Sprachen zur Zeit Karl des Großen

abbio

Neues Mitglied
Erstmal ein Hallo von mir als Neuling an alle hier, ich hoffe ihr könnt mir bei der Beantwortung einer Frage weiterhelfen (hab schon ein bisschen hier im Forum gestöbert, aber keine Antwort auf meine Frage gefunden).

Also, mich würde interessieren, wie es mit der Verständigung zwischen den Völkern der Franken, Sachsen, Friesen, Dänen und Angelsachsen zur Zeit Karl des Großen (also so um 800 herum) ausgesehen hat. Diese fünf Völker lebten ja in relativer Nähe zueinander und ihre Sprachen hatte gemeinsame Ursprünge.

War es für einen Franken möglich, sich mit einem Sachsen zu verständigen, oder hatten sich die Sprachen zu dieser Zeit schon so weit voneinander entfernt, dass so eine Verständigung ohne Dolmetscher nicht stattfinden konnte? Die gleiche Frage stelle ich mir für die Verständigung zwischen Franken und Friesen, Sachsen und Friesen sowie zwischen diesen drei Völkern und den Angelsachen und Dänen.

Falls jemand gute Literatur zu dem Thema kennt, wäre ich für einen Hinweis auch sehr dankbar.
 
Ja, ein germanisch sprechender Franke und ein Sachse konnten sich noch untereinander verstehen, sie sprachen nur Varietäten derselben Sprache.
 
Nun, ein "Sachse" von heute hat zwar Schwierigkeiten, aber er kann durchaus einen "Salfranken" verstehen, umgekehrt genauso. (Niederländer /Flame -Niedersachse)
Ein Angelsachse konnte eine eodsassen verstehen und umgekehrt (->Sachsenmision)
Franke -Angelsachse war wohl schon schwerer.

Wobei man allerdings auch bedenken muß, das es zwischen einem Hadelner und einem Südharzer auch Schwierigkeiten gegeben haben dürfte. DIE sächsiche Sprache gab es nämlich nicht
 
gottlob gibt es drei große Sprachzeugnisse:
Beowulf (old-saxon, altangelsächsisch)
Heliand (altsächsisch)
Hildebrandslied (verkürzt gesagt althochdeutsch)
((ich weiß, dass alle drei nicht leicht zu datieren sind, aber erstens gibt es weitere Sprachzeugnisse, zweitens lassen sie alle ungefähr rekonstruieren, wie die germanischen Sprachen im frühen Mittelalter ausschauten))

die Unterschiede zwischen Beowulf und Heliand sind geringer als die zwischen Heliand und Hildebrandslied; vermutlich haben sich Altfriesen, Festlandsachen und Angelsachsen um das Jahr 800 herum etwas leichter miteinander verständigen können als mit "den Franken" - freilich lief die Entwicklung dieser Sprachen weiterhin auseinander, sodass die Verständigung sicher nicht leichter wurde, zumal es sich um einerseits nordgermanische und andererseits west- und südgermanische Sprachen handelt.

Freilich gab es weder in den angelsächsischen Königreichen um 800 noch im fränkischen Reich Karls des Großen und seinen germanischen Anrainern (Sachsen, Friesen, Dänen) einheitliche Sprachreformen: so sprach man im heutigen Süddeutschland "altalemannisch", am Mittelrhein hingegen "salfränkisch"; und "das alt-Fränkische" teilte sich auch in regional voneinander abweichende Ausprägungen.

Denken wir an die angelsächsische sklavin Balthild, die es karrieremäßig zur fränkischen Merowingerkönigin brachte: vielleicht hatte sie im Frankenland einen Akzent - aber verständigen konnte sie sich :)
 
Wobei , dekumatland, ich alle 3 für "sächsische" Zeugnisse halte. Mit unterschiedlich viel Latinismen und einer unterschiedlichen Schreibweise "gleicher" Laute/gleicher Vokabeln.

Hildebrandslied und Heliand wurden ja beide nach fränkischen "Rechtschreibregeln" für Laute geschrieben, von "sächsischen" Mönchen. Der erste Teil des Hildbrandslieds erinnert in Lautgebung und Vokabeln stark an das Göttinger Niederdeutsch, der zweite Teil an das Halberstädter/Wernigeröder niederdeutsch. Der Heliand eher an Küsten bzw westfälisches Niederdeutsch. Latinismen scheinen mir im Hildebrandslied häufiger.

Alle 3 richten sich aber an die "gehobenen Stände"
 
Hildebrandslied und Heliand wurden ja beide nach fränkischen "Rechtschreibregeln" für Laute geschrieben, von "sächsischen" Mönchen.
insgesamt dürfte das Hildebrandfragment doch eher zu den althochdeutschen als zu den altsächsischen Sprachdenkmälern gehören, hierzu nur ein Miniausschnitt aus Tante Wiki:
Das Hildebrandslied wurde um 830–840 von zwei unbekannten Fuldaer Mönchen in hauptsächlich althochdeutscher Sprache, jedoch in einer eigentümlichen altsächsich-altbairischen Mischsprache
(erstaunlich diese Nord-Süd Mixtur)
 
:))
Garnicht mal, wer die beiden von mir genannten niederdeutschen Dialekte kennt, dem fällt´s beim "Lautlesen" sofort auf. Und es ist sehr viel Wahrscheinlicher, das ein "Göttinger" und ein "Nordharzer" in Fulda Mönch waren, als ein Baier und ein Franke.
Es ist auch dann immer noch schwer verständlich,wegen der Latinismen, aber den Inhalt kann man erfassen.

Vielleicht sollte sich Dieter das Lied mal unter dem Gesichtspunkt durchlesen. Ich bin ja nur Laie und verstehe diese Dialekte zwar, spreche sie aber selber nicht. Beim Heliand , ähnliche Zeit , muß ich passen.

Zum Vergleich Sachsenspiegel aus Wolfenbüttel, kein Thema, Witzlaw von Rügen, Jenaer Liederhandschrift, kein Wort Verständnis. Die letzten beiden liegen auch zeitlich dicht beieinander, beides Niederdeutsch, Witzlaw allerdings in der Sprache Fritz Reuters, das kann ich gerade noch erkennen.

Abgesehen davon wäre auch "Altsächsisch/altbairisch" eher ein sächsisches als ein hochdeutsches "Sprachdenkmal"

Unabhängig davon konnten sich Franken und Sachsen/Inselsachsen wohl "verstehen"

Friesisch und die niederdeutschen Dialekte unterscheiden sich allerdings sehr von einander. Was man von "Ostfälisch" und "Wessex/Somerset" nicht behaupten kann. Meine Schwester unterhielt sich vor Jahrzehnten mir ihrer Brieffreundin aus Bath auf Platt (mit ein wenig Englisch.)

Und das sich in der Heide (Epstorf) in der Kneipe Englische Soldaten mit den Eingeborenen "aus Versehen" unterhielten, ist kein modernes Märchen. Beide Seiten sprachen ihren heimatlichen Dialekt, damit die andere Seite sie nicht verstehen sollte, man unterhielt sich dann :).

Ergo, wenn das heute noch mühsam geht, ging das damals leichter.
 
ob die heutigen Dialekte es ihren Sprechern ermöglichen, erstens allerlei über 1000 Jahre alte [sic] Sprachdenkmäler zu verstehen und auch deren leider nicht überlieferte Aussprache klarzustellen, sei dahingestellt :winke: - - das führt uns hier auch nicht weiter bei der Frage, ob sich altangelsächsisch, altsächsisch, altfränkisch, altalemannisch und altbairisch sprechende Leute im frühen 9. jh. halbwegs verstehen konnten: es wird schon einigermaßen funktioniert haben.

wie würdest du den Text der Nordendorfer Fibel übersetzen dank deiner Kenntnisse lokaler Unterschiede heutiger Dialekte? Der Text lautet: logaþore wodan wigiþonar - und nicht googeln :winke:
 
???????
Wo leit Nordendorf???? Ich habe google Earth benutzt, hilft mir jetzt auch nicht weiter.
Log?athore woda/en wig?ithona/er

Oder

Latein Locator = Gründer/Gründen wici weichen
frei
Baue auf Wode meide Donar
Da wäre das erste ein Latinismus

Ich weiß, brüllendes Gelächter

Aber sind die Wörter richtig getrennt in Deinem Beispiel? Das "g" ist zweifelhaft
 
Zuletzt bearbeitet:
es geht gar nicht um Gelächter oder sowas!

interessant ist:
für logaþore wird das altengl. logdor (Lügner) herangezogen 1)
wodan ist bis heute verständlich :D
wigiþonar kann als "Weihe-Donar" aufgefasst werden

die Runeninschrift ist nicht eindeutig übersetzbar - eine der Übersetzungen ist "Lügner sind Wodan und Donar" und kann als Zeugnis von religiösem Synkretismus gedeutet werden, vgl. Wipf althochdeutsche Texte (Reclam)


1) da hätten wir also eine grundsätzlich altsächsische Vokabel in einem süddeutschen (Nordendorf bei Augsburg) Runentext
Bügelfibel von Nordendorf ? Wikipedia
 
Zurück zur Ausgangsfrage:

Also, mich würde interessieren, wie es mit der Verständigung zwischen den Völkern der Franken, Sachsen, Friesen, Dänen und Angelsachsen zur Zeit Karl des Großen (also so um 800 herum) ausgesehen hat.

Die Antwort ist vielleicht zu einfach aber es gab auch zu dieser Zeit eine Weltsprache nämlich Latein. Latein war die Sprache der Eliten und auch der Kirche insofern konnte man sich wohl auch völkerübergreifend in dieser Sprache unterhalten.
 
Die Antwort ist vielleicht zu einfach aber es gab auch zu dieser Zeit eine Weltsprache nämlich Latein. Latein war die Sprache der Eliten und auch der Kirche insofern konnte man sich wohl auch völkerübergreifend in dieser Sprache unterhalten.
ich nehme an, dass zumindest ein großer Teil der kriegerischen Eliten jener Zeit oft genug auf Dolmetscher in seinem Gefolge angewiesen war: wo hätte z.B. ein Friesenfürst Latein lernen sollen, und noch dazu derart gut, dass er Fallstricke in Vertragstexten erkennen kann?
 
Rom war um 800 bereits "Geschichte" und Latein hatte sich längst als "die römische Sprache" freigeschwommen. Latein war eine Weltsprache die überall verstanden und gesprochen wurde und das sehr lange weit über das Mittelalter hinaus. Die meisten der heute bekannten Texte in Latein entstanden nicht zu Zeiten der Römer sondern danach. Das gilt für alle Bereiche der Kunst, Wirtschaft und vor allem Wissenschaft...natürlich auch im kirchlichen Bereich, aber eben nicht nur dort.

Erst im 18./19. Jahrhundert mit Aufkommen der Nationalstaaten wurde das Lateinische immer mehr zurückgedrängt und letztendlich als tote Sprache "gebrandmarkt". Um die Bedeutung der lateinischen Sprache für die mittelalterliche Welt bewusst zu werden muß man sich auch ein Stück weit von nationalen Gedankengängen lösen.

Ich glaube die Menschen im Mittelalter hatten ein ganz anderes Verhältnis zum Latein als wir heute oft denken. Für das religiöse, politische, kulturelle und Weltwirtschaftliche Geschehen war Latein sehr bedeutend. Im Alltagsleben auch im privaten der einfachen Menschen dann wohl eher weniger. Bedeutender als z.B. die englische Sprache heute für uns ist - eben eine wirkliche Weltsprache.
 
Auf der anderen Seite lachten die Süddeutschen Kaiser Otto, der sächsisch sprach, wegen seiner "seltsamen Sprache aus(Widukind v.Corvey) verstanden ihn aber doch.
Das war dann 100 jahre später
 
Danke euch allen für die Antworten :) Das hat schon ein bisschen Licht in meine große Sprachverwirrung gebracht.

Die Frage nach der Verständigung zwischen Sachsen und Dänen kam bei mir auf, da auf der Diskussionsseite des englischen Wikipediaartikels zu Widukind die gewagte These aufgestellt wird, dass die Sachsen und die Dänen eine fast identische Sprache gesprochen hätten.
 
abbio, Jüten und Sachsen. Widukind soll ja mit einer dänischen "Prinzessin" verheiratet gewesen sein und die Beziehungen der Nordalbinger zu den Dänen war , naja, eng. Man kannte sich und da wird schon einer des anderen Sprache gesprochen haben. Zumindest die "Upperclass" könnte "Zweisprachig" gewesen sein. Das gleiche gilt ja für die Friesen heute, da sind ja etliche sogar 3 sprachig. Friesisch, Niederdeutsch und Schrifdeutsch.
Man kann auch eine vollkommen fremde Sprache durch engen Kontakt schnell lernen, man muß die andere dabei nicht übernehmen. Die dänischen, friesischen und sächsischen Fernhändler sprachen sicher irgendwann fränkisch, dänisch , friesisch ...
 
Ja, dass es relativ einfach sein kann, eine neue Sprache zu lernen, stelle ich gar nicht in Frage, meine Ursprungsfrage ging eher in die Richtung, ob z.B. ein sächsischer Bauer sich mit einem fränkischen Kollegen hätte verständigen können (abgesehen von der Wahrscheinlichkeit eines solchen Treffens).
Das gerade in Grenzregionen die Bewohner oft zweisprachig sind und waren ist für mich ebenso nachvollziehbar.
Gibt es eventuell weitere Infos zu den Beziehungen zwischen Nordalbingern und Jüten? Das Beziehungen vorhanden waren ist klar, die Quellenlage für diese Zeit und Region scheint allerdings eher dürftig zu sein (oder ich informier mich nur an den falschen Stellen). Das gleiche gilt für Widukinds angebliche dänische Frau, da hab ich auch ein paar Infos gefunden, die kommen aber alle aus späteren Zeiten und scheinen meiner Meinung nach nicht unbedingt glaubwürdig zu sein. Widukind war ja meines Wissens nach auch kein Nordalbinger, sondern Westfale irgendwo aus der Raum zwischen dem heutigen Oldenburg und Herford.
 
Die Antwort ist vielleicht zu einfach aber es gab auch zu dieser Zeit eine Weltsprache nämlich Latein. Latein war die Sprache der Eliten und auch der Kirche insofern konnte man sich wohl auch völkerübergreifend in dieser Sprache unterhalten.

Das ist sicher richtig. Dennoch bleibt die interessante Frage unbeantwortet, ob sich Germanen mit westgermanischen Sprachen - Sachsen, Franken, Alemannen, Langobarden - im Jahr 800 n. Chr. noch untereinander verständigen konnten.

Vermutlich war das damals bereits schwierig, denn diese Idiome entwickelten sich auseinander. Selbst heute wird ein Mecklenburger mit niederdeutschem Platt größte Schwierigkeiten haben, einen Menschen mit letzeburgischem Fränkisch zu verstehen - wenn überhaupt. Und das sind nur Dialekte innerhalb der deutschen Sprache.

Aber: Wie weit der Prozess der Differenzierung innerhalb der westgermanischen Sprachen um 800 schon fortgeschritten war, kann wohl nur ein Sprachwissenschaftler beantworten.
 
Es gibt auch ein paar historische Aussagen zum gegenseitigen Sprachverständnis.

Bonifatius war Angelsachse und missionierte Friesen, Thüringer und Sachsen. Folgt man den Quellen hatte er keinerlei Verständigungsschwierigkeiten mit den Einheimischen. Er konnte sich anders als seine weniger erfolgreichen iro-schottischen Vorgänger mit den Einheimischen verständigen.

In den Straßburger Eiden - wohlbemerkt Jahrzehnte nach Karl dem Großen - steht geschrieben, dass das Heer Ludwig des "Deutschen" es versteht, wenn Karl der "Kahle" in der lingua theodisca schwört. Das gesamte ostfränkische Heer - bestehend aus Franken, Sachsen, Thürigern, Bajuwaren, Allamannen, Friesen - verstand die eine lingua theodisca - trotz der bereits bestehenden sprachlichen Teilung durch die Lautverschiebung; so unterstellt es zumindest die Quelle. lingua theodisca bedeutet ungefähr Sprache des Volkes (wörtlicher und unsinnner: völkische Sprache) und ist auch eytmologisch der Vorfahre der deutschen Sprache.
 
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