Warum machte der Papst Zacharias den Karolinger Pippin zum König?

Was die Einmischung in die Verhältnisse Italiens angeht: Es gab einen guten Grund für Pippin sich da einzuschalten: ein Hilferuf des Papstes. Pippin marschierte nach Italien, regelte die Dinge in seinem Sinn und ist genauso schnell wieder abgehauen. Hierbei irgendwelche Bezüge zwischen Pippins Italienpolitik und seiner Königserhebung zu ziehen halte ich für konstruiert

Und welchen Grund außer der Königserhebung hätte Pippin haben sollen ,sich in die italienischen Verhältnisse einzumischen ?
Italien gehörte nicht nur nicht zu seinem Reich , sondern er sah sich dort auch noch mit den Langobarden sowie byzantinischen Interessen im Exarchat Ravenna konfrontiert.Überdies hatte auch er genug an den eigenen Fronten am Hut und im Inneren seines Reiches bestand natürlich immer die Gefahr,daß andere Gruppierungen die Macht an sich rissen.Darüber hinaus war ein Zug über die Alpen auch alles andere als ein Spaziergang.
Warum hätte er also ohne Not und ohne Gegenleistung irgendeinem römischen Bischof helfen sollen.Altruistische Motive dürfte man einem Mann wie Pippin wohl eher nicht unterstellen.Und der Papst hatte außer der Königserhebung eigentlich nicht wirklich was zu bieten.
 
Das ist doch ein völlig anderer Fall. Heinrich der Zänker war zwar kein Ottone, aber er war wie die Ottonen ein Liudolfinger. Er war somit nach dem Tod Ottos II. das liudolfingische Familienoberhaupt.
Da hast du mich aber wohl etwas falsch verstanden. Ich wollte damit nur ein weiteres Beispiel für eine noch Jahrhunderte überdauernde "germanische Tradition" bringen.
Und die Schlacht von Tours und Poitiers, die du hier mal wieder ansprichst, sollte man auch nicht überbewerten für den karolingischen Führungsanspruch. Es sind auch hier wieder die späteren, nciht die zeitgenöss. Quellen, welches aus einer kleinen Schlacht durch Abschreibefehler eine Schlacht um den Untergang des Reiches oder seine Abwendung machen.

Das Thema wurde ja woanders schon diskutiert. Und egal wie "groß" oder "klein" die Schlacht nun war, fest steht, daß Karl Martell bereits vor dieser Schlacht alleiniger Hausmeier des Reiches war und sich seine Position nach der Schlacht noch weiter gefestigt haben dürfte, da der bis dahin weitgehend autonom regierende Herzog von Aquitanien zu Karl flüchtete und ihn um Hilfe bat.
Diese Diskussion ist hier nachzulesen: http://www.geschichtsforum.de/f36/d...ours-und-poiters-11204/index2.html#post173314

http://deutsche-geschichte.jimdo.com/karl-martell/
 
Na ja, irgendwelche germanischen Gesetze und Rechte sind auch nichts anderes als moderne Rekonstruktionen germanophiler Historiker. Mit der mittelalterlichen Realität hat das wenig zu tun. Einen festen Unterschied zwischen germanischem und römischem Recht hat es nicht gegeben, da ersteres von letzterem auch sehr stark beeinflusst war. Die frühesten "germanischen" Gesetze stammen eh aus der Zeit Karls des Großen. Was davor "germanisches Recht" war, ob es so etwas überhaupt gegeben hat, wissen wir nicht. Ob es Sakralkönige unter den alten Germanen gegeben hat, wissen wir genauso wenig. Und Traditionen lassen sich auch sehr stark ändern.
Und ja, Karl Martell hatte offenbar diesen Konsens noch nicht, deshalb war er kein König (vielleicht wollte er es auch nicht werden). Und nein, er hätte nicht unbedingt die Anerkennung haben müssen. Die Schlacht von Tours und Poitiers hatte nicht den Einfluss, den wir ihm beimessen, wie El Quijote richtig ausgesprochen hat. Und zu guter Letzt sind die beiden Situationen, in denen sich Karl bzw. Pippin befunden haben, nicht zu vergleichen nach dem Motto: "Wenn es bei dem Einen so war, hätte es beim Anderen doch auch so sein müssen." In zwanzig Jahren kann sich eine Menge ändern, so auch die Meinung der Großen bzw. auch die Meinung des jeweiligen Hausmeiers, König werden zu wollen.

Zitat: "Und welchen Grund außer der Königserhebung hätte Pippin haben sollen ,sich in die italienischen Verhältnisse einzumischen?"

Das habe ich bereits weiter oben erwähnt: um dem Papst zu helfen. Das hat noch nicht einmal wirklich was mit Altruismus zu tun, sondern schlichtweg mit der damaligen Mentalität. Es ist anachronistisch anzunehmen, dass mittelalterliche Herrscher immer ausschließlich aus machtpolitischen Gründen gehandelt haben. Was viele von ihnen eigentlich im Sinn hatten, erscheint uns heute völlig banal. Der Papst war in Gefahr, der Papst war zufällig das oberste Kirchenoberhaupt und den Langobarden schutzlos ausgeliefert. Byzanz, die alte Schutzmacht, konnte nicht zu Hilfe eilen. Als guter, gläubiger und hilfsbereiter König, als der er sich selbst darstellte, hatte Pippin praktisch gar keine andere Möglichkeit, als die Bitte des Papstes um Hilfe auszuschlagen. Woran mittelalterliche Menschen und auch Herrscher häufig auch dachten war ihr Seelenheil. Und dieses konnte sich Pippin durch eine derartige Aktion auch sichern.
 
um dem Papst zu helfen
Na, da glaube ich verlierst Du dich zu sehr in Spekulation und unterstellst dem guten Pippin doch etwas zu viel Altruismus.Das war kein guter, gläubiger und hilfsbereiter König,sozusagen ein Gutmensch mit Krone.Genausowenig wie die meisten seiner Vorgänger und Nachfolger.
Die Herrscher des Mittelalters waren bis auf wenige Ausnahmen pragmatische Machtmenschen, sonst wären sie nicht das gewesen,was sie waren und sonst hätten sie sich auch nicht behaupten können.
Und je früher im Mittelalter,desto weniger gefestigte Strukturen gab es und desto ausgeprägter mußten diese Eigenschaften bei einem Herrscher sein., um sich an der Macht halten zu können.Für das Seelenheil war da wenig Platz auch die meisten Stiftungen um des Heils willen hatten ganz pragmatisch-politische oder ökonomische Gründe und die betreffenden Herrscher und Stifter waren sich dessen auch bewußt.
Vor diesem Hintergrund sehe ich Pippin eher als einen sehr kühl kalkulierenden Machtmenschen, der vermutlich für einen Papst in Gefahr keinen Finger gerührt hätte, wenn er sich davon keinen Vorteil davon versprochen hätte.
Ohnehin war die Stellung des Papstes als oberstes Kirchenoberhaupt zu damaligen Zeitpunkt alles andere als unangefochten. Die Ostkiche war dabei,sich abzuspalten, die höchste Lehraurtorität Roms war durch ein Konzil gekippt worden. Die Kopten gingen eigenen Wege, der Islam hatte Spanien kassiert und die Rivalität Roms mit der iro-schottiischen Kirche war keineswegs ausgestanden. Von den häterischen und arianischen Strömungen,die in jener Zeit zumindestnoch latent vorhanden waren mal ganz zu schweigen. Rom war also keineswegs in der unangefochtenen Position,das es im Hochmittelalter inne hatte.
Vor diesem Hintergrund ist die Koppelung von Hilfe und Königserhebung m.E. die realistisch.ere Alternative
 
Na, da glaube ich verlierst Du dich zu sehr in Spekulation

Nein, tu ich nicht. Ich halte mich strikt an die Quellen. Eine Spekulation sehe ich eher darin, Bezüge zwischen unterschiedlichen Fakten zu konstruieren, wo sie wohl nicht existieren.

und unterstellst dem guten Pippin doch etwas zu viel Altruismus.Das war kein guter, gläubiger und hilfsbereiter König,sozusagen ein Gutmensch mit Krone.

Habe ich auch nicht behauptet. Aber er hat sich als solcher gesehen und das spielt m. E. eine sehr große Rolle.

Genausowenig wie die meisten seiner Vorgänger und Nachfolger.
Die Herrscher des Mittelalters waren bis auf wenige Ausnahmen pragmatische Machtmenschen, sonst wären sie nicht das gewesen,was sie waren und sonst hätten sie sich auch nicht behaupten können.
Und je früher im Mittelalter,desto weniger gefestigte Strukturen gab es und desto ausgeprägter mußten diese Eigenschaften bei einem Herrscher sein., um sich an der Macht halten zu können.

Tut mir leid, aber das ist Quatsch. Gerade in einer Zeit, wo es keine gefestigten Strukturen, keine Institutionen, keine Verwaltung etc. gab, hatte der König andere Aufgaben zu bewältigen als sich krampfhaft selbst zu legitimieren und seine Stellung um jeden Preis zu behaupten.

Für das Seelenheil war da wenig Platz auch die meisten Stiftungen um des Heils willen hatten ganz pragmatisch-politische oder ökonomische Gründe und die betreffenden Herrscher und Stifter waren sich dessen auch bewußt.

Eben NICHT! Die meisten Stiftungen sind eben ausschließlich aus Gründen des Seelenheils gegründet worden. Irgendwelche machtpolitischen Bedeutungen sind erst von modernen Historikern hineininterpretiert worden, weil ihnen dies zu banal erschien, Stiftungen ausschließlich aus Gründen des Seelenheils zu begründen. Moderne Mediävisten allerdings sind aber dabei, die Geschichte von derartigen Konstruktionen wieder zu entmüllen (um es etwas provokativ auszudrücken) und ausschließlich quellenorientierte Forschung zu betreiben. Ein Beispiel darf ich hier anbringen, auch wenn ich in der Zeit um vierhundert Jahre springen muss: Oft wurde behauptet (z. B. von Odilo Engels), Friedrich Barbarossa hätte Karl den Großen heilig gesprochen, um seine Stellung gegen Papst Alexander III. zu legitimieren. Wirft man einen Blick in die Quellen, so stellt man fest, dass nirgends davon die Rede ist. Stattdessen wird die Heiligsprechung ausschließlich mit Barbarossas Heiligsprechung in Verbindung gebracht. Die Idee, dass es einen Zusammenhang zwischen seinem Streit mit dem Papst und der Heiligsprechung bestehen könnte, stammt ausschließlich von Engels und ist achthundert Jahre lang von niemandem gedacht worden. Ich empfehle dazu vorab die Barbarossa-Biographie von Knut Görich, die hoffentlich eines Tages erscheinen wird.

Vor diesem Hintergrund sehe ich Pippin eher als einen sehr kühl kalkulierenden Machtmenschen, der vermutlich für einen Papst in Gefahr keinen Finger gerührt hätte, wenn er sich davon keinen Vorteil davon versprochen hätte.

Vor einem anderen Hintergrund sehe ich das nicht so.

Ohnehin war die Stellung des Papstes als oberstes Kirchenoberhaupt zu damaligen Zeitpunkt alles andere als unangefochten. Die Ostkiche war dabei,sich abzuspalten, die höchste Lehraurtorität Roms war durch ein Konzil gekippt worden. Die Kopten gingen eigenen Wege, der Islam hatte Spanien kassiert und die Rivalität Roms mit der iro-schottiischen Kirche war keineswegs ausgestanden. Von den häterischen und arianischen Strömungen,die in jener Zeit zumindestnoch latent vorhanden waren mal ganz zu schweigen. Rom war also keineswegs in der unangefochtenen Position,das es im Hochmittelalter inne hatte.
Ja, alles richtig. Deshalb hat der Papst Pippin ja auch zuhilfe gerufen. Und noch viel mehr: Wenn die Stellung des Papstes ja nicht unangefochten war - wieso zur Hölle hätte es auch nur irgendjemanden im Fränkischen Reich interessieren sollen, was "irgendein römischer Bischof", der sich "keineswegs in der unangefochtenen Position" (um dich zu zitieren) befand, dazu sagt, ob Pippin als König anerkannt werden sollte oder nicht? Wie gesagt, der Papst ist lediglich um seine Meinung gefragt worden, mehr nicht. Und ob es eine Salbung gab, ist umstritten. Sonst gibt es in den Quellen KEINEN EINZIGEN Hinweis auf eine Verbindung Königsherhebung Pippins und Italienzug bzw. Hilfestellung für den Papst

Vor diesem Hintergrund ist die Koppelung von Hilfe und Königserhebung m.E. die realistisch.ere Alternative

Diesen Hintergrund sollte ich doch hoffentlich zerlegt haben. Realistisch bleibt das, was zeitgenössische Quellen sagen und keine fantasierenden Historiker aus dem vorhergehenden Jahrhundert.
 
@imperator
Ich halte mich strikt an die Quellen
Also ich glaube,da gehst Du zu wenig quellenkritisch an die Sache ran.Zwischen äußerer Darstellung und den tatsächlichen Beweggründen besteht in der Politik seit jeher ein gewaltiger Unterschied.Das zieht sich von den Pharaonen(Schlacht von Kadesh)bis heute (Wachstumsbeschleunigungsgesetz :D)) Auch offiziellen und offiziösen Quellen kann man nicht blindlings glauben,sondern sollte sie kritisch hinterfragen, insbesondere wenn es um die Erforschung innerer Beweggründe geht.
Die Frage "Wem nützt es ?" sollte man dabei nie aus dem Auge verlieren.

Aber er hat sich als solcher gesehen
Dafür hätte ich dann doch mal gerne Belege.Die Quellenlage ist dafür wohl etwas dürftig um das so schlankweg behaupten zu können

Gerade in einer Zeit, wo es keine gefestigten Strukturen, keine Institutionen, keine Verwaltung etc. gab, hatte der König andere Aufgaben zu bewältigen als sich krampfhaft selbst zu legitimieren und seine Stellung um jeden Preis zu behaupten.
Was denn sonst ?? . Natürlich war es das Bestreben eines Herrschers in instabilen Zeiten seine Stellung um jeden Preis zu behaupten.Sonst hätte er gleich abdanken können.bzw. garnicht erst anzutreten brauchen.Und die Legitimation gehörte dazu.

Irgendwelche machtpolitischen Bedeutungen sind erst von modernen Historikern hineininterpretiert worden,....Friedrich Barbarossa hätte Karl den Großen heilig gesprochen, um seine Stellung gegen Papst Alexander III. zu legitimieren. Wirft man einen Blick in die Quellen, so stellt man fest, dass nirgends davon die Rede ist
Nun ja,nur weil in offiziellen Quellen nicht davon die Rede ist,heißt das nicht,daß keine machtpolitischen Beweggründe vorlagen. Ich halte die angesprochenen Interpretation der Karl-Heiligsprechung nach wie vor für richtig, selbst wenn ein Biograph einer noch nicht erschienenen Biographie das möglicherweise anders beurteilen wird.;) :D
Die von dir geschmähten modernen Historiker haben haben eben auch die Frage "Wem nützt es ?" in den Vordergrund gestellt, um die Motivation für politisches Handeln zu ergründen. Und das ist m.E. nicht nur legitim sondern auch realitätsbezogen.
Die von Dir aufgeführten Motive mögen nebenbei auch zum Tragen gekommen sein,haben aber selten die Hauptrolle gespielt.

Vor einem anderen Hintergrund sehe ich das nicht so.
Das bleibt Dir unbenommen,allerdings solltest auch du Dir die Frage nach der Realitätsbezogenheit Deiner Beurteilung stellen.;)

wieso zur Hölle hätte es auch nur irgendjemanden im Fränkischen Reich interessieren sollen, was "irgendein römischer Bischof", der sich "keineswegs in der unangefochtenen Position" (um dich zu zitieren) befand, dazu sagt, ob Pippin als König anerkannt werden sollte oder nicht?

ganz einfach deshalb,weil dem katholischen,fränkischen Hausmeier alle anderen Quellen einer sakralen Legitimation verwehrt waren. Von Byzanz hätte er sie nicht bekommen,von Bagdad oder Cordo konnte er sie nicht bekommen.Und da der Papst auf Hilfe angewiesen war, konnte er sie ihm auch schlecht versagen., sonst wäre es das langfristig gewesen mit der römischen Kirche.
Folglich waren da zwei aneinander gebunden,weil einer ohne den anderen Probleme gehabt hätte ,seine Stellung lagfristig zu behaupten.

Sonst gibt es in den Quellen KEINEN EINZIGEN Hinweis auf eine Verbindung Königsherhebung Pippins und Italienzug bzw. Hilfestellung für den Papst
In den Quellen vielleicht nicht , aber der Hinweis liegt im zeitlichen Zusammenhang zwischen der Königskrönung Pippins 751, des Vertrages von Ponthion und Quierzy 754 und den Langobardenfeldzügen 754 und 756. Pippin wurde im übrigen sogar zwei Mal gesalbt-einmal vom päpstlichen Legaten Bonifatios 751 und einmal von Papst Stephan II im Jahre 754 in St.Denis. Damals wurde ihm übrigens auch der Titel "Patricius romanorum" verliehen. Also einen deutlicheren Hinweis auf einen Zusammenhang gibt es doch garnicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
@imperator

Also ich glaube,da gehst Du zu wenig quellenkritisch an die Sache ran.Zwischen äußerer Darstellung und den tatsächlichen Beweggründen besteht in der Politik seit jeher ein gewaltiger Unterschied.Das zieht sich von den Pharaonen(Schlacht von Kadesh)bis heute (Wachstumsbeschleunigungsgesetz :D)) Auch offiziellen und offiziösen Quellen kann man nicht blindlings glauben,sondern sollte sie kritisch hinterfragen, insbesondere wenn es um die Erforschung innerer Beweggründe geht.
Die Frage "Wem nützt es ?" sollte man dabei nie aus dem Auge verlieren.

Da fängt es schon an... von offiziösen oder gar offiziellen Quellen kann man bei den mittelalterlichen Historiographien keineswegs sprechen. Die "causa scribendi", also weshalb ein Werk geschrieben wurde (ich empfehle an dieser Stelle den gleichnamigen Aufsatz von Gerd Althoff), ist häufig auch aus unserer Sicht weitestgehend banal. Häufig war der Sinn und Zweck des Geschrieben z. B. nichts Anderes als den aktuellen Herrscher an die Rechte des Klosters, aus dem der Autor stammte, zu erinnern - indem in einem größeren Zusammenhang die Rechtsverleihung durch den Vorgänger beschrieben wurde (z. B. Mathildenviten) oder auch ein Rechtsbruch (z. B. Otto von Freisings Gesta Friderici) oder banal an die Tugenden der Vorfahren zu erinnern. Eher hat man von einem Gegensatz Quelle - Herrscher auszugehen als davon, dass die Quellen Herrscherpropaganda verbreiten würden. Die Frage, die man an Quellen stellen sollte, ist weniger "Wem nützt es", sondern, "Wer ist das Publikum"? Du darfst nicht vergessen, dass es ein hintergründiges, abstraktes Publikum wie heutzutage im Mittelalter gar nicht gab, das durch irgendwelche Propaganda manipuliert werden sollte, zumal historiographische Quellen im Mittelalter nicht sehr häufig und von nicht sehr vielen gelesen worden sind; da waren die Bücher der Bibel und der Kirchenväter doch deutlich beliebter.
Und ja: Quellenkritik muss sein. Allerdings heißt Quellenkritik nicht, dass man die Angaben der Quellen durch eigene Interpretationen ersetzen sollte.

Dafür hätte ich dann doch mal gerne Belege.Die Quellenlage ist dafür wohl etwas dürftig um das so schlankweg behaupten zu können

Kann ich dir ad hoc nicht liefern, tut mir leid. Aber ich schau mal, was sich da tun lässt. Aber du kannst in jedem Fall in seine Urkunden schauen. In denen wird er sich sicher als "gut" und "gläubig" darstellen (was auch sonst? Als "schlecht" oder "heidnisch"). Übrigens handelt es sich bei Urkunden schon eher um offiziöse, propagandistische Quellen.

Was denn sonst ?? . Natürlich war es das Bestreben eines Herrschers in instabilen Zeiten seine Stellung um jeden Preis zu behaupten.Sonst hätte er gleich abdanken können.bzw. garnicht erst anzutreten brauchen.Und die Legitimation gehörte dazu.

Meines Erachtens war seine Lage aber nicht instabil, sondern er hatte die Großen auf seine Seite. Nochmal: Man wird nur König, indem man den Konsens der Großen zustande gebracht hat! Und nicht umgekehrt. Man wird nicht einfach so König und versucht dann die Zustimmung der Großen zu erreichen, indem man den Papst auf seine Seite zieht. Mal ehrlich: Diese Vorstellung ist doch einfach nur absurd.

Nun ja,nur weil in offiziellen Quellen nicht davon die Rede ist,heißt das nicht,daß keine machtpolitischen Beweggründe vorlagen.

Da könnte was dran sein. Dennoch braucht man keine wilden Spekulationen hineininterpretieren.

Ich halte die angesprochenen Interpretation der Karl-Heiligsprechung nach wie vor für richtig, selbst wenn ein Biograph einer noch nicht erschienenen Biographie das möglicherweise anders beurteilen wird.;) :D

Ich habe bloß einen Literaturtipp abgegeben, der meine Ansichten untermauern sollte. Tut mir leid, aber die Polemik kannst du dir sparen.

Die von dir geschmähten modernen Historiker haben haben eben auch die Frage "Wem nützt es ?" in den Vordergrund gestellt, um die Motivation für politisches Handeln zu ergründen. Und das ist m.E. nicht nur legitim sondern auch realitätsbezogen.
Die von Dir aufgeführten Motive mögen nebenbei auch zum Tragen gekommen sein,haben aber selten die Hauptrolle gespielt.

Ich schmähe niemanden. Ich sage nur, dass Interpretationen moderner Historiker häufig an den Quellen weit vorbei gehen. Und realitätsbezogen sind ihre Interpretationen nur insofern, als dass sie unsere Realität und unsere Mentalität, nicht aber diejenige des Mittelalters (die etwas anders war) wiederspiegelt. Die von mir aufgeführten Motive stehen aber in den Quellen - und diese sind nun einmal realitätsbezogener, da sie der vergangenen Realität entstammen.

Das bleibt Dir unbenommen,allerdings solltest auch du Dir die Frage nach der Realitätsbezogenheit Deiner Beurteilung stellen.;)

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ganz einfach deshalb,weil dem katholischen,fränkischen Hausmeier alle anderen Quellen einer sakralen Legitimation verwehrt waren. Von Byzanz hätte er sie nicht bekommen,von Bagdad oder Cordo konnte er sie nicht bekommen.Und da der Papst auf Hilfe angewiesen war, konnte er sie ihm auch schlecht versagen., sonst wäre es das langfristig gewesen mit der römischen Kirche.
Folglich waren da zwei aneinander gebunden,weil einer ohne den anderen Probleme gehabt hätte ,seine Stellung lagfristig zu behaupten.

Zum x-ten Male: Wozu benötigte ein fränkischer König eine "sakrale Legitimation"?! Ein Sakralkönigtum hat es wohl weder unter Merowingern noch unter Karolingern gegeben, auch hierbei handelt es sich bloß um eine moderne Konstruktion. Ich wiederhole: Um König zu werden, benötigte man den Konsens der Großen. Oder um es mal ganz schematisch zu machen:

Große stimmen Königserhebung zu -> Pippin wird König. Fertig. Weitere Legitimation nicht notwendig.

NICHT:

Pippin wird ohne Willen der Großen König (warum oder wie bleibt offen) -> Pippin benötigt eine Legitimation, da mit seinem Königtum ja keiner einverstanden ist, am besten eine sakrale Legitimation (warum auch immer) -> Pippin frägt den Papst, der zustimmt -> Große stimmen zu (als ob sie so viel auf die Meinung des Papstes geben würden)

Es mag sein, dass Pippin durch seine Hilfestellung sein Ansehen stärken wollte bzw. ohne seine Hilfestellung sein Ansehen gelitten hätte; auch ist gut möglich, dass Pippin sich dadurch sein Seelenheil sichern wollte. Beides geschah wohl kaum aus altruistischen Gründen. Altruismus habe ich ihm nie unterstellt.


In den Quellen vielleicht nicht , aber der Hinweis liegt im zeitlichen Zusammenhang zwischen der Königskrönung Pippins 751, des Vertrages von Ponthion und Quierzy 754 und den Langobardenfeldzügen 754 und 756. Pippin wurde im übrigen sogar zwei Mal gesalbt-einmal vom päpstlichen Legaten Bonifatios 751 und einmal von Papst Stephan II im Jahre 754 in St.Denis. Damals wurde ihm übrigens auch der Titel "Patricius romanorum" verliehen. Also einen deutlicheren Hinweis auf einen Zusammenhang gibt es doch garnicht.

Genau das nenne ich eine "Konstruktion". Nur weil manche Ereignisse zeitlich nah beieinander lagen, heißt es nicht, dass sie miteinander zusammenhingen. Und darüber hinaus hat es diese Salbung vermutlich niemals gegeben... aber das nur so nebenbei, es soll sich keiner daran stören.

zu El Quijote: Vielen Dank.
 
@Imperator
Natürlich bestand ein Konsens der führenden Kopfe des Frankenreiches, daß Pippin die Merowinger ablösen sollte.Die Frage ist nur ,wie breit war dieser Konsens wirklich und wie langfristig tragfähig wäre er ohne die päpstliche Bestätigung gewesen.Daß das Kaisertum selbst in späterer Zeit nicht auf sakrale Momente verzichten konnte zeigen allerdings solche Sachen wie die heilige Lanze als Reichskleinod und die fortgesetzten Romzüge zwecks Krönung.Und selbst wenn es die Salbungen nicht gegeben haben sollte,die Verträge gab es und da ist der zeitliche Zusammenhang m.E. nicht zufällig.

Aber ich glaube,selbst wenn wir bis nächstes Jahr noch diskutieren werden wir über die Beurteilung dieser Frage nie Einigkeit erzielen,einfach weil wir von entgegengesetzten Standpunkten ausgehen, wobei mich der Deinige ebensowenig überzeugt wie Dich vermutlich der Meinige.

Die Pro- und Contra-Argumente zu den jeweiligen Positionen haben wir ausgetauscht, ohne zu einer Einigung gekommen zu sein und fragen können wir den guten Pippin leider nicht mehr .
Und da Du die Sache offenbar langsam persönlich nimmst auf (noch)nicht existente Bücher verweist und mit sowjetischen Symbolen um Dich wirfst ;)würde ich sagen : "Lassen wir es also dabei bewenden."
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich nehme nichts persönlich, noch nicht mal deine Polemik (falls du überhaupt meine Polemikkritik meinst), die ich in einer Diskussion schlichtweg für unangebracht halte. Falls ich einen solchen Eindruck erweckt haben sollte, dann entschuldige ich mich.

Was die Biographie angeht, sie stammt von Knut Görich, einem führenden Mediävisten. Sie ist zwar noch nicht erschienen, aber merke sie dir einfach mal.

Ansonsten kann ich deinem Beitrag nur beipflichten. "Belassen wir es dabei."
 
Huch, hier geht es ja ab. ;) Das vorneweg: Ich kann beide Positionen, die hier vertreten werden, nachvollziehen.

Die richtige und falsche Herangehensweise an Quellen ist ja gerade in den letzten 15 Jahren immer wieder Grund für massive Streitigkeiten gewesen. Eine Musterlösung hat noch niemand gefunden und Trends gibt es in der Geschichtswissenschaft en masse. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass man sich zwar die Herangehensweisen eines Gerd Althoff oder Johannes Fried (unser Fähnchen im Winde :winke: ) zu Gemüte führen kann und sie verwursten darf, aber letztendlich sollte jeder Historiker nach Gefühl entscheiden, seine Methodik offenlegen und durch Argumente aus dem Gesamtkontext zu überzeugen versuchen.

Ich beziehe mich jetzt auf den ersten Post von EQ in diesem Pfad, wo er die Stelle aus den Lorscher Annalen bringt.

Imperator hat eine der wichtigsten Fragen zur Herangehensweise bereits gebracht: "Wer ist das Publikum?"

Bei den Reichsannalen handelt es sich um etwas "offizielles". Sie wurden post ex geschaffen und deshalb ist die Stelle über Zararias und Pippin auch von dieser Warte aus zu betrachten. Wer die Reichsannalen kennt, weiß, dass die Schilderung im Vergleich zu anderen Ereignissen in der Mitte des 8. Jahrhunderts recht ausführlich ist. Klar, es ist ein bedeutsames Ereignis. Zweifellos war es das auch schon 750. Doch zur Zeit der Niederschrift versuchte man, diese Begebenheit auch gehörig zu instrumentalisieren; deshalb das pushen und mit Sicherheit auch verdrehen.

Über die Beweggründe Pippins zu spekulieren ist mühsam und ob es tatsächlich zu einem Ergebnis führen kann, bezweifle ich. Noch schwammiger wird es, wenn man versucht, ihm Charaktereigenschaften aufzudrücken; also dass er "machtgeil" war oder "altruistisch". Ich glaube es Imperator aufs Wort, dass er in Urkunden als "gütig" etc. bezeichnet wird, aber das ist ja die Regel. Selbst bei auf den ersten Blick zwielichtigen Gestalten wie Arnulf den Bösen (wurde glücklicherweise von der Geschichtswissenschaft der letzten Jahre wieder ein wenig rein gewaschen) finden sich solche Zuweisungen. Wenn überhaupt vage Aussagen über den Charakter getroffen werden können, so kann man das nach meinem Empfinden nicht durch einzelne Quellenstellen begründen, sondern muss den Gesamtkontext betrachten, den wir wiederum aus Quellen gewinnen.

Hehe, es beginnt sich zu drehen: Erneute Quellenkritik durch diverse Historiker mit feinen Vorlieben, Vergleich auf breiterer Basis, was ja gerade in der von uns anvisierten Zeit dennoch überschaubar ist, verschiedene Interpretationen durch unterschiedliche Gewichtung der Fragen. Ein ewiger circulus vitiosus - aber wir haben es so gewollt, indem wir uns entschieden haben, Historiker zu werden.


In diesem Sinne: Das war mein Wort zum Freitag, ich wünsche ein schönes Wochenende!
 
Zuletzt bearbeitet:
Na ja, irgendwelche germanischen Gesetze und Rechte sind auch nichts anderes als moderne Rekonstruktionen germanophiler Historiker. Mit der mittelalterlichen Realität hat das wenig zu tun. Einen festen Unterschied zwischen germanischem und römischem Recht hat es nicht gegeben, da ersteres von letzterem auch sehr stark beeinflusst war. Die frühesten "germanischen" Gesetze stammen eh aus der Zeit Karls des Großen. Was davor "germanisches Recht" war, ob es so etwas überhaupt gegeben hat, wissen wir nicht...

Das ist definitiv falsch.
Bereits lange vor Karl dem Großen gab es bei den Franken die zw. 507-511 von König Chlodwig I. erlassene "Lex Salica" für alle im salfränkischen Herrschaftsgebiet lebenden Franken und anderen Germanen galt und noch keine christlichen Einflüsse aufwies. Sie war althergebrachtes fränkisches Recht und gibt uns somit einen guten Einblick in die vorchristliche germanische Rechtsprechung.
Für die Gallo-Römische Bevölkreung galt dagenen weiterhin römisches Recht.

Eine ganz ähnliche Unterscheidung zwischen den Bevölkerungsgruppen wurde auch im Westgotenreich vorgenommen, um nur ein weiteres Beispiel zu nennnen. Hier wurden ebenfalls für die Bevölkerungsgruppen getrennte Gesetzeswerke geschaffen:
König Eurich schuf im Jahre 476 den "Codex Eurcianus", der nur auf die westgotische Bevölkerung anwendbar war, während für die römische Bevölkerung weiterhin römisches Recht galt. Erst die "Lex Romana Visigothorum" aus dem Jahre 506 war ein Gesetzeswerk, das für beide Bevölkerungsgruppen im Westgotenreich galt.
Ergo: Es muß sehr wohl große Unterschiede in der Rechtssprechung zwischen Römern und Germanen gegeben haben, die sich auch in den frühen Gesetzeswerken der germanischen Königreiche manifestierten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Richtig, die Westgoten und Chlodwig I. haben bereits vor Karl dem Großen "germanische" Rechtstexte verfasst. Der Rest deines Beitrags ist falsch. Sie geben keinerlei Einblick in die vorchristliche Rechtssprechung, da wir von der vorchristlichen Rechtssprechung keine schriftlichen Dokumente überliefert haben und alle germanischen Rechtstexte aus einer Zeit stammen, als die jeweiligen Stämme/Völker bereits christianisiert waren bzw. als bereits ein breiterer kultureller Austausch zwischen Romanen und Germanen losgegangen ist; es bleibt dabei, dass wir von der Rechtsprechung der heidnischen Germanen keine Ahnung haben. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen Rechtstexten um normative Texte handelt, die beschreiben, wie etwas hätte sein müssen - ohne dass wir wüssten, wie tatsächlich Recht gesprochen wurde. Inwiewit die von Chlodwig veranlasste Lex Salica Einfluss auf die Rechtssprechung unter den Franken hatte, wissen wir nicht. Dass ein Karl der Große sich aber dazu veranlasst sah, erneute germanische Rechtsaufzeichnungen durchführen zu lassen und Kapitularien als weitere Gesetzestexte veröffentlicht hat, zeugt nicht gerade davon, dass in der Zeit davor die Lex Salica irgendwen gejuckt hätte. Zumal es keine reichsweiten Abschriften der Lex Salica gegeben hat - und keine alphabetisierte Bevölkerung, die diese hätte benutzen können. Die Grafen, die in den meisten Fällen auch Recht sprachen, waren Analphabeten, konnten die Lex Salica also gar nicht lesen.

Und zu den Westgoten: Dass für beide Völker unterschiedliche Rechte aufgezeichnet worden sind, ist sicher auf eine gewisse Differenz in ihrem Rechtsprechung zurückzuführen, was aber zum einen nicht heißt, dass das germanische Recht nicht auch vom römischen beeinflusst worden wäre (v. a. nicht zur Zeit Eurichs, als die Westgoten bereits Jahrezehnte in Spanien und Gallien wohnten) und zum anderen nicht ausschließlich auf die unterschiedliche Rechtsprechung zurückzuführen ist, sondern auch auf den Willen der gotischen Könige, die arianischen Goten und katholischen Römer getrennt zu halten (was sich aber auf Dauer nicht durchsetzte).

Zusammenfassung: Große Unterschiede zwischen "germanischem" und römischem Recht gab es nicht, da es gegenseitige Beeinflussungen gab. Eine genuin germanische Tradition gab es auch nicht. Und wie das "germanische Recht" vor den uns erhaltenen Rechtsaufzeichnungen ausgesehen hat, wissen wir nicht. Welchen Einfluss die uns bekannten Aufzeichnungen auf die Bevölkerung hatten, wissen wir ebensowenig. Darum bin ich der Auffassung, man sollte nicht von germanischen Gesetzen und Rechten in dem Sinne sprechen, dass sie irgendeine einheitliche, strenge germanische Rechtsauffassung darstellen würden, die sich von der römischen in allen Teilen abgrenzen lassen würde.
 
Richtig, die Westgoten und Chlodwig I. haben bereits vor Karl dem Großen "germanische" Rechtstexte verfasst. Der Rest deines Beitrags ist falsch. Sie geben keinerlei Einblick in die vorchristliche Rechtssprechung, da wir von der vorchristlichen Rechtssprechung keine schriftlichen Dokumente überliefert haben und alle germanischen Rechtstexte aus einer Zeit stammen, als die jeweiligen Stämme/Völker bereits christianisiert waren bzw. als bereits ein breiterer kultureller Austausch zwischen Romanen und Germanen losgegangen ist; es bleibt dabei, dass wir von der Rechtsprechung der heidnischen Germanen keine Ahnung haben. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen Rechtstexten um normative Texte handelt, die beschreiben, wie etwas hätte sein müssen - ohne dass wir wüssten, wie tatsächlich Recht gesprochen wurde. Inwiewit die von Chlodwig veranlasste Lex Salica Einfluss auf die Rechtssprechung unter den Franken hatte, wissen wir nicht...
...Zumal es keine reichsweiten Abschriften der Lex Salica gegeben hat - und keine alphabetisierte Bevölkerung, die diese hätte benutzen können. Die Grafen, die in den meisten Fällen auch Recht sprachen, waren Analphabeten, konnten die Lex Salica also gar nicht lesen...
Also entgegen deiner Auffassung, würde ich davon ausgehen, daß ein königlicher Erlaß - zumal von einem so mächtigen Herrscher wie König Chlodwig - in dem von ihm vorgesehenen Geltungsbereich auch umgesetzt wurde. Und dieser Geltungsbereich war in der Hauptsache das Gebiet der Salfranken, also sowohl die Salfranken selbst, als auch alle übrigen Germanen, die nach fränkischem Recht lebten. Dies war am Ende der Regierungszeit Chlodwigs ein relativ kleiner Teil des Reiches, da sich das Reich von seinem Kerngebiet aus sehr stark ausgedehnt hatte. Für alle übrigen Regionen - die von Chlodwig unterworfenen Stämme und Regionen - fand die Lex Salica keine Anwendung. Dominierendes Rechtssubjekt war der freie Franke, der in den Ausführungen klar von halb- und unfreien Bevölkerungsteilen abgehoben wurde.
Laut der allgemeinen Auffassung der Historiker weist die Lex Salica keinerlei christliche Einflüsse auf. (Wobei man in einem Extra-Pfad durchaus auch einmal die Unterschiede herausarbeiten könnte, die es in den Rechtssprechungen gab. Das fände ich wirklich mal ganz interessant. ;) )
Fest steht aber auch, daß die Lex Salica eine Gesetzessammlung war, die an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepaßt war - also auch nicht nur eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Normen. So kann man also z. B. annehmen, daß das sehr ausführlich aufglistete "Wergeld" die Blutrache ersetzen sollte.

Dass ein Karl der Große sich aber dazu veranlasst sah, erneute germanische Rechtsaufzeichnungen durchführen zu lassen und Kapitularien als weitere Gesetzestexte veröffentlicht hat, zeugt nicht gerade davon, dass in der Zeit davor die Lex Salica irgendwen gejuckt hätte...
Nein, bei Karl dem Großen war das etwas ganz anderes. Er versuchte, die Normen in seinem Reich so weit es ging zu vereiheitlichen, was nicht immer gelang. Zu groß waren oft die Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen zu seiner Zeit noch immer.

Und zu den Westgoten: Dass für beide Völker unterschiedliche Rechte aufgezeichnet worden sind, ist sicher auf eine gewisse Differenz in ihrem Rechtsprechung zurückzuführen, was aber zum einen nicht heißt, dass das germanische Recht nicht auch vom römischen beeinflusst worden wäre (v. a. nicht zur Zeit Eurichs, als die Westgoten bereits Jahrezehnte in Spanien und Gallien wohnten) und zum anderen nicht ausschließlich auf die unterschiedliche Rechtsprechung zurückzuführen ist, sondern auch auf den Willen der gotischen Könige, die arianischen Goten und katholischen Römer getrennt zu halten (was sich aber auf Dauer nicht durchsetzte).
Die Unterschiede müssen einfach zu Eurichs Zeit noch so groß gewesen sein, daß eine getrennte Rechtsspechnug unumgänglich war. Ist ja auch ganz klar: Die gesellschaftliche Entwicklung eines Volkes ist immer ein allmäliger Vorgang, der allerdings durch äußere Einflüsse beschleunigt werden kann. Bei Stämmen wie den Westgoten war das mit Sicherheit die Umgebung, in die sie einwanderten. Hier hatte die ansässige Gesellschaft einen Entwicklungsvorsprung, der von den Westgoten erst aufgeholt werden mußte. Eine solche Entwicklung dauert jedoch oft Jahrzehnte, wenn nicht sogar ein ganzes Jahrhundert.

Zusammenfassung: Große Unterschiede zwischen "germanischem" und römischem Recht gab es nicht, da es gegenseitige Beeinflussungen gab. Eine genuin germanische Tradition gab es auch nicht. Und wie das "germanische Recht" vor den uns erhaltenen Rechtsaufzeichnungen ausgesehen hat, wissen wir nicht. Welchen Einfluss die uns bekannten Aufzeichnungen auf die Bevölkerung hatten, wissen wir ebensowenig. Darum bin ich der Auffassung, man sollte nicht von germanischen Gesetzen und Rechten in dem Sinne sprechen, dass sie irgendeine einheitliche, strenge germanische Rechtsauffassung darstellen würden, die sich von der römischen in allen Teilen abgrenzen lassen würde.

Und eben das glaube ich noch immer nicht, zumal in meinen Büchern etwas anders steht.
Deshalb mache ich mit deiner Erlaubis daraus nun ein eigenes Thema.
siehe hier: http://www.geschichtsforum.de/f35/u...-mischem-recht-um-500-n-chr-31478/#post473296
;)
 
Ich antworte mal hier statt in dem anderen, von dir eröffneten Thread, weil du hier einige Dinge gesagt hast, die in deinem anderen Post nicht stehen. Also los:

Um welche Bücher handelt es sich denn genau, wenn ich fragen darf?

Eine wirksame Möglichkeit, die Lex Salica umzusetzen hat es auch unter einem "so mächtigen Herrscher wie Chlodwig" nicht gegeben. Wenn wir das Fränkische Reich, v. a. das Gebiet der von dir genannten Salfranken betrachten, so sehen wir ein Reich mit einer relativ schwach ausgeprägten Verwaltung. Bereits im administrativ deutlich durchdrungenerem Römischen Reich konnten Recht und Ordnung nicht immer gewährleistet werden, da Möglichkeiten der Exekutive wie auch ein Gewaltmonopol vollständig fehlten - und im nördlichen Teil Galliens im 5./6. Jahrhundert wird man da erst recht nicht davon ausgehen dürfen, dass es wirklich wirksame Mittel zur Durchsetzung gegeben hat. Und noch einmal: Die größten Teile der Bevölkerung wie auch der Verwaltung bestanden aus Analphabeten, konnten also die Lex Salica gar nicht benutzen. Rechtsprecung funktionierte in der Zeit hauptsächlich über Rechtsgewohnheiten und dem, was Zeitgenossen als das "althergekommene Recht" bezeichnet haben - was aber durch die nahezu ausschließliche orale Tradierung allerdings auch stark dehnbar war. Die Lex Salica bildet so gesehen auch nur eine kurze Episode aus der Entwicklung des "fränkischen Rechts" ab, womöglich mit einigen Neuerungen des Königs versehen wie mit dem von dir erwähnten Wergeld.
Und bei Karl den Großen war es eben deshalb wenig anderes als dass er die Missstände, die in Verwaltung und Rechtsprechung zu seiner Zeit grassierten, aufheben wollte - Missstände, die auch schon unter den Merowingern (wenn vielleicht auch nicht in so krasser Form) existiert haben könnten. Selbstverständlich ging es auch um Vereinheitlichung des Rechts, aber genau darin bestand doch der Anspruch der Lex Salica: Ein für die Franken einheitliches Recht zu bilden. Das aber zur Zeit Karls des Großen schlichtweg nicht existierte.
Wie ebenfalls abermals gesagt: Die Lex Salica erhebt den Anspruch, geltendes Recht zu sein. Ob es das aber wirklich wahr ist schwer bis gar nicht zu sagen. Darüber streiten sich die Forscher noch heute.

Kein christlicher Einfluss im germanischen Recht? Christliche Einflüsse im römischen Recht sind für viele Jahrhunderte auch sehr schwer auffindbar. Das, was wir meist als römisches Recht bezeichnen, das Corpus Iuris Civilis von Kaiser Justinian I., besteht zu einem großen Teil auch aus Rechtstexten vor der Zeit der Christianisierung. Hinzu kommt noch das Edictum perpetuum Kaiser Hadrians, das die Rechtstexte bis zu seiner Zeit gesammelt hat (ähnlich dem Codex Justinianus) und das wohl auch fernab irgendwelchen christlichen Einflusses erstellt worden sein dürfte.
Nun gut, wir sprechen von einer Zeit, als das römische Reich bereits mehr oder weniger christianisiert war. Trotzdem lebten auch da noch sehr viele Heiden. Wie groß der christliche Einfluss auf das römische Recht zu der Zeit war, weiß ich nicht. Muss aber nicht unbedingt allzu groß gewesen sein.

Zu den Westgoten: Kann sein, muss aber nicht. Die Unterschiede könnten relativ klein gewesen sein, es bestand aber in der gotischen, arianischen Führungsschichte in unbedingter Wille, sich von den katholischen Romanen abzugrenzen. Aber woraus explizit Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechten bestanden, weiß ich schlichtweg nicht.
 
Ich sehe es nicht ganz so wie Imperator, auch wenn ich ihm im wesentlichen Recht geben muss. Aber Priester, also Leute, welche die Gesetzestexte lesen konnten gab es und nicht wenige aus der gallorömischen Senatorenschicht waren Bischöfe. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Frankenreich und den anderen germanischen Königreichen auf römischem Boden war ja der, dass sich die Franken des gallo-romanischen Adels bedienten. Es ist also durchaus plausibel, dass die Lex Salica, die Lex Ripuaria etc. auch durchgesetzt wurden. Bis hin zum Karl vergingen aber 300 Jahre, die vom Niedergang der merowingischen Dynastei und dem Aufstieg des karolingischen Geschlechts geprägt sind.
 
Na, da glaube ich verlierst Du dich zu sehr in Spekulation und unterstellst dem guten Pippin doch etwas zu viel Altruismus.Das war kein guter, gläubiger und hilfsbereiter König,sozusagen ein Gutmensch mit Krone.Genausowenig wie die meisten seiner Vorgänger und Nachfolger.
Aber Spekulationen gehören doch so oder so (ohne jetzt in dieser Materie drin zu sein) in die Überlegungen über vergangene Außenpolitik, welche mit der Innenpolitik tief verknüpft sind, untrennbar dazu.

Der Thread ist großartig, gerade was Imperator sagt, weil das den Geist anregt.:yes:
Das verlockt richtig, sich mit diesen komplexen, gegenseitigen Verhältnissen zu beschäftigen.
 
Ich sehe es nicht ganz so wie Imperator, auch wenn ich ihm im wesentlichen Recht geben muss. Aber Priester, also Leute, welche die Gesetzestexte lesen konnten gab es und nicht wenige aus der gallorömischen Senatorenschicht waren Bischöfe. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Frankenreich und den anderen germanischen Königreichen auf römischem Boden war ja der, dass sich die Franken des gallo-romanischen Adels bedienten. Es ist also durchaus plausibel, dass die Lex Salica, die Lex Ripuaria etc. auch durchgesetzt wurden. Bis hin zum Karl vergingen aber 300 Jahre, die vom Niedergang der merowingischen Dynastei und dem Aufstieg des karolingischen Geschlechts geprägt sind.

Alles richtig, aber für den gallo-römischen Senatorenadel gab es ja das römische Recht. Die Lex Salica haben sie nie benötigt. Außerdem saß die Senatorenschicht eher im südlichen Gallien, das von den Franken v. a. zur Zeit Chlodwigs (der das Gebiet ja erst 507 nach der Schlacht bei Vouille eroberte) nicht sonderlich durchdrungen war. Die Macht der Franken erstreckte sich hauptsächlich über das nördliche Gallien - wo es weder eine funktionierende Verwaltung noch einen lebendige gallorömischen Senatorenadel gegeben hat.
 
...Nun gut, wir sprechen von einer Zeit, als das römische Reich bereits mehr oder weniger christianisiert war. Trotzdem lebten auch da noch sehr viele Heiden. Wie groß der christliche Einfluss auf das römische Recht zu der Zeit war, weiß ich nicht. Muss aber nicht unbedingt allzu groß gewesen sein...
Kaiser Konstantin I. erkannte als erster, daß es keinen Sinn hatte, Christenverfolgungen durchzuführen, sondern daß man sich auch der Christlichen Kirche als Machtstütze bedienen kann. Er erhob im Jahre 313 die bis dahin starker Verfolgung ausgesetzte Religion zur gleichberechtigten Religion im Reich - neben den alten Göttern. Das Christentum hatte sich nämlich seit 300 Jahren unaufhaltsam gerade in den unteren Schichten der Bevölkerung ausgebreitet.
Seit der Einführung des Christentums als alleinige Staatsreligion im Römischen Reich in den Jahren zwischen 380-392 hat die Kirche weitreichende Verwaltungsaufgaben übernommen. In diesen Jahren gab es auch einen wahren Tempelsturm, in dem viele Zeugnisse des vorchristlichen Glaubens zerstört wurden. Die Ausübung des alten Glauben war seit dem verboten. Diese Maßnahmen waren aber kein Akt der Willkür des Kaisers, sondern wurde auch vom Volk gfordert.
Ich würde also sagen, daß bereits in dieser Zeit die Christianisierung des Reiches schon sehr weit fortgeschritten war.

Chlodwig erkannte genau wie Konstantin I., daß die christliche Kirche, in den eroberten, ehemals römischen Teilen seines Reiches auf Grund ihres großen Einflusses im Volk eine wichtige Stütze seiner Macht in diesen Gebieten sein konnte, wenn er sich mit ihr arrangierte. Dies tat er dann auch, indem er sich katholisch Taufen ließ.
Er förderte die Christianisierung im übrigen Frankenreich, verbot den alten Glauben aber nicht. Die Christianisierung des Frankenreiches nahm dann mindestens noch das ganze 6. Jh., in einigen Gebieten des Reiches auch noch das 7. Jh. in Anspruch. Diese Nichtchristen konnte man nicht den Gesetzen und der Verwaltung der Christliche Kirche unterwerfen - das konnte nicht gelingen, solange der alte Glaube nicht verboten war. Also mußte eine Gesetzgebung her, die sich an den alten Traditionen orientierte. und das war die Lex Salica.
 
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