Die Lage der Minderheiten in dem Osmanischen Reich

Beanspruchen kann man viel, inwieweit das alles mit der historischen Realität übereinstimmt, ist eine andere Sache. Besonders spaßig finde ich die Titelusurpation eines "Kaisers von Byzanz", also eines christlichen Herrschers und eines Herrschertitels, der tief in der abendländischen Tradition verankert ist. Erheiternd auch der "oberste Herr von Europa" oder der "mächtige König von Persien", alles Länder, die der Herr Sultan sicher gern komplett beherrscht hätte.

Solcherlei ist ja nun nichts Neues. Ich will nicht wissen, wie viele europäische Herrscher sich zeitgleich als König Jerusalems titulierten, auch wenn dieser Herrschaftsanspruch mit der Realität so rein gar nichts zu tun hatte.
Und Alfons VI. nannte sich im 11. Jhdt. gleich mal auf Arabisch al-Imbraṭūr-dū-l-Millatayn, 'Kaiser der zwei Religionen', dabei beherrschte er selbst gerade mal ein Drittel der iberischen Halbinsel. Herrschaftsansprüche und tatsächliche Herrschaft, das sind eben zwei paar Schuhe. Und was die Usurpation des byzantinischen Throns anging: Das hatte in Byzanz doch Tradition. Warum also nicht die Osmanensultane als byzantinische Basilées anerkennen?
 
Das habe ich auch nicht behauptet, sondern die Titelei lediglich amüsiert registriert. :autsch:


Wenn man bedenkt, dass die frühen Osmanensultane auch byzantinische Prinzessinnen als Ehefrauen bekamen, als "Lohn" für ihre Dienste bzw. aus byzantinischer Sicht, eine Art Bündnis - so gäbe es zumindest theoretisch eine "Grundlage des Blutes" für diese Ansprüche. Ob sich Mehmet II. dessen noch bewusst war, als er den Titel Caesar annahm, spielt eigentlich keine Rolle, denn so gesehen war er mit dem letzten byzantinischen Herrscher entfernt verwandt, und führte durch dessen militärische Unterwerfung eine Art verspätete Erbfolge herbei("legitimiert", wenn auch nur zu einem ganz kleinen Anteil). Und da "Caesar" kein ursprünglich christlicher Begriff ist, ist es doch gar nicht so absurd, als Muslim auch gleich diesen Titel miteinzuheischen.
 
Wobei es da dann noch einen Unterschied gibt. Bevor es christliche Herrscher gab, die die Titel basileus, caesar oder imperator trugen, konvertierten römische Kaiser zum Christentum und damit "gerieten" diese Titel in den "Besitz" christlicher Herrscher. Desweiteren blieben die Titel ja in der Sprache (abgesehen vom Deutschen), also im Byzantinischen und in den romanischen Sprachen. Im Falle der Osmanen wurde der Titel eher entlehnt mit dem konkreten politischen Ziel, die Herrschaft über christlichen Untertanen nicht nur durch die militärische Überlegenheit, sondern auch durche Erbe oder Charisma zu legitimieren. Möglicherweise spielte auch die Anerkennung durch die europäischen Mächte eine Rolle, also eine diplomatische Nuance, die aber wohl auf dem Parkett der internationalen Politik eher zu vernachlässigen ist. Alles in allem offenbar ein politisch kluger Schritt (es hätte ja auch anders sein können, nämlich dass die christlichen Untertanen die Übernahme des Titels übel genommen hätten, oder vielleicht die muslimischen, wenn auch aus anderen Gründen).
 
"Kaiser" nannten/nennen sich ja auch die Herrscher Chinas bzw. Japans, und hier gibt es auch keine tiefgründigen Bindungen zum Christentum.
 
Nein, das kann man so nicht sagen. Der "Kaiser" von China nannte sich eigentlich "Huang Di", der von Japan nennt sich "Tenno". Dass sie in Europa als "Kaiser" bezeichnet werden, entspricht einfach der europäischen Gewohnheit, auch mächtige außereuropäische Herrscher als "Kaiser" zu bezeichnen, unabhängig von ihrem wahren Titel. Der osmanische Sultan hingegen erhob (wie der russische Zar) Anspruch auf Nachfolge des rhomaischen, also römischen, Kaisers in Konstantinopel.
 
Nein, das kann man so nicht sagen. Der "Kaiser" von China nannte sich eigentlich "Huang Di", der von Japan nennt sich "Tenno". Dass sie in Europa als "Kaiser" bezeichnet werden, entspricht einfach der europäischen Gewohnheit, auch mächtige außereuropäische Herrscher als "Kaiser" zu bezeichnen, unabhängig von ihrem wahren Titel.


Das ist schon interessant, da es für die Europäer aber trotzdem Begriffe wie Mogul, Schah oder Woijwode gab/gibt. Auch gibt es einen König von Marokko oder Jordanien. Aber wahrscheinlich differenziert der europäische Sprachgebrauch nicht genügend.

Auf welche Grundlage sich der osmanische Sultan berufen haben könnte, habe ich ja bereits erwähnt.
 
Zwischen dem europäischen Kaiser dem von Gott aufgestellten Herscher der Welt und dem Sohn des Himmels gibt es die Gemeinsamkeit des universellen Machtanspruchs.

Der Vojvode ist faktisch der Herzog Vojska=Armee, Heer Vod=Führer.
 
Wenn man bedenkt, dass die frühen Osmanensultane auch byzantinische Prinzessinnen als Ehefrauen bekamen, als "Lohn" für ihre Dienste bzw. aus byzantinischer Sicht, eine Art Bündnis - so gäbe es zumindest theoretisch eine "Grundlage des Blutes" für diese Ansprüche.

Wenn es nach solchen Kriterien ginge, hätte den deutschen Herrschern halb Europa zufallen müssen - und auch die französischen Herrscher oder andere europäische Dynastien hätten ähnliche Ansprüche stellen könnn.

Eine byzantinische Prinzessin macht aus einem osmanischen Sultan noch keinen byzantinischen Herrscher, wie auch die britische Prinzessin Victoria aus Kaiser Friedrich III. noch keinen englischen König machte.
 
Wenn es nach solchen Kriterien ginge, hätte den deutschen Herrschern halb Europa zufallen müssen - und auch die französischen Herrscher oder andere europäische Dynastien hätten ähnliche Ansprüche stellen könnn.

Eine byzantinische Prinzessin macht aus einem osmanischen Sultan noch keinen byzantinischen Herrscher, wie auch die britische Prinzessin Victoria aus Kaiser Friedrich III. noch keinen englischen König machte.



Du hast mich nicht verstanden. Ich sagte nicht, dass es jemanden zu einem byzantinischen Herrscher macht, sondern das man sich durch die Verbindung mit einer Prinzessin in eine Thronfolgereihe einheiratet, wo man spätestens dann "an die Reihe kommt", wenn niemand mehr aus der Familie übrig ist. Mehmet und Konstantin waren durch diesen Umstand entfernt verwandt, und ersterer schaltete seine "Verwandtschaft" aus - letzlich blieb keiner mehr übrig, um Anspruch auf den Thron zu erheben, und er tat es. Theoretisch absolut möglich, und praktisch in diesem Fall erst recht, da ja keine Konkurrenten mehr vorhanden waren.
 
Dass es keine Konkurrenten mehr gab, stimmt aber nicht. Mit Konstantin XI. starben die Palaiologen ja nicht aus. Z. B. hatte er zwei Brüder, die ihn überlebten, Demetrios und Thomas. Andreas, ein Sohn von Thomas, erhob auch offen Anspruch auf den Thron.
 
Dass es keine Konkurrenten mehr gab, stimmt aber nicht. Mit Konstantin XI. starben die Palaiologen ja nicht aus. Z. B. hatte er zwei Brüder, die ihn überlebten, Demetrios und Thomas. Andreas, ein Sohn von Thomas, erhob auch offen Anspruch auf den Thron.


Nur: Wer hatte die Möglichkeiten, den Anspruch auch durchzusetzen (militärisch sowie politisch)? Wie die Geschichte zeigt, keiner.

Nicht das ich hier der Anwalt Mehmets bin. Es geht mir nur darum, darzulegen, auf welcher Grundlage gewisse Entwicklungen verlaufen sind.
 
Du hast mich nicht verstanden. Ich sagte nicht, dass es jemanden zu einem byzantinischen Herrscher macht, sondern das man sich durch die Verbindung mit einer Prinzessin in eine Thronfolgereihe einheiratet, wo man spätestens dann "an die Reihe kommt", .

Das ist mir schon klar, aber byzantinische Prinzessinnen waren über halb Europa verstreut und solche im Harem des Sultans beileibe nicht die einzigen. Im übrigen endeten die byzantinischen Dynastien nicht mit dem Ende von Byzanz.
 
Das weiss ich schon. ;)

Dennoch waren Konstantinopel bzw. später Trapezunt das Ende der ernstzunehmenden anderen Thronkandidaten. Vom versprengten Rest ging keinerlei Gefahr mehr aus.

Eine legale Thronfolge des osmanischen Sultans in Byzanz halte ich für absurd. Das ist höchstnes ein etwas groteskes Gedankenspiel.
 
Nur: Wer hatte die Möglichkeiten, den Anspruch auch durchzusetzen (militärisch sowie politisch)? Wie die Geschichte zeigt, keiner.

Nicht das ich hier der Anwalt Mehmets bin. Es geht mir nur darum, darzulegen, auf welcher Grundlage gewisse Entwicklungen verlaufen sind.
Da vermischst Du jetzt aber die Frage, wer die faktische Macht hatte, Konstantinopel zu beherrschen, und wer das Recht dazu hatte.

Kritisch anzumerken bleibt aber ohnehin, dass es im Byzantinischen Reich in der Theorie gar keine dynastische Erbfolge gab. (In der Praxis sicherten viele Kaiser aber die Nachfolge ihrer Söhne, indem sie sie noch zu Lebzeiten zu Kaisern krönten, sodass sich letztlich doch Dynastien bilden konnten.)
 
Eine legale Thronfolge des osmanischen Sultans in Byzanz halte ich für absurd. Das ist höchstnes ein etwas groteskes Gedankenspiel.


Das habe ich ganz zu Beginn bereits geschrieben: "Grundlage des Blutes" und "legitimiert". Nicht umsonst mit Anführungszeichen versehen. Natürlich weit hergeholt, ich schrieb aber auch, dass man sich das damals herleiten hätte KÖNNEN.
 
Da vermischst Du jetzt aber die Frage, wer die faktische Macht hatte, Konstantinopel zu beherrschen, und wer das Recht dazu hatte.


Was damals aber Hand in Hand ging. Wer die Möglicheit hatte, die Macht zu übernehmen, liess die Gelegenheit nicht verstreichen. Das Argument der fehlenden geregelten Erbfolge kommt einem Aussenstehenden (in diesem Falle dem Sultan) erst recht gelegen.
 
Mir geht es darum, dass man in Byzanz im Grunde genommen eben keinen Anspruch auf den Thron hatte, nur weil man mit einer byzantinischen Prinzessin verheiratet war oder von ihr abstammte. Insofern war es egal, ob die osmanischen (und russischen, die sich ja auch als Nachfolger betrachteten) Herrscher irgendwie mit den Palaiologen verwandt oder verschwägert waren.
 
Mir geht es darum, dass man in Byzanz im Grunde genommen eben keinen Anspruch auf den Thron hatte, nur weil man mit einer byzantinischen Prinzessin verheiratet war oder von ihr abstammte. Insofern war es egal, ob die osmanischen (und russischen, die sich ja auch als Nachfolger betrachteten) Herrscher irgendwie mit den Palaiologen verwandt oder verschwägert waren.



Das macht die ganze Diskussion hier obsolet.:D

Meine Grundintention war es ja, in Erinnerung zu rufen, dass die Osmanen trotz religiöser Unterschiede kein völliger Fremdkörper im Vergleich zu den Oströmern waren, da es ja durchaus Paralellen in so mancherlei Hinsicht gab. Natürlich stellt das Jahr 1453 eine Zäsur dar, aber es ist nicht gleich der Beginn einer neuen Zeitrechnung (nicht das ihr beide diese Haltung vertreten würdet).
 
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