Das Dispargum-Mysterie

G

Gast

Gast
In die Historia Krankjorum (Buch 2,9) von Gregor von Tours können wir lesen:
“Man erzählt, die Franken seien aus Pannonien gekommen, und hätten sich zuerst an den Ufern des Rheins niedergelassen, dann seien sie über den Rhein gegangen und durch Thoringien gezogen. (...) Damals soll Chlogio, ein tüchtiger und sehr vornehmer Mann unter seinem Volke, König der Franken gewesen sein und zu Dispargum im Lande der Thoringer Hof gehalten haben. (...) Chlogio schickte Kundschafter aus nach der Stadt Cambray, und, als sie Alles erforscht, folgte er ihnen nach, überwand die Römer und nahm die Stadt ein. Kurze Zeit hielt er sich hier auf und eroberte dann das Land bis zur Somme. Aus seinem Stamm, behaupten Einige, sei der König Merovech entsprossen, dessen Sohn Childerich war.”
In dieser Forum könnte ich schon lesen das Pannonien hier nicht die Römische Provinz im heutigen Ungarischen Raum bedeutet, aber eine Region zwischen Friesland und Elbe (Baunonia bei Plinius).
Bleiben noch problematisch: Thoringien und Dispargum.
Thoringien soll hier auf ein Gebiet deuten zwischen den Niederrhein in Holland und die Belgisch-Französische Grenze. Es ist noch unklar die Name Thoringien habe etwas zu machen mit das Thüringische Königreich oder habe eine andere Bedeuting (zum Flämische Doringen, der God Thor oder die pflanze Doren, Doorn).
Dispargum ist ein Ort oder einen Burg. In Belgien, wo ich wohne, sucht man dieses Dispargum in das kleine Dorf Duisburg, zwischen Brüssel und Leuven. In Holland sucht’s man manchmal in die nähe von ‘s Hertogenbosch. Es gibt natürlich auch die Stadt Duisburg in Deutschland, aber die liegt am Rechter Rheinufer (oder muss man’s suchen am gegenüberliegenden Römische castellum Asciburgium?).
Wie denkt man hierüber in Deutschland?
 
Entschuldiging für diese unglücklichen tippfehler:
es händelt sich selbstverständlich um die 10 Bücher "Die Historia Francorum" von Gregor von Tours!
 
Kommt darauf an, welche Franken du meinst.

Chlodios Residenz war zunächst das bisher nicht zweifelsfrei lokalisierte Dispargum, "quod est in terminum Thoringorum" (ebd.); ob es sich um einen zu Gregors von Tours (nach 531/34), bzw. schon zu Chlodios Zeit im Gebiet linksrheinischer Thüringer liegenden Ort handelt oder um eine Verwechslung von "Thoringorum" und "Tungrorum" (Tongern) ist offen.

http://www.mittelalter-genealogie.de/merowinger/chlodio_salfraenkischer_koenig_455.html
 
Ich glaube nicht so sehr an die Theorie Gregor hätte mit “Thoringorum” eigentlich “Tungrum” gemeint (eine Theorie schon um 1700 von Dubos beschrieben). Gregor schreibt in Buch 2,5 über den Bischof Aravatius (Servas) und hier lesen wir “Tungrus oppidum” und “urbem Tungrorum”. Also Gregor wusste ja der Unterschied zwischen “Tungrorum” und “Thoringorum”.
Es könnte ja sein, in Gregors Zeit machtte man ins Frankenreich einen Unterschied zwischen das kristianisierte (und lateinische) Teil im Süden und das noch nicht kristianisierte (germanische) Teil im Norden. In diese germanische Teil findet man meistens die Niederländische Sprache. So könnte es sein, diese Region wurde genannt nach dem Gott Thor. In die Niederländische Sprache lautet “Thoringia” “Doringen”. Es gibt in Belgien und Holland viele Ortsname mit der Stamm “door” und “doorn” (“doren”), wie Doornik (das bekannten Tornacum, heute Tournai - welche “Doren-Eck” meinen könnte, wie auch Tourcoing in Nord-Frankreich), verschiedene Orten mit der Name “Deurne”, die Städte Dordrecht und Apeldoorn in Holland und auch die Karolingische Stadt “Dorestad”, heute Wijk-bij-Duurstede in Holland.
 
Diese "Thüringer"-Geschichte kenne ich als Namensverwechslung durch Gregor:
Da wo er Thoringia schrieb, soll er eigentlich die Landschaft Toxandria gemeint haben. Weiss aber nicht mehr so genau, wo ich das her habe (vielleicht aus dem Merowingerbuch von Waltraut Bleiber?)
Eine andere, etwas phantastischere Herleitung wäre diese: Nach der Eroberung des Thüringerreiches durch die Franken 531 sind viele Thüringer - wie bei den Franken üblich - in anderen Reichsteilen angesiedelt worden, ein Großteil davon auf der linken Uferseite des Niederrheins, bis hinein nach Köln. Schon bald soll man aufgrund der "Dichte thüringischen Lebens" in diesem Gebiet die Landschaft kurzerhand Thoringia genannt haben. Dafür sprächen einige (Be-)Funde (Kronzeuge hier: das Kölner Knaben-/Fürstinnengrab, hier liegt womöglich eine vornehme Thüringerin begraben). Dagegen spräche der nicht einmal eine Generation umfassende zeitliche Abstand Gregors zu diesem Szenario, sodass ihm solch eine "neumodische" Landschaftsbezeichnung bekannt gewesen sein sollte. Quelle? Noch nebulöser..

Grüße, CrisP
 
Vielen Dank, CrisP.
Die Umsiedlungspolitik der Franken war ein neues Thema für mich. Ich habe es gelesen auf eine andere Seite von diesem Forum. Lernnten die Franken diese Politik von den Römern? Wie Caesar Germanen von den rechten Rheinufer nach dem linken umsiedelte. Und die Tungern in das von den Eburonen und Aduatuken verlassene Gebiet einsiedelte. Es sieht ja aus dass die Gallo-Frankische (darf ich sie so nennen?) Machtgewalthabern die Germanische bevölkerung bewusst vermischt haben um diese Regionen besser kontrollierbar zu machen!
In meine Nähe gibt’s einen Ortsname “Zwijveken” der im Mittelalter “Sueviacum” lautete: dass könnte deuten auf Suebische Leute. Auch gibt’s einen Ortsname “Doregem”: hier könnte es sein dass die Franken sagten “da wohnen Leute aus Doringen” - Dorenheim.
Wie man sieht, es gibt noch viele fascinierende Sachen zu untersuchen in die Geschichte!
 
Hallo Cloiokin,
Vielen Dank, CrisP.
nicht dafür...:red:
Cloiokin schrieb:
Lernnten die Franken diese Politik von den Römern? Wie Caesar Germanen von den rechten Rheinufer nach dem linken umsiedelte.
Die Franken siedelten besiegte Stammesteile in teils weit entfernte Gegenden um, um die Unabhängigkeitsbetrebungen und die Gefahr von Revolten zu begrenzen, dass ist nicht schwer zu erraten. Siedlungen wie Sachsenhausen bei Frankfurt zeigen mir aber auch, dass man den dort angesiedelten Familien auch ein gehöriges Maß an Vertrauen entgegenbrachte (was, wenn die Sachsen dort am Mainübergang rebellierten?), die thüringische Fürstin war mit allen Ehren bestattet worden (man respektierte also die gesellschaftliche Stellung auch des unterworfenen Adels - Adel bleibt halt eben Adel ;) ).
Caesar siedelte ganze Stämme um (laut Quellen - da könnte man jetzt auch streiten, ob es sich um einen Topos handelt), aber es ging wohl doch um die Veränderung von Machtverhältnissen in einer Region durch das Mittel der Siedlungspolitik (der Bataveraufstand zeigt, dass sowas auch schiefgehen konnte!).
Besser ist der Vergleich mit dem Foederatensystem (nl.), schliesslich haben die Franken selber mal als Foederaten unter den Römern gedient - als sie beispielsweise in Toxandrien siedelten...
Viele Grüße, CrisP
 
Dispargum ist ein Ort oder einen Burg. In Belgien, wo ich wohne, sucht man dieses Dispargum in das kleine Dorf Duisburg, zwischen Brüssel und Leuven. In Holland sucht’s man manchmal in die nähe von ‘s Hertogenbosch. Es gibt natürlich auch die Stadt Duisburg in Deutschland, aber die liegt am Rechter Rheinufer (oder muss man’s suchen am gegenüberliegenden Römische castellum Asciburgium?).
Wie denkt man hierüber in Deutschland?
Bruno Krusch gibt Asciburgiam (Asberg bei Mörs) den Vorzug, da Duisburg und Duysborch in Belgien aus sprachlichen Gründen wohl ausscheiden. (Anm. Fränkische Geschichte d. Gregor v. Tours, 1959, S. 90).

In sehr zurückliegender Zeit kommt es in Urkunden unter dem Namen Dispargum vor. http://209.85.135.104/search?q=cach...+Dispargum&hl=de&ct=clnk&cd=10&gl=de&ie=UTF-8
 
Dispargum = Duisburg (D)?

Zu dem Dispargum-Lokalisierungs-Mysterium gibt es ein neues Werk, zu dem ich folgende Nachricht gefunden habe:

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/duisburg/kultur/2008/12/18/news-99298226/detail.html

Neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte
Römer-Tempel auf dem Burgplatz?

18.12.2008, Thomas Becker

Die Geschichte Duisburgs muss nach hinten datiert werden.
Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Stadtarchivar Dr. Joseph Milz im 55. Band der Duisburger Forschungen. War der Name „Duisburg” bisher erstmals anlässlich des Wikingerüberfalls auf die Stadt 883 aufgetaucht, liegen Joseph Milz nun neue Erkenntnisse vor. Wie unter anderem das Fragment einer römischen Säule, das am Fuße des Burgplatzes gefunden wurde, beweise, waren die Römer bereits im ersten oder zweiten Jahrhundert in Duisburg. Wie Milz betonte, lasse dieses Säulen-Fragment nicht auf eine „popelige Befestigung”, sondern auf ein repräsentatives Gebäude der Römer schließen, mit dem diese damals Eindruck machen wollten. Durch diesen und weitere Funde sehe man sich nun verpflichtet, „schriftliche Quellen neu zu interpretieren”.
Desweiteren sei nun gesichert, dass es sich beim dem fränkischen „Dispargum” (um 430) bereits um „Duisburg” gehandelt habe und dass der Frankenkönig Clodio von hier aus zu seinen Eroberungszügen aufgebrochen sei. Diese Kenntnisse seien vor allem durch die von Dr. Günter Krause gemachten Ausgrabungen möglich gewesen.

Soweit die Meldung. Sobald ich diesen Band 55 der Duisburger Forschungen erhalten kann werde ich ihn mal kritisch :grübel:durchsehen und hier berichten.
 
Da kommt wohl der Lokalpatriot durch. selbst wenn die Reste einer römischen Großstadt gefunden würden, ließe sich doch nicht beweisen, daß Dispargum Duisburg ist. Natürlich kann man auch schwer das Gegenteil beweisen.
 
Abraham Ortelius, von dem diese Karte stammt, kannte natürlich Duisburg und Asberg. Asberg und Asciburgium sind zweifelsfrei identifiziert, auch durch die antike Karte des Claudios Ptolemaios, Dispargum lässt sich nur anhand schriftlicher Texte lokalisiseren.
 
"Ferunt etiam, tunc Chlogionem utilem ac nobilissimum in gente sua regem fuisse Francorum, qui apud Dispargum castrum habitabat, quod est in terminum Thoringorum. - Sie berichten auch, dass Chlogio ein nützlicher und äußerst edler unter seinen Leuten gewesen sei, er war König der Franken und bewohnte bei Dispargum, was in den Grenzen Thoringorums liegt, eine Burg."

Hier lässt ich wiederum nur wiederholen, was schon zuvor geschrieben wurde: Dass es sich bei Thoringorum um Thüringer handelt, ist hier(!) eher unwahrscheinlich, daher sind Namen wie Tongeren, Tournai oder Doorn nicht auszuschließen. Dieses *Thoringium muss in der Nähe der Somme gelegen haben und an ein Gebiet gegrenzt haben, welches wiederum durch die Loire begrenzt wurde. Auch von der Rhone ist die Rede. Das macht natürlich alles nicht einfacher. Gallia est divisa in partes quattuor: Franken, Römer, Goten und Burgunder.

"In his autem partibus, id est ad meridianam plagam, habitabant Romani usque Ligerem fluvium (Loire). Ultra Ligerem vero Gothi dominabantur. Burgundiones quoque, Arrianorum sectam sequentes, habitabant trans Rhodanum (Rhône), quod adiacit civitate Lugdunense (Lyon). Chlogio autem, missis exploratoribus ad urbem Camaracum (Cambrai), perlustrata omnia, ipse secutus, Romanus proteret, civitatem adpraehendit, in qua paucum tempus resedens, usque Sumenam fluvium (Somme) occupavit."
 
Zu dem Dispargum-Lokalisierungs-Mysterium gibt es ein neues Werk, zu dem ich folgende Nachricht gefunden habe:

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/duisburg/kultur/2008/12/18/news-99298226/detail.html
Neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte
Römer-Tempel auf dem Burgplatz?
18.12.2008, Thomas Becker

Die Geschichte Duisburgs muss nach hinten datiert werden.
Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Stadtarchivar Dr. Joseph Milz im 55. Band der Duisburger Forschungen. War der Name „Duisburg” bisher erstmals anlässlich des Wikingerüberfalls auf die Stadt 883 aufgetaucht, liegen Joseph Milz nun neue Erkenntnisse vor. Wie unter anderem das Fragment einer römischen Säule, das am Fuße des Burgplatzes gefunden wurde, beweise, waren die Römer bereits im ersten oder zweiten Jahrhundert in Duisburg. Wie Milz betonte, lasse dieses Säulen-Fragment nicht auf eine „popelige Befestigung”, sondern auf ein repräsentatives Gebäude der Römer schließen, mit dem diese damals Eindruck machen wollten. Durch diesen und weitere Funde sehe man sich nun verpflichtet, „schriftliche Quellen neu zu interpretieren”.
Desweiteren sei nun gesichert, dass es sich beim dem fränkischen „Dispargum” (um 430) bereits um „Duisburg” gehandelt habe und dass der Frankenkönig Clodio von hier aus zu seinen Eroberungszügen aufgebrochen sei. Diese Kenntnisse seien vor allem durch die von Dr. Günter Krause gemachten Ausgrabungen möglich gewesen.
Soweit die Meldung. Sobald ich diesen Band 55 der Duisburger Forschungen erhalten kann werde ich ihn mal kritisch :grübel:durchsehen und hier berichten.


So peinlich es ist, leider ist es mir bisher nicht gelungen, dieses Bandes 55 der Duisburger Forschungen habhaft zu werden. Trotzdem dieser Band laut den Bibliothekskatalogen der Stadtbibliothek Duisburg einstehen sollte, habe ich ihn trotz häufiger Besuche nicht finden können. Auch die dortigen Mitarbeiter waren ratlos.

Nur einmal konnte ich mal ein Exemplar des Präsenzbestandes kurz überfliegen.

Der Verfasser verweist da auf den Fund einer halben römischen Säulentrommel am Abhang des Burgplatzes. Der Burgplatz ist die Keimzelle von Duisburg. Seiner Ansicht nach gelangte diese halbe Trommel beim Abbruch des dazugehörigen Gebäude als Bauschutt in den Abhangsbereich. Aus diesem Trommelfragment konstruiert er die Konstruktion eines römischen Tempels auf dem Burgplatz. :):):)Seine Vorgehensweise ist die, daß er aus der Größe der halben Trommel die Größe der ganzen Trommel berechnet, daraus wiederum die Höhe schätzt. Aus der Höhe wiederum wird dann das ganze Gebäude (römischer Templel) rekonstruiert. Und schon kommen wir dazu, daß zu Römerzeit ein Tempel auf dem heutigen Burgplatz stand. :rofl::rofl:

So reizvoll der Gedanke auch sein mag, daß die alten Römer dort einen Tempel (wie das Maison Carrée in Nîmes) hingesetzt haben, so stellt sich für mich doch mehr als nur eine Frage:

  1. Gibt es denn nicht noch andere Möglichkeiten, wie diese halbe Trommel nach Duisburg gelangte? Vielleicht aus dem Abbruch einer der anderen Römerbauten am Rhein (Xanten, Neuss, Köln, Nimwegen), wonach die Trommel irgendwann später nach Duisburg kam.
  2. Warum hätten die Römer denn auf dem heutigen Burgplatz einen Tempel hinsetzen sollen? Denn der hätte ja vollkommen isoliert gestanden. Wenn man schon rechtsrhreinisch etwas römisches findet, hätte ich eher eine militärische Anlage (z. B. Kastell Deutz gegenüber dem römischen Köln) erwartet. Und der Tempel wäre ja nicht mal in Sichtweite des linksrheinischen Römerlagers Asciburgium gewesen.
  3. Warum taucht diese römische Anlage nicht in der antiken Literatur oder auf antiken Karten auf?
Von daher stehe ich der Tempel-Hypothese eher ablehnend gegenüber.


Der Verfasser setzt dann die Annahme, daß ein römischer Ort bestand und argumentiert mit Hilfe der Literatur, daß Dispargum am Rhein gelegen haben muß.

Aber wie gesagt, ich habe nur mal kurz das Präsenzbestandsexemplar der Duisburger Stadtbibliothek in Händen gehabt und innerhalb von 15 min mal überflogen.

Vielleicht findet die Duisburger Stadtbibliothek ihre Exemplare mal wieder und ich kann mir eins dann ausführlicher ansehen. Oder sind die Exemplare wegen ihrer Brisanz zu dem Thema im Giftschrank???:devil::devil::devil:
 
Gibt es denn nicht noch andere Möglichkeiten, wie diese halbe Trommel nach Duisburg gelangte? Vielleicht aus dem Abbruch einer der anderen Römerbauten am Rhein (Xanten, Neuss, Köln, Nimwegen), wonach die Trommel irgendwann später nach Duisburg kam.

Das kann schon sein, römische Säulen aus der Colonia Ulpia Traiana (i.e. Xanten) wurden im Mittelalter bis nach Dänemark gehandelt. Solange die Trommel nicht in situ gefunden wurde, lässt sich aus der Tatsache, dass sie gefunden wurde, also recht wenig herleiten.
Warum hätten die Römer denn auf dem heutigen Burgplatz einen Tempel hinsetzen sollen? Denn der hätte ja vollkommen isoliert gestanden. Wenn man schon rechtsrhreinisch etwas römisches findet, hätte ich eher eine militärische Anlage (z. B. Kastell Deutz gegenüber dem römischen Köln) erwartet. Und der Tempel wäre ja nicht mal in Sichtweite des linksrheinischen Römerlagers Asciburgium gewesen.
Das finde ich jetzt als Argument nicht so stark. Duisburg liegt ja nun direkt am Rhein und man darf sich das auch nicht so vorstellen, als habe es nach 9 n. Chr. Römer nur linksrheinisch gegeben.
Warum taucht diese römische Anlage nicht in der antiken Literatur oder auf antiken Karten auf?
Auch das ist kein gutes Argument. Viele (bzw. die meisten) Anlagen tauchen nicht in der Literatur auf und Karten haben wir sowieso so gut wie keine. Die Tabula Peutingeriana z.B. verzeichnet Wegestationen und keine Einzelbauwerke oder Details.

Der Verfasser setzt dann die Annahme, daß ein römischer Ort bestand und argumentiert mit Hilfe der Literatur, daß
Dispargum am Rhein gelegen haben muß.

Wie argumentiert er da im Einzelnen?
 
Hallo,

mittlerweile habe ich es geschafft, den Band 55 der Duisburger Forschungen aufzufinden. Ich will im folgenden die Thesen zur Identifizierung Dispargums als Duisburg kurz wiedergeben:

Archäologische Befunde:

Im Bereich der Altstadt von Duisburg sind eine Reihe von römischen Funden (zumeist Scherben) gemacht worden. Allerdings sind bei Grabungen in den 1980er Jahren am „Alten Markt“, der sich unterhalb des Burgbergs befindet, auch Reste römischer Baumaterialien (Tuffstein- Ziegel, Marmor- und Mörtelbrocken und ein Teil einer Säulentrommel) gefunden worden. Der Verfasser interpretiert diese als Teil eines Abbruchhorizontes aus der Frankenzeit. Die Gebäude wurden demnach in der Frankenzeit abgerissen und über den Hang des Burgbergs „entsorgt“.

Zu den örtlichen Gegebenheiten kann man über Google-Maps als Adresse Burgplatz, Duisburg eingeben, dann sieht man ein relativ kreisrundes Areal mit Rathaus, Salvatorkirche und einem Parkplatz (die Keimzelle Duisburgs). Westlich davon fällt das Gelände zum „Alten Markt“ ab (woraus sich auch die Bezeichnung Burgberg erklärt). Man kann das Areal auch unter folgenden Links finden:

http://www.archaeologie-duisburg.de/Stadtarchaologie/Alter_Markt/alter_markt.htm

bzw.

http://www.duisburg.de/micro/stadtentwicklung/stadtarchaeologie/102010100000257407.php#a0


Aus dem Teil der Säulentrommel leitet der Verfasser dann die Existenz eines römischen Tempels ab, wobei er selber zugibt: „ausdrücklich sei hingewiesen, dass die folgenden Überlegungen zwar spekulativer sind als normalerweise üblich, sie sind aber dennoch nicht aus der Luft gegriffen, sondern auch im Detail wohl begründet.“ Der Verfasser vermutet den Zweck der römischen Präsenz in der Sicherung des Rheinübergangs am damaligen (nicht dem heutigen!) Mündungsbereichs von der Ruhr in den Rhein und vermutet die Anlage nach dem Bataveraufstand (Ende des 1. Jhdt. n. Chr.).

Literarische Quellen:

Gregor von Tours

Ausgangspunkt ist die Geschichte der Franken (Historia Francorum) von Gregor von Tours. (2. Buch, 9. Kapitel). Gregor v. T. war allerdings auch kein Zeitzeuge, sondern war seinerseits auf seine Literatur bzw. seine Quellen angewiesen. Nach Gregor von Tours kamen die Franken aus Pannonien, überschritten den Rhein, durchquerten Thüringen (Thoringia) und an Grenze zu den Thüringern (oder innerhalb der Grenze der Thüringer) war das Castrum des Chlodio. Von dort schickt er Kundschafter nach Cambrai aus und erobert dann die Stadt Cambrai mit seinem Heer.

Aus Konsularlisten, die von Konflikten zwischen Römern unter Aëtius und Franken am Rhein berichten, werden diese Ereignisse um ca. 430 n. Chr. datiert.

Thüringer links des Rheins?
Danach hätte westlich des Rheins (=linksrheinisch) in der Spätantike ein Siedlungsgebiet der Thüringer bestehen müssen, das vom Verfasser aber verneint wird. Dabei beruft er sich auf Heike Grahn-Hoek (Gab es vor 531 ein linksniederrheinisches Thüringerreich?, in Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 55 (2001), S. 15 – 55). Aus weiteren frühmittelalterlichen Quellen wird das Gebiet der Thüringer rechtsrheinisch angesetzt.

Dispargum links- oder rechtsrheinisch?
Weiterhin werden mehrere Autoren aus dem Mittelalter zitiert, die die Ausführungen Gregor von Tours noch präzisieren: erst schickt Chlodio von Dispargum Kundschafter los, überschreitet dann den Rhein und erobert Cambrai. Danach ist Dispargum rechtsrheinisch.

Tradition des Namens Dispargum in Duisburg

Im Rahmen seiner weiteren Argumentation führt er das Fortleben der Begriffe Dispargum fort. So gibt es eine mittelalterliche Tradition der Gleichsetzung Dispargums und Duisburg.
Der Autor verweist z. B. auf eine Urkunde aus dem 10. Jhdt., in der es heißt: „actum Diuspargo, quod vulgariter dicimus Diusburg

Quellenlücke zwischen 430 und 883 bzgl. Dispargum / Duisburg

Die Tatsache, dass es nach Chlodio bis zur ersten Erwähnung Duisburgs im Zusammenhang mit einem Wikingerangriff im Jahre 883 keine Erwähnung Dispargums und Duisburg in den Quellen gibt, erklärt der Verfasser als nicht ungewöhnlich. Als Beispiele führt er Wien und Neuss an, für die auch eine Quellenlücke in dem entsprechenden Zeitraum von etwa 500 Jahren vorliegt.


Das waren so in aller Kürze und besten Wissens und Gewissens die Zusammenfassung zur Frühgeschichte Duisburgs (oder Dispargums).

Ich habe auch die Veröffentlichungen zu den Ausgrabungen, die in den 80er Jahren stattgefunden haben, angesehen (Band 34 der Duisburger Forschungen ( Dort werden die einzelnen römischen Funde beschrieben, jedoch wird die Interpretation offen gelassen, ob es sich um Bauschutt aus einer der linksrheinischen Römerniederlassungen handelt oder ob in Duisburg selber auch römische Gebäude gestanden haben. Der Verfasser drückt sich allerdings mit den Worten „wahrscheinlich“ und „anscheinend“ vorsichtig aus, dass auf dem Burgberg wirklich in der Antike Gebäude gestanden haben (im Band 34, Seite 117).

Allerdings wird aus den Funden von Tierknochen und Pflanzenresten auch deutlich, dass in einer anhand von Keramikfunden in das 5. Jhdt. datierten Schicht (Zeit Clodios) eine Ansiedlung bestand. Dabei lassen die Tierknochen und Pflanzenreste darauf schließen, dass die Siedler aus dem Bereich des freien Germaniens stammten, da in beiden Fundbereichen kaum römischer Einfluß nachweisbar ist, aber deutliche Parallelen zu Funden im freien Germanien bestehen.

Zum Castrum gibt es einen interessanten Artikel von Dr. Tilmann Bechert (siehe: http://books.google.de/books?id=rCJOxv2JiVQC&printsec=frontcover#v=onepage&q=&f=false). Dieser geht von der Identität Duisburgs und Dispargums aus und vertritt die Ansicht, dass das Castrum eine römische Militäranlage war.

Weiß irgendjemand vielleicht, ob die anderen als mögliches Dispargum genannten Orte (Duisburg bei Brüssel und Doesburg in Gelderland/ NL) ggf. auch Funde aus der Spätantike haben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Bruno Krusch gibt Asciburgiam (Asberg bei Mörs) den Vorzug, da Duisburg und Duysborch in Belgien aus sprachlichen Gründen wohl ausscheiden. (Anm. Fränkische Geschichte d. Gregor v. Tours, 1959, S. 90).

In sehr zurückliegender Zeit kommt es in Urkunden unter dem Namen Dispargum vor. cache:6MvEDIJfwCMJ:www.herky.de/works/Wanderungen_an_der_Ruhr.pdf Dispargum - Google-Suche

Diese Deutung ist gar nicht mal so schlecht, denn liest man "Fredegar" (und man beachte die Parallelen zu Gregor von Tours), dann findet man folgendes:

"...Richemeris, qui in hoc prilio, co supra memini, a Romanis interfectus est. Substituetur filius eius Chlodeo in regno, utilissimus vir in gente sua, qui apud Esbargium castrum resedebat, quod est in termino Thoringorum. [...]Chlodeo, missis exploratoribus ad urbem Camaracum, perlustrans omnia, ipse sequitur, Romanus proterit, civitatem capit, usque Suminam fluvium occupavit."

...Richimer, welcher in dieser Schlacht, derer wir oben gedachten, von den Römern erschlagen wurde. Ihn ersetze im Königreich sein Sohn Chlodio, der brauchbarste Mann unter seinen Leute, der bei der Burg Esbarg, welche an der Grenze zu den Thüringern ist, residierte. Chlodio schickte Kundschafter in die Stadt Cambrai, die alles beobachteten, er selbst folgte, besiegte die Römer, eroberte die Stadt und besetzte alles bis an den Fluss Somme.

Und noch mal Gregor: "Chlogio autem, missis exploratoribus ad urbem Camaracum, perlustrata omnia, ipse secutus, Romanus proteret, civitatem adpraehendit, in qua paucum tempus resedens, usque Sumenam fluvium occupavit."

"Fredegar" hat also eindeutig bei Gregor abgeschrieben, lediglich einen Halbsatz gestrichen und aus einem Adjektiv ein Partizip gemacht, oder mal ein Verb ausgetauscht (das eher schwerfällige adpraehendere gegen das gebräuchlichere capere) Und er schreibt statt Dispargum 'Esbargium'.
 
Diese Deutung ist gar nicht mal so schlecht, denn liest man "Fredegar" (und man beachte die Parallelen zu Gregor von Tours), dann findet man folgendes:

"...Richemeris, qui in hoc prilio, co supra memini, a Romanis interfectus est. Substituetur filius eius Chlodeo in regno, utilissimus vir in gente sua, qui apud Esbargium castrum resedebat, quod est in termino Thoringorum. [...]Chlodeo, missis exploratoribus ad urbem Camaracum, perlustrans omnia, ipse sequitur, Romanus proterit, civitatem capit, usque Suminam fluvium occupavit."

...Richimer, welcher in dieser Schlacht, derer wir oben gedachten, von den Römern erschlagen wurde. Ihn ersetze im Königreich sein Sohn Chlodio, der brauchbarste Mann unter seinen Leute, der bei der Burg Esbarg, welche an der Grenze zu den Thüringern ist, residierte. Chlodio schickte Kundschafter in die Stadt Cambrai, die alles beobachteten, er selbst folgte, besiegte die Römer, eroberte die Stadt und besetzte alles bis an den Fluss Somme.

Und noch mal Gregor: "Chlogio autem, missis exploratoribus ad urbem Camaracum, perlustrata omnia, ipse secutus, Romanus proteret, civitatem adpraehendit, in qua paucum tempus resedens, usque Sumenam fluvium occupavit."

"Fredegar" hat also eindeutig bei Gregor abgeschrieben, lediglich einen Halbsatz gestrichen und aus einem Adjektiv ein Partizip gemacht, oder mal ein Verb ausgetauscht (das eher schwerfällige adpraehendere gegen das gebräuchlichere capere) Und er schreibt statt Dispargum 'Esbargium'.

Aber was soll das heißen?

Ist das "Esbargium" ein Abschreibfehler für Dispargum?

Oder hat der sog. Fredegar (eigentlich einige Anonymi, siehe Wiki) aufgrund besseres Wissens Gregor von Tours' Dispargum in Esbargium korrigiert?

Wo soll dieses Esbargium sein? Ist es wirklich das bei Tacitus und bei Claudius Ptolemaios belegte Asciburgium? Konte sich Fredegar nicht zwischen Dispargum und Asciburgium entscheiden und hat dann Esbargium "kreiert"?

Einige Beiträge zurück hatte ich auf den Band 55 der Duisburger Forschungen hingewiesen und einige Teile daraus zusammengefaßt. In den dort aufgeführten Quellen, die alle mehr oder minder ausführlich die Historia Francorum von Gegor von Tours zitieren, steht meist Dispargum, Disbargum o. ä.

Das Esbargium von Fredegar ist die Ausnahme.

Allerdings ist in Asciburgium ein spätantiker Burgus archäologisch nachgewiesen Aber im Gegensatz zu Duisburg besteht bei Asciburgium/Asberg keine Tradition des Gebrauches des Namens "Dispargum".

Oder gab es evtl. schon in der Spätantike / Frühmittelalter eine Namensübertragung von Asciburgium auf Dispargum? Immerhin liegen diese in relativer Nähe zueinander auf verschiedenen Rheinseiten. Das Areal des Römerlagers liegt zum Teil auf Gebiet von Duisburg (-Rheinhausen), zum anderen Teil in Moers.

Denkbar wäre auch, daß Clodio das (allerdings nur vermutete) Castrum in Dispargum (rechtsrheinische Keimzelle von Duisburg) und den Burgus in Asciburgium (linksrheinisch) als Ausgangsbasen für seine Raub- und Eroberungszüge benutzt hat.
 
Dispargum ist eindeutig Duisburg.
Quelle ?:
Dr. Kai Thomas Platz


Lebenslauf

Nach dem Abitur Studium der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, der Vor- und Frühgeschichte, der Denkmalpflege und der Geschichte mit Schwerpunkt Mittelalterlicher Geschichte. Magister 1992, Promotion 2000 über Archäologie und Geschichte von Hilpoltstein in Mittelfranken. 1993 - 1996 Tätigkeit bei der Stadt Hilpoltstein zur Konzeption eines Museums des historischen Bauhandwerks, 1997 - 2001 beim Landkreis Forchheim mit Grabungsprojekt Burg Neideck, 2002-2008 bei der Otto-Friedrich-Universität Bamberg als Leiter der Forschungsgrabungen am Weltkulturerbe Kloster Lorsch in Hessen, außerdem Untersuchung der Einhards-Basilika in Seligenstadt am Main. Freiberuflicher Archäologe und Graphiker.
Seit Herbst 2008 Leiter des zentralen Fundarchivs der Stadtarchäologie Duisburgs. Ab WS 1996/97 Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, seit 2006 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, seit 2009 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des kirchlichen und profanen Steinbaus seit der Spätantike bis zum Ende der Ottonen und die Siedlungs- und Baugeschichte Mitteleuropas im Früh- und Hochmittelalter.


Er muss es wissen, mit ihm haben wir heute eine Führung durch Duisburg unternommen. Und : Er ist sich sicher.
Wers nicht glaubt, lest mal nach über ihn : UNIVERSiTÄT BONN
 
Nicht die Autorität, sondern die Argumentation ist überzeugend. Was für Gründe kann Platz für die Frage ins Feld führen?
 
Zurück
Oben