Vlt. waren die Drususfeldzüge zunächst als Rachefeldzüge geplant und nun war man zu der Ansicht gekommen, dass die kriegerischen Germanen solange keine Ruhe geben werden, bis ihre Heimat direkt unter römischer Kontrolle steht.
Vlt. waren die Drususfeldzüge als Rachefeldzüge geplant und Augustus hat Tiberius im Zorn neue Order in der res germania gegeben, als er von dem Tod des Drusus hörte.
Vlt. kann ich es einfach nicht einsehen und direkt nach clades lollia wurde beschlossen Germanien zu erobern.
qua iam dixi, nunquam exactum id sciemus
All das ist denkbar und all das gilt in ähnlicher Weise für uns alle. Wir diskutieren ja nur
.
Dass die Lollius-Niederlage einen Wendepunkt in der römischen Germanien-Politik markierte, glaube ich auch. Sie war militärisch eigentlich nicht schwerwiegend, hat in der römischen Literatur aber ungewöhnlichen Niederschlag gefunden. Die Römer haben ihr offensichtlich erhebliche Bedeutung beigemessen. Dabei hat sicher der Umstand mitgespielt, dass es sich nicht um die erste Feindseligkeit von Seiten der Sugambrer handelte. Mit denen war ja schon Julius Caesar, der "eigentliche Vater" des Augustus, mehrfach aneinandergerasselt. Demnach dürfte die clades lolliana der sprichwörtliche Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Für unwahrscheinlich halte ich die Deutung, dass der Tod des Drusus eine Trendwende eingeläutet hätte. Das würde nämlich bedeuten, dass Tiberius in nur zwei Jahren weit mehr erreicht hätte als Drusus in knapp zehn Jahren zuvor.
Betrachten wir mal die Zeitachse:
- Der Mann, der Germanien zum Feindesland erklärt hat, war Julius Caesar (um 50 v.Chr.). Eben jener Julius Caesar war der Ziehvater und das große Vorbild von Augustus. Was hat Caesar ausgezeichnet? Die Tatsache, dass er dem Reich neue Gebiete hinzugefügt, die Germanen zum Feind erklärt und die ersten Vorstöße in ihr Land unternommen hat. Meiner Meinung nach hat Augustus "seine" Germanienpolitik als "Vermächtnis" betrachtet, das Caesar ihm hinterlassen hat.
- Augustus ist 31 v.Chr. zum römischen Alleinherrscher aufgestiegen. Er hat daraufhin eine Neuordnung der Provinzen vorgenommen, die mit einer Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Senat und dem Princeps verbunden war. Demnach unterstanden die "äußeren" Provinzen und die Außenpolitik dem Augustus. Er allein hat dort die Linien der Politik bestimmt.
- Die "clades lolliana" wird auf 17 oder 16 v.Chr. datiert. Zu dem Zeitpunkt ist schon eine römische "Präsenz" in germanischem Gebiet nachweisbar. Die Erhebung der Sugambrer, Tenkterer und Usipeter (genau die, mit denen sich schon Caesar rumgeschlagen hat) begann nämlich damit, dass sie alle Römer, die sich in ihrem Gebiet aufhielten, gekreuzigt haben. Eine römische Hinrichtungsmethode für Verbrecher. Das muss Gründe gehabt haben.
- Dieses Ereignis war für Augustus wichtig genug, selbst nach Gallien zu reisen und die Aufsicht über die Legionen zu übernehmen (von "Kommando" kann man vermutlich nicht sprechen). Die Sugambrer wiederum haben das Auftauchen des Augustus wichtig genug gefunden, sofort Frieden anzubieten und den erbeuteten Legionsadler zurückzugeben.
- Danach ist Drusus in die Offensive gegangen und hat feste Lager unter anderem an der Lippe und in der Wetterau errichtet, also entlang wichtiger "Einfallstraßen" nach Germanien. Feste Lager: das heißt dauerhaft belegte Lager. Die Römer sind tatsächlich gekommen, um zu bleiben. Berichte von Expeditionen bis an die Elbe deuten darauf hin, dass von den festen Standorten aus häufig Kriegszüge gegen germanische Stämme unternommen wurden. Sieben, acht Jahre lang. Ziemlich heftig für einen Rachefeldzug. Danach waren die Sugambrer nicht mehr existent (wenngleich Wolters mutmaßt, dass es sich bei den Marsern um den in Germanien verbliebenen Reststamm der Sugambrer handelte).
- 9 v.Chr. stirbt Drusus, sein Bruder Tiberius übernimmt das Kommando, zwei Jahre später dann Triumphzug, Janustempel, Stadterweiterung (siehe oben) und der Beginn des Aufbaus auch ziviler römischer Strukturen in Germanien (Haltern und Waldgirmes).
- Rückschau: Sueton lässt in seiner Augustus-Biografie den Princeps sagen, dass er nur eine Niederlage erlitten habe (Varus). In seiner res gestae sagt Augustus selbst (?), er habe das Reich bis an die Nordsee und die Elbe ausgeweitet. Krieg und Eroberungen waren für ihn also Maßstäbe seines Erfolgs.
Mein Urteil: Die Zielvorgabe, Germanien in das römische Reich einzugliedern, ist schon ziemlich früh aufgestellt worden. Vermutlich schon vor der Lollius-Niederlage.
Aber ich spekuliere natürlich auch nur rum.
MfG