thüringer in Hadeln glauben, dann waren die Saxones der Küste Klienten der Thüringer, andere Saxones solche der Franken. Einen Stammesgedanken fördert solch eine Konstellation wohl nicht. Somit kann doch erst der Sieg der Merowinger über ihre östlichen Nachbarn und Verwandten diesen Gegensatz fränkische/thüringische Klientel beseitigt haben.Vielleicht war die Lage dieser Klienten außerhalb des ehemaligen Römischen Reiches, also der Gegensatz zu den gallo-römischen Franken, identitätsstiftend, wer weiß, dabei kann man sich am Elbe-Weser-Dreieck und seinen Bewohnern orientiert haben, vielleicht war dort aber auch nur ein mächtiger Klient der Merowinger ansässig. Das alles ist z.Z. noch sehr spekulativ und muß noch gründlich durchdacht werden. Von der sächsischen Kontinuität von Ptolemaios bis heute müssen wir uns sicherlich verabschieden.
 
@ Beorna
Du läßt mir ja keine Verschnaufpause: ich arbeite noch an weiteren Antworten, und muß mich dann schon wieder einem anderen Gebiet zuwenden wie jetzt durch deine Antwort:​

Vielleicht wäre es eine Idee, wenn wir vor der fränkischen Eroberung Sachsens durch Karl d. Gr. von saxonisch sprechen, danach von sächsisch. Allerdings bleibt die Frage wann bildete sich so etwas wie eine saxonische gens? Wir haben bis 530 zwei "Großreiche" im Bereich des heutigen Deutschlands, die Franken im Westen und die Thüringer im Osten. Wenn wir mal die Notiz von der Herrschaft der Thüringer in Hadeln glauben, dann waren die Saxones der Küste Klienten der Thüringer, andere Saxones solche der Franken. Einen Stammesgedanken fördert solch eine Konstellation wohl nicht. Somit kann doch erst der Sieg der Merowinger über ihre östlichen Nachbarn und Verwandten diesen Gegensatz fränkische/thüringische Klientel beseitigt haben.Vielleicht war die Lage dieser Klienten außerhalb des ehemaligen Römischen Reiches, also der Gegensatz zu den gallo-römischen Franken, identitätsstiftend, wer weiß, dabei kann man sich am Elbe-Weser-Dreieck und seinen Bewohnern orientiert haben, vielleicht war dort aber auch nur ein mächtiger Klient der Merowinger ansässig. Das alles ist z.Z. noch sehr spekulativ und muß noch gründlich durchdacht werden. Von der sächsischen Kontinuität von Ptolemaios bis heute müssen wir uns sicherlich verabschieden.

Keine Sachsen (saxones) seit Ptolemaios; ab wann man von Sachsen, „echten“ Sachsen, wie Springer sagen würde, sprechen kann, ist für mich z. Zt. in der Tat völlig fraglich geworden; erst einmal bin ich an dem Punkt, daß ich mich nach Alternativen umschauen möchte. Aber zu den Thüringern und der Nordsee fällt mir natürlich auch wieder was von Springer ein: In seinem Sachsenbuch (2004) bemüht er sich bekanntlich um die Rehabilitation von Odoaker als Sachse. Bei Gregor v. Tours wird ein Adovaricus vero cum Saxonibus erwähnt. Childerich hätte ihn zunächst in die Flucht geschlagen, um später im Bündnis mit ihm die Alemannen in Italien zu besiegen. Beim Fredegar erscheint er als König, und im Fränkischen Geschichtsbuch als Herzog der Sachsen. Nun liegt es gewissermaßen Nahe, diese historische Gestalt mit dem Söldnerführer gleichen Namens zu identifizieren, der den letzten weströmischen Kaiser stürtzte. Diese Quelleangaben gelten insofern als problematisch, daß aus der von Eugippus verfaßten Vita Severini hervorgeht, daß Odowaker einen Bruder namens Onoulfus hatte; deren Elternhaus wäre dann nach der Angabe im Suda als hüringisch-skirische. Schließlich hatte Jordanes noch überliefert, daß Odowaker als rex Torcilingorum eine Gefolgschaft aus Thorkilingern, Skiren und Herulern nach Italien geführt hätte. Ersetzt man nun „Torcilingorum“ mit „Thoringorum“ und verbindet das mit der Angabe des Ravenannten, daß Thüringen in alter Zeit Germanien geheißen habe, kann man sogar behaupten, daß Thüringen einst bis zur Küste reichte, und daß entsprechend Leute von dort, die über See ins römische Reich eindrangen, hier aber als Saxones erschienen. Mir erschien das zunächst höchst spekulativ; aber ich bin erstaunt, jetzt zufällig auf einen Artikel von K. Weidemann gestoßen zu sein, die die Vorstellung einer Saxonia antiqua vollständig entbehrlich macht.
Obzwar sicherlich umstritten, halte ich die Ausweitung eines thüringischen Großreiches für sehr viel plausibler als das ganze Gerede von Altsachsen: So hätte beispielsweise Gregor v. Tour in dieser Sichtweise eben keine undeutliche Angabe gemacht, als er von Childerichs Aufenthalt in Thoringien erzählte. Weidemann meint denn auch, daß die thüringische Herrschaft analog der fränkischen „in Teilreiche gegliedert [war], die u. a. Namen älterer selbständiger Stämme – Angeln, Warnen, Heruler – weiterführen. [...] Die Königsfamilien standen allerdings in verwandtschaftlichen Beziehungen, wie dies vor allem Gregor von Tours im 6. Jh. berichtet, aber auch der Name des von Prokop überlieferten 'Warnenkönigs' Hermegisklus am Niederrhein hinweist.“ (1976, S.228) Der Autor spricht zwar von einer „Neubildung des sächsischen Stammes“, aber daß „Neu-“ ist, ist meiner Ansicht nach vollkommen entbehrlich. Inwieweit von einer „sächsischen“ Stammesbildung seit Mitte des 6. Jahrhunderts innerhalb der fränkisch-thüringischen Klientel zu sprechen ist, muß ich allerdings auch offen lassen.​


Interessant nun, daß Babette Ludowici (2005) im Unterschungsgebiet zwischen Leine, Allernierderung und dem Harz die Auffassung nicht bestätigen konnte, daß hier (Ostfalen) eine Überlagerung durch sächsische Keramik um 400 vorliege, so daß man nicht davon ausgehen könne, daß sich im nördlichen Harzvorland Sachsen niedergelassen hätten. Aber auch mehr als stilistische Verwandtschaft zur völkerwanderungszeitlichen Keramik aus Mitteldeutschland möchte die Autorin nicht konstatieren. Aber aufgrund der Betrachtung der Bestattungssitte stellt sie durchaus eine Veränderung (Körperbestattung im 3./4. Jh.; Grabanlagen einer Führungsschicht im 5./6. Jh.) fest, und bestätigt „eine - wie auch immer geartete – Verbindung der im östlichen Nordharzvorland ansässige Bevölkerung und wohl besonders ihrer lokalen Fürungsschicht mit dem Stammesverband der Thüringer“ (S.140). Erst im 6. Jh. wäre vielleicht eine (frankophile) Führungsschicht faßbar – genannt wird der Tumulus von Klein-Vahlberg oder Gehrden, obzwar eine (einheimische) Oberschicht sich bereits zuvor in den Nekropolen von Beuchte, Deerheim oder Offleben abzeichnet.​

Prüft man diese Angaben anhand des von ihr aufgestellten Fundkataloges, so ergibt sich in der Tat, daß das Körpergräberfeld an der Wedde bei Beuchte tatsächlich ihrer Einschätzung bestätigt: Es handelt es sich um neun Bestattungen, z. T. in nachgewiesen Holzkammern oder unspezifiziert als „Totenbett“ angegeben, wobei die Datierung anhand der Beigaben oder Trachtbestandteile vorgenommen wurde: ein goldener Anhänger, der eine umgearbeitete Solidus des Anastasius war; zwei Schildbuckel, die nach Böhner hauptsächlich zwischen 525 bis Ende des 6. Jh. vorkommen; zwei Lanzenspitzen, die nach Koch ins zweite Viertel des 5. Jh. gehört. Eine Streitaxt der „Form N mit Tüllenhammer“ (Ende 5./Anfang 6. Jh.); eine vergoldete Bügelfibel aus Silber, die Ludowici (2005) näher als Fünfknopffibel mit ovalem Fuß, Spiralrankendekor und Tierkopfmotiv charakteisiert, die Parallen einerseits in einem Weimar, anderseits allerdings nur fragmentarisch erhaltener Fund in Liebenau findet. In einem der von mir im Einleitungsbeitrag erwähnten Zeitschriftenartikel zum Thema Altsachsen habe ich eine entsprechende Abbildung einer Fünfknopf-Fibel gefunden, die dort irrtümlicherweise (?) als „Fibel vom Typ Issendorf“ angegeben wird. Wie dem auch sei, wird das Fibelpaar aus dem Issendorfer Grab (Nr. 3557) wie das entsprechende Fibelpaar aus Weimar Grab (Nr. 57) ins frühe 6. Jh. datiert. Was den Fünfknopf-Fibelfund aus Liebenau betrifft, scheint sie ein Mal fast vollständig, ein Mal fragmentarisch erhalten zu sein; aber leider deckt sich ihre Fundangabe Grab H11/B4 – bei Ludowiki nach Häler - nicht mit der von Bierske & Schlicksbier (2005), die eine fragmentarisch erhaltene Fibel aus Belegungsphase 2 abbilden, eine fast vollständige für Belegungsphase 3 (vgl. S.105, Abb. 4, 9; S.109, Abb. 6, 9). Ebenfalls erwähnen kann man eine weitere Fibel, die ebenfalls vergoldet und aus Silber ist, wozu es ebenfalls Parallelen aus Liebenau (1 x, aus einem Brand- und 1 x aus einem Körpergrab) gibt: Es handelt sich um Exemplare, die bei Brieske & Schlicksbier (2005, S.106) interessanterweise als „einheimische“ Bügelfibel“ bezeichnen. Sie laufen als „Typ Beuchte“ und haben noch weitere Parallele aus dem Gräberfeld Bremen-Mahndorf (2 x) sowie ein Exemplar aus Rübenach – dort allerdings nicht aus Silber, sondern aus Bronze. Schließlich seien auch noch zwei Zierschlüsselpaare erwähnt, „die nach H. Steuer nur zur Grabausstattung vornehmer merowingerzeitlicher Frauen zählen.“ (Ludowici, 2005, S.88)​

Was den Fundort Offleben betrifft, ist ihre Einschätzung so nicht nachvollziehbar, es sich um einen sehr schlecht dokumentierten „Reihengräberfriedhof“ handelt; der einzige herausragende Fund wäre hier der von Zedelius publizierte goldene Münzanhänger, bei dessen Münze „es sich um die Nachahmung eines Solidus des Zenos (474-491)“ handelt, der allerdings aus einem anderen Einzelgrab, wovon wiederum wohl auch sonst erhalten wurde, stammen könnte.​

Bei dem Fürstinnengrab bei Klein-Vahlberg (Kr. Wolfenbüttel) handelt es sich schließlich um eine frühmittelalterliche Nachbestattung an einem neolithischen Höcker und bronzezeitlichen Steinkammergrab. Es zeichnet sich eigentlich nur durch gefundenen Zierbesätze eines Holzgefäßes , das nicht vollständig rekonstruiert werden konnte, sowie Wadenbindengarnituren.​

Ich habe jetzt schon mit Ludowici mehrfach auf den Fundplatz Liebenau verwiesen, im einem meiner folgenden Beiträge möchte ich diesen etwas ausführlicher darstellen, es hätte sich auch hier angeboten, weil Häßler nämlich das Grab einer wohlhabenden Thüringerin, von der er sich fragt, „warum, die Frau um 525 n. Chr. aus Thüringen an die Unterelbe kam.“ (S.25)​

Lit.: K. Weidemann, Das Land zwischen Elbe und Wesermündung vom 6.-8. Jh. in Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Das Elb-Weser-Dreieck I: Einführende Aufsätze (hggb. v. RGZM) Mainz am Rhein: Philipp von Zabern, 1976, S.227-250; B. Ludowici, Frühgeschichtliche Grabfunde zwischen Harz und Aller. Rahden: Leidorf, 2005; V. Brieske & G. Schlicksbier, Zur Chronologie des Gräberfeldes von Liebenau, Kr. Nienburg (Weser). Studien zur Sachsenforschung 15 (2005); H.-J. Häßler, Niedersachsens frühe Bevölkerung. Die Altsachsen der spätrömischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalter. Oldenburg: Isensee, 2004)
 

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Das hieße man hätte nicht in einem fränkisch-sächsischen Bund das Thüringer Reich vernichtet, sondern in einem fränkisch –thüringischenteilreich Bund? Wenn denn der Gedanke der „Sachsenhilfe“ zuträfe…
 
Das hieße man hätte nicht in einem fränkisch-sächsischen Bund das Thüringer Reich vernichtet, sondern in einem fränkisch –thüringischenteilreich Bund? Wenn denn der Gedanke der „Sachsenhilfe“ zuträfe…

Schade, daß du deinen Gedanken nicht weiter ausführst. Ich jedenfalls bin mir gerade darüber noch nicht sicher. Wenn man davon ausgehen würde, daß die sächsischen Geschichtsschreiber gewissermaßen eine nordische Herkunft überliefern, wäre hier durchaus an Sachsen zu denken, die aber nicht unbedingt auf dem Festland gewohnt haben müssen. Allerdings bin ich darüber noch nicht sicher. Vielleicht gab es tatsächlich auch Bevölkerungsgruppen an der Nordseeküste, die sich als Sachsen bezeichneten, vielleicht war es auch nur eine Elite. Hier wäre an die Analogie mit den Normannen zu denken, worüber ich aber letzendlich zu wenig informiert bin; dazu etwa Beorna:

Unbezweifelt ist, daß nordische Seefahrer Anfang des 6. Jhds entlang der südlichen Nordseeküste fuhren (Hygelak-Cochilaicus). Unbestreitbar ist auch, daß es an der flandrisch-französischen Küste, im Rheindelta und Friesland zu einer Ballung germanischer Gruppen kam, deren Herkunft fast sämtlich aus Jütland stammt. Es bleibt aber fraglich, in wie weit diese Gruppen Anteil an einer sächsischen Ethnogenese hatten, bezogen jetzt allein auf die Altsachsen. Ganz interessant finde ich in diesem Zusammenhang Springers Abstecher zur Geschichte des Sachsen Adovacrius, den er mit Odoaker in Verbindung bringt. Thüringer, Sachsen, Skiren, mal dies mal jenes. Es zeigt sehr schön, wie unbestimmt gentile Zugehörigkeit zu einem Ethnos war. Wir haben z.B. die sächsischen "Quaden", die ich als Kobanden zu identifizieren glaube, im Niederrhein-Gebiet. Später erscheinen dort die Warnen, die Angeln, an anderer Stelle werden dort die Thüringer erwähnt. Für mich stellt sich mittlerweile die Frage, haben wir es mit Kleinstreichen zu tun, die sich abwechselten oder nebeneinander bestanden oder bezeichnen sie vielleicht nur ein regnum, indem je nach Machtverteilung mal das eine oder das andere ethnische Element die Oberhand hatte? Werden die Sachsen Altsachsens nur deshalb Thüringer genannt, weil sie unter der Oberherrschaft der Saale-ländischen Thüringer standen? Erscheinen sie an anderer Stelle als Sachsen, weil sie ethnisch halt keine Thüringer waren?
[...] Es wäre schön, wenn wir demnächst in der Lage sind sächsische Herrschaftszentren zu benennen, Ober- und Unterzentren, wenn wir diese dann vielleicht auch archäologisch in Gruppen unterteilen könnten, um dem Geheimnis der Sachsen näher zu kommen.

Man bleibt bei dieser Frage leider nur auf die ältere Foschung verwiesen, die immer nur von Expansion der Sachsen vor 400 ausgeht, die sich streng archäologisch aber eben nicht belegen läßt: Ein solches Beispiel wäre eben das Gräberfeld Liebenau. Der Friedhof auf dem Liebenauer Heideberg, eine Sanddüne an der "armen Aue" (einem Nebenfluß der Weser), wurde einmal 1953, das zweite Mal 1984 archäologisch untersucht. Neben neolithischen Funden und einem kleinen spätbronzezeitlichen Urnenfriedhof, hob man Fundmaterial aus einem bereits zerstörten Friedhofsareal, das mit seiner gemischten Belegung in einen knapp 500 Jahre umfassenden Zeitraum vom 4. bis zur Mitte des 9. Jhs datiert wird: Über 300 Brandgräber und über 200 Körpergräbern, Scheiterhaufenplätze, ein Dutzend Pferdegräber und mindestens 4 Hundegräber; an bedeutendem Fund sei nach Häßler noch eine silberne Scheibe mit Runeninschrift hervorgehoben. Systematische Studien zu Liebenau erbrachten mittlerweile eine Unterteilung in mehrere Phasen, von denen nur die erste und auch nur teilweise in den von mir vorläufig abgesteckten Rahmen fällt: Hier kommen gleichermaßen Körper- und Brandbestattungen (Scheiterhaufenplätze) vor, erstere werden aber schon in der zweiten Subphase (Ib) seltener.

Ich hatte schon in einem vorhergehenden Beitrag aus der Dissertation von Maren Siegmann (2002) zitiert, worin die Autorin auf die geopolitische Randlage des Fundplatzes Liebenau im Landkreis Nienburg an der Weser des anscheinend erst spät sächsisch werdenden Gebietes aufmerksam macht. Ich möchte hier nicht alles wiedergeben, was die Autorin jeweils erwägt. Wegen der fehlenden Quellen warf sie einen Blick auf das Fundmaterial und suchte beispielsweise nach "typisch sächsischen" Fibeltypen, wie sie Böhme wegen ihres massiven Auftretens im Fundmaterial aus dem Elb-Weser-Dreieck identifiziert hatte. Neben den mithin nicht als typisch sächsisch geltenden Fundmaterial der ersten Belegungsphase wie Kerbschnittgürtelganituren, die sowohl im Rheinland und Nordfrankreich, als auch im Elb-Weser-Dreick vorkommen, fanden sich
an Fibeln der Phase Ia ein spätes Paar Titulusfibeln, frühe kreuzförmigen Fibeln, verschiedene Armbrustfibeln, Stützarmfibeln (Typen Mahndorf und Perlberg) sowie erste komponierten Schalenfibeln (eingeteilt in Typen Liebenau, Gellep, Rhenen und Westerwanna); außerdem tordierte Bronzeringe und bandförmige Bronzeschüsselnschüsseln; der Phase Ib hat man gleicharmige Fibeln mit Kerbschnittdekor in allen von Böhme beschriebenen Varianten zugeschrieben - so die Angabe bei Vera Brieske (Brieske & Schlicksbier, 2005). Die Perlen (lang spiralig gedrehte Glasperlen) des Fundortes der Phase Ia und Ib hat Siegmann (2002) als sehr unterschiedlich von niederrheinischem Fundgut ausgeschrieben. Was nun die Fibeln betrifft, erwähnt Siegmann in ihrer Übersicht zunächst nur drei Fibeltypen: "Armbrustfibeln mit Trapezfuß Var. C; Stützarmfibeln mit Trapezfuß Nieders. Typ A und B, Tutulusfibeln" (S.32) Aber hiervon weicht ihre detailliertere Aufstellung ab, insofern sie nun auch komponierte Schalenfibeln und gleicharmige Fibeln erwähnt und in der Grobeinschätzung des Typenbestandes der Frühphase des Fundplatz dann doch - wohl vorbehaltlich - schließt, daß dieser "also 'sächsisch' bzw. einheimisch zu sein [scheint]." (S.38) Das dies nun keine Kriterien für eine Zuschreibung als „sächsisch“ ausreicht, hatte ich schon versucht zu begründen, obzwar Böhme nicht daran zweifelt, daß die sog. Stützarmfibeln mit Trapezfuß und die Stützarmfibeln mit gleichbreitem Fuß sowie gleicharmige Kerbschnittfibeln als "typisch“ oder „genuin sächsisch" zu gelten haben und zwar aufgrund ihres massiven Auftretens dieser Fibeltypen im Elb-Weser-Dreieck, da sich von den Stützarmfibeln mit Trapezfuß (Niedersächs. Typ A u. B) beispielsweise lediglich vier Exemplare außerhalb des mutmaßlich sächsischen Kerngebietes gefunden haben. Wie verhält es sich mit den Schalen- und gleicharmige Fibeln; sind sie als "sächsisch" anzusehen? Brieske & Schlicksbier geben auch diese in ihrer Zusammenfassung als solche aus, während Siegmann sich anscheinend bedeckt hält, obwohl auch sie andeutet, daß Böhme sie anscheinend als "sächsisch" einstuft. Wie dem auch sei, in der zweiten Subphase der ersten Stufe erscheinen gemäß Autorin auch Beschlagteile und Bügelfibeln, die als typisch für niederrheinisches Fundgut der gleichen Zeit angesehen werden. Ob sie mit "Dreiknopffibeln" das meint, was Brieske & Schlicksbier als Kreuzfibeln angeben, ist mir nicht ganz klar. Wie dem auch: Aus dieser Funddarstellung lassen sich zwar möglicherweise Beziehungen zum Elbe-Weser-Dreieck interpretieren, nur heißt das für mich dann nicht, daß es sich um ein "sächsisches" Verhältnis handelt. Liebenau liegt noch oberhalb der mutmaßlichen Grenze zwischen chattischem und chaukischem Herrschaftsbereich, innerhalb der späteren Landschaft Engern. Daß sich dieser Name etwa erhalten hat, deutet auf eine gewisse Kontinuität eines Herrschaftsbereiches, der möglicherweise auch durch die - auch bei Springer erwähnten - sog. Laterculus Veronensis (ein Provinzialverzeichnis) angedeutet würde. Allerdings bin ich darüber nicht ausreichend informiert. Ein anderes Beispiel wäre Wigmodia, das nach Hucker - hier folge ich einem Hinweis bei Becher (1999 in Studien zur Sachsenforschung) - nach Auswertung fränkischer Annalen als eine Landschaft größeren Umfangs im Elb-Weser-Dreieck umreißen lassen würde.
Edith: In Issendorf jedenfalls - ich hatte dieses Grab irrtümlicherweise im Zusammenhang mit Liebenau in meinem vorhergehenden Beitrag erwähnt, wobei mich das Wort "Unterelbe" hätte stutzig machen müssen - hat man auch ein Frauengrab identifziert, das man eindeutig einer Thüringerin zuzuschreiben wagt, deren Erscheinung nicht unbedingt mehr als so rätselhaft gelten müßte.
 
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Schade, daß du deinen Gedanken nicht weiter ausführst. Ich jedenfalls bin mir gerade darüber noch nicht sicher. Wenn man davon ausgehen würde, daß die sächsischen Geschichtsschreiber gewissermaßen eine nordische Herkunft überliefern, wäre hier durchaus an Sachsen zu denken, die aber nicht unbedingt auf dem Festland gewohnt haben müssen. Allerdings bin ich darüber noch nicht sicher. Vielleicht gab es tatsächlich auch Bevölkerungsgruppen an der Nordseeküste, die sich als Sachsen bezeichneten, vielleicht war es auch nur eine Elite. Hier wäre an die Analogie mit den Normannen zu denken, worüber ich aber letzendlich zu wenig informiert bin; .
Man könnte den Stammesmythos von Widukind v. Corvey in der Richtung interpretieren, dass die Hinterhältigkeit mit dem Abfall von Reich der Thüringer zu tun hat. Also keine Neuverhandlung und Neue Landnahme, sondern Abgrenzung Vam Satelliten zur Eigenständigkeit.
 
Das hieße man hätte nicht in einem fränkisch-sächsischen Bund das Thüringer Reich vernichtet, sondern in einem fränkisch –thüringischenteilreich Bund? Wenn denn der Gedanke der „Sachsenhilfe“ zuträfe…

Die saxones waren um 530 ein Begriff. Eine Frage ist, wie weit der Name dieser genuinen Küstenräuber sich ins Innenland erstreckte. Wir haben, mal ganz grob, Franken links des Rheins, Thüringer östlich des Harzes. Was war dazwischen? Reichte der Frankenname um 530 bis Soest odernur bis ein Stück über den Rhein. Reichte der Thüringername bis zur Leine, zur Weser oder bis nah an den Rhein? Waren die Sachsen nur im Weser-Elbe-Dreieck. Welche Gebiete sollen die Sachsen überhaupt erhalten haben? Die an der Unstrut, wie es immer angenommen wurde, sind es wohl nicht. War es ganz Südniedersachsen, das die Sachsen bekamen? Oder waren die Sachsen ursprünglich eher im Norden, dann nach 530 wanderte der Name auf die Zone zwischen Rhein und Harz, die die Thüringer verloren hatten, die Franken aber nicht fest in ihr Reich integrierten?.
 
Die saxones waren um 530 ein Begriff. Eine Frage ist, wie weit der Name dieser genuinen Küstenräuber sich ins Innenland erstreckte. Wir haben, mal ganz grob, Franken links des Rheins, Thüringer östlich des Harzes. Was war dazwischen? Reichte der Frankenname um 530 bis Soest odernur bis ein Stück über den Rhein. Reichte der Thüringername bis zur Leine, zur Weser oder bis nah an den Rhein? Waren die Sachsen nur im Weser-Elbe-Dreieck. Welche Gebiete sollen die Sachsen überhaupt erhalten haben? Die an der Unstrut, wie es immer angenommen wurde, sind es wohl nicht. War es ganz Südniedersachsen, das die Sachsen bekamen? Oder waren die Sachsen ursprünglich eher im Norden, dann nach 530 wanderte der Name auf die Zone zwischen Rhein und Harz, die die Thüringer verloren hatten, die Franken aber nicht fest in ihr Reich integrierten?.

Das ist das Problem: Ich sehe die Sachsen zunächst gewiß nicht im Elb-Weser-Dreieck; ich hatte mittlerweile nur infolge des Positiv-Hinweises seitens Springers auf eine Saxonia antiqua vom archäologischen Gesichtspunkt aus das Indiz aus dem Blick verloren, das sich aus meiner Kritik von Springers Textkritik ergeben hatte. Mir ist wieder eingefallen, daß Eugen Ewig behauptet, daß die nördlichen Gaue der Francia antiqua um 365/370 "infolge eines sächsischen Vorstoßes über das Weserbergland und das Wiehengebirge" (Die Merowinger, Kohlhammer-Verlag, 2001/4. Aufl., S.9) verloren gingen. Mir ist gerade nicht wirklich klar, auf welche Quelle sich Ewig hier bezieht, ich vermute aber, daß er auf die ominöse Stelle des Zosimos' rekurriert, demnach die Saxones, die zuvor schon die fränkischen Salier aus ihrem vetrieben hätten, die Kouadoi aussandten, die wiederum nun die Salier aus Batavia vertrieben. Hierauf beziehst du dich ja auch, wenn du die hier genannten Quaden mit den Kobanten identifizierst, wo immer die jetzt auch herkommen. Jedenfalls scheint es Hinweise auf rechtsrheinische Saxones im 4. Jh. zu geben; ob diese Saxonia antiqua nun dort liegt, wo der Laterculus Veronensis ebenfalls Saxones lokalisiert, kann ich leider nicht eruieren.
 
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