London und die Garantien...
1. Selbst die laufende Drangsalierung der Volksdeutschen wurde erst in dem Moment aufs Tablett gehoben, als Polen "an die Reihe kam". Ebenso wenig spielten militärische Stärke und außenpolitischens Verhalten (bis auf die rigorose Ablehnung der Eroberungspartnerschaft bzw. -vasallenschaft - übrigens vor (!) der britischen Garantie und für den, der zuhören konnte, bereits Ende 1938.
(...)
2. Wenn das da so steht, ist das Unsinn und auf den Kopf gestellt: nur fast falsch war das Gerücht über die Bedrohung Rumäniens, was im kopflosen Budapest gestreut wurde. "Fast falsch" deshalb, weil zumindest etwas daran war, allerdings falsch getimt. Aber das führt hier vom Thema weg und hatte mit der Autarkiepolitik des Deutschen Reiches und den deutschen Aktivitäten in Rumänien zu tun. "gedacht war" ist auch falsch, da eine Garantie auch hier erfolgte.
1. ist aber kein Gegenargument, da es nur zeigt, daß die NS-Außenpolitik sehr an einem guten deutsch-polnischen Verhältnis gelegen war, und sei es als Komplizenschaft. Erst als die Korridor- und Danzigfrage in den eskalierenden Konflikt lief, wurde dies instrumentalisiert. Das ist aber kein unübliches nediales Vorgehen in machtpolitischen Geplänkeln, leicht nachvollziehbar bis heute.
2. Prinzipiell halten Sie wieder viel Apologetik vor. Der Link ist aber nun interessant, der permanent zwischen dem Verhalten Warschaus und London mit dem Hitlerdeutschen Einmarsch in Prag hergestellt wird, sozusagen als Schuss vor den Bug und Stopplinie und die polnische Teilmobilisierung als Waffe..
Die Dynamik war eben eine ganz andere, teilweise taktisch brillant, teilweise völlig irrational. Wie beschrieben sorgte man sich in London aus strategischen Gründen um Rumänien, da man zunächst einer Falschinformation aufgesessen war (Gespräch Tilea mit Halifax.in London am 17.03.39)) Dazu wollte man in die Gestaltung des osteuropäischen Raumes endlich wieder aktiver eingreifen. Aus diesem Grunde war man in Warschau mit der Unterstützung der Rumäniengarantie vorstellig geworden und hatte unerwartet eine positive Replik erhalten, sich an der Garantie für Rumänien zu beteiligen. Polen galt wie dargestellt als Komplze und Juniorpartner. Beck taktierte clever und spielte den deutsch-polnischen Konflikt um Danzig und den Korridor herunter bis zur Behauptung, man würde sich bald einigen. (!) Er forderte für eine Beteiligung dieselben Garantien für Polen.
Das britische Garantieangebot für Polen erfolgte unter der Annahme, Polen sei nicht in Gefahr. Die Polen bestärkten die Briten in dieser Ansicht. Sie nahmen an, daß London sein Angebot zurückziehen würde, wenn es Grund hätte zu glauben, Polen wäre doch von Deutschland bedroht. Dies war notwendig, da die britische Außenpolitik fürchtete, in einen militärischen Konflikt quasi als Spielball und im Automatismus hereingezogen zu werden. Beck ließ Halifax übermitteln, Polen und Deutschland würden bald über Danzig verhandeln; er beabsichtige, den Deutschen ein großzügiges Angebot zu unterbreiten. Die Korridorfrage sei kein ernstes Problem mehr.
Hätte Beck Klartext geredet, so hätte er mitteilen müssen, daß der deutsche Außenminister von Ribbentrop eine Woche zuvor Danzig verlangt hatte, - dazu einen Durchgang durch den Polnischen Korridor und den Beitritt Polens zum Antikominternpakt. Polen erhielt so über den Weg Rumänien eine Garantieerklärung, um die es nie gebeten hatte. Die Briten garantierten, aber eben gerade nicht im deutsch-polnischen Konflikt. Die Warschauer Junta ihrerseits wehrte in der Folge alle britischen Forderung ab, Ihrerseits eine Garantie für Rumänien abzugeben. Dies sei eine zu großes Risiko ließ Beck erklären. Chamberlain fragte Beck im persönlichen Gespräch, worauf Hitler als nächstes hinaus wolle. Beck erwiderte, daß, wenn man die deutschen Erklärungen ernst nähme, "die ernsteste Frage die Kolonialfrage wäre". Danzig und den Korridor erwähnte er mit keinem Wort.
Dazu forderte das britische Außenministerium Beck mehrfach auf, die Verhandlungen über Danzig aufzunehmen, da man im britischen Außenministerium die deutschen Forderungen als nicht unberechtigt ansah und Beck dies in Aussicht gestellt hatte. Beck lehnte dies seit März 39 immer schroff ab, da nach seiner Auffassung Danzig und die Korridorfrage ein Symbol polnischen Großmachtanspruchs war. Fiel Danzig, so fiel - lautete Becks Maxime - auch Polens Großmachtstellung. ‚Äquidistanz’ war eben auch das Postulat einer unabhängigen polnischen Großmachtanspruchs.
Im Fazit war das eine große taktische Leistung Beck’s. Offen bleibt allerdings, wie er sich die mittelfristige Perspektive vorstellte. Als später der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 Becks außenpolitisches Konzept völlig aufweichte, als Polen plötzlich von dem deutschen und dem russischen Mühlstein zerrieben zu werden drohte- das worst case der polnischen Szenarien-, ohne daß England im Falle eines Krieges aktive Hilfe leisten konnte - selbst in diesem Augenblick verharrte Joseph Beck noch bei seiner sterilen, ja fast selbstmörderischen Status-quo-Politik um jeden Preis.
Er hätte scheinverhandeln können, er hätte kleine taktische Zugeständnisse machen können, um Zeit für Aufrüstung und westaillierte Mobilisierung zu gewinnen. Nichts geschah. Das Ergebnis war aus polnischer Sicht genau das, was man vermeiden wollte: Eine Annäherung der beiden Nachbardiktaturen und ein Zweifrontenkrieg. Mit einigen Propaganda-Parolen vom Marsch auf Berlin ging man militärisch ins Desaster.
Zentrale Quelle zur britischen Außenpolitik im Kontext der Polen- Rumänien-Garantie: Martin Gilbert und Richard Gott: T
he Appeasers
@ silesia
‚ Die "mangelnde Entwicklungsfähigkeit" Ostpreußens ist propagandistischer Unsinn, der reichlich von Goebbels und Konsorten verbreitet wurde und bis auf "mangelnde Lebensfähigkeit" zugespitzt wurde.’
Das ist wohl mehr die bequeme Diskreditierung über den NS-Infekt, denn eine sachliche Vorhaltung. Tatsache ist, dass eine rein auf dem Seeweg beruhende verkehrliche Infrastruktur nicht nur langfristig erhebliche verkehrstechnische und ökonomische Nachteile hat. Auf dem umgekehrten Aspekt beruhte ja auch der nachvollziehbare polnische Anspruch auf einen eigenen Seehafen.
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