Die Bedeutung der Varusniederlage

franzi.

Neues Mitglied
Hallo, ich wollte mal fragen welche Bedeutung die Niederlage der Römer bei der Varusschlacht hatte. Für germanien spielte sie zweifellos eine große Rolle, aber für das römische Reich?
liebe Grüße :)
 
Für die Römer spielte sie ebenfalls eine große Rolle. Die Römer hatten danach deutlich mehr Respekt vor den Germanen und betrachteten sie zwar immer noch als "Barbaren" jedoch fürchteten sie diese gleichzeitig. Auch kann ich mir gut vorstellen das die Niederlage ein harter Schlag für das römische Militär war, weil dieses ja sonst fast nur Siege errungen hatte und nun vernichtend geschlagen wurde.
 
Bei der Bedeutung der Varus-Niederlage für das Römische Reich müßte man unterscheiden, welches der Zeithorizont war.

Kurzfristig (damit meine ich die ersten Jahre nach der Niederlage) bestand möglicherweise die Gefahr, daß vereinigte germanische Stämme in die römischen, linksrheinischen Gebiete einfallen oder sogar in das römische Gallien oder in das italische Mutterland. Wie real die Gefahr war, die diese Niederlage an der Peripherie des Reiches mit sich brachte, ist allerdings heute schwer zu beurteilen. Nach der Niederlage wurden ja eiligst neue Legionen aus den Boden gestampft. Es war ja erst gute 100 Jahre her, daß der "Furor Teutonicus" (Kimbern und Teutonen) die Römer in Schrecken versetzt hat.

Zumal ja auch historische Fragestellungen der Art "Was wäre gewesen, wenn..." sehr spekulativ sind.

Mittelfristig wurde der Rhein als Grenze zum Barbaricum festgeschrieben und die geplante Expansion zur Elbe wurde aufgehalten. Die Bedeutung für Rom war, daß man nicht über eine Provinz verfügte, die Steuereinnahmen einbrachte und die man ökonomisch ausbeuten konnte, allerdings brauchte man auch keine Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen (z. B. Straßen, Thermen -wichtig im kalten Norddeutschland). Ob da die Provinz im Saldo ein Verlustgeschäft geworden wäre, vermag ich nicht zu beurteilen. Der eine oder andere Römer mag wohl froh gewesen sein, daß er nicht in das kalte, windige und regnerische Germanien mußte (und am Golf von Neapel z. B. sitzenbleiben konnte.)

Langfristig hätte es vielleicht ohne die Varusniederlage keine Völkerwanderung gegeben. Möglicherweise hätte dann das Römische Reich noch länger (bis heute?) Bestand gehabt. Wir hätten möglicherweise einen seit zwei Jahrtausenden geeinten Kontinent, in dem wir eine moderne Version der Lingua Latina sprechen würden....

Aber das ist nun wirklich alles Spekulation.
 
vielen dank schonmal!
Im intenet steht, dass das Germanenproblem mit der Schaffung der Provinzen Germania Inferior ind Germania Superior gelöst wurde.
Was hat es damit auf sich?
 
vielen dank schonmal!
Im intenet steht, dass das Germanenproblem mit der Schaffung der Provinzen Germania Inferior ind Germania Superior gelöst wurde.
Was hat es damit auf sich?

Wo steht denn das im Internet? Was soll das "Germanenproblem" sein?

Wenn man als "Germanenproblem" die Tatsache ansieht, daß man den Völkerschaften jenseits des Rheines nicht die Segnungen des Roman Way of Life (Thermen, öffentliche Sicherheit, Brot & Spiele, Steuerabgaben - vgl. die entsprechende Diskussion in "Das Leben des Brian") beibringen konnte bei gleichzeitigen, aufwendigen und teuren Militäraktionen jenseits des Rheines, dann kann man die Schaffung der beiden Provinzen als Lösung ansehen. Die Lösung des Germanenproblems besteht dann allerdings darin, daß man sich des Problems entledigt nach dem Motto: "Jeder bleibt auf seiner Seite des Rheins." Die Römer saßen am Rhein und tranken ihren Vinum, während die Barbaren auf der anderen Seite ihren Met tranken.

Die Aufgabe der rechtsrheinischen Gebiete fand übrigens nach den Germanicus-Feldzügen (15/ 16 n. Chr.) statt, während die germanischen Provinzen gegen Ende des Ersten Jahrhunderts geschaffen wurden.
 
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Im intenet steht, dass das Germanenproblem mit der Schaffung der Provinzen Germania Inferior ind Germania Superior gelöst wurde.
Was hat es damit auf sich?

"Gelöst" wurde es in dem Sinne nicht.
Die Provinz Germania Inferior lag auf der linken Rheinseite am Niederrhein. Die Provinz Germania Superior lag größtenteils auf der linken Rheinseite am Mittel- und Oberrhein und enthielt über einen Zeitrum von etwa 180 Jahren rechtsrheinische Gebiete von nicht allzu großem Umfang - in etwa entsprachen sie dem heutigen Baden-Württemberg und der Südhälfte Hessens.
Beide Provinzen wurden erst um 90 n. Chr. gegründet. Sie umfassten aber zum größten Teil Gebiete, die zumindest formal schon lange Zeit dem römischen Reich angehörten - nämlich seit der Eroberung Galliens durch Caesar. Dass diese Provinzen "Germania" genannt wurden, könnte man durchaus als kaiserliche Propaganda ansehen. Beide Provinzen lagen in Gebieten, in denen sich keltische und germanische Kultur überlappten - und zumindest in der Provinz "Germania Superior" dürfte das keltische Element sogar überwogen haben.
Wenn die Römer also überhaupt Teile der "Germania" beherrschten, dann nur einen peripheren Randbereich. Bei der Errichtung des Limes und der Provinzen wurde nicht mal versucht, die Chatten als besondere Reichsgegner im 1. Jahrhundert nach Christus zu besiegen und deren Gebiete zu erobern.
Auch später kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit germanischen Völkern - sei es am Schwarzen Meer, sei es an der Donau.
 
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Im intenet steht, dass das Germanenproblem mit der Schaffung der Provinzen Germania Inferior ind Germania Superior gelöst wurde.
Was hat es damit auf sich?

Das halte ich eher für ein Gerücht, das nach Gründung der Provinzen Ober- und Unter-Germannien Ruhe im Karton war. An der Rheingrenze und auch am Raetischen Limes waren immer viele Legionen stationiert. Weil Ruhe im Karton war?
Auch nach den Flaviern hatten mehrere Kaiser den Namenszusatz Germanicus. Die Namenszusätze wurden doch erst nach Auseinandersetzungen verliehen und waren meist nicht erblich.
Zum Thema Völkerwanderung. Wann hat sie statt gefunden? Wir kennen nur die Auswirkungen durch Spätantike Schriftsteller und Archäologische Befunde. Was der Auslöser war, wann das die Völkerwanderung begonnen hat und vor allem wo wissen wir nicht. Dazu gibt es soweit ich weiss keine gesicherten Erkenntnisse.

Apvar
 
Zwei Sachen:

Erstens: Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass es gar nicht in Augustus' Sinn war, Germanien als römische Provinz einzurichten, sondern bloß im germanischen Vorhof einigermaßen für Ruhe und Ordnung zu sorgen, damit keine Bedrohung für die Römer besteht. Der Auftrag des Varus war es auch nicht, Germanien zu erobern o. Ä., sondern lediglich das Gebiet Germaniens zu beaufsichtigen. Und bei einer solchen Beaufsichtigungstour ist er eben in einen Hinterhalt gelockt worden... ergo: Womöglich kann man die Nichtprovinizialisierung Germaniens nicht unbedingt als eine Folge der Varusschlacht ansehen, da eine Provinzialisierung gar nicht geplant war.

Zweitens: Die Lösung des Problems ist definitiv als kaiserliche Propaganda zu werten. Genügend Münzen Domitians bezeugen seinen "Sieg" über die Germanen - und damit die etwas verspätete "Rache" für die Niederlage im Teutoburger Wald. Und gelöst war deshalb das Problem natürlich auch nicht, nur weil der Kaiser es so hingestellt hat.
 
Zwei Sachen:

Erstens: Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass es gar nicht in Augustus' Sinn war, Germanien als römische Provinz einzurichten, sondern bloß im germanischen Vorhof einigermaßen für Ruhe und Ordnung zu sorgen, damit keine Bedrohung für die Römer besteht. Der Auftrag des Varus war es auch nicht, Germanien zu erobern o. Ä., sondern lediglich das Gebiet Germaniens zu beaufsichtigen. Und bei einer solchen Beaufsichtigungstour ist er eben in einen Hinterhalt gelockt worden... ergo: Womöglich kann man die Nichtprovinizialisierung Germaniens nicht unbedingt als eine Folge der Varusschlacht ansehen, da eine Provinzialisierung gar nicht geplant war.

Womit wir wieder bei der Crux Waldgirmes und Cassius-Bericht (poléis) wären.
 
Zwei Sachen:

Erstens: Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass es gar nicht in Augustus' Sinn war, Germanien als römische Provinz einzurichten, sondern bloß im germanischen Vorhof einigermaßen für Ruhe und Ordnung zu sorgen, damit keine Bedrohung für die Römer besteht. Der Auftrag des Varus war es auch nicht, Germanien zu erobern o. Ä., sondern lediglich das Gebiet Germaniens zu beaufsichtigen. Und bei einer solchen Beaufsichtigungstour ist er eben in einen Hinterhalt gelockt worden... ergo: Womöglich kann man die Nichtprovinizialisierung Germaniens nicht unbedingt als eine Folge der Varusschlacht ansehen, da eine Provinzialisierung gar nicht geplant war.


In der Ausstellung zur Varusschlacht in Haltern im letzten Jahr wurden schon einige Beispiele gezeigt, die deutlich machten, daß die Römer schon mehr als eine Besichtigungstour vorhatten. Entlang der Lippe lagen die Nachschubrouten mit größeren Vorratslagern zur Versorgung der Legionen. In der Nähe von Waldgirmes wird eine von vemutlich mehreren römischen Stadtgründungen seit einigen Jahren ausgegraben. Im Mittelmeer fand man in einem gesunkenen römischen Transportschiff Bleibarren, die aus einem Bergwerk im Sauerland stammen.

Zwei Sachen:
Zweitens: Die Lösung des Problems ist definitiv als kaiserliche Propaganda zu werten. Genügend Münzen Domitians bezeugen seinen "Sieg" über die Germanen - und damit die etwas verspätete "Rache" für die Niederlage im Teutoburger Wald. Und gelöst war deshalb das Problem natürlich auch nicht, nur weil der Kaiser es so hingestellt hat.

Irgendein römischer Autor hat sich doch darüber lustig gemacht, daß man doch seit Generationen immer wieder Germanien besiegt hat. War das Tacitus oder noch wesentlich später???
 
Das war Tacitus in der Germania. Bezogen auf Domitians 'Erfolge' schreibt er sinngemäß: (seit Augustus) schon so lange sind wir dabei Germanien zu besiegen.
 
Velleius Paterculus hatte unter Tiberius gedient und schrieb ein kurzes Geschichtswerk. Er formulierte vorsichtig, Tiberius habe Germanien "beinahe zu einer tributpflichtigen Provinz gemacht". Augustus und Tiberius sahen das wohl anders, aber der römische Durchschnittsbürger konnte denken, was wir nicht wirklich besessen haben, konnten wir auch nicht wirklich verlieren. :pfeif:
 
Langfristig hätte es vielleicht ohne die Varusniederlage keine Völkerwanderung gegeben. Möglicherweise hätte dann das Römische Reich noch länger (bis heute?) Bestand gehabt. Wir hätten möglicherweise einen seit zwei Jahrtausenden geeinten Kontinent, in dem wir eine moderne Version der Lingua Latina sprechen würden....
Das Gebiet bis zur Elbe wäre romanisiert worden, genauso wie Gallien. Durch die römische Zivilisation und die römische Wirtschaftsweise wäre es im bis dahin eher dünn besiedelten Germanien zu einem starken Bevölkerungswachstum gekommen, und es wären Städte gegründet worden.
Die Völkerwanderung hätte es aber trotzdem gegeben, da sie sowieso von östlich der Elbe ausging. Römisch-Germanien hätte dasselbe Schicksal erlitten wie Gallien: Irgendein germanischer Stamm hätte das Gebiet erobert und ein Reich entsprechend dem Frankenreich errichtet. Auf Dauer wären die Herren jedoch wie in Frankreich von den Romanen assimiliert worden, sodass heute in Deutschland eine romanische Sprache gesprochen würde. Denn die romanisierten Germanen hätten daher ein deutliches zahlenmäßiges Übergewicht gegenüber den sie erobernden Völkerwanderungsgermanen gehabt, also hätten sie sie über kurz oder lang assimiliert, wie in Gallien, Spanien und Italien.
 
Velleius Paterculus hatte unter Tiberius gedient und schrieb ein kurzes Geschichtswerk. Er formulierte vorsichtig, Tiberius habe Germanien "beinahe zu einer tributpflichtigen Provinz gemacht". Augustus und Tiberius sahen das wohl anders,

Wie Augustus das gesehen hat, lässt wohl nicht mehr sagen. Aber wie er es gesehen haben wollte, können wir durchaus erkennen, nämlich an den Res gestae, wo er schon schreibt, dass er die Grenzen des Reiches auch bis an die Elbe erweitert hat. Das ist - wie oft in diesem Werk - nicht wirklich gelogen, aber dennoch auch nicht die ganze Wahrheit.
 
Das Gebiet bis zur Elbe wäre romanisiert worden, genauso wie Gallien. Durch die römische Zivilisation und die römische Wirtschaftsweise wäre es im bis dahin eher dünn besiedelten Germanien zu einem starken Bevölkerungswachstum gekommen, und es wären Städte gegründet worden.

Im Grunde stimme ich mit Dir überein.
Das allerdings Germanien dünn besiedelt war, halte ich für ein Gerücht.
Im Gegenteil: Die moderne Forschung geht davon aus, das Germanien vergleichsweise dicht besiedelt war.
Nur weil es keine Städte in Germanien gab, bzw. nur vereinzelte Gehöfte oder kleinere Siedlungen, muß das lange noch nicht auf eine dünne Besiedlung hinweisen.
 
Eigentlich war es die ältere Forschung, die, gestützt auf die übertriebenen Größenangaben germanischer Heere in römischen Quellen, von einer relativ dichten Besiedlung Germaniens ausgegangen ist.
Wie soll Germanien denn dicht besiedelt gewesen sein? Die Germanen betrieben doch kaum Landwirtschaft, mit Viehzucht und Jagd allein kann man keine große Bevölkerung ernähren.
 
salvus schrieb:
Im Grunde stimme ich mit Dir überein.
Das allerdings Germanien dünn besiedelt war, halte ich für ein Gerücht.
Im Gegenteil: Die moderne Forschung geht davon aus, das Germanien vergleichsweise dicht besiedelt war.
Nur weil es keine Städte in Germanien gab, bzw. nur vereinzelte Gehöfte oder kleinere Siedlungen, muß das lange noch nicht auf eine dünne Besiedlung hinweisen.

Ravenik schrieb:
Eigentlich war es die ältere Forschung, die, gestützt auf die übertriebenen Größenangaben germanischer Heere in römischen Quellen, von einer relativ dichten Besiedlung Germaniens ausgegangen ist.
Wie soll Germanien denn dicht besiedelt gewesen sein? Die Germanen betrieben doch kaum Landwirtschaft, mit Viehzucht und Jagd allein kann man keine große Bevölkerung ernähren.

Die innovativen Methoden der Archäologie (z. B. die Archäobotanik) geben uns heute ein - von den zeitgenössischen Schriftquellen abweichendes - Bild von den Germanen. Demnach ernährten sich die Germanen überwiegend vegetarisch. Fleisch und Fisch wurden nur selten verzehrt. Noch viel weniger findet man in den Grabungsfunden Wildtierknochen. Demnach hat die Jagd nur eine unbedeutende Rolle gespielt. Der Durchschnittsgermane bestellte im Wanderfeldbau seine Äcker und erntete dann einheimischen Getreidesorten. Das Fehlen urbaner Zentren lässt sich u. a. auch dadurch erklären, dass die Landwirtschaft kaum Produktionsüberschüsse erzielte, mit welchen man eine wirtschaftlich spezialisierte Stadtbevölkerung hätte ernähren können. Wo es aber keine urbanen Zentren gab, muss die Bevölkerungsdichte fast zwangsläufig niedriger gewesen sein als in Gallien oder den Mittelmeerregionen. Die Bevölkerung Germaniens wird vermutlich nur 1,5 bis 3 Mio betragen haben. Die Bevölkerung Galliens vor der Eroberung durch Caesar betrug geschätzte 4 bis 8 Mio Menschen auf einer vergleichbaren Fläche.
 
Das Gebiet bis zur Elbe wäre romanisiert worden, genauso wie Gallien.
Ein kleine Anmerkung...

Kann man zu dem aktuellen Stand in Hinblick auf die ganzen Lagern nicht sagen "ist", statt "wäre" jedenfalls zwischen Drusus, bis Varus.
Dann kam der Bruch und es ist nicht viel daraus geworden und hängengeblieben; außer die Germanische Geilheit auf röm. Luxusartikel, welche sich in diversen Fundhorizonten wiederspiegelt (Lübsow)...
:scheinheilig:
:pfeif:
 
Romanisierung bedeutet ja nicht bloß, dass ein Gebiet von den Römern mehr oder weniger unterworfen wurde, sondern dass seine einheimische Bevölkerung weitgehend die römische Kultur übernommen hat. Das ist ein Prozess, der lange dauert. In Germanien kann davon keine Rede sein.
 
Na der Anfang war gemacht, dann kam je der Bruch.
Vom Abschluss kann sicherlich keine Rede sein, aber sicherlich von veränderten Strukturen.
 
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