Priesterinnen und Seherinnen der Germanen sind ein altes Topos.
Erstmals beim Zug der Kimbern und Teutonen berichtete Strabon über weissagende Priesterinnen der Kimbern und Teutonen berichtet, die aus dem Blut geopferter Kriegsgefangener die Zukunft lesen.
Danach taucht das Thema der weissagenden Frauen in unterschiedlichen Spielarten immer wieder auf. Etwa in der Germania oder die riesige Frau an der Elbe, die dem Drusus weissagt und diesen zur Umkehr bewegt. Gerade im letzten Fall der Riesin von der Elbe dürfte Märchen und Geschichte durchaus vermengt sein.
Germanische Seherinnen tauchen relativ häufig in den antiken Quellen. Eine wahrscheinlich vollständige Liste gibt es
hier im Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Ein interessanter Punkt ist, dass nicht nur die Barbaren, sondern auch immer wieder römische Kaiser und Feldherrn den Weissagungen germanischer Frauen Glauben schenkten.
Ganz aus der Luft gegriffen dürften die Seherinnen wohl nicht sein, auch wenn sie in der Arminius-Story fehlen, aber kann ja auch nicht Maßstab aller Dinge sein. Germanische Seherinnen gab es wirklich, über ihren genauen Einfluß lässt sich streiten.
Eine weitreichende politische Rolle wie im Falle Veledas dürfte jedoch die Ausnahme gewesen sein. Als Ausnahmepersönlichkeit wird sie auch beschrieben. Türme dürften ebenfalls eine architektonische Ausnahmeerscheinung sein. Der Lebensstil einer Veleda dürfte von der gewöhnlicher Germaninnen genauso verschieden sein, wie der einer Pythia von den Griechinnen.
Das Motiv der "Jungfrau im Turm" ist im Abendland weit verbreitet. Bekannte Fälle sind Danae aus der griechische Mythologie und Rapunzel aus Grimm's Märchen.
Die Frage ist nur wer sich einst der Archetypen und Topen bedient hat, die römischen Autoren oder die Seherin selbst. Die Sache mit dem Turm kann genauso gut gezielte Inszenierung der Seherin selbst sein wie ein literarischer Topos der Autoren.