Klaus schrieb:
Es geht doch darum, dass, wenn die zwei wirtschaftlich stärksten Länder der EU zusammenhalten, dies bereits eine Art Mehrheit ist. Wenn sie hingegen gegeneinander arbeiten, kommt nie eine Mehrheit zu Stande. Daher würde ohne deutsch-französische Verständigung in der EU nichts laufen.
Weniger idealistisch ausgedrückt : Wenn die Länder, die zahlen, einer Meinung sind, werden die, die kassieren, schon mitmachen.
War Frankreich in der EG der Zwölf ein Netto-Zahler? Angesichts des damals bedeutenden französischen Agrarsektors habe ich das anders in Erinnerung.
Zurück zur Eingangsfrage:
Ich halte es für falsch, die Eingangsfrage auf die EWG bzw. die EG zu verkürzen. Ein weiteres wichtiges Feld der Politik war die Verteidigung. Geschichtlich hat hier Frankreich Deutschland bei der EVG eine Absage erteilt.
Europäische Verteidigungsgemeinschaft ? Wikipedia
Deshalb lehnte sich die alte Bundesrepublik militärisch stark an die USA an. Anstelle der EVG wurde die neu gegründete Bundeswehr der NATO unterstellt. In der NATO war die USA die wichtigste Macht.
1966 verließ Frankreich die militärische Struktur der NATO und blieb lediglich politisch in der NATO.
Die alte Bundesrepublik musste daher vor der Wiedervereinigung stets einen Spagat zwischen der für die europäische Integration wichtigen deutsch/französische Freundschaft und das für ihre Sicherheit unersetzliche Bündnis zu den USA machen.
Aus Frankreich kamen die Versuche, diese Beziehung zwischen den USA und der alten Bundesrepublik zu lockern. Dies ging dann bis zu dem Angebot, die alte Bundesrepublik unter den Schutz der Force de Frappe (also dem französischen Atomschirm) zu nehmen.
Ob nun die deutsch/französische Freundschaft im eigentlichen Sinne existierte, müsste man untersuchen. In der Europapolitik gab es damals den deutsch/französischen Motor auf Regierungsebene. Es gab und gibt viele Städtepartnerschaften zwischen beiden Ländern. Aber wirkte sich das wirklich in dem Alltag des Normalbürgers aus? Bei uns hier in der Stadt gab es sowohl eine große amerikanische als auch eine französische Garnision. Ich meine, in meiner Region waren bei den deutschen Jugendlichen die US-amerikanischen Soldaten deutlich beliebter als die Franzosen. Mit letzteren gab es nachts im Diskothekenviertel häufig Ärger. Die Amis dagegen waren da erheblich unproblematischer. Das hatte natürlich auch mit der unterschiedlich finanziellen Ausstattung der Soldaten zu tun. Die US-Amerikaner mit ihrem zeitweise sehr starken US-$ waren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie traten ganz anders auf als die schlecht bezahlten französischen Wehrpflichtigen. Hier gab es Sprachbarrieren, da die Deutschen in ihrer Mehrheit kein Französisch sprachen und die Franzosen ganz ohne Fremdsprachenkenntnisse auskamen. Mit den Amis konnte die Deutschen (die ältere Generationen in ihrer Mehrzahl ausgenommen) auf Englisch kommunizieren. Zudem war für uns Deutsche ein PX (Militär"kaufhaus") richtig faszinierend.
1989/1990 bei der Wiedervereinigung war dann die Reaktion der drei Westmächte schon sehr bezeichnend. Die USA unterstützte die Wiedervereinigung fast ohne Abstriche. Die Franzosen versuchten erst, die Unabhängigkeit der DDR zu bewahren. Als sie einsahen, dass dies erfolglos waren, wollten sie als wahre Freunde uns natürlich unterstützen.
feif:
Die Briten versuchten die Wiedervereinigung ganz zu verhindern.
Es gab zur deutsch/französischen Freundschaft sicherlich Alternativen. Nach dem Scheitern der EWG hätte sich die alte Bundesrepublik auch in anderen Bereichen an die USA anlehnen können. Für Frankreich war das enge Verhältnis zu den Westdeutschen auch der Versuch, in Westeuropa führende Macht zu werden. Schließlich konkurrierten hier die Franzosen gegen die Briten, welche eine europäische Einigung schon in den 50ern zu verhindern suchten (siehe hier die Gründung der EFTA). Auch hier hätte Deutschland zu Frankreich eine Alternative gehabt und sich der britischen Idee einer europäischen Freihandelszone OHNE tiefere Integration anschließen können.
Fazit: Zur deutsch/französischen Freundschaft gab es Alternativen. Ob diese für Westdeutschland attraktiv waren, ist eine andere Sache.