Das Beispiel des Werkes und des tragischen Todes von Olymp de Gouges nur 10 Jahre vor der Inkraftsetzung des Code Civil und zu einem Zeitpunkt, als man bereits die ersten Züge dieses Gesetzeswerkes schuf, zeigt doch überdeutlich, dass es in dieser Zeit fast einer Utopie glich, der Frau die gleichen Rechte zu verschaffen, wie den Männern.
Woher sollten die Männer um Napoleon und der Erste Konsul selbst, die Kraft nehmen sich einer Volksmeinung zu widersetzen, die zu derartigen tödlichen Eskapaden im Stande war.
Dies von Napoleon zu erwarten, hieße die Zwänge der Zeit zu mißachten.
Und die lange Zeit, die es noch brauchte, bis Frauen in Frankreich wenigstens das Wahlrecht ausüben durften beweist doch, welcher im Übermass unerfüllbarer Anspruch hier an Napoleon gestellt würde, wollte man schon 1803 von ihm die Gleichberechtigung der Frauen erwarten.
Immerhin hat Napoleon Frauen wie Thérèse Figueur, welche sich im nachrevolutionären Frankreich eine Nische in der männlichen Welt des Soldatseins erobert hatten, nicht auf dem Scheiterhaufen verbrennen oder an die Wand stellen lassen. Als Thérèse die im 15ème régiment de dragons diente, mit einer Pension abgefunden werden sollte, setzten sich die Marschälle Lannes, Augereau und Géneral Nouguez (dessen Leben sie einstmals rettete) für deren Reaktivierung und Verbleib bei den Dragonern ein.*1
Aber zurück zu der durchaus berechtigten Frage, warum Napoleon I. in Frankreich so beliebt war und ist.
:fs:
Aufschluss darüber kann uns mit Sicherheit der Kammerdiener Constant des Kaisers geben, der bis auf wenige Monate, auf Schritt und Tritt an der Seite des Konsuls und dann des Kaisers war.
Unter den beiden Hilfs-Sekretären (des Herrn de Meneval – Anm. d. Verf.) war besonders einer, der soviel Schulden hatte, dass er wenn nicht ein unvorhergesehenes Ereignisse eingetreten wäre, entlassen worden wäre.
Nachdem er eine ganze Nacht über seine Verlegenheit nachgedacht hatte, um sich die Summen zu verschaffen, die seine ungestümen Gläubiger verlangten, kam er auf den Gedanken, in der Arbeit Befreiung von seinen vielen Sorgen zu suchen.
Schon um fünf Uhr morgens stellte er sich in seinem Bureau ein. Da er glaubte, dass ihn zu dieser frühen Stunde niemand hören würde, begann er wohl mitten in seiner Arbeit zu pfeifen wie ein Hänfling.
Der Kaiser hatte aber eines Morgens nachdem er bereits eine ganze Zeit in seinem Kabinett gearbeitet, das Pfeifen gehört:
„Was Teufel, schon da Monsieur! Das ist recht,“ rief er das Bureau betretend. „Maret wird zufrieden mit Ihnen sein. Wieviel Gehalt bekommen Sie?“
„Sire, ich habe 8000 Francs jährlich. Ich wohne im Schloß und werde hier verpflegt.“
„Oh! Das ist ja sehr gut, Sie können zufrieden sein Monsieur.“
Der junge Mann der bemerkt hatte, dass der Kaiser guter Laune war, beschloss sogleich die Schwierigkeiten seiner Lage offen auseinanderzusetzen.
„Ach Sire, ich sollte wohl freilich glücklich sein, aber ich bin es nicht.“
„Und warum nicht?“
„Ich muss es wohl bekennen, Sire. Ich habe mit so vielen „Engländern“ zu tun, außerdem einen alten Vater, zwei Schwestern und eine Mutter zu erhalten.“
„Was wollen Sie denn mit Ihren „Engländern“ sagen; müssen Sie diese Leute auch erhalten?“
„Nein Sire, aber es sind Leute, die für meine Vergnügungen mit dem Gelde, welches sie mir geliehen hatten, aufkamen. Man nennt heute seine Gläubiger „Engländer“.
„Genug, genug! Mit dem Gehalt welches Sie beziehen, machen Sie also noch Schulden? Ich will nicht länger jemanden um mich haben, der zu dem Solde von „Engländern“ seine Zuflucht nimmt, wenn er mit dem Solde, welches ich ihm zahle, sehr behaglich leben kann. Innerhalb einer Stunde werden Sie Ihre Entlassung haben.“
Der Kaiser warf noch einen strengen Blick nach dem jungen Sekretär hin und entfernte sich. Dieser war, wie man sich denken kann, der Verzweiflung nahe; Gedanken an Selbstmord schwirrten ihm durch seinen Kopf, als der diensthabende Adjutant eintrat und ihm einen Brief des Kaisers überreichte. Derselbe lautete:
„Monsieur!
Sie haben verdient, aus meinem Kabinett fortgejagt zu werden. Aber ich habe an Ihre Familie gedacht; um Ihrer Familie willen verzeihe ich Ihnen. Da sie es vor allem ist, die unter Ihrem schlechten Betragen leiden würde, so schicke ich Ihnen zugleich mit meiner Verzeihung 10 000 Franken in Bankscheinen. Bezahlen Sie mit dieser Summe alle „Engländer“, von denen Sie belästigt werden und geraten Sie nicht nochmals in die Hände derselben, denn dann müßte ich Sie aufgeben.
Napoleon“
Mit einem schallenden „es lebe der Kaiser“ verließ der junge Mann eiligen Schrittes das Kabinett, um seiner Familie die frohe Kunde zu überbringen.
Sein junger Kollege, dem er ebenfalls alles erzählt hatte, erschien nun auch schon mit Tagesanbruch bei der Arbeit, pfiff auch wie sein Freund, um des Kaisers Aufmerksamkeit zu erwecken und in den Besitz von Banknoten zu gelangen.
Leider aber hörte ihn der Kaiser nicht.*2
Constant gibt uns hier einen Einblick in die Großzügigkeit des Kaisers für seine Umgebung und vor allem auch in Bezug zu den Menschen, die sein Vertrauen eigentlich nicht verdient hatten, als eine Facette der Persönlichkeit Napoleons I.
Die hier im Forum an anderer Stelle suggerierte Meinung, "der Kaiser sei geizig und habe jeden Knopf gezählt", ist deshalb mit Sicherheit nicht richtig und eine einseitige, nicht wahrheitsbezogene Darstellung.
Allerdings finde ich im "Constant" nicht einen einzigen Beitrag zu Talleyrand, trotz des "herausstechenden Wesens" des ehemaligen Außenministers.
Kircheisen schreibt, dass die Herausgabe der Memoiren recht schwierig und an eine Datumsfrist gebunden war.
Auch blieb Constant mit den Kapiteln "Die Tagebuchblätter der Madame X" und "Der Lebenslauf der Baronesse de V......,von ihr selbst erzählt" im anonymen Bereich.
Offenbar fürchtete Constant um sein Leben, wenn seine Memoiren zu Lebzeiten und in der Zeit der Restauration veröffentlich wurden.
Der Inhalt der Memoiren blieb daher zu Lebzeiten Constants geheim.
Wer ihn wohl bedrohte und um den Inhalt nicht wissend oder im Zweifel, um seinen Ruf fürchtete?:grübel:
Das wäre ein sehr lohnendes Forschungsthema!:rofl:
*1 "Thérèse Figueur - un ancien du 15e Dragons", Edition Delmas, 1936,
"Femmes aux armées", M.-L. Jacotey, Edition Dominique Guéniot, 1999 ,
*2 "Napoleon - Nach den Memoiren seines Kammerdieners Constant", Schmidt & Günther in Leipzig, Dritter Band, Seite 275 - 277.....
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.......alles aus @laGalopines grundsolidem Bücher - Humidor :winke:!