"Der Winter, der ein Sommer war" (1976)
"Der Winter, der ein Sommer war" (1976) Regie u. Drehbuch: Fritz Umgelter
Ich bin nun endlich in das mehr oder weniger große Vergnügen gekommen, den Fernsehdreiteiler von 1976 anzuschauen. Ich werde diesmal Handlung und inhaltliche Fragen zusammen verschmelzen.
1. Teil
Die 3 Teile erstrecken sich über etwa zwei Jahre - 1775-1776.
Der Film beginnt mit der Erhebung eines Kaufmannes (Hans Caninenberg) durch den Landgrafen Friedrich II. (Günter Strack) zum Baron von Haynau. Gottfried von Haynau hat zwei Söhne, welche rasch charakterisiert wurden. Das ist zum einen Robert von Haynau (Sigmar Solbach), der von einer Handelsreise in die Niederlande zurückkehrt. Er ist Tierfreund und überhaupt scheinbar der - halbwegs naive - Gutmensch des Films. Er rettet angelegentlich Deserteure, die aus der Festung Ziegenhain fliehen wollen. So bemüht er sich auch diesmal, als er von einer Flucht hört, den Deserteur Soermann (Horst Frank) über die Grenze zu bringen und die Verfolger zu verwirren. Das hessische Offizierscorps wird repräsentiert durch Oberst Rall (Heinz Baumann) und Claus von Haynau (Christian Quadflieg), welche sogleich auf die Jagd nach dem Deserteur gehen.
- Ich muss hier kurz einschieben, dass ich Heinz Baumann in seiner Rolle wunderbar besetzt fand, auch wenn ich an sich nicht genug über den Charakter des echten Rall weiß, bringt Baumann für mich hervorragend einen Offizier rüber, der es gewohnt ist zu kommandieren und dass man seinen Befehlen gehorcht. -
Gottfried von Haynau ist ein großer Gläubiger des Landgrafen und wird durch die Hilfe des Ministers Schlieffen (Pinkas Braun) immer reicher. Dennoch versteht er auch die Sorgen seiner Bauern, welche sich über die Schäden der Wildschweine beschweren, welche daher kommen, dass der Landgraf verbietet diese zu schießen.
Soermann war ein Freund von Roberts wirklichen Vater und sucht daher Anna von Haynau (Anneliese Uhlig) auf. Schließlich rettet Robert von Haynau den Deserteur und erfährt, dass sein totgewähnter Vater noch lebt.
Eine Nebenhandlung beschreibt den Streit zwischen dem alteingesessenen Grafen von Sonsfeld (Ernst von Klipstein) und Gottfried von Haynau.
2. Teil
Der Landgraf will sich Christine von Sonsfeld (Claudia Golling) zur Mätresse nehmen, weshalb eine Scheinehe angestrebt wird. Als Bräutigam für Christine wird Claus von Haynau ausgesehen. Dieses Projekt wird aber durch Roberts Vergehen verhindert.
Denn Robert von Haynau lässt sich erneut mit Soermann ein. Er ist zugegen als ein Offizier eines Werberkommandos von aufgebrachten Landleuten und Räubern gelyncht wird, wobei er von einem anderen Offizier erkannt wird, der es Oberst Rall meldet. Außerdem raubt Robert zusammen mit Soermann das Lager eines Posamentenmachers aus. Als beide Claus von Haynau in Kassel begegnen, will dieser sie über die Grenze bringen. Denn allen ist klar, dass Robert die Familie ins Unglück stürzt, wenn er verhaftet wird. An einem Wachtposten verrät Claus, als die Soldaten ohnehin schon fast hinein schauen, dass sein Bruder und Soermann in der Kutsche sind, die er lenkt. Der Landgraf verurteilt daraufhin die beiden Verbrecher zum Tode durch Erschießen.
- Gab es denn sowas? Hier wird die Erschießung irgendwo auf dem Land gezeigt. Wurden nicht Räuber aufgehangen oder geköpft? Erschießen kenne ich nur als Strafe für Deserteure. Für Soermann wäre das ja evtl. die angemessene Strafe gewesen, aber für Robert von Haynau?
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Die Familie verliert aber ihre Besitzungen, die vom Landgrafen eingezogen und auf einen Rat von Schlieffen an den Kammerherrn Stein (Klaus Höhne) vergeben werden, der Christine von Sonsfeld heiratet. Gottfried von Haynau begeht Selbstmord. Robert von Haynau und Soermann werden zum Militärdienst begnadigt und kommen in eine Jägerkompanie unter Major Claus von Haynau. Mit der Einschiffung der Truppen endet die Folge.
- Hier folgt Frau von Haynau ihren Söhnen. Da musste ich total mit dem Kopf schütteln. Wieso sollte das Militär eine abgehalfterte Adelige mitnehmen? Es wird keine Erklärung geliefert, warum sie mit auf das Boot darf. Leider entwickelt sich nicht zuletzt dadurch Baronin von Haynau zu einer total nervigen Figur, die dann auch im Feldlager andauernd ihre Söhne ins Gericht nehmen will. :rofl: -
3. Teil
Der dritte Teil spielt überwiegend in Amerika. Man sieht einen Ausschnitt einer Schlacht bei Flatbush, währenddessen sich gefangene Amerikaner mit den hessischen Jägern unterhalten dürfen. Sie geben den Hessen ein Pamphlet, was sie zum Überlaufen aufruft.
- Im gesamten Film und in diesen Szenen der "Schlacht" insbesondere vollbringen die Jäger wahre Wunder! Es gelingt ihnen mit offenen Pfannen zu schießen, was nicht nur von daher eine Kunst ist, dass dann das Pulver von der Pfanne rieseln würde, sondern auch schwerlich Funken geschlagen werden können. :rofl:Ah ja, und die Jäger haben Angst vor den angeblich so treffsicheren amerikanischen Scharfschützen. -
Relativ rasch wird Robert Selnik vorgestellt, der in der Nähe von Trenton wohnt und offenbar der leibliche Vater von Robert von Haynau ist. In Trenton angekommen gelingt es Soermann, Anna und Robert von Haynau sowie einigen anderen Jägern zu desertieren. Alle bis auf Soermann und Robert von Haynau finden aber entweder durch den Superschützen Claus von Haynau oder Amerikaner, die sie für Spione halten, den Tod. Endlich kommt Robert von Haynau bei seinem Vater an. Ehedem hatte ein Leutnant Bligh von der Kontinentalarmee (Sky Dumont) wiederholt die Moral der Einwohner dadurch zu untergraben versucht, indem er voll Schrecken von den Hessen berichtet; dabei sah er aus als wäre er irgendwie in seine Uniform reingepinkelt worden... Während die Amerikaner die Hessen in Trenton angreifen, irren Robert von Haynau und Soermann in der Gegend rum, weil sie Claus töten wollen. Warum sie dann nicht einfach am Angriff auf Trenton teilnehmen, wird nicht erklärt.
Oberst Rall scheint so länger er in Amerika ist seinen Schädel ausgebrannt zu haben. Er fantasiert dauernd davon mit seinem Regiment allein, denn die anderen Regimenter werden nicht erwähnt, die Amerikaner anzugreifen und Philadelphia einzunehmen. Schließlich verfällt er in Trenton angekommen im Haus eines loyalistischen Arztes dem Suff und wird vom Angriff der Amerikaner überrascht, weil er auf Warnungen natürlich überhauptnicht reagierte.
Aber Robert ist dann rechtzeitig in Trenton, um dabei zu sein, als sich sein Halbbruder ergeben will. Er verleitet Claus dazu, indem er nach einer Waffe greift, dass Claus auf Robert anlegt, woraufhin Claus von umstehenden Amerikanern erschossen wird.
Robert von Haynau kehrt zu seinem Vater auf dessen Gut zurück und verliebt sich in dessen Mündel Mary(Nicole Heesters).
Aufwand und Drehorte
An
Aufwand für Statisten etc. wurde nicht gespart! Die Szenen wie die des Abschiedes der hessischen Truppen sind wahrlich beeindruckend, wozu nicht nur die vielen Boote auf dem Fluss, sondern auch die Zivilisten am Rande beitragen. Immer wieder sieht man, dass offensichtlich hier keine Sparnummer probiert wurde, auch wenn es sehr langweilige Kammerspielsequenzen v.a. innerhalb der Familien von Sonfels und von Haynau usw. gibt.
Die Drehorte sind ähnlich beeindruckend. Einige Drehorte wie Schloss Wilhelmsthal mit Innen- und Außenszenen sowie Schloss Weilburg und auch Parkszenen waren klar Baudenkmälern zuzuordnen. Ganz toll fand ich den Gutshof der Haynaus und die Straßenszene vor dem Stadtpalais der Haynaus, dann die Szenen an der Wassermühle mit dem verfallenen Schloss, das hier als durchaus glaubhafter Sitz des Landreiters präsentiert wird. Die Gemächer in den Innenszenen sind durchweg beeindruckend. Es wird oft auf originales Mobiliar zurückgegriffen, man sieht beeindruckende Mengen an Gemälden etc. - es wird sogar einmal ein gut nachgemachtes Bild von Strack als Landgraf an einer Wand gezeigt, ein toller Einfall!
Selten habe ich wie in dieser Produktion ein solches Nebeneinander zwischen fürchterlichen Aspekten und tollen Einfällen erlebt! Da gibt es diese immer wieder tollen Möbel. In einer Szene liegt Robert v. Haynau mit einer Geliebten in einem tollen Ambiente einer Wirtschaft im Bett und dann knöpft sie ihm ein Etwas von Hemd auf dem Rücken zu!
- Das war übrigens in der Hinsicht der spannendste Film! Ich habe ein bisschen eine Affinität dafür entwickelt wie bei Filmkostümen erfunden wird, wie Hemden aussahen. In vielen schlechten Theaterkostümsammlungen schwirren solche "Lösungen" rum bei denen man sich fragt, wie die wohl darauf kamen. Hier in dem Film werden verschiedene Formen von Hemden gezeigt, das meiste ist so Typ Theaterfundus: komisch eingerafft an den Schultern, Ärmel sitzen falsch, Knopfleiste wie bei modernen Hemden. Die kreativste Lösung aber sah man in der Wirtshausszene. Das Hemd wird am Rücken zusammengeknöpft. Die komische Krawatte (die es in der Form zu der Zeit eh nicht gab) ist am Hemdskragen angenäht und hat also keine Funktion. Das "Jaobot" ist ein irgendwie gearteter Latz, der unter der Krawatte auf das Hemd aufgenäht ist, natürlich ohne Schlitz. -
Die Kostüme variieren zwischen auf die Entfernung ganz gut bis oh Gott, oh Gott! Da wurde sich einmal die Mühe gemacht, dass der Hofstaat des Landgrafen durchweg die roten Jagduniformen wie von den Gemälden Tischbeins, die auch gezeigt werden, trägt und dann wieder läuft der Kammerherr Stein in undefinierbaren Klamotten rum... Mal sind die Frisuren recht gut, mal theatreske Plastikperücken und dann manchmal sogar einfach moderne 70er-Jahre-Frisuren.
Besonders positiv fiel mir auf, dass der Landgraf ein Chatelain trägt (allerdings in einer Westentasche) und einmal Robert v. Haynau sogar ein schönes Feuerzeug benutzt.
Gegensätze bei den Schauspielern
Da sind diese nervigen Szenen zwischen den Haynaus und auf der anderen Seite die wirklich toll gemachten Auftritte von Günter Strack als Landgraf und Baumann als Rall! Manchmal wurde sich bemüht, dass der Landgraf als couragierter Landesvater gezeigt wurde, dann wieder wirken die Dialoge der Haynaus oder auch anderer Figuren hölzern und geradezu naiv. Da dann der Landgraf im 3. Teil nicht mehr vorkam, habe ich mich eigentlich immer wieder auf die Szenen mit Rall gefreut.
Der Film strotzt immer wieder von Logikfehlern oder historischen Ungereimtheiten von denen wohl mit die geringste ist, dass der Eindruck erweckt wird, dass bei Trenton nur das Regiment Rall mit einigen Jägern unter einem Major von Haynau waren.
Insgesamt
Unterm Strich muss ich zugeben, dass man den Film im Kontext der Herstellungszeit sehen muss. Und auch heute würde sich wohl das Öffentlich Rechtliche froh schätzen, wenn es so eine Produktion auf die Beine stellen könnte. Einige internationale TV-Produktionen der letzten Jahre wie der ZDF-Napoleon-Vierteiler nahmen sich gegen diesen Dreiteiler von 76 geradezu lächerlich aus, von Machwerken wie "Trenck-Zwei Herzen gegen die Krone" :nono: mal ganz zu schweigen!
Allein wegen der Drehorte und Innen- und Außenszenen würde ich den Film schon empfehlen, einfach mal anzuschauen.