Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Anderseherum gilt: Wenn die Bestattung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als die Körper schon völlig verwest waren und der Knochenverbund vollständig aufgelöst war, dann ist es praktisch unmöglich, dass kleine zusammengehörige Knöchelchen einer Hand zusammen in ein Grab gelangen.
Genau so ist es. Und eben dieser Befund liegt in Kalkriese vor.

Die Bestattenden hätten ganz sicher "bevorzugt" große Knochen gesammelt. Niemand hätte sich die Mühe gemacht, winzige Fingerknochen aufzusammeln und zusammenzupuzzeln. Vermutlich wären diese kleinen Knochen nicht einmal mehr erkennbar gewesen.

Absolut richtig. Die Knöchelchen der Hand waren nicht komplett skelettiert, sondern wurden noch von Geweberesten zusammengehalten. Die Hand wurde aufgesammelt und in die Grube gelegt.

Eigenartige Argumentation. Die Funde in den Knochengruben liefern uns zwei Fakten, die zu einander in Widerspruch stehen. Diesen Widerspruch versuchst Du hier aufzulösen, indem Du ihn schlicht negierst. Deshalb nochmal kurz zusammengefasst: Werden Leichen so früh nach ihrem Tod bestattet, dass selbst Handknochen noch durch Gewebe zusammengehalten werden, dann hängen die großen Körperknochen mit Sicherheit auch noch zusammen. Die Knochen im Torsobereich sind nunmal von sehr viel mehr Gewebe umgeben als Handknochen. Deshalb dauert da die Verwesung nachweislich sehr viel länger.

Hättest Du mit Deiner Interpretation also Recht, dann müsste das Vorhandensein zusammen gehörender Knochen in den Gruben DIE REGEL sein. Es ist aber DIE AUSNAHME! Und genau das macht die Handknochen so erklärungsbedürftig. Deine Deutung dieser Handknochen würde nur Sinn ergeben, wenn man alle anderen Knochen (und die stellen die große Mehrzahl der Funde dar) einfach ignoriert.

Wären die Gefallenen zu einem Zeitpunkt bestattet worden, zu dem die Knochen noch von Geweberesten zusammengehalten wurden, dann müssten gerade die großen Knochen noch zusammengehangen haben. Die sind von viel Gewebe umgeben.

Du solltest nicht vergessen, dass nach der Schlacht von Verstümmelungen der Toten auszugehen ist, sowie in den nächsten Wochen und Monaten von Tierfraß.

Auch das ist mir zu schlicht. Weder marodierende Sieger noch Aasfresser können eine Leiche, die noch Gewebe aufweist, so nachhaltig zerstückeln, dass keinerlei Knochenzusammenhang mehr erkennbar ist. Außerdem würden sie dabei kaum die Hände übersehen.

Die Erkenntnis, die die Ausgräber aus den Knochengruben gewonnen haben, ist eindeutig: Die Toten lagen so lange unbestattet an der Oberfläche, bis die Körper völlig verwest waren, der Knochenverbund völlig aufgelöst war und die Einzelknochen durch äußere Einflüsse so zerstreut waren, dass man sie nicht mehr einander zuordnen konnte. Entsprechend ungeordnet kamen sie bei der Bestattung in die Gruben.

Die irritierenden Handknochen verdienen nach wie vor eine Erklärung. Die kann aber nicht so geführt werden, dass man die anderen Erkenntnisse der Archäologen in Abrede stellt.

Zudem: Wenn ich das Zitat von @El Quijote richtig deute, dann wurden in den Gruben nicht komplette Hände sondern nur Handwurzel- und Mittelhandknochen gefunden, also keine Fingerknochen. Das passt dann sehr wohl wieder zur Theorie, dass diese Knochen von Wundverbänden zusammengehalten wurden.

MfG
 
Die Erkenntnis, die die Ausgräber aus den Knochengruben gewonnen haben, ist eindeutig: Die Toten lagen so lange unbestattet an der Oberfläche, bis die Körper völlig verwest waren, der Knochenverbund völlig aufgelöst war und die Einzelknochen durch äußere Einflüsse so zerstreut waren, dass man sie nicht mehr einander zuordnen konnte. Entsprechend ungeordnet kamen sie bei der Bestattung in die Gruben.

Die irritierenden Handknochen verdienen nach wie vor eine Erklärung. Die kann aber nicht so geführt werden, dass man die anderen Erkenntnisse der Archäologen in Abrede stellt.

Dies scheint mir widersprüchlich:

Wenn wir es hier mit irritierenden Handknochen zu tun haben, die einer Klärung bedürfen, dann kann doch die Erkenntnis, die die Ausgräber aus den Knochengruben gewonnen haben nicht so wirklich eindeutig sein, oder?
 
Dies scheint mir widersprüchlich:

Wenn wir es hier mit irritierenden Handknochen zu tun haben, die einer Klärung bedürfen, dann kann doch die Erkenntnis, die die Ausgräber aus den Knochengruben gewonnen haben nicht so wirklich eindeutig sein, oder?

Das ist das Wesen eines Widerspruchs, denn sonst wäre ein Widerspruch ja keiner, oder? :winke:

Ich schrieb doch, dass die Funde auf Tatsachen hindeuten, die einander widersprechen. Wenn man also von einer Bestattung nach völliger Verwesung ausgeht, muss man erklären, warum die Fingerknochen noch irgendwie verbunden waren. Da stimme ich Dir zu. Das heißt andersherum aber auch: Wenn man von einer Bestattung vor der völligen Verwesung ausgeht, dann muss man erklären, warum alle anderen Knochen (die große Mehrzahl!) NICHT MEHR verbunden waren. Stimmst Du in diesem Punkt mir zu?

Die Ausgräber haben eine plausible Erklärung für die Verbindung der Fingerknochen angeboten. Die Kritiker hier im Forum sind dagegen eine Erklärung für die Zerstreuung der übrigen Knochen schuldig geblieben. Verstümmelung und Tierfraß sind ja wohl eher bescheidene Argumente.

MfG
 
Das ist das Wesen eines Widerspruchs, denn sonst wäre ein Widerspruch ja keiner, oder? :winke:

Ich schrieb doch, dass die Funde auf Tatsachen hindeuten, die einander widersprechen. Wenn man also von einer Bestattung nach völliger Verwesung ausgeht, muss man erklären, warum die Fingerknochen noch irgendwie verbunden waren. Da stimme ich Dir zu. Das heißt andersherum aber auch: Wenn man von einer Bestattung vor der völligen Verwesung ausgeht, dann muss man erklären, warum alle anderen Knochen (die große Mehrzahl!) NICHT MEHR verbunden waren. Stimmst Du in diesem Punkt mir zu?

Die Ausgräber haben eine plausible Erklärung für die Verbindung der Fingerknochen angeboten. Die Kritiker hier im Forum sind dagegen eine Erklärung für die Zerstreuung der übrigen Knochen schuldig geblieben. Verstümmelung und Tierfraß sind ja wohl eher bescheidene Argumente.

MfG

Zu Abschnitt 1: Zustimmung!:winke:

Zu Abschnitt 2:
Die Erklärung der Ausgräber ist plausibel und nachvollziehbar.
Ob die Argumente der Kritiker wirklich bescheiden sind, wage ich zu bezweifeln. In der Varusschlacht haben zigtausende Menschen ihr Leben gelassen. Ob die vergleichsweise wenigen Funde in den Gruben hier Klarheit schaffen können wage ich deshalb ebenfalls anzuzweifeln. Schlußendlich stört mich z.T. schon, daß fast alle Welt davon ausgeht, daß es sich bei diesen Bestattungen um Römer handelt. Aber dies ist wohl ein anderes Thema.

Fakt ist wohl:
Weder das Mundblech einer Schwertscheide, eine "haude procul" Textstelle oder auch diese Sache mit den Knochengruben sind eindeutig in der Lage Kalkriese als Ort der Varusschlacht wirklich auszuschließen.
Viele Fragen bleiben allerdings offen.
Gottseidank, denn sonst hätten wir hier nix zum diskutieren...:winke:
 
Fingerknochen sind auch zahlreiche gefunden worden, nur kann ich gerade keine Textstelle vorweisen, die besagt, dass sie im anatomischen Verband gefunden wurden. Auf dem Rekonstruktionsphoto, welches in dem Artikel Alesia, Kalkriese, Little Big Horn von Rost im Katalog zur neuen Dauerausstellung (Varusschlacht im Osnabrücker Land) und in größerer Form in dem zitierten Beitrag von Birgit Großkopf aus dem Band Kalkriese 3 abgedruckt ist, sind zwei beinahe vollständige (mit 23/27 und 24/27) und eine unvollständige Hand (13/27) abgebildet. Bei einer Hand (24/27) sind die Fingerknochen (einschließlich Mittelhand) vollständig, bei der anderen (23/27) fehlen zwei der Daumengelenke (Mittelhand und echter Daumenknochen). Bei der dritten Hand (13/27) sind es neun, bzw. mit den Mittelhandknochen 11 Fingergelenke und zwei Handwurzelknochen.
 
Nach dem Lesen der letzten Beiträge stellen sich für mich die folgenden, grundlegenden Fragen:

Wie fundiert sind denn eigentlich die Erkenntnisse darüber, wie lange bei Lagerung an der Erdoberfläche eine Leiche verwest? Insbesondere wie schnell sich an einzelnen Körperteilen das Gewebe zersetzt?

Das ist m. W. eine Fragestellung der forensischen Anthropologie, die in den USA auf sogenannten Body-Farmen untersucht wird. Dort läßt man Leichen an freier Luft verwesen (Body Farm – Wikipedia).
 
Hallo carolus,

dazu schreibt Birgit Großkopf folgendes:

"Durch zahlreiche natürliche Vorgänge, wie Fäulnis, aber auch Insektenbefall, kommt es bei einer oberflächlich liegenden Leiche zu einem Verlust der Weichteile, Sehnen und Bänder. Je nach äußeren Bedingungen, wei Temperatur, Feuchtigkeit oder Art der Bekleidung, kann der Zeitraum bis zur kompletten Skelettierung wenige Wochen bis mehrere Monate betragen. Zusätzlich können aasfressende Tiere einzelne Knochen oder Teile einer Leiche verschleppen."

(Großkopf, Brigit, Knochenarbeit in: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Mainz 2009, S.154).

Ferner schriebt sie:

"Die Deponierung der Knochen in den Gruben muss somit mit einem zeitlichen Abstand zum Eintritt des Todes stattgefunden haben, dessen Umfang jedoch 10 Jahre nicht überschritten haben dürfte."

(ebenda.)

Die einstmalige Aussage, einer Mindestliegezeit von zwei Jahren taucht also nicht mehr auf.
 
Die einstmalige Aussage, einer Mindestliegezeit von zwei Jahren taucht also nicht mehr auf.

Das sollte man nicht überbewerten. Während sich Kalkriese 3 an ein wissenschaftliches Fachpublikum wendet, ist Varusschlacht im Osnabrücker Land keine strikt wissenschaftliche Publikation. Adressaten sind die interessierten Besucher der neuen Dauerausstellung.

Die Mindestliegezeit wurde ja nicht allein anhand der Skelettierung ermittelt, sondern auch am Zustand der Knochen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Forumsfreunde,


bei gravierenden Handverletzungen, wie sie in antiken militärischen Auseinandersetzungen auftraten, kam es in der Regel zu Knochenverletzungen. Da die in Kalkriese gefundenen Hand- und Fingerknochen keine derartigen Schnitt- oder Hiebspuren aufweisen ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht statthaft anzunehmen, sie seien verletzt worden und in einem Verband eingewickelt gewesen.

Offensichtlich war die Verwesung noch nicht vollkommen abgeschlossen, als die Knochen in die Gruben kamen.
Wenn man unvoreingenommen dieses Thema betrachtet, so kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass diese Knochen mit hoher Wahrscheinlichkeit NICHT sechs Jahre an der Oberfläche gelegen haben.

Ich war stets davon überzeugt, in Kalkriese habe die Varusschlacht (oder zumindest ein Teil davon) stattgefunden.
Je mehr ich über dieses Thema in der Literatur (und nicht zuletzt auch hier im Forum) erfahre, desto weniger kann ich heute noch diese Meinung teilen.
Ich möchte sogar soweit gehen, dass diese These heute nicht mehr haltbar ist.

MfG
maxhermann
 
Das mit dem Verletzungsverband ist Rost. Großkopf (Kalkriese 3, 2007) spricht hypothetisch von einer Umwicklung zum Schutz der Hand. Jedoch kann gerade die Handfläche auch ohne, dass die Knochen Schaden nehmen, verletzt werden. Z.B. eine Muskelfleischverletzung am Handballen.

Es ist auf jeden Fall völlig übereilt, gerade aufgrund dessen, dass es die absoluten Ausnahmen sind, dass Knochen im anatomischen Verband nachgewiesen sind, das Gesamtergebnis, dass die Knochen Monate bis Jahre nach dem Todeszeitpunkt des Trägerindividuums unter die Erde gekommen sind, in Abrede zu stellen.
 
Es ist auf jeden Fall völlig übereilt, gerade aufgrund dessen, dass es die absoluten Ausnahmen sind, dass Knochen im anatomischen Verband nachgewiesen sind, das Gesamtergebnis, dass die Knochen Monate bis Jahre nach dem Todeszeitpunkt des Trägerindividuums unter die Erde gekommen sind, in Abrede zu stellen.

Hola Don Quijote,

gibt es denn in dem erwähnten Werk eine statistische Aufstellung, wieviele Knochen(-fragmente) insgesamt gefunden worden sind und wie der Erhaltungszustand (und daraus die geschätzte Lagerdauer) ist?
 
Es werden 17 Fundnummern aufgeführt, die teilweise so lauten: "Mehrere Knochen und Knochenfragmente lagen..." Einzeln aufgeführt wurden sie nicht, Großkopf konnte aber sicher 17+1 Individuen unterscheiden.
 
Liebe Forumsfreunde,

bei gravierenden Handverletzungen, wie sie in antiken militärischen Auseinandersetzungen auftraten, kam es in der Regel zu Knochenverletzungen.
In der Regel? Ich habe noch nie von einer Untersuchung gehört, die dazu irgendeine Aussage treffen würde. Ich habe auch noch nie von einer Untersuchung gehört, die zwischen den Folgen militärischer und nichtmilitärischer Auseinandersetzungen mit Stich- und Schnittwaffen unterscheiden würde. Auch ich stütze mich mit meiner Aussage nicht auf die Untersuchung der Überreste von Soldaten, die in der Antike gefallen sind. Ich beziehe mich auf Erkenntnisse aus "modernen Kampfhandlungen", die mit Hieb-, Stich- und Schnittwaffen ausgetragen werden. Dabei sind Abwehrverletzungen an Handfläche und Unterarmen ganz typisch. Und typischerweise erreichen Stich-/Schnittverletzungen nicht die Knochen, sondern betreffen Muskeln und (folgenreicher!) Sehnen (eine durchtrennte Handsehne macht die betroffene Hand sofort bewegungsunfähig).

Eine häufige Folge von Auseinandersetzungen mit Stich- und Schnittwaffen sind Verletzungen, die der ANGREIFER erleidet - dann nämlich, wenn Waffen verwendet werden, die keine Parierstange haben, die ein "Abrutschen" der eigenen Hand über den Griff der Waffe hinaus in den Bereich der Klinge verhindern würde (handelsübliche Küchenmesser zum Beispiel). Auch solche Verletzungen betreffen typischerweise nicht Knochen, sondern Muskeln und Sehnen im Bereich der Innenhand und der Finger. Sie treten in der Regel dann auf, wenn die Waffe mit großem Kraftaufwand im Stich geführt wird und dann auf ein unnachgiebiges Hindernis (Schild? Knochen?) trifft. Zur Erinnerung: Römische Kurzschwerter hatten keine Parierstangen und wurden bevorzugt als Stichwaffen eingesetzt. Verletzungen dieser Art werden sicher nicht die Regel gewesen sein (sonst wäre das Gladius modifiziert worden), aber ungewöhnlich waren sie bestimmt auch nicht.

Hinzu kommt, dass Legionäre durch Körperpanzer geschützt in den Kampf zogen. Verletzungen an den ungepanzerten Körperteilen (Gesicht, Arme, Beine) traten mit Sicherheit überproportional häufig auf.

MfG
 
Für mich bleibt immer noch die Frage, wie man einen Riesenhaufen Skelette bestattet bzw wie bringt man diese in eine Grube? Gibt es dazu irgendwelche Hinweise?
 
Ich habe auch noch nie von einer Untersuchung gehört, die zwischen den Folgen militärischer und nichtmilitärischer Auseinandersetzungen mit Stich- und Schnittwaffen unterscheiden würde.
Die Sammlung des Militärhistorischen Museums in Wien verfügt über zahlreiche Knochen und Schädel aus den Napoleonischen Kriegen, die zum Teil schwerste Verletzungen durch Hiebwaffen bezeugen. Gespaltene Schädel usw.

Dabei sind Abwehrverletzungen an Handfläche und Unterarmen ganz typisch. Und typischerweise erreichen Stich-/Schnittverletzungen nicht die Knochen, sondern betreffen Muskeln und (folgenreicher!) Sehnen (eine durchtrennte Handsehne macht die betroffene Hand sofort bewegungsunfähig).
Oben genannte Spuren an Knochen und Schädeln zeigen, dass ein Nahkampf mit Schwertern bzw. Säbeln etwas heftiger war, als eine heutige Messerstecherei in irgendeiner Kneipe.

Eine häufige Folge von Auseinandersetzungen mit Stich- und Schnittwaffen sind Verletzungen, die der ANGREIFER erleidet - dann nämlich, wenn Waffen verwendet werden, die keine Parierstange haben, die ein "Abrutschen" der eigenen Hand über den Griff der Waffe hinaus in den Bereich der Klinge verhindern würde (handelsübliche Küchenmesser zum Beispiel).

Dass die Legionäre sich beim Stoß an der eigenen Gladiusklinge verletzt haben sollen, ist eine gewagte Behauptung. Mich würde interessieren, ob es hierzu irgendwelche wissenschaftliche Untersuchungen gibt. (Wenn ich gehässig wäre, würde ich fragen, welche Folge von Asterix Du als Quelle nennen kannst.):ironie:
 
Sehr geehrter Maelonn,


der römische gladius hatte keine Parierstange, das ist richtig. Ihre Annahme, dass deshalb die Hand des Legionärs manchmal über die eigene Klinge rutschte, bringt mich zum Schmunzeln. In einem anderen Forum las ich, die fehlende Parierstange weise darauf hin, dass der gladius geworfen wurde. Auch das ist eine seltsame Vorstellung.
Richtig ist: Der gladius war in erster Linie eine Stichwaffe für den Nahkampf. Aufgrund der fehlenden Parierstange war die Hand des Legionärs im Moment des Stoßes relativ ungeschützt den Schlagwaffen des Feindes ausgesetzt. Die Wucht eines gegnerischen Schlages traf in erster Linie Daumen bzw. Handrücken.

Worum es mir bei der Sache geht:
Die Vermutung, die Hände könnten in einem Verband eingewickelt gewesen sein halte ich nur dann für aussagekräftig, wenn es dafür nachweisbare Spuren an den Knochen gäbe.


Und noch etwas:
Bitte schreiben sie in Bezug auf die Defensivwaffen eines Legionärs nicht mehr von „Körperpanzer“.
Der Schutz des Körpers wurde seit dem 1.Jh. v.Chr. durch ein Kettenhemd (lorica hamata ) bzw. später durch einen Schienenpanzer (lorica segmentata) gewährleistet. Der „Körperpanzer“ (thorax) war nur den höchsten Offizieren vorbehalten.

MfG
maxhermann
 
Wobei man nicht vergessen darf das es sich bei den Aufständigen um Hilfstruppensoldaten handelt. Bei den Römern mussten die Soldaten ihre Waffen selbst bezahlen, gingen also in ihr Eigentum über. Auch werden schon aus der Zeit des Germanicus römische Waffen nach Germania Liberia gekommen sein. Zum anderen sind die Auxilliartruppen des Arminius nach römischen Vorbild gedrillt worden. Daraus folgere ich das in der Varusschlacht eher Stich-Verletzungen gewesen sind, als Hiebverletzungen, welche bei der Benutzung eines Germanischen Schwertes zu erwarten wären

Apvar
 
Ich habe hierzu noch einmal eine interessante Passage von Moosbauer gefunden und möchte das in Teilen zitieren:

"Der Befund der Knochengruben entspricht, wie auch die Untersuchungen von Großkopf und Uerpmann zeigen, nicht dem Befund von unmittelbar nach einem Kampf angelegten Massengräbern, in denen die Skelette in der Regel im anatomischen Verband erhalten sind. Zusammenhängende Skelettelemente waren in den Kalkrieser Gruben in der Regel nicht vorhanden; vereinzelte Ausnahmen sind nach Rost möglicherweise auf medizinische Wundverbände zurückzuführen. Es ist daher sicher, daß die Knochen einige Jahre auf der Bodenoberfläche gelegen haben müssen, bevor sie in die Gruben gelangten. ...Die Skellettierung von unbestatteten Leichen erfolgt abhängig von den äußeren Bedingungen schon innerhalb weniger Monate. Die Tatsache, daß die Skelette nicht mehr im anatomischen Verband lagen, setzt eine Liegezeit der verwesten Leichen von mindestens ein oder zwei bis zu zehn Jahren an der Oberfläche voraus. Dies bedeutet, daß die Gefallenen erst mehrere Jahre nach dem Kampfgeschehen bestattet worden sind. ... Der Vergleich des Erhaltungszustandes von Maultierknochen aus Gruben mit dem von Knochen, die unter Wallsturz entdeckt wurden, zeigt nach Uerpmann, daß die Knochen aus den Gruben länger der Energie des Sonnenlichtes ausgesetzt waren als die unter Wallmaterial begrabenen; auch dies belegt einen deutlichen Zeitabstand zwischen den Kämpfen und der Anlage der Knochengruben. ... Aus der geringen Anzahl der mit anthropologischen Methoden eindeutig nachweisbaren Individuen, mindestens 17 (+1), kann aufgrund der sehr schlechten und spärlichen Erhaltung des gesamten Knochenmaterials zwar auf eine Mindestanzahl von Personen, nicht aber auf die Ausgangsmenge von Toten geschlossen werden, da durch die Oberflächenlagerung die meisten Knochen schnell vergangen sind und ein Teil der Skelette durch Tierfraß bzw. Tierverschleppung zusätzlich frühzeitig reduziert worden ist."
Moosbauer: Die Varusschlacht, C.H. Beck 2009 Seiten 92-94

Fakt ist wohl, daß die zusammenhängenden Skelettelemente die Ausnahme sind. Allerdings sind sie nunmal vorhanden. Ob Wundverbände eine mögliche Ursache sind, ist evt. möglich. Solche Verbände waren ebenfalls wie Sehnen und Muskeln aus organischem Material. Ob sich dieses sechs Jahre lang hält weiß ich nicht.

Interessant sind m.E. die Zeitangaben. Mal ein bis zwei Jahre, dann mehrere Jahre etc. Dies hört sich zumindest ein wenig schwammig an.
 
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