Geschlechterrollen in der Steinzeit

Diese Mammutthreads zusammenzufassen, ist nicht ganz einfach, besonders da in einem solchen Thema mindestens 50% der Beiträge aus Rückschlüssen von heutigen Verhältnissen auf die Vergangenheit bestehen.

Das war mir zwischendurch auch schon einmal aufgefallen. Aber es ist bestimmt auch für Wissenschaftler schwierig eigene kulturelle Begrenztheiten zu reflektieren.

@Muspilli, soll ich deine Frage als ernsthaftes Interesse am Thema werten, dann könnten wir ein neues, schärfer formuliertes Thema mit sachlichen Beiträgen beginnen?

Ich gehe eigentlich davon aus, daß es einige reflektierte Beiträge geben müßte, oder irre ich da? Es ist es auch nicht einfach aus einem solchen Mammutthread verschiedene Kernthesen und Streitpunkte herauszusuchen. Freilich kann ich auch selbst schauen, ob ich etwas finde, wo ich anknüpfen könnte.

In diesem Fall könnte dieser Thread in den Smalltalk verschoben werden, dann hätten alle Flaxer ihren Spaß und wir könnten ohne schlechtes Gewissen weiter erörtern, warum Frauen nicht einparken können und weitere wichtige Aspekte. :winke:

Aber ist hier wirklich so wenig substanziell diskutiert worden?
 
Das war mir zwischendurch auch schon einmal aufgefallen. Aber es ist bestimmt auch für Wissenschaftler schwierig eigene kulturelle Begrenztheiten zu reflektieren.
Rückschlüsse sind absolut menschlich, damit muß man leben. Einige Antworten bezogen sich allerdings nur auf heutige Verhältnisse, wie wohl nicht anders zu erwarten beim Geschlechterthema.
Für mich ist das Thema deshalb so spannend, weil ein großer Teil der menschlichen Verhaltensweisen von Kultur und Traditionen bestimmt werden.
Am Anfang gab es diese aber noch nicht, deshalb könnte das Verhältnis der Geschlechter anders gewesen sein, vielleicht.
Traditionen haben durchaus Vorteile. Kurz vor Ostern gab es im Radio Tips um dem Oster-Samstags-Streß vorzubeugen, weil jedes Jahr so überraschend an Karfreitag die Geschäfte schließen und dann noch Montag zu ist......Da wurde empfohlen, nicht jedes Jahr neu über Tischdeko, Besuchsreihenfolge und Festmenü nachzudenken, sondern einfach traditionell Freitags Fisch, Sonntag Lamm und ansonsten ...same procedure as every year......fand ich sehr weise und hilft bestimmt Streß zu vermeiden.
Auf der anderen Seite manifestieren Traditionen Verhaltensweisen, die man vielleicht doch ab und an mal überdenken sollte.
Damit will ich fragen, wieviel unserer heutigen Geschlechterrollen sind Kultur und wie waren die Rollen bevor sich Traditionen eingeschliffen haben?




Ich gehe eigentlich davon aus, daß es einige reflektierte Beiträge geben müßte, oder irre ich da? Es ist es auch nicht einfach aus einem solchen Mammutthread verschiedene Kernthesen und Streitpunkte herauszusuchen. Freilich kann ich auch selbst schauen, ob ich etwas finde, wo ich anknüpfen könnte.
Ja, das ist eine gute Idee.
Aber ist hier wirklich so wenig substanziell diskutiert worden?

Nein, da sind wirklich gute Beiträge dazwischen, ich habe gestern auch ein bißchen quergelesen.
 
Im Prinzip sind unsere Informationen zu diesem Thema ja auch gar nicht so schlecht. Fundorte von Jagdplätzen und Hinweise auf die Jagdmethoden gibt es durchaus und darüber lassen sich auch Schlüsse ziehen ala: "das spricht für Arbeitsteilung" oder für "da brauchte man jeden"

Genaueres wird man so oder so kaum finden.

Aber darum mal die konkrete Frage: Welche Fundorte würden sich denn aus eurer Sicht eignen um das Thema zu vertiefen? Bilzingsleben wäre da für mich Kandidat Nummer 1 um eine prinzipielle Rollentrennung in der Gruppe anzunehmen.

Ist das aber wirklich typisch?
 
Zuletzt bearbeitet:
Einen Überblick über den Stand der Dinge zur Diskussion der Geschlechterrollen im Paläolithikum verschafft:

Linda R.Owen:
Distorting the Past: Gender and the Division of Labor in the upper Paleolithic.
Kerns Verlag, Tübingen. 2007

http://www.kernsverlag.com/owen.html


In der ersten Hälfte des Buches beschäftigt sich Owen mit ethnologischen Vergleichen anhand einiger Inuit-Kulturen.
In der zweiten Hälfte befasst sie sich mit Fundplätzen und Artefakten des Jungpaläolithikums Europas.
Ich möchte jetzt beileibe nicht eine umfassende und detaillierte Buchkritik verfassen, aber trotzdem und in vollem Bewusstsein der verkürzten Darstellung folgendes:

Die ethnologischen Vergleiche stellen eine sehr gute Datenbasis dar. Dadurch wird auch diese ethnologische Diskussion versachlicht und entfernt sich von den wiederholten Mutmaßungen und Wunschvorstellungen beider Geschlechter.
Das Ergebnis ihrer Betrachtung ist, sehr verkürzt:
Inuit-Männer jagen tätsächlich 90-95% der Großtiere. Wenn sie ausreichend vorhanden sind. Wenn nicht, beteiligen sich vor allem junge Frauen.
Allerdings stellt das Fleisch der Großtiere keineswegs die Hauptnahrungsquelle dar. Der Rest der sonstigen Nahrung wird entweder gleichgewichtig oder vorwiegend von Frauen erworben.
Owen stellt aber vor allem heraus, dass die reine Jagdtätigkeit, d.h. hier konkret das absichtliche Töten von Wild zum Nahrungserwerb keineswegs das Leben sicherte. Sie kann beobachten, dass das Beobachten des Wildes, die Zerlegung und auch der Transport der Beute wieder entweder gleichwertig oder vorwiegend von Frauen erledigt wird.
Ebenso stellt sie heraus, dass die Herstellung der Werkzeuge und vor allem der zum Überleben notwendigen Kleidung Teil der Jagd ist und damit auch hier eine massive Mitwirkung der Frau festzustellen ist.

Im archäologischen Teil stellt sie die Frage, inwieweit bestimmte Artefakte (Werkzeuge) sich überhaupt sicher der „männlichen“ oder der „weiblichen“ Sphäre zuordnen lassen. Sie schlägt z.B. für gespaltene Knochenspitzen (Eine wichtige „Leitform“ im frühen Jungpal. (ca 35.000)), die bislang unisono als „Geschossspitzen“ gesehen wurden, eine Verwendung als Nähnadel für Lederkleidung vor. Sie unterstreicht diese Möglichkeit mit eigenen Experimenten. Auch andere Werkzeuge können entweder geschlechtsneutral oder „frauenspezifisch“ sein.

Sie geht weiterhin auf die beobachtbaren, körperliche Leistungsfähigkeiten rezenter und subrezenter Frauen ein. Dabei beobachten sie (richtigerweise), dass Frauen zwar nicht unbedingt über die Möglichkeit spontaner, sehr kraftvoller Gewaltanwendung, die beim Töten notwendig wäre, („spontan burst of energy“) verfügen, jedoch sehr ausdauernd sind.

Der Punkt ist, dass Owen, das Jagen nicht nur auf die reine Tötungshandlung reduziert, sondern die Jagd in ihren sozialen und technischen Kontext stellt. In diesem Kontext kann beobachtet werden, dass Frauen hier sehr viel dazu beitragen und keineswegs auf Tätigkeiten um die Jagdstation herum beschränkt bleiben.

Sie weist auch zu Recht auf die im Fach immer wieder vorkommenden Zirkelschuss
Werkzeugartefakt = männlich = Werkzeugartefakt
hin.

Als Kritik:
A) Es bleibt ein Analogieschluss. Das ist kein Vorwurf, sondern liegt in der Natur der zur Verfügung stehenden Daten.
Da der Analogieschluss aber mit ausreichend Daten untermauert werden kann, ist er durchaus valide.
B) Sie wirft keinen ausreichenden Blick auf Daten des Jungpal,, welche die Rolle der Frau eben nicht als Jägerin, Sammlerin etc. darstellen.
Eine zeichnerische Rekonstruktion (siehe auch Titelbild des Buches, siehe obigen link) zeigt z.b junge Frauen bei der Herstellung der Figurine von Dolni Vestonice, eine der Figurinen des Gravettien/Pavlowien.
Die dargestellten Damen sind zäh, durchtrainiert und jung. Die Dame, die sie jedoch herstellen ist deutlich älter, wohlbeleibt und vielleicht schwanger.
Diesen Widerspruch der modernen Überlegungen und den zur Verfügung stehenden Daten des Jungpal, der sich so schön an diesem Bild festmachen lässt, löst Owen leider auch nicht befriedigend auf.

Trotzdem:
Wer sich mit den Fakten und Daten zur Frauenrolle im Jungpal. näher befassen will, kommt um das Buch nicht herum.

Thomas
 
Sie geht weiterhin auf die beobachtbaren, körperliche Leistungsfähigkeiten rezenter und subrezenter Frauen ein. Dabei beobachten sie (richtigerweise), dass Frauen zwar nicht unbedingt über die Möglichkeit spontaner, sehr kraftvoller Gewaltanwendung, die beim Töten notwendig wäre, („spontan burst of energy“) verfügen, jedoch sehr ausdauernd sind.

Der Punkt ist, dass Owen, das Jagen nicht nur auf die reine Tötungshandlung reduziert, sondern die Jagd in ihren sozialen und technischen Kontext stellt. In diesem Kontext kann beobachtet werden, dass Frauen hier sehr viel dazu beitragen und keineswegs auf Tätigkeiten um die Jagdstation herum beschränkt bleiben.
Ein wichtiger Punkt, sehen wir uns im Vergleich dazu den angeblichen König der Tiere, also den Löwen an. Er ist größer, schwerer also auch schwerfälliger als das Weibchen, weshalb auch mehrheitlich die Weibchen jagen ... :pfeif:
 
In der ersten Hälfte des Buches beschäftigt sich Owen mit ethnologischen Vergleichen anhand einiger Inuit-Kulturen.
Puh die Inuit als Vergleich für den Paläolithischen Menschen, halte ich für weit her geholt.
Überhaupt sind solche ethnologischen Vergleich mit äußerst Vorsicht zu genießen.
Man kann ja in dem Vergleich hier am Bsp. der Inuit nur auf relativ neue Ethnologische Feldforschungen beziehen.
Ethnologen beschäftigen sich in ihren Abhandlungen doch ehr mit der gelebten Kultur und ganz selten mit der materiellen Kultur, Archäologen haben nur die materielle Kultur. Schon die Ausgangsbasis beider Fächer ist damit deutlich unterschiedlich.
Außerdem schwingt da immmer noch so ein evolutionistischer Beigeschmack mit , in dem sozusagen durch die Hintertür vermittelt wird, das die Inuit den Menschen in der Altsteinzeit kulturell sehr ähnlich sein. Im Umkehrschluss sich also nicht wirklich weiter entwickelt haben. So sind wir wieder bei H. L. Morgan dem Vater des Evolutionismus in den Kulturwissenschaften.
Ich würde davon abraten solche Bücher zur Erklärung der Geschlechterrollen in der Steinzeit zu nutzen.
Vielleicht sollte man sich einfach damit abfinden, daß uns einige Aspekte der prähistorischen Kulturen verschlossen bleiben.
Spekulieren kann man freilich immer wieder, aber stichhaltige Ergebnisse wird man so nicht bekommen können.
 
@ Caro1 – es gibt wirklich keinen Beleg, keine Abbildung an Höhlenwänden oder sonstigen Gegenständen, keinen ethnologischen Bereich, nichts, rein gar nichts, was irgendwie darauf hindeutet, dass Frauen im Pal. an der Jagd im Sinne des Erlegens der Tiere beteiligt gewesen wären.
Auf den wenigen Abbildungen von handelnden Frauen des Pal. (Knochenritzereien) sind sie oft nackt, sie sind eigentlich immer Objekt.
Die Venusdarstellungen (siehe aktuellen Fund) zeigen keineswegs fitte, bewegliche Frauen. Ganz im Gegenteil.
Auf keiner Höhlendarstellung ist eine Frau als Jägerin zu sehen.
Aber wie gesagt – die Jagd ist nicht nur das Erlegen des Tieres. Und an allem anderen werden die Frauen wohl auch beteiligt gewesen sein.

@ Dergeist

Zitat: „Außerdem schwingt da immmer noch so ein evolutionistischer Beigeschmack mit , in dem sozusagen durch die Hintertür vermittelt wird, das die Inuit den Menschen in der Altsteinzeit kulturell sehr ähnlich sein. Im Umkehrschluss sich also nicht wirklich weiter entwickelt haben. So sind wir wieder bei H. L. Morgan dem Vater des Evolutionismus in den Kulturwissenschaften.“

Hmmm- Ich bin beileibe kein Fan von ethnologischen Vergleichen. Ich bedauere den Umfang, den Owen in ihrem Buch dem Thema widmet, auch. Selbst noch so genaue Daten aus diesem Bereich, selbst noch so „unvoreingenommenen“ Sichtweisen bleiben in ihrer Übertragung auf vorgeschichtliche Verhältnisse immer nur ein Analogieschluss, immer nur eine Möglichkeit von vielen.
Aber ich gestehe:
Ganz verstehe ich Deinen Einwurf bezüglich eines „evolutionistischen“ Beigeschmack nicht. Ich vermute mal, dass das Problem ist, dass die Idee, auch die Kulturstufen hätten sich „evolutionär“ entwickelt und der Vergleich einer rezenten Kultur mit einer „steinzeitlichen“ die rezente Kultur abwertet.
Das ist natürlich Unsinn, wenn nicht sogar rassistisch.

Im konkreten Fall (Owen) habe ich jetzt das Problem nicht so. Ich persönlich gehe von einem, sagen wir mal „Aktualitiätsprinzip“ aus. Soll heissen, homo sapiens ist und bleibt homo sapiens. Es gibt eben keine „Evolution“ oder gar Überlegenheit irgendwelcher Kulturen.
Vergleicht man also moderne Menschen, die unter denselben äußeren und ggf. auch materiellen Bedingungen wie z.b. Menschen im Pal. leben, sehe ich zwar logische Widersprüche und möglicherweise die Gefahr von Fehlschlüssen, methodische Probleme, jedoch nicht unbedingt das ethische Problem der Unterstellung einer „niedrigen“ Kulturstufe.
Gerade weil ich davon ausgehe, dass es eben keinen Unterschied gibt.

Ich bin mit dem Buch und den Aussagen Owens methodisch alles andere als glücklich, ich bekomme einfach das Gefühl nicht los, dass auch hier wieder unbedingt ein bestimmtes Ergebnis erreicht werden hat sollen und außerdem nicht wirklich alle arch. Fakten (siehe oben) beachtet wurden.
Ich wollte eigentlich nur ein relativ aktuelles Werk im Fach vorstellen.
Um ehrlich zu sein:
- Die Absicht war eben, dass auch im Fach, trotz sorgfältiger Vorgehensweise und an sich zu 90% richtiger Methodik keine wirklich umwerfenden Erkenntnisse zum Thema Rolle der Frau im Pal. vorliegen.

Ich denke auch, es geht einfach nicht bei den Daten, die wir haben.

Thomas
 
@ Caro1 – es gibt wirklich keinen Beleg, keine Abbildung an Höhlenwänden oder sonstigen Gegenständen, keinen ethnologischen Bereich, nichts, rein gar nichts, was irgendwie darauf hindeutet, dass Frauen im Pal. an der Jagd im Sinne des Erlegens der Tiere beteiligt gewesen wären.
Auf den wenigen Abbildungen von handelnden Frauen des Pal. (Knochenritzereien) sind sie oft nackt, sie sind eigentlich immer Objekt.
Die Venusdarstellungen (siehe aktuellen Fund) zeigen keineswegs fitte, bewegliche Frauen. Ganz im Gegenteil.
Auf keiner Höhlendarstellung ist eine Frau als Jägerin zu sehen.
Aber wie gesagt – die Jagd ist nicht nur das Erlegen des Tieres. Und an allem anderen werden die Frauen wohl auch beteiligt gewesen sein.

Da fällt mir ein: Gibt es eigentlich ein Höhlenbild, dass die Mammutjagt darstellt?
 
Na ja, soweit halt die Darstellungen überhaupt klar sind. Aber es gibt Mammuts mit Pfeilen/Speeren im Körper, eines bei dem nach Beschuss die Därme heraushängen und die oft interpretierte Szene, in der ein Mammut offenbar in einer "Grube" steht.
Die in diesen Szenarien dargestellten Figuren sind Männer, entweder weil sie eindeutig erkennbar sind oder weil keine Brüste dargestellt sind.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Frauen gejagt haben. Es fehlt aber ein Beleg.
Die Frauendarstellungen sind vielfältig, meist jedoch dickleibig, aus welchen Gründen auch immer, oder sehr schematisch aber auch hier sind Gesäß oder Brüste oft deutlich betont.
Ein paar wenig Figurinen aus Malta (Rußland) sind schlank, offenbar bekleidet und nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Ich kann doch auch nichts dafür. dass die Daten so sind......:cry:

Thomas
 
Na ja, soweit halt die Darstellungen überhaupt klar sind. Aber es gibt Mammuts mit Pfeilen/Speeren im Körper, eines bei dem nach Beschuss die Därme heraushängen und die oft interpretierte Szene, in der ein Mammut offenbar in einer "Grube" steht.
Die in diesen Szenarien dargestellten Figuren sind Männer, entweder weil sie eindeutig erkennbar sind oder weil keine Brüste dargestellt sind.

Bist du dir da sicher, dass Mammuts mit Pfeilen/Speeren und heraushängenden Därmen dargestellt werden? Auch noch mit Menschenfiguren?
Kannst du den Ort angeben?
 
jedoch nicht unbedingt das ethische Problem der Unterstellung einer „niedrigen“ Kulturstufe.
Gerade weil ich davon ausgehe, dass es eben keinen Unterschied gibt.

Genau hier liegt der Hund begraben.
Wenn man die Geschichte der indigenen Bevölkerungen, rumd um die Welt sich anschaut, fällt folgendes auf:
1. Die zumeist Europäischen Eroberer haben zu allen Zeitpunkten argumentiert, dass die indigene Bevölkerung die sie unterwerfen kulturell einige Stufen unter ihnen steht.
2. Die Entwicklung findet sich leider bis heute noch in vielen Entwicklungsprojekten. Z.b. der Versuch europäische Methoden der Landwirtschaft in Afrika einzuführen, ebenfalls mit der Argumentation das die Techniken welche in Afrika im Feldbau genutzt wurden (z.T. aber auch noch werden) eben sehr primitiv seien und die europ. Methoden diesen weit überlegen seien.
3. In dem wir Archäologen mit solchen Deutungen wie im obigen Buch arbeiten, stützen wir leider , zwar erstmal nur auf eine wissenschaftlich abstrakten Ebene, die oben angegebenen Thesen.

Ich kann aufgrund meines 2 Hauptfaches (Ethnologie) leider immer wieder feststellen, das viele Menschen in den westlichen Ländern, die indigenen Bevölkerungen vor allem Afrikas und Amerikas als kulturell niedriger stehend begreifen bzw. als primitiv definieren.
Was daraus entstanden ist und weiter entsteht ist nun ja hinlänglich bekannt.
Von daher sollte man auf diese Art der Analogien verzichten.
 
Mammutdarstellungen gibt es in der Höhlenkunst zuhauf. Wändelang. Einige davon werden so interpretiert, wie ich es schrieb.
Das mit den "heraushängenden Därmen" zeigt zu seinen Füßen einen liegenden Mann, der offenbar verletzt ist.

Ich gebe zu, ich kann mir französische Fundorte schwer merken...
Es ist keine farbige Darstellung, wenn ich es recht im Kopf habe, also vermutlich Pech merle oder Trois freres...

Cassandra, auf was willst du hinaus ? Quellenkritik ? Was konkret bemängelst/bezweifelst Du ?
Dass Mammute gar nicht gejagt wurden, ihre Knochen und Zähne nur "sekundär" in den Behausungen (Malta, Gönnersdorf etc) verwendet wurden ?
Das auf keinen der Höhlenbilder überhaupt Jagd dargestellt ist, also überhaupt keine Aussage bezüglich der Geschlechterollen möglich sind ?
Wenn es das ist - auch gut. Ich beziehe mich auch nicht auf reine Höhlenmalereien, sondern auf klar erkennbare Frauendarstellungen aus Ton/Knochen. Keine Jagdszene dabei.

Um was geht´s Dir ?

Thomas
 
Mammutdarstellungen gibt es in der Höhlenkunst zuhauf. Wändelang. Einige davon werden so interpretiert, wie ich es schrieb.
Das mit den "heraushängenden Därmen" zeigt zu seinen Füßen einen liegenden Mann, der offenbar verletzt ist.

Ich gebe zu, ich kann mir französische Fundorte schwer merken...
Es ist keine farbige Darstellung, wenn ich es recht im Kopf habe, also vermutlich Pech merle oder Trois freres...

Cassandra, auf was willst du hinaus ? Quellenkritik ? Was konkret bemängelst/bezweifelst Du ?
Dass Mammute gar nicht gejagt wurden, ihre Knochen und Zähne nur "sekundär" in den Behausungen (Malta, Gönnersdorf etc) verwendet wurden ?
Das auf keinen der Höhlenbilder überhaupt Jagd dargestellt ist, also überhaupt keine Aussage bezüglich der Geschlechterollen möglich sind ?
Wenn es das ist - auch gut. Ich beziehe mich auch nicht auf reine Höhlenmalereien, sondern auf klar erkennbare Frauendarstellungen aus Ton/Knochen. Keine Jagdszene dabei.

Um was geht´s Dir ?

Thomas

Auf jeden Fall wollte ich dich nicht nicht angreifen!

Mir gehe doch nur um deine Belegführung.
Ich kenne zwar haufenweise Höhlenmalereien mit Mammuts, aber keine einzige wie du sie beschrieben hast, auf jeden Fall nicht beim Mammut. Keine Jagdszene dabei.
Und immerhin sollen wir sie ja angeblich ausgerottet haben.

Und eben, ich kann nicht davon ausgehen, das keine Mammutjagd stattgefunden hat, auch wenn man die Stoßzähne sehr wohl auch von gefundenen Mammuts genommen haben könnte.

Die Frage stellt sich einfach, welchen Intention Höhlenmalereien hatten, ob sie wirklich den Alltag darstellten, und man deswegen Rückschlüsse auf den Alltag ziehen kann.
Und dies scheinst du ja zu akzeptieren. ;)
Und was die Darstellung aus Knochen/Ton betreffen, da gibt es keinen Vergleich zu männlichen Darstellungen.
 
@cassandra
ich habs auch nicht als Angriff verstanden, ich wollte das Verfahren nur abkürzen.
Ich hab jetzt auf die Schnelle in die Bibliothek gegriffen:
Das Mammut mit den Gedärmen plus dem wohl verletzten Mann (eindeutig männlich) ist aus, na was wohl..Lascaux.
Das Mammut in der "Grube" ist aus Font-de-Gaume. Das Mammut mit den Speeren finde ich jetzt nicht, jedoch zahlreiche andere Jagdszenen mit Pferden (Lascaux, Pferde mit Pfeilen), Bison (Niaux) . Wirklich Pfeile/Speere. Da sind Spitzen dran.
Es gibt mit dem Nachweis der Mammutjagd schon ein Problem, zumindest für das Magdalenien. Keine Schlachtabfälle.
Aber ein winziges Detail an den Mammutzeichnungen/Bildern zeigt, dass diesselben von den Malern/Malerinnen noch gesehen wurden. Einige zeigen die Afterklappe, den Verschluss des Afters vor der Kälte. Elefanten haben sowas nicht.
Die Funktion und Bedeutung der Höhlenmalerei...eine ganze Bibliothek. Augenfällig ist oft, dass natürliche Felsformationen, bestimmte Spalten im Fels etc. quasi zeichnerisch "vervollständigt" wurden. Assoziation und Freude an der Darstellung spielt eine Rolle. Jagdszenen. Unklare Darstellungen. Unendliche Weiten an Diskussionsstoff.

Mir ging es im Zusammenhang nur darum, dass paläolithische Frauendarstellungen Frauen nicht beim Jagen zeigen.
Andere Darstellungen oder Figurinen zeigen Frauen. Sexuell betont oder in unklarer Bedeutung.
Ich nehme gerade wegen der Unklarheit die Bilder ja nicht als Beweis, dass sie nicht jagten. Ich weise lediglich auf das Fehlen eines positiven Beweises hin. Aber ich denke, wir sind da gar nicht weit voneinander entfernt. Beim Reden wäre das in zwei Sätzen geklärt.:winke:

@derGeist
völlig klar. Ethnologische Vergleiche sind erstens methodisch gefährlich bis falsch, zweitens tatsächlich ethisch eigentlich nicht zu vertreten.
Wie ich schon sagte, bei Owen kam mir das jetzt nicht in den Sinn. Einfach deswegen, weil ich Owen nicht verdächtige, dass sie entweder den Inuit oder den pal-HSS irgendeinen Primitivismus oder Unterlegenheit unterstellt.
Die Methode wird dadurch aber nicht besser.
Übrigens habe ich in etwa diesselben Probleme wie Du im Studium mit dem "ethnologischen" Teil unseres Museums in Nürnberg. Mir kommt da immer wieder die Assoziation der "Völkerschauen" im Zirkus Hagenbeck hoch. Sehr schwierig, echt....

Grüße
Thomas
 
Es hat einen Rüssel und Stoßzähne ;)
Ich hab extra noch mal nachgeschaut.
Möglicherweise gibt es auch eine ähnliche Szene mit Auerochs, ich kann mich jetzt nicht erinnern.

So weit ich informiert bin, sind die drei Bilder im Fach die Begründung der Jagd auf Mammuts, auch wenn, wie gesagt, Schlachtabfälle fehlen. Und eigentlich auch das Jagdgerät. Aus dem Magdalenién liegen zahlreiche Geschoßspitzen und die berühmten Hakenenden der Speerschleudern vor. Keine sehr überzeugende Waffen in Bezug auf Mammut.
Obwohl es Versuche mit (toten) Elefanten gibt, die zeigen, dass auch mit Speerschleudern ausreichende Eindringtiefen erzielt werden können. Wobei dabei ja das Haarkleid fehlt.

Alles nur Indizien.
Aber bei einer Gerichtsverhandlung Mammut versus homo sapiens sähe es für den Homo sapiens schon schlecht aus...
Motiv, Gelegenheit, Zeugenbilder. Nur die Waffe und die Leiche fehlt.:)

Thomas
 
Ich meine, das Nichbekanntsein von Darstellungen von Frauen auf der Jagd ist ein brauchbares Indiz aber kein sicherer Beweis dafür, daß in den entsprechenden Kulturen Frauen nicht mitgejagd haben könnten. Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit weißt es m.E. darauf hin, daß Frauen auf der Jagd nicht dem angestrebten Ideal der Künstler entsprachen. Es erscheint mir nämlich weniger wahrscheinlich, daß steinzeitliche Höhlenzeichnungen Berichte über aktuelle Ereignisse mit dem Bestreben objektiver Berichtersattung darstellen, als daß es sich dabei um religiöse Beschwörungsbilder handelt, die folglich nicht Realität sondern Wunschbild darstellten.

Wenn dem so ist, sagen uns diese Bilder etwas darüber was entweder die Menschen in der Gruppe wünschten und herbeibeschwören wollten, oder was ihre religiösen Führer ihnen einhämmern wollten. Dabei können diese religiösen Führer mit den politischen Führern identisch gewesen sein, oder auch nicht.

Wenn die religiösen Führer ihre Gruppe aus eigenem oder Gruppenantrieb heraus dahingehend eingenordet haben, daß die Jagd Männersache ist, werden die Menschen in der Regel dem versucht haben zu folgen. Mindestens wenn Not am Mann war, mußten bestimmt aber trotzdem die Frauen auch ran. Nach meiner Erfahrung halten religiöse Überzeugungen Menschen nur bis zu Erträglichkeitsgrenzen davon ab, zu tun was sie wollen.


Ich wehre mich aber gegen die Vorstellung von soetwas wie einer universellen weltumspannenden Steinzeitkultur in Entwicklungsphase xy.


Bei allem Egalitismus erscheint es mir auf der anderen Seite doch sehr dogmatisch eingefärbt, kulturelle Entwicklungsstufen abzulehen.

Wenn hier z.B. kritisiert wurde, europäische Kenntnisse in der Landwirtschaft in Afrika einführen zu wollen, verkennt das doch deutlich, daß es in Europa eine wisschenschaftlich fundierte Landwirtschaft gibt, die durchaus in der Lage sein dürfte, afrikanische Anbausysteme zu analysieren und Schwachstellen darin aufzuzeigen. Die hiesige Landwirtschaft hat schließlich trotz jahrhundertealter Erfahrung und Traditionen sehr von der Verwissenschaftlichung ihrer Arbeitsweisen profitiert.

Auch denke ich, daß wenn wir vom Untergang von Hochkulturen und späteren primitiveren Kulturen der Nachfahren berichten können, hier durchaus berechtigt ist, mitunter von Kulturstufen zu sprechen.

Der beklagenswerte Fehler besteht doch nicht in der richtigen Beschreibung eines Phänomens sondern in der Wertung. Die Analogie höhere kulturelle Entwicklung gleich höherer Wert der teilhabenden Menschen ist abzulehnen. Die Feststellung, daß seßhafte Bauern auf einer höheren Kulturstufe stehen als Jäger und Sammler und daß Kulturen, die Raumschiffe und Computer bauen und sich in Echtzeit über das Internet austauschen, auf einer höheren Stufe stehen, als Bauern ohne Maschinen und Elektrizität, ist schlicht richtig.


Das spricht aber nicht gegen Analogieschlüsse, sondern lediglich gegen falsche Analogieschlüsse.


Ich vermute, daß wir auf der Basis archäologischer Funde nicht dahin kommen werden, das Rollenverhalten oder andere Verhaltensbestandteile prähistorischer Menschen sicher zu bestimmen. Archäologische Funde mögen aber in einem späteren Schritt zur Verifizierung dienlich sein.

Wenn wir die große Zahl unterschiedlicher heute lebender Kulturen des Menschen betrachten und hier systematisch bestimmte Fragen stellen, werden wir valide Aussagen dazu treffen können a) was allen gemeinsam ist, b) was mit wenigen Ausnahmen allen gemeinsam ist, c) was beliebig mal so mal so vorkomjmt, d) was selten vorkommt, e) was nicht vorkommt. Eventuell muß man dann noch gruppieren, welche Kulturen so eng miteinander verwandt sind, daß Ähnlichkeiten kopiert sein mögen (was sind zwei verschiedene Kulturen, was zwei Zweige derselben Kultur).

Wenn man nun die betrachteten Kulturen nach Kriterien wie Kulturstufe, klimatischen Bedingungen, Überbevölkerung und Ähnlichem klassifiziert, vermute ich, daß für Kriterien wie einer geschlechtsspezifischen Rollenspezialisierung deutliche Tendenzen je nach Klassifizierung erkennbar werden. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre anzunehmen, daß es sich tatsächlich nur um quasi zufällig entstandene Traditionen handelt.

Jedenfalls wird uns bei der Frage nach der Natur des Menschen die Betrachtung der heute lebenden Menschen (über 7 Mrd. potentieller Probanden sind mal eine hinreichende Datenbasis) wesentlich weiter bringen, als die Betrachtung verwandter Arten.

Interessant fände ich in der Klassifizierung auch, inwieweit es einen Unterschied macht, ob eine Kultur auf niedrigerer Stufe sich noch mehr oder weniger gut an die goldenen Zeiten erinnern kann, als die Vorfahren eine höher entwickelte Kultur besaßen.
 
Die Feststellung, daß seßhafte Bauern auf einer höheren Kulturstufe stehen als Jäger und Sammler und daß Kulturen, die Raumschiffe und Computer bauen und sich in Echtzeit über das Internet austauschen, auf einer höheren Stufe stehen, als Bauern ohne Maschinen und Elektrizität, ist schlicht richtig.

Nein das ist schlicht falsch.
Sie stehen auf einer höheren technischen Stufe, aber keinesfalls auf einer höheren kulturellen Stufe.
Das ist Evolutionismus pur.:mad:
Deiner Meinung nach wären z.B. die Altamerikanische Kulturen da sie nicht in die Metallzeiten vorgedrungen sind kulturell niedriger stehend als die die gleichzeitigen europäischen Kulturen.
Alleine im Bereich z.B. der Wissenschaft (Medizin, Mathematik, Astronomie ......) waren sie den Europäern um einiges voraus.
 
Nein das ist schlicht falsch.
Sie stehen auf einer höheren technischen Stufe, aber keinesfalls auf einer höheren kulturellen Stufe.
Das ist Evolutionismus pur.:mad:
Deiner Meinung nach wären z.B. die Altamerikanische Kulturen da sie nicht in die Metallzeiten vorgedrungen sind kulturell niedriger stehend als die die gleichzeitigen europäischen Kulturen.
Alleine im Bereich z.B. der Wissenschaft (Medizin, Mathematik, Astronomie ......) waren sie den Europäern um einiges voraus.

Woraus man dann ersehen kann, daß es keine einfache Linearität gibt. Es gibt viele Aspekte, nach denen man eine Kultur als höher oder niedriger einstufen kann. Ob Dein Beispiel hierfür besonders gut ist, läßt sich sicherlich diskutieren. Gleichwohl läßt sich der Unterschied zwischen uns (Raumfahrt/Computer, etc.) und z.B. den Kelten kaum wegdiskutieren. Vielleicht kannten die ein paar Kräuter etwas besser als wir. Trotz Stonehenge haben wir aber bestimmt schon wesentlich tiefer ins All geguckt.

Wie gesagt, mit dieser Unterscheidung will ich nicht den Wert des Individuums relativieren. Und zwar weder des einen noch des anderen.

Nenn es Evolutionismus, wenn Du willst. Ich meine Wasser ist naß und Feuer ist heiß. Wenn nun jemandem einfallen sollte, daß sich Wasser oder Feuer durch diese Feststellungen benachteiligt fühlen könnten, ändert das nichts an der Faktenlage.
 
Ich wollte mal zurückkommen auf die Schimpansengeschichte, die Cassandra dankenswerter Weise in #276 so ausführlich abgeschrieben hat. Dieses Sexualverhalten unterscheidet sich ja nun deutlich von der Varianz an menschlichem Sexualverhalten das mir bekannt wäre. Ich vermute, daß keine menschliche Kultur bekannt ist, in der vergleichbar frei von Eifersucht jeder mit jedem schläft. I würde vermuten, daß der Versuch das einzuführen (z.B. freie Liebe als Ideal der 68er) auf kurz oder lang doch zu Streit um die Frauen und auch um die Männer führen würde.

Und wenn diese Vermutung richtig ist, wird dort deutlich, daß eine Vergleichbarkeit im menschlichen und Schimpansen-Verhalten jedenfalls hinsichtlich der Sexualität nicht gegeben ist. Bei weiterem Überlegen finde ich auch eher das beschriebene Verhalten der Schimpansen ungewöhnlich, da ich auch aus Beschreibungen tierischen Sexualverhaltens sonst nur kenne, daß Männchen stets versuchen, Weibchen für sich zu monopolisieren. Das gilt m.E. für so unterschiedliche Tiere wie Löwen, Hirsche und Tintenfische.
 
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