Verluste an antiker Literatur

Bewahrung antiken Wissens?

Man liest/hört oft dass während des "dunklen Zeitalters" das Wissen der antiken Welt (Griechenland) also Schriften zu den Naturwissenschaften, der Philosophie so wie Dichtung etc. von den Arabern/der islamischen Welt bewahrt wurden, in Europa verloren gingen und erst später, zu Anfang der Renaissance wieder nach Europa fanden.

In wie weit stimmt das?
Wie viel dieses Wissens wurde im oströmsichen Reich bewahrt?
 
Wie viel dieses Wissens wurde im oströmsichen Reich bewahrt?

Offenbar gab es im oströmischen/byzantinischen Reich keine Kontinuität in der Wissensbewahrung. So mussten unter anderem die Werke von Ptolemaios auch in Byzanz im 13./14. Jhd. wiederentdeckt werden.
Maximos Planudes ? Wikipedia

Der Verlust der Bibliothek von Alexandrien mag ein Grund gewesen sein. Ein Grossteil der wissenschaftlichen Literatur ist wohl auch bei Bücherverbrennungen draufgegangen. Bücherverluste in der Spätantike ? Wikipedia
und ausfürlich natürlich auch hier :http://www.geschichtsforum.de/f28/verluste-antiker-literatur-33683/


Gruß
jchatt
 
Offenbar gab es im oströmischen/byzantinischen Reich keine Kontinuität in der Wissensbewahrung. So mussten unter anderem die Werke von Ptolemaios auch in Byzanz im 13./14. Jhd. wiederentdeckt werden.
Maximos Planudes ? Wikipedia

Der Verlust der Bibliothek von Alexandrien mag ein Grund gewesen sein. Ein Grossteil der wissenschaftlichen Literatur ist wohl auch bei Bücherverbrennungen draufgegangen. Bücherverluste in der Spätantike ? Wikipedia
und ausfürlich natürlich auch hier :http://www.geschichtsforum.de/f28/verluste-antiker-literatur-33683/


Gruß
jchatt

Die Masse der Bücher werden nicht verbrannt sondern einfach durch die Luftfeuchtigkeit zerstört worden sein.

Verschiedene Sachen werden an verschiedenen Orten überlebt haben in der Mittelmeerwelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum nicht, immerhin kann es ja kein Zufall sein das man die meisten antiken Schriften im Wüstensand findet.

Wird eine Bibliothek nicht mehr betrieben oder ein Buch rausgeschmissen hält es auch nicht mehr lange.

Dahinter steht aber die (schon diskutierte) Frage, warum keine neuen Bücherkopien mehr gefertigt werden, warum keine Bibliotheken (wirklich?) oder Bücher "rausgeschmissen" werden.
 
Dahinter steht aber die (schon diskutierte) Frage, warum keine neuen Bücherkopien mehr gefertigt werden, warum keine Bibliotheken (wirklich?) oder Bücher "rausgeschmissen" werden.

Bücher werden auch heutzutage aus Bibliotheken heraussortiert.

Das Finanzierungsproblem im Frühmittelalter hat glaub ich schon Ravenik erwähnt.
 
Hmm muß an Herculaneum denken wo als sie die ersten Schriftrollen in der Villa Papiri gefunden haben, sie sie für Kohlen hielten und zum wärmen versuchten zuverbrennen........Also darf der Faktor "Unwissenheit" auch nicht ausser acht gelassen werden!
 
Dahinter steht aber die (schon diskutierte) Frage, warum keine neuen Bücherkopien mehr gefertigt werden, warum keine Bibliotheken (wirklich?) oder Bücher "rausgeschmissen" werden.

Der Schwund auf einzelne Verlustereignisse, Finanzierungsprobleme oder auch nur technischem Verfall zuzuschreiben, greift meiner Meinung nach auch zu kurz. Für die meisten dieser Dinge hätte man Lösungen finden können, wenn wirklich ernsthaftes Interesse an antiker Literatur bestanden hätte.

Zu allen Zeiten waren kriegerische Auseinandersetzungen Auslöser für wissenschaftliche Erfindungen. Bis heute wird für Waffen und Kriege ein Vielfaches ausgegeben als für Bildung. Zumindest für militärisch nutzbares Wissen hätte also auch in der Antike bis zum Mittelalter Bedarf an geeigneter Literatur bestehen müssen, denn friedlich waren diese Zeiten sicherlich nicht.
Aber auch hier stellen wir fest, dass dieses Wissen nicht kontinuierlich tradiert oder zumindest nicht beachtet wurde.
So ist die "De Re Militari" von Vegetius offenbar ein Versuch die literarische Grundlage für eine Reform des daniederliegenden römischen Heerwesens zu schaffen, indem er die verlorenen Tugenden und Stärken aus alten Schriften rekonstruiert und wieder in das öffentliche/kaiserliche Bewusstsein rückt.
Er beklagt die allgemeine Disziplinlosigkeit sowie die mangelnde Ausrüstung der Soldaten. Zudem bestand auch kein Interesse in den Militärdienst einzutreten, da das Zivilleben offenbar angenehmere Tätigkeiten bot.
Der Verlust an Literatur ist in diesem Fall sicherlich auch auf einen generellen kulturellen Verfall zurückzuführen.

Wissen über Jahrhunderte technisch zu bewahren war schon lange bekannt. Nur bedurfte es dafür auch einer kontinuierlichen Motivation der Handelnden.

Gruß
jchatt
 
Das Werk von Vegetius blieb ja auch erhalten.

Grundsätzlich ist allerdings zu sagen, dass Schriften von Militärtheoretikern oft für die Praxis eher unbrauchbar waren. Oft stammten sie nicht von Praktikern, sondern von Stubengelehrten, die den Krieg nur aus Büchern kannten, ein Hohelied auf militärische Tugenden, Zucht und Ordnung sangen und sich gerne in Fantasien über ausgefeilte Taktiken und Manöver ergingen, die in der Praxis kaum durchführbar waren. "Militärisch nutzbar" und somit erhaltenswert war dieses Wissen also nur bedingt.
 
Die Frage stellt sich auch welches militärische Wissen man daraus herausziehen konnte angesichts des europäischen mittelalterlichen Militärwesens. Schriften aus der Blütezeit von Rom hätten auch nichts genutzt, wenn man ein stehendes Heer sowieso nicht finanzieren kann.

Die Aquädukte sind ja auch mit der Zeit nicht mehr fortgeführt worden.
 
Das Werk von Vegetius blieb ja auch erhalten.

Aufgrund der genannten ökonomischer Faktoren möglicherweise auf Kosten der Quellen aus denen Vegetius schöpfte, indem man sich notgedrungen entschied nur seine Kurzfassung zu erhalten.

Grundsätzlich ist allerdings zu sagen, dass Schriften von Militärtheoretikern oft für die Praxis eher unbrauchbar waren. Oft stammten sie nicht von Praktikern, sondern von Stubengelehrten, die den Krieg nur aus Büchern kannten, ein Hohelied auf militärische Tugenden, Zucht und Ordnung sangen und sich gerne in Fantasien über ausgefeilte Taktiken und Manöver ergingen, die in der Praxis kaum durchführbar waren. "Militärisch nutzbar" und somit erhaltenswert war dieses Wissen also nur bedingt.

Ja, als überkommen Erkanntes wurde natürlich auch nicht weitergegeben.

Die Frage ist wahrscheinlich auch wie oft dieses Wissen überhaupt je schriftlich fixiert wurde.
Die Entwicklung im römischen Lagerbau beginnt mit der überlieferten Beschreibung einer recht simplen Konstruktion bei Polybios, einem Historiker.
Das wesentlich aufwändigere dynamische Lager des Pseudo-Hygin wurde dagegen von einem Fachmann verfasst.
Ich denke also das dort viel nur mündlich von Fachmann zu Fachmann tradiert wurde. Ähnlich war das wahrscheinlich auch in der Landwirtschaft, Seefahrt, Bergbau etc. Verschriftlicht wurde also möglicherweise erst ab einem gewissen Komplexitätsgrad.
Aber auch das mündliche Wissen ist ja verloren gegangen.
Und dort spielen die meisten der hier genannten Gründe für den Verlust an Literatur/Wissen keine Rolle, sondern es deutet auch eher wieder auf kulturelle Faktoren.
Zum Beispiel spielt ja Wissen in der Literatur von heute auch eine geringere Bedeutung als noch vor hundert Jahren.

Gruss
jchatt
 
Offenbar gab es im oströmischen/byzantinischen Reich keine Kontinuität in der Wissensbewahrung. So mussten unter anderem die Werke von Ptolemaios auch in Byzanz im 13./14. Jhd. wiederentdeckt werden.
Maximos Planudes ? Wikipedia
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass auch im Mittelalter die Byzantiner Zugriff auf die antike Literatur hatten. Z. B. exzerpierten im 11. und 12. Jhdt. Xiphilinos und Zonaras aus Cassius Dio. Autoren wie der Patriarch Photios (9. Jhdt.) oder der Kaiser Konstantin VII. (10. Jhdt.) exzerpierten aus Appian, Photios auch aus dem heute verlorenen Memnon von Herakleia. Vor allem aber hätte die Suda (10. Jhdt.) wohl kaum ohne Zugriff auf antikes Wissen verfasst werden können. Die Wiederentdeckung von Claudius Ptolemaios scheint mir daher eher die Ausnahme als die Regel gewesen zu sein. Allenfalls mag es im Zuge des vom 4. Kreuzzug verursachten Chaos, als viele Gebiete und somit auch Bücher unter "fränkische" Herrschaft fielen, einen kurzen Knick in der Wissensbewahrung gegeben haben.
 
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass auch im Mittelalter die Byzantiner Zugriff auf die antike Literatur hatten. Z. B. exzerpierten im 11. und 12. Jhdt. Xiphilinos und Zonaras aus Cassius Dio. Autoren wie der Patriarch Photios (9. Jhdt.) oder der Kaiser Konstantin VII. (10. Jhdt.) exzerpierten aus Appian, Photios auch aus dem heute verlorenen Memnon von Herakleia. Vor allem aber hätte die Suda (10. Jhdt.) wohl kaum ohne Zugriff auf antikes Wissen verfasst werden können. Die Wiederentdeckung von Claudius Ptolemaios scheint mir daher eher die Ausnahme als die Regel gewesen zu sein. Allenfalls mag es im Zuge des vom 4. Kreuzzug verursachten Chaos, als viele Gebiete und somit auch Bücher unter "fränkische" Herrschaft fielen, einen kurzen Knick in der Wissensbewahrung gegeben haben.

Die erwähnten Werke sind alle auf Griechisch verfaßt. Haben wir eigentlich auch Belege dafür, dass den Byzantinern auch lateinische Werke vorlagen und von ihnen tradiert wurden?
 
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass auch im Mittelalter die Byzantiner Zugriff auf die antike Literatur hatten. Z. B. exzerpierten im 11. und 12. Jhdt. Xiphilinos und Zonaras aus Cassius Dio. Autoren wie der Patriarch Photios (9. Jhdt.) oder der Kaiser Konstantin VII. (10. Jhdt.) exzerpierten aus Appian, Photios auch aus dem heute verlorenen Memnon von Herakleia. Vor allem aber hätte die Suda (10. Jhdt.) wohl kaum ohne Zugriff auf antikes Wissen verfasst werden können. Die Wiederentdeckung von Claudius Ptolemaios scheint mir daher eher die Ausnahme als die Regel gewesen zu sein. Allenfalls mag es im Zuge des vom 4. Kreuzzug verursachten Chaos, als viele Gebiete und somit auch Bücher unter "fränkische" Herrschaft fielen, einen kurzen Knick in der Wissensbewahrung gegeben haben.

Ich kann da leider nur aus meinem Spezialwissen über den Ptolemaios schöpfen. Über die Gesamtheit der Schriften hast Du sicherlich den besseren Überblick. Aber gerade der von dir genannte Dio ist doch ein gutes Beispiel, daß auch der zwischenzeitlich wiederhergestellt (Zonaras) werden musste, oder ?
Ich behaupte ja nicht das die Schriften in Gänze verschwunden sind sondern vermute eher nur kontextbezogene temporäre Vernachlässigungen einzelner Schriftengruppen. So könnte das Interesse an der Geographie in Zeiten innenpolitischer Auseinandersetzungen oder mit dem Wegfall der östlichen Handelsrouten nachgelassen haben, oder die hauptsächlich pagane Geschichtsschreibung in Zeiten der christlichen Kaiser aus dem Fokus geraten sein...

Gruß
jchatt
 
Haben wir eigentlich auch Belege dafür, dass den Byzantinern auch lateinische Werke vorlagen und von ihnen tradiert wurden?
anfangs wurde Justinians Corpus Iuris Civilis auch im oström. Reich auf latein rezipiert und verwendet, allerdings wurde üblich, spätere Zusätze auf griechisch anzuhängen sowie insgesamt griech. Übersetzungen zu verwenden.
Tante Wiki schrieb:
Das Corpus Iuris Civilis galt in Italien zwar für die römischen Bürger weiter, doch war es von der weiteren Rechtsentwicklung weitgehend abgeschnitten. Diese erfolgte nur noch durch die Novellen der oströmischen Kaiser in Byzanz, wo sich das Griechische nach Justinian immer mehr durchsetzte. Deshalb wurden auch die meisten Novellen der Novellensammlungen (s.o.) nach 535 nicht nur auf Latein, sondern daneben auch in griechischer Sprache abgefasst - nur jene Gesetze, die sich explizit auf die lateinischsprachigen Gebiete des Reiches oder auf das gesamte Imperium Romanum bezogen, bildeten eine Ausnahme. Doch spätestens ab dem 7. Jahrhundert wurde das Lateinische im Osten so ungebräuchlich, dass Griechisch nunmehr auch die Sprache des Rechts wurde und das Corpus Iuris Civilis hier nur noch in Übersetzungen benutzt werden konnte. Die lateinische Version der meisten Novellen ging darum verloren (siehe oben).

eine weitere interessante Frage zur byz. schriftl. Tradition und Rezeption ist, in welchen Sprachen die Schriften der Kirchenväter in Byzanz vorlagen; ja überhaupt wie sich die streitbare Kommunikation mit dem röm. Bischof (der sich Papst nannte) gestaltete.

sind nicht auch die militärischen lateinischen Schriften in Byzanz weiter verwendet worden?
 
Die erwähnten Werke sind alle auf Griechisch verfaßt. Haben wir eigentlich auch Belege dafür, dass den Byzantinern auch lateinische Werke vorlagen und von ihnen tradiert wurden?
Im Osten hatte man grundsätzlich dasselbe Problem wie im Westen, nur umgekehrt: Während im Westen im Mittelalter kaum noch jemand Griechisch konnte, konnte im Osten kaum noch jemand Latein. Ab dem 7. Jhdt. kam Latein außer Gebrauch. (In der militärischen Kommandosprache hielt sich Latein allerdings interessanterweise länger, zumindest in Form einzelner Kommandos.)
Wesentlich später, in der Zeit der Palaiologen, wurde der Umgang mit dem Lateinischen durchaus auch zu einer ideologischen Frage. Nach den negativen Erfahrungen mit dem Vierten Kreuzzug und dem Lateinischen Kaiserreich betonten manche Gelehrte den griechischen Charakter des byzantinischen Reiches und konzentrierten sich voll auf das griechische Erbe in Kultur und Wissenschaft, während sie alles Lateinische in durchaus kulturchauvinistischer Weise ablehnten. Allgemein durchsetzen konnte sich diese Strömung aber nicht, es gab auch Gelehrte, die dem Westen wesentlich positiver gegenüberstanden. Das reichte bis zur Übersetzung lateinischer Werke wie der von Thomas von Aquin ins Griechische. Insbesondere der schon erwähnte Maximos Planudes war da sehr aktiv, er übersetzte sogar Ovid.
Mit Deiner Vermutung, dass die Byzantiner vor allem griechische Werke tradierten, hast Du schon recht. Wenn man sich anschaut, wen Photios so alles verwendete, findet man neben kirchlichen und byzantinischen Schriftstellern diverse wichtige griechischsprachige Schriftsteller der Antike, von denen manche Werke heute teilweise oder ganz verloren sind: Cassius Dio, Diodorus Siculus, Herodot, Prokopios, Appian, Arrian, Flavius Iosephus, Ktesias, Theopompos, Olympiodoros, Dexippos, Dionysios von Halikarnassos, Zosimos, Herodian etc., um nur die bekanntesten zu nennen. Neben diesen Historikern verwendete er auch Autoren wie Aischines (der athenische Redner) oder Lukian. Man sieht also, dass Photios noch Zugang zumindest zu den meisten wichtigen griechischsprachigen Historikern der Antike hatte.
 
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