Welche Funktion hatte die NSDAP eigentlich im System der Diktatur ?

Ichvermute, es geht dem Fragesteller um den satz im o. g. Wiki-Artikel "In der Zeit des Nationalsozialismus trat die NSDAP kaum noch durch eigene Tätigkeit hervor."Dort werden auch einige möglich Gründe genannt.

Ich interpretiere die Strategie der NSDAP so : Es gab kaum eine eigene Parteiorganisation. Die NSDAP-Funktionsträger besetzten öffentliche Ämter und funktionalisierten diese im Sinne der Partei. Staat und Partei verschmolzen daher in fataler Weise, und das Amt mit seiner staatlichen Funktion wurde zum "Succubus" der NS-Ideologie gemacht.
 
Was ist mit succubus gemeint ?

Was ich mit der frage so direkt meine weiß ich auch nicht recht, hab die frage vom lehrer bekommen der meinte so mal ...
ich erzähl jetzt was über die partei und sollte dann noch am schluss antwort auf die obige frage geben ..
 
Besonders die Parteiorganisationen (NSKK, HJ, NS-Studentenbund, NS-Beamtenbund usw.) wurden wichtig, da sie das Leben der Menschen direkt beeinflussten. Wobei nicht alles was im 3. Reich mit NS anfing auch von der NSDAP gelenkt wurde. So war das NSFK (Nationalsozialistische Fliegerkorps) ein "eigenständiger" Verein. Wozu benötigt man aber eine politische Partei, wenn es keine Wahlen mehr gibt und diese Partei den Staat defacto übernommen hat?
 
Ich interpretiere die Strategie der NSDAP so : Es gab kaum eine eigene Parteiorganisation. Die NSDAP-Funktionsträger besetzten öffentliche Ämter und funktionalisierten diese im Sinne der Partei. Staat und Partei verschmolzen daher in fataler Weise, und das Amt mit seiner staatlichen Funktion wurde zum "Succubus" der NS-Ideologie gemacht.

Das sehe ich anders. Die NSDAP hatte durchaus einen großen Parteiapparat mit unzähligen Organisationen. Gerade auf der regionalen Ebene überflügelten diese schon rasch, in den ersten Jahren, in ihrer politischen Bedeutung die staatliche Verwaltung. Dies betrifft besonders die Kreisleitungen und die Gaue.

Dazu gab es noch die Ortsgruppen, die Blöcke und die Zellen. Natürlich wurden auch viele wichtige staatliche Positionen durch Parteigänger besetzt. Aber ein Gauleiter war z.B. vom Prinzip her wichtiger als ein Regierungspräsident, auch wenn beide in der NSDAP waren. Auf der obersten Ebene allerdings behielten die Ministerien ihre Monopolstellung, während die diversen Reichsleiter oft eher symbolisch eine Funktion hatten.

Was in der NSDAP z.B. im Vergleich zur SED fehlte, war aber ein oberstes Parteigremium, in Form eines Art Rates.
 
Wozu benötigt man aber eine politische Partei, wenn es keine Wahlen mehr gibt und diese Partei den Staat defacto übernommen hat?

In einem Einparteienstaat dieser diktatorischen Prägung ist die Partei auch gewissermaßen als riesiges Personalbüro zu verstehen. Niemand sollte ein hohes oder bedeutendes Staatsamt besetzen, ohne sich in irgend einer Weise in der Partei bewährt zu haben. Sie diente also der politischen Schulung und Auswahl. Dies war ja auch in der kommunistischen Welt ganz ähnlich, dort (auch aufgrund der längeren Existenz) nur noch viel institutionalisierter.
 
1. Das sehe ich anders. Die NSDAP hatte durchaus einen großen Parteiapparat mit unzähligen Organisationen.

2. Was in der NSDAP z.B. im Vergleich zur SED fehlte, war aber ein oberstes Parteigremium, in Form eines Art Rates.

zu 1: Völlig richtig. Hitler baute, mit Hilfe von Strasser, eine Parteiorganisation auf, die auf eine Duplizierung der Verwaltungsstrukturen der WR hinauslief.

Die Organisation war konzipiert, den Willen der Partei / Hitlers, nach der Machtübernahme flächendeckend umzusetzen.

Dabei verfügten die Gauleiter über ein relativ großes, eigenständiges Gewicht innerhalb der NS-Hierarchie und Hitler nahm sehr deutlich Rücksicht auf ihre Belange und Interessen.

Deutlich wird das beispielsweise in dem Interessenkonflikt zwischen der zentralen Aufrüstung der Reichs und dem Interesse der Gauleiter, einen maximalen Anteil an Ressourcen zur Verfügung gestellt zu bekommen für Konsumzwecke.

zu 2. Nach seiner Entlassung aus der Haft war Hitler mit einer Vielzahl innerparteilicher Konflikte konfrontiert. Er setzte eine innerparteiliche Kommission ein, die auf Disziplinierung seiner innerparteilichen Widersacher abzielte. Einer der stellvertretenden Vorsitzenden war Frank, der als Gauleiter später noch eine "traurige Berühmtheit" erlangen sollte.

Ansosnten ist es richtig, dass anders als in ideologisch ausgerichteten Kaderparteien, weder eine klare ausgearbeitete ideologische Position vorhanden war, noch eine innerparteiliche Demokratie.

Entscheidungen waren auf den Führer und seine Gunst zugeschnitten, in der letzten Instanz. Und sind auch die Erklärung für die Ineffizienz des NS-Regimes, ihre Potentiale optimal zu nutzen.
 
zu 2. Nach seiner Entlassung aus der Haft war Hitler mit einer Vielzahl innerparteilicher Konflikte konfrontiert. Er setzte eine innerparteiliche Kommission ein, die auf Disziplinierung seiner innerparteilichen Widersacher abzielte. Einer der stellvertretenden Vorsitzenden war Frank, der als Gauleiter später noch eine "traurige Berühmtheit" erlangen sollte.

Auch die Einführung der Partei-Kanzlei während des Krieges unter der Leitung Bormanns kann man als Versuch sehen, doch noch eine Führungsinstanz neben Hitler in der Partei zu schaffen. Von dort gingen auch wichtige Direktiven aus, freilich ist auch sie eher als eine ausführende Organisation zu betrachten,um unter einem besonders ergebenen Gefolgsmann Hitlers. Freilich: auch in einem ZK gab es keine demokratischen Debatten. Interessant finde ich aber, dass es im NS-Staat nicht mal symbolisch einen "Ältestenrat" oder derartiges gab - hier war wirklich alles auf den "Führer" zugeschnitten.
 
Thanepower hat bereits die "Duplizierung" der Strukturen der WR in der Frühphase bis nach der Machtübernahme beschrieben. Hier würde ich noch den Aspekt der Reichsstatthalter während der NS-Revolution ergänzen, als Verquickung der Parteiämter mit Regierungsmacht.

Die NSDAP stellte dann auch im Weiteren die Präsenz des Nationalsozialismus in der Fläche des Reiches dar, mit der beschriebenen Ämtermischung.

Interessant/Relevant wurde dieser Aspekt in den letzten 2 Jahren des Regimes, als sich die Wehrmacht im Kriegsverlauf auf die Reichsgebiete zurückziehen musste. Hier traf man auf die Lokalfürsten, die teilweise - auch auf Anordnung Hitlers - den Wehrmachtskommandos vorgingen und die "Reichsverteidigung" organisierten. Dabei kam es zu zahlreichen Zusammenstößen bzw. Konflikten des jeweiligen Oberbefehls, so zB in Königsberg, Breslau, an der Rheingrenze usw., bei denen die Wehrmachtsoffiziere vor den allgemeinen Auflösungserscheinungen der bewaffneten Macht idR den Kürzeren zogen. Hier zeigte sich, welche Macht den lokalen NS-Organisationen im Reich zukam.
 
Es ist ein Kennzeichen totalitärer Regime, daß die "Staatspartei" mit den Hierarchieebenen des Staates faktisch "verschmilzt". Thane hat es w.o. "Duplizierung" genannt, silesia benannte Beispiele aus der Endphase, die insbesondere deutlich machen, wer in einem totalitären Regime am Ende des Tages bei Interessenkonflikten obsiegt, die Partei oder die staatlichen Funktionärseliten, und zwar die Partei.

Es sollte auch nicht vergessen werden, daß eine Gliederung der NSDAP, die SS, zu einem der mächtigsten Herrschaftsinstrumente im ns Staat aufstieg und die polizeilichen Funktionen gleichsam usurpierte.

Darüber hinaus stellte das "Führerkorps" der NSDAP ein Personalreservoir dar, die ihre Karriere nur der Partei verdankten und die für Aufgaben, die eigentlich eine klassische Beamtenkarriere vorausgesetzt hätten, herangezogen wurden (z.B. Sauckel, Heydrich, Schellenberg, Daluege, Rosenberg etc.).

M.
 
Es sollte auch nicht vergessen werden, daß eine Gliederung der NSDAP, die SS, zu einem der mächtigsten Herrschaftsinstrumente im ns Staat aufstieg und die polizeilichen Funktionen gleichsam usurpierte.

Die Frage ist tatsächlich, ob dieser Ableger der Parteidiktatur in der zweiten Hälfte des "Tausendjährigen Reiches" nicht zum eigentlichen Machtzentrum aufstieg.

Innerhalb der Partei war zweifelsohne eine Organisation, eine auch personell starke Gruppe entstanden, an dem niemand mehr vorbeikam. Die Ausdehnung in Bereiche der Wirtschaft und Wehrmacht, jeweils mit elitärem Anspruch, ist schon mehrfach hier diskutiert worden.
 
Von Kellerhoff liegt eine neue Publikation vor, die sich primär mit der NSDAP beschäftigt. Ein wichtiger Aspekt, der häufig übersehen wird. Es gibt eine relativ geringe Anzahl von Publikationen, wie von Mühlberger (u.a. The Social Bases of Nazism), von Mc Dogough (Hitler and the Rise of the Nazi Party) oder von Orlow (The Nazi Party 1919 - 1945).

https://books.google.de/books/about/Die_NSDAP.html?id=bQXADgAAQBAJ&redir_esc=y

Mit dieser Publikation füllt er gerade für den deutschen Bereich eine Lücke.

Zur Qualität der Publikation im einzelnen kann ich nichts sagen, da ich nur in den Anfang reingelesen habe.
 
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