Ich meine, das Nichbekanntsein von Darstellungen von Frauen auf der Jagd ist ein brauchbares Indiz aber kein sicherer Beweis dafür, daß in den entsprechenden Kulturen Frauen nicht mitgejagd haben könnten. Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit weißt es m.E. darauf hin, daß Frauen auf der Jagd nicht dem angestrebten Ideal der Künstler entsprachen. Es erscheint mir nämlich weniger wahrscheinlich, daß steinzeitliche Höhlenzeichnungen Berichte über aktuelle Ereignisse mit dem Bestreben objektiver Berichtersattung darstellen, als daß es sich dabei um religiöse Beschwörungsbilder handelt, die folglich nicht Realität sondern Wunschbild darstellten.
Wenn dem so ist, sagen uns diese Bilder etwas darüber was entweder die Menschen in der Gruppe wünschten und herbeibeschwören wollten, oder was ihre religiösen Führer ihnen einhämmern wollten. Dabei können diese religiösen Führer mit den politischen Führern identisch gewesen sein, oder auch nicht.
Wenn die religiösen Führer ihre Gruppe aus eigenem oder Gruppenantrieb heraus dahingehend eingenordet haben, daß die Jagd Männersache ist, werden die Menschen in der Regel dem versucht haben zu folgen. Mindestens wenn Not am Mann war, mußten bestimmt aber trotzdem die Frauen auch ran. Nach meiner Erfahrung halten religiöse Überzeugungen Menschen nur bis zu Erträglichkeitsgrenzen davon ab, zu tun was sie wollen.
Ich wehre mich aber gegen die Vorstellung von soetwas wie einer universellen weltumspannenden Steinzeitkultur in Entwicklungsphase xy.
Bei allem Egalitismus erscheint es mir auf der anderen Seite doch sehr dogmatisch eingefärbt, kulturelle Entwicklungsstufen abzulehen.
Wenn hier z.B. kritisiert wurde, europäische Kenntnisse in der Landwirtschaft in Afrika einführen zu wollen, verkennt das doch deutlich, daß es in Europa eine wisschenschaftlich fundierte Landwirtschaft gibt, die durchaus in der Lage sein dürfte, afrikanische Anbausysteme zu analysieren und Schwachstellen darin aufzuzeigen. Die hiesige Landwirtschaft hat schließlich trotz jahrhundertealter Erfahrung und Traditionen sehr von der Verwissenschaftlichung ihrer Arbeitsweisen profitiert.
Auch denke ich, daß wenn wir vom Untergang von Hochkulturen und späteren primitiveren Kulturen der Nachfahren berichten können, hier durchaus berechtigt ist, mitunter von Kulturstufen zu sprechen.
Der beklagenswerte Fehler besteht doch nicht in der richtigen Beschreibung eines Phänomens sondern in der Wertung. Die Analogie höhere kulturelle Entwicklung gleich höherer Wert der teilhabenden Menschen ist abzulehnen. Die Feststellung, daß seßhafte Bauern auf einer höheren Kulturstufe stehen als Jäger und Sammler und daß Kulturen, die Raumschiffe und Computer bauen und sich in Echtzeit über das Internet austauschen, auf einer höheren Stufe stehen, als Bauern ohne Maschinen und Elektrizität, ist schlicht richtig.
Das spricht aber nicht gegen Analogieschlüsse, sondern lediglich gegen falsche Analogieschlüsse.
Ich vermute, daß wir auf der Basis archäologischer Funde nicht dahin kommen werden, das Rollenverhalten oder andere Verhaltensbestandteile prähistorischer Menschen sicher zu bestimmen. Archäologische Funde mögen aber in einem späteren Schritt zur Verifizierung dienlich sein.
Wenn wir die große Zahl unterschiedlicher heute lebender Kulturen des Menschen betrachten und hier systematisch bestimmte Fragen stellen, werden wir valide Aussagen dazu treffen können a) was allen gemeinsam ist, b) was mit wenigen Ausnahmen allen gemeinsam ist, c) was beliebig mal so mal so vorkomjmt, d) was selten vorkommt, e) was nicht vorkommt. Eventuell muß man dann noch gruppieren, welche Kulturen so eng miteinander verwandt sind, daß Ähnlichkeiten kopiert sein mögen (was sind zwei verschiedene Kulturen, was zwei Zweige derselben Kultur).
Wenn man nun die betrachteten Kulturen nach Kriterien wie Kulturstufe, klimatischen Bedingungen, Überbevölkerung und Ähnlichem klassifiziert, vermute ich, daß für Kriterien wie einer geschlechtsspezifischen Rollenspezialisierung deutliche Tendenzen je nach Klassifizierung erkennbar werden. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre anzunehmen, daß es sich tatsächlich nur um quasi zufällig entstandene Traditionen handelt.
Jedenfalls wird uns bei der Frage nach der Natur des Menschen die Betrachtung der heute lebenden Menschen (über 7 Mrd. potentieller Probanden sind mal eine hinreichende Datenbasis) wesentlich weiter bringen, als die Betrachtung verwandter Arten.
Interessant fände ich in der Klassifizierung auch, inwieweit es einen Unterschied macht, ob eine Kultur auf niedrigerer Stufe sich noch mehr oder weniger gut an die goldenen Zeiten erinnern kann, als die Vorfahren eine höher entwickelte Kultur besaßen.