Es ist zwar schon häufig hier aufgeführt worden, weshalb sich der archäologische Fundniederschlag am Wall von Kalkriese sehr gut mit der Pontes-longi-These deckt, aber ich erkläre es gern noch einmal ganz übersichtlich.
1.These:
Südlich des Walles (also an der Bergseite) hat es zunächst heftige Kämpfe zwischen den Germanen und der römischen Postenkette gegeben, die die Arbeitskommandos am Wall schützen sollten.
1. Historische Quelle:
„Die Barbaren versuchten, die Postenkette zu durchbrechen und sich auf die Arbeitskommandos zu stürzen; sie forderten sie heraus, umzingelten sie und stürmten auf sie los. Durcheinander ertönte das Geschrei der Arbeitskommandos und der kämpfenden Truppe.“ (Tac. Ann. I.64)
1. Archäologischer Befund bzw. Interpretation:
Es ist falsch zu glauben, dass dort, wo am heftigsten gekämpft wurde, die meisten Funde auftreten. Denn gerade in Hauptkampfzonen dürften direkt nach den Kämpfen besonders viele Objekte zurückgeblieben sein; entsprechend gründlich werden die Plünderer nachgesucht haben, so dass größere Komplexe praktisch vollständig vom Schlachtfeld entfernt sein dürften.
2.These:
Um die Arbeiten der römischen Arbeitskommandos am Wall weiter zu behindern, leiteten die Germanen die Bachläufe vom Kalkrieser Berg um, um den Wall zu unterspülen.
2. Historische Quelle:
„Sie (die Germanen) gönnten sich auch jetzt keine Ruhe und leiteten alle Wasserläufe, die von den Anhöhen ringsum herunterkamen, in das tieferliegende Gelände ab. Dieses wurde überschwemmt und die schon fertiggestellten Befestigungsabschnitte verschüttet, wodurch die Mannschaften doppelte Arbeit zu leisten hatten.“ (Tac. Ann.I. 64)
2. Archäologischer Befund bzw. Interpretation:
An der Südseite des Walles wurden flache Gräben und Gruben entdeckt, die als Drainage gedeutet werden. Sie dienten also der Ableitung von Wasser, um ein Unterspülen des Walles zu verhindern. Zumindest einige dieser Gruben könnten als Annäherungshindernisse gedient haben, wenn Feinde versuchten, die Durchlässe zu durchbrechen und in Unkenntnis der Gruben, insbesondere wenn sie vielleicht durch Bretter halb verdeckt waren, in diese hineinstolperten.
3.These:
Als der Tross die Engstelle im Schutze des Walles (also an der Nordseite) passierte, durchbrach Arminius mit seiner Reiterei die Postenkette samt Wall und griff den Tross an. Bei den römischen Legionen brach Panik aus, so dass der Tross letztendlich den Germanen in die Hände fiel und geplündert wurde. Die Legionen flohen aus dem Engpass nach Westen.
3. Historische Quelle:
„Mit diesen Worten durchbrach er (Arminius) mit einer auserlesenen Truppe die Marschkolonne, wobei er hauptsächlich Pferden Wunden beibrachte. Diese glitten in ihrem eigenen Blute und auf dem schlüpfrigen Sumpfboden aus, warfen die Reiter ab, trieben die Leute vor ihnen auseinander und zerstampften die am Boden liegenden. (…) Während Caecina versuchte, den Kampf zum Stehen zu bringen, wurde sein Pferd unter ihm durchstochen. Er stürzte herab und wäre umzingelt worden, wenn nicht die erste Legion sich dem Feinde entgegen geworfen hätte. Dabei kam die Habgier der Feinde zustatten, die von dem Morden abließen und sich auf das Beutemachen verlegten. So konnten sich die Legionen, als es Abend wurde, in offenes Gelände und auf festen Boden herausarbeiten.“
3. Archäologischer Befund bzw. Interpretation:
Direkt nördlich hinter dem Wall wurden ca. 5000 Funde entdeckt, die sowohl von kämpfenden Einheiten wie Fußsoldaten und Reiterei stammen als auch von einem Tross – so z.B. Zugtieranschirrungen, Kistenteile und Bruchstücke von Metallgefäßen. Hier haben die Römer die größten Verluste erlitten. In erster Linie dürften diese Fundstücke die Plätze markieren, an denen römische Legionäre bei den Kämpfen zu Tode gekommen waren und ausgeplündert wurden. All diese Teile konnten beim brutalen Entfernen der Ausrüstung von den Toten, bei der Leichenfledderei, abreißen und dann als Kleinteile leichter übersehen werden.
(Die Ritzinschrift LPA, die von Rainer Wiegels als Legio Prima Augusta gedeutet wird und höchstwahrscheinlich auf die oben erwähnte erste Legion verweist, muss wohl nicht erneut erörtert werden.)