Justiz in der Weimarer Republik

Wieger schrieb:

Etwas substanzlos. Sicher meinst du das:

Generalstabsmäßige Terminplanung für den Putsch:
13. März: Sonnabend · als Kapp mit der Resolution fertig war, hatten Redaktionsbüros der Zeitungen für WochenendausgabDen bereits geschlossen.

Die von Kapp ernannten Minister fanden entweder leere Ministerien oder Beamte, die ihnen den Gehorsam verweigerten.
 
Hallo!
Hat jemand von Euch ne Idee, wo der viel zitierte Ausspruch "die Weimarer Justiz ist/war auf dem rechten Auge blind" herkommt? Ich hab den Satz unter Wikipedia gelesen, jedoch ohne Zitierangabe...der Satz wird ja immer wieder, auch noch in der Jetzt-Zeit verwendet, weshalb meine Google-Suche leider auch nichts ergeben hat! Ich vermute mal, dass der Satz ursprünglich von irgendeinem Kritiker der Justiz der Weimarer Republik zum ersten Mal geschrieben wurde, z.B. Gumbel oder so. Bräuchte aber am besten ne Fundstelle!
Vielen Dank!
 
Hallo,

ich meine, das steht u.a. in Zusammenhang mit der Justiz-Kritik Tucholskys wegen der unausgewogenen Strafurteile gegen linke und rechte Gewaltverbrecher (er hatte dazu Statistiken publiziert bzw. Vergleiche angestellt). Er greift damit wohl ein Wort des Volksmunds der damaligen Zeit auf. Vielleicht findet sich auch ein wörtliches Zitat von ihm dazu, aber das war wohl ein üblicher Ausdruck.
 
In dem Zusammenhang gab es auch einen interessante Karikatur:
Justitia (Mit verbundenen Augen) ersticht eine kleine rote Maus an der Wand, während im Hintergrund groß Nazi- und Freikorpsleute frech lachen.

Bildunterschrift:
"Ohne Ansehn der Person - hat ihm schon!
Nämlich, die wo hinten stehn,
kann sie absolut nicht sehn!
Doch das Mäuslein an der Wand
trifft sie prompt mit starker Hand!
Rot hat sie noch stets getroffen
Da sind ihre Augen offen!"

Ganz kurz statistische Zahlen (aus Gumbel, Vier Jahre politischer Mord, Berlin, 1923, Nachdruck 1980)

Politische Morde begangen von linksstehenden: 22
von rechtsstehenden Personen: 354

Zahl der Verurteilungen linksstehender Personen im Zusammenhang mit den Morden: 38 (darunter 10 Hinrichtungen); Freisprüche GESTÄNDIGER Täter: Keine;

Zahl der Verurteilungen rechtsstehender Personen im Zusammenhant mit den Morden: 24 (darunter KEINE Hinrichtung); Freisprüche GESTÄNDIGER Täter: 23
 
Den Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, erhoben bereits Zeitgenossen nicht nur gegen die bayerischen Volksgerichte, sondern gegen die gesamte Weimarer Justiz. Sie stützten sich dabei u.a. auf die Dokumentationen des Mathematikers Emil Julius Gumbel (1891-1966). Er hatte eine Gegenüberstellung politischer Morde von Rechts und Links sowie deren jeweilige Strafverfolgungen angelegt. Eine zentrale Rolle unter diesen Veröffentlichungen nimmt Gumbels Arbeit "Vier Jahre politischer Mord" aus dem Jahr 1922 ein. Sie setzte seine mit "Zwei Jahre Mord" begonnene Sammlung fort und löste offizielle Untersuchungen der Reichsregierung aus. Ergebnis dieser Nachforschungen bildete die sog. "Denkschrift des Reichsjustizministers", die das Ministerium aus Papierknappheit jedoch nur in einem Exemplar vorlegte, so dass Gumbel sie in Eigeninitiative publizieren lassen musste.

http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44327
 
Hey vielen Dank für Eure Antworten! Offensichtlich haben das mehrere Leute gesagt - naja, ich suche weiter und hoffe ein eindeutiges, jemanden zurechenbares, Zitat zu finden. Und danke für den Hinweis mit dem Bild - ich bin auch schon drüber gestolpert, aber jetzt weiß ich endlich, dass das ne Maus sein soll!:)
Danke!
 
Hey vielen Dank für Eure Antworten! Offensichtlich haben das mehrere Leute gesagt - naja, ich suche weiter und hoffe ein eindeutiges, jemanden zurechenbares, Zitat zu finden.


Wir dir vermutlich nicht gelingen:

Auf dem rechten Auge blind sein, Auf dem linken Auge blind sein sind Wendungen, die besonders im politischen Bereich vorkommen. Sie sind entstanden in Anlehnung an die Redensart Auf einem Auge blind sein, d.h. nur die Hälfte sehen (wollen), und kennzeichnen die Einstellung gegenüber dem rechten bzw. linken Parteiflügel, insbesondere aber gegenüber Rechts- und Linksextremisten.

Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Art. blind, Röhrich-LdspR Bd. 1, S. 216
 
Ja, das klingt einleuchtend...hmm...
Ich werde erstmal den Rest meiner Arbeit (über den Weltbühne-Prozess im Übrigen) fertig schreiben und falls ich dann noch Zeit hab, mich nochmal auf die Suche begeben oder vielleicht stolper ich ja zufällig drüber...
Falls ich eines finden sollte, dann poste ich die Quelle hier!
Vielen Dank!
 
Hallo Gast,

ich habe hier von Ursula Madrasch-Groschopp das Buch Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift. Augsburg 1999. Dies nur als Literaturtipp.

Quijote
 
Ich habe das Buch
Ausnahmezustand, Eine Anthologie aus "Weltbühne" und "Tagebuch", hrsg von Wolfgang Weyrauch, München 1966
durchforstet, in dem die Aufsätze von Gumbel und Tucholsky zum Thema enthalten sind.
Beleg als Zitat findet sich hier nicht. Insofern scheint Röhrichs o. a. Einschätzung zuverlässig.
 
Guten Morgen!
Mercy, danke (was für ein Wortspiel), dass Du Dir soviel Arbeit gemacht hast!! Dann brauch ich zumindest keine Zeit mehr für die Suche aufwenden!
Auch ein Danke an El Quijote für den Literaturtipp - hab das Buch auch schon gefunden. Nebenbei bemerkt, gibt es so riesig viel Literatur zu Ossietzky und Weltbühne, dass ich teilweise gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, aber auch ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich nicht alles gelesen habe...aber so ist das wohl bei solchen Themen! In zwei Wochen muss ich die Arbeit abgeben und dann freu ich mich erstmal:)
 
Hallo!
Wieder ich...jetzt hab ich die Arbeit schon fast fertig und muss nur noch an den Details feilen. In der Arbeit kommen auch "Festungshaft" und "Zuchthaus" als Strafen vor - hab die Begriffe in Wiki nachgeschaut, wo das gut erklärt ist. Leider findet sich dort kein Verweis auf ein Buch, das ich angeben könnte, weil ich in der Arbeit Wiki nicht zitieren kann. Hab jetzt ne 3/4 h das Bib-System nach einem Buch über Strafen/Festungshaft/Zuchthaus und ähnliches durchsucht, bin aber nicht fündig geworden.
Hat jemand von Euch nen Tipp, in welchem Buch/Lexikon ich ne Definiton der beiden Begriffe finden könnte?
 
Festungshaft: Im RStGB 1871 eine nicht entehrende Strafe ("custodia honesta") ohne Arbeitszwang. Festungshaft ersetzte sowohl Zuchthaus als auch Gefängnis und wurde wahlweise mit diesen beiden Strafen bei einer Reihe politischer Straftaten sowie bei Zweikampf angedroht. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 durch Einschliessung ersetzt.

Das dürfte zitierfähig sein.

http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks01f.htm#Festungshaft
 
Guten Morgen!
Ja, die Stelle hab ich auch schon gefunden...der Prof. will leider gar keine Internetzitate, sondern nur Bücher:( Ich hab mir jetzt mal das Buch "Gefängniskunde" von Mittermeier bestellt. Vielleicht stehts ja da drin...Ansonsten muss ich halt auf den Gesetzestext zurückgreifen...
Trotzdem danke!!!
 
Habs gefunden: Einführung in die Gefängniskunde von Kriegsmann, Heidelberg 1912, S. 124ff!
 
Guten Morgen!
Ja, die Stelle hab ich auch schon gefunden...der Prof. will leider gar keine Internetzitate, sondern nur Bücher
Recht hat er!

Probier es mal mit Ingo Müller, Furchtbare Juristen, 1987. Dieses Buch handelt zwar von der Justiz im Dritten Reich. Du findest dort aber auch ein sehr interessantes Kapitel über die Justiz in der Weimarer Republik. Und dann gibt es inzwischen noch jede Menge neuere (rechts-)historische Bücher zum Thema Justiz und Weimar.;)
 
Und ein weiteres, interessantes Buch zur Weimarer Justiz unter dem Blickwinkel des Landesverrats-Rechtsprechung (ein Grossteil betrifft in akribischer Aufbereitung die Berichterstattung über die geheime Aufrüstung der Reichswehr, z.B. Bau der Panzerkreuzer, Torpedoversuche etc., Abteilung "M" und Aufbau der Luftwaffe, geheime Rüstungsvorbereitungen in Fällen bekannter Industriebetriebe):

Mathias Hanten, Publizistischer Landesverrrat vor dem Reichsgericht, Europ. Hochschulschriften Reihe II, Rechtswissenschaften, Nr. 2606 aus 1999 mit dem Fazit: Die Urteile waren rechtlich verfehlt und dientem keinen anerkannten Strafzweck. Nur die geringe Zahl und die idR geringen Strafmaße mildern das zutreffende Urteil der Diss. von Hannover/Hannover ab. Die Urteile bleiben (auch wegen der schwachen Besetzung - zT Feriensenate)deutlich hinter der Qualität erstinstanzlicher Urteile zurück und enthalten Abweichungen von sonstiger ständiger Rechtsprechung. Es seien Fälle politischer Justiz im negativen Sinne.
 
Absoluter Tiefpunkt war der Magdeburger Prozess gegen Reichpräsident Friedrich Ebert. Aus dem Kläger wurde der Angeklagte und das Gericht hat Ebert wegen seines Eintretens in der Streikleitung beim Munitionsarbeiterstreik in Berlin des "Landesverrates" attestiert.

Erst im Jahre 1931 wurde Ebert durch den Staatsgerichtshof von dem Vorwurf des Landesverrates posthum freigesprochen. Nur hat dies zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr interessiert. Man hatte sein Opfer ja bereits zur Strecke gebracht.
 
Hallo ihr Lieben,

ich stecke mitten in dem Thema 'Die Bedeutung der Justiz in der Weimarer Republik'.
Kennt sich da jemand gut aus? Ich suche gute Karikaturen, die die Unausgewogenheit der Recht(s)sprechung deutlich machen.
Habe im Forum auch von einer Justizia gelesen, die eine rote Maus tötet und gleichzeitig von Nazis ausgelacht wird ... finde die nur nicht :weinen:

Für Tipps bin ich sehr dankbar!!!

Gruß Otti
 
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