Die Rolle des Täufers

Decurion

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:rechts: Johannes der Täufer: Manche der Erzählungen über den Täufer ergeben m.E. nur in zwei Fällen Sinn: Entweder sie stimmen :S oder aber Johannes der Täufer hatte noch Anhänger, die man von der Wahrheit des Christentums überzeugen wollte.

Darf ich fragen, wie du das meinst mit "die man von der Wahrheit des Christentums überzeugen wollte"? Und auf welche Bibelstellen du dich beziehst?

Johannes der Täufer war ja sozusagen der "Vorgänger" Jesu.
Die Taufe war "Sündenbekenntnis und der Versuch, ein altes, missratenes Leben abzulegen und ein neues zu empfangen" *). Durch die Taufe begibt sich Christus Jesus eben selbst hinunter zu den Sündern, die sich im Jordan taufen lassen.

Die Taufe des Johannes hat aber auch durchaus politische Hintergründe: Nach der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. traten vor allem die Pharisäer in den Vordergrund, die sich dadurch auszeichneten, dass sie ihr Leben ganz nach der Torah und dem Tanach ausrichteten und sich sehr streng an das (jüdische) Gesetz hielten. Sie wollten sich dem steigenden Einfluss der römisch-hellenistischen Kulte und Denkweisen entziehen.
Es ist also nicht auszuschließen, dass Johannes der Täufer ebenfalls Mitglied dieser Gemeinschaft gewesen ist, ehe er als Eremit in die Nähe des Jordans zog, um dort die Gläubigen zu taufen. Die Taufe war immer verbunden mit einer Beichte, einem Sündenbekenntnis und einem "flammenden Ruf zu einer neuen Weise des Denkens und des Tuns".*)

Johannes fungiert laut Johannesevangelium als Wegbereiter Christi, denn er kündigt das Reich Gottes an und verkündet, dass nach ihm einer kommen werde, der weitaus größer ist als er selbst (Joh 1,23).
Somit lehrt nicht Johannes der Täufer die christliche Lehre (die es zu dem Zeitpunkt noch nicht gab), sondern die christliche Lehre bezieht sich auf Johannes den Täufer, zumindest in puncto Taufe.
Zu nennen wären auch noch zwei andere Stellen: "Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen" (Mt 11,10) bzw. "Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten" (Lk 1,76).


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*) Ratzinger, Joseph: Jesus von Nazareth. Erster Teil. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg im Breisgau: Herder, 2007.
 
@ Decurion: Dass laut den Quellen zwischen Johannes dem Täufer und Jesus kein "Konkurrenzkampf" stattfand, steht außer Frage (das hat El Q. auch nicht behauptet). Es besteht aber doch die Möglichkeit, dass die nächste Jesus-Jünger-Generation unter übrig gebliebenen Johannes-Jüngern für den Glauben an Jesus als den Messias warb. Das könnte (als Möglichkeit formuliert) mit ein Grund für die Aufnahme der Erzählungen über Johannes den Täufer in die Evangelien gewesen sein. Das wiederum wäre ein Indiz für eine Entstehungszeit der Evangelien im 1. Jh. n. Chr. Das ist doch eine saubere historische Überlegung od. These.
El Q. hat ja selbst schon die zweite Möglichkeit dafür, warum die Erzählung von den Evangelisten geboten wird, genannt: Johannes könnte sich, wie es die Evangelien sagen, tatsächlich als "Vorläufer" Christi verstanden haben. Das nimmst Du gemeinsam mit Ratzinger/ Benedikt an (und ich persönlich finde auch, dass die Quellenlage diese Annahme stützt). In solchem Fall kann man dann allerdings aus der Tatsache der Existenz der Täufer-Passagen i. d. Evangelien keine Argumente für eine bestimmte Entstehungszeit der Evangelien ziehen. Um die Frage nach der Entstehungszeit geht es hier ja aber.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Darf ich fragen, wie du das meinst mit "die man von der Wahrheit des Christentums überzeugen wollte"? Und auf welche Bibelstellen du dich beziehst?

Buschhons hat das schon ganz gut erklärt.
Wir können natürlich hingehen und dem Evangelientext in seinen Einzelheiten (die Wunder mal außen vor gelassen) Glauben schenken. Demnach wäre Johannes der Cousin (2. Grades) Jesu gewesen, Jesus hätte sich im Jordan von Johannes taufen lassen und ihn sogar vor seiner Hinrichtung - laut Josephus in Machairos, auf der Ostseite des Toten Meeres - im Gefängnis besucht.
Kann man alles glauben, muss man aber nicht. Als Historiker frage ich mich, warum ein Konkurrent Jesu so eine prominente Stellung in den Evangelien einnimmt, also nach dem Grund der Narration.
Wir "wissen" von der Verwandtschaft der beiden, wir "wissen" von der Taufe im Jordan, wir "wissen" davon, dass einige der Apostel zunächst Jünger des Täufers waren, von Jesus quasi abgeworben wurden; wir "wissen", dass Jesus seine Jünger fragte, für wen ihn die Leute hielten und er zur Antwort erhielt "einige halten dich für Elias, andere für Johannes den Täufer".
Wenn ich das zusammennehme, dann komme ich zu dem - freilich rein hypothetischen - Schluss, dass in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod der beiden, eine gewisse Konkurrenz zwischen zwei messianischen Bewegungen bestanden hat und es Anliegen der stärkeren dieser beiden messianischen Bewegungen war, für die übrigen Anhänger der schwächeren der beiden messianischen Bewegungen sinnstiftend eine Brücke zu bauen, ihnen quasi zu sagen: Ihr seid schon dem richtigen gefolgt, aber er war halt nur ein Prophet, der den eigentlichen Messias angekündigt hat.

Johannes der Täufer war ja sozusagen der "Vorgänger" Jesu.
Die Taufe war "Sündenbekenntnis und der Versuch, ein altes, missratenes Leben abzulegen und ein neues zu empfangen" *). Durch die Taufe begibt sich Christus Jesus eben selbst hinunter zu den Sündern, die sich im Jordan taufen lassen.

Das ist mir persönlich schon zu glaubensbekenntnerisch (soll nicht despektierlich klingen, ich wollte lediglich ein Adjektiv aus Glaubensbekenntnis bilden).

Die Taufe des Johannes hat aber auch durchaus politische Hintergründe: Nach der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. traten vor allem die Pharisäer in den Vordergrund, die sich dadurch auszeichneten, dass sie ihr Leben ganz nach der Torah und dem Tanach ausrichteten und sich sehr streng an das (jüdische) Gesetz hielten. Sie wollten sich dem steigenden Einfluss der römisch-hellenistischen Kulte und Denkweisen entziehen.
Es ist also nicht auszuschließen, dass Johannes der Täufer ebenfalls Mitglied dieser Gemeinschaft gewesen ist, ehe er als Eremit in die Nähe des Jordans zog, um dort die Gläubigen zu taufen.

Michael Hesemann behauptet ja auch eine Nähe von Jesus zu den Pharisäern.
Womit ich allerdings nicht ganz klar komme, ist nun der Bezug 70 n. Chr.
Wenn Jesus, angenommen, er wurde 6 v. geboren und 33 Jahre alt, 28 n. Chr. hingerichtet* wurde und seit 25 n. Chr. aktiv war, dann muss der Täufer zwischen 25 und 28 hingerichtet worden sein.
Die Zerstörung des Tempels kann also auf die tatsächlichen Handlungsweisen des Täufers oder Jesus' keinen Einfluss genommen haben, lediglich auf die Texte, die von ihnen berichten.

Die Taufe war immer verbunden mit einer Beichte, einem Sündenbekenntnis und einem "flammenden Ruf zu einer neuen Weise des Denkens und des Tuns".*) __________
*) Ratzinger, Joseph: Jesus von Nazareth. Erster Teil. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg im Breisgau: Herder, 2007.

Nun gut, Joseph Ratzinger ist aufgrund seiner prominenten Stellung, die er in den letzten Jahren und Jahrzehnten innerhalb des Katholizismus eingenommen hat, eben verpflichtet zu einer theologischen Ausdeutung der überlieferten Schriften. Uns hier interessiert - auch aus Gründen der Intersubjektivität, Ratzinger muss nicht einmal unbedingt innerhalb des Katholizismus intersubjektiv argumentieren - das ganze mehr aus historischer Sicht, als aus theologischer.

Johannes fungiert laut Johannesevangelium als Wegbereiter Christi, denn er kündigt das Reich Gottes an und verkündet, dass nach ihm einer kommen werde, der weitaus größer ist als er selbst (Joh 1,23). [...] Zu nennen wären auch noch zwei andere Stellen: "Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen" (Mt 11,10) bzw. "Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten" (Lk 1,76).

Eben, laut den Evangelien. Es handelt sich eben nicht um neutrale Überlieferungen dessen, was Johannes wollte, sondern durch Überlieferungen von Christen, also einer interessierten Partei. Nur durch deren Brille sind uns Aussagen des Täufers überliefert.

Somit lehrt nicht Johannes der Täufer die christliche Lehre (die es zu dem Zeitpunkt noch nicht gab), sondern die christliche Lehre bezieht sich auf Johannes den Täufer, zumindest in puncto Taufe.

Dem stimme ich zu. Aber was hat das mit der entscheidenden Frage zu tun, ob Johannes ein Vorläufer Christi war (dies wäre eine theologische Antwort, die, wenn sie historisch wahr wäre, gleichzeitig die Wahrheit des christlichen Glaubens implizierte) oder, ob er von den Christen vereinnahmt wurde (dies wäre ein geschichtswissenschaftlicher Versuch, die Prominenz des Täufers in den Evangelien zu erklären)?

Johannes wird zum Glaubenszeugen für Christus durch die Evangelisten vereinnahmt. Wenn er dieses Glaubenszeugnis wirklich abgelegt hätte, dann hätte er wahrhaft prophetische Fähigkeiten gehabt. Das mag man als gläubiger Mensch vertreten. Für die historische Diskussion ist das aber nicht geeignet.






*Wer sich über die Rechnung wundert: Bitte nicht vergessen, dass auf das Jahr 1 v. Chr. direkt das Jahr 1 n. Chr folgt.
 
die Wunder mal außen vor gelassen

Mit Geschichtswissenschaft hat das ja augenscheinlich erst einmal nichts zu tun. Bei genauerer Betrachtung schon.
Die meisten Wunder Christi Jesu sind Metaphern, Symbole, Parabeln. Das kann man ganz klar so sagen. Kein Katholik, der noch ganz bei Verstand ist, glaubt, dass Jesus wirklich über das Wasser gelaufen ist oder dass er einen Toten (Lazarus) tatsächlich von den Toten aufgeweckt hatte.
Das kann ich ganz kurz sagen: Aus exegetischer Sicht ist das erste Beispiel so zu deuten, dass Jesus den Glauben seiner Jünger testen wollte, und dass nicht Jesus zu ihnen ging, sondern eher sein Auftrag bzw. seine Idee.
Das zweite versteht man allgemeinhin so, dass Lazarus seinen Glauben verloren hat (also im Glauben tot war). Jesus kam zu ihm, hat ihm neuen Glauben "geschenkt" und ihn somit wieder zum Leben erweckt. Gleiches dürfte auch für die Auferstehung Christi gelten.

Aber das ist – wie gesagt – Exegese.

Die Geschichtswissenschaft kommt vor allem in der Torah zu tragen, z. B. in den Sieben Plagen, die sich durchaus logisch beweisen lassen.
Als das Volk Israel "40 Jahre" lang in der Wüste war und es verhungerte, starben entkräftete Zugvögel, die genau an dieser Stelle ihre Route hatten und vielen vom Himmel. Ein Wunder! Dass diese Vögel nämlich genau dort entlang geflogen sind, das Volk genau dort entlang gewandert ist und die entkräfteten Tiere tot nach unten fielen.
Genauso wie das Himmelsbrot, Manna. Dabei handelt es sich um ein essbares Sekret einer Blattlaus, das in getrocknetem Zustand Papier (oder eben Brot) ähnelt. Auch ein Wunder.

Wenn ich das zusammennehme, dann komme ich zu dem - freilich rein hypothetischen - Schluss, dass in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod der beiden, eine gewisse Konkurrenz zwischen zwei messianischen Bewegungen bestanden hat und es Anliegen der stärkeren dieser beiden messianischen Bewegungen war, für die übrigen Anhänger der schwächeren der beiden messianischen Bewegungen sinnstiftend eine Brücke zu bauen, ihnen quasi zu sagen: Ihr seid schon dem richtigen gefolgt, aber er war halt nur ein Prophet, der den eigentlichen Messias angekündigt hat.

Das kann ich mir auch so vorstellen, wie du es sagst. Ich bin kein absoluter Bibelprofi, aber ich denke, dass dies durchaus so gewesen sein könnte.
Es kann aber durchaus auch sein, dass die Johannes-Gemeinde sich der Christus-Gemeinde angeschlossen hatte, da sie von der Messiasrolle Christi überzeugt wurden und zwar von Gott und von Johannes. Dabei beziehe ich mich auf Joh 1,29-34:

"Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes."

Ebenso Joh 1,36: "Seht, das Lamm Gottes!"

Johannes gibt also bereitwillig seine Rolle als Prophet ab, sieht seinen Auftrag als erfüllt und den Messias als erschienen an. Wenn er also sagt, dass er keinerlei Ansprüche stellt und seiner Gemeinde (die, wie ich denke, eher aus einzelnen Pilgern bestand denn aus einer fest etablierten Gemeinde wie die Pharisäer) Jesus als den Messias vorstellt, dann dürfte auch eigentlich keine Konkurren entstehen.

Von Gottes Seite, die ich bereits erwähnte, steht etwas in Lk 3,22: "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden."

lediglich auf die Texte, die von ihnen berichten.

Entschuldigung, ja. Das wollte ich damit sagen :D

Nun gut, Joseph Ratzinger ist aufgrund seiner prominenten Stellung, die er in den letzten Jahren und Jahrzehnten innerhalb des Katholizismus eingenommen hat, eben verpflichtet zu einer theologischen Ausdeutung der überlieferten Schriften. Uns hier interessiert - auch aus Gründen der Intersubjektivität, Ratzinger muss nicht einmal unbedingt innerhalb des Katholizismus intersubjektiv argumentieren - das ganze mehr aus historischer Sicht, als aus theologischer.

Papst Benedikt XVI. hat dies zwar während seines Pontifikates geschrieben, allerdings verlangt er für sein Werk keine Lehrautorität, womit diese Schriften nur seine persönliche Meinung als gläubiger Katholik und nicht als Papst darstellen dürften.
Die Forderung, die du stellst, ist in einem Geschichtsforum legitimiert, allerdings beleuchtet dieses Buch mit seinen Abhandlungen den historischen Kontext der Stationen im Leben Jesu und gibt Einblicke in die gesellschaftliche und politische Historie bzw. Situation zu Zeiten Jesu.
Ich habe mich jetzt auch nur auf dieses Buch bezogen, da dort die Lage meines Erachtens nach am deutlichsten geschildert wird.

Eben, laut den Evangelien. Es handelt sich eben nicht um neutrale Überlieferungen dessen, was Johannes wollte, sondern durch Überlieferungen von Christen, also einer interessierten Partei. Nur durch deren Brille sind uns Aussagen des Täufers überliefert.

Das kann man jetzt auch wieder so und so sehen. Ich sehe es durch die Brille der Christen, du wahrscheinlich durch jene eines objektiven Geschichtswissenschaftlers.

Johannes wird zum Glaubenszeugen für Christus durch die Evangelisten vereinnahmt. Wenn er dieses Glaubenszeugnis wirklich abgelegt hätte, dann hätte er wahrhaft prophetische Fähigkeiten gehabt. Das mag man als gläubiger Mensch vertreten. Für die historische Diskussion ist das aber nicht geeignet.

Ich wäre gespannt, was für dich "prophetische Fähigkeiten" sind.
Ich kann das mal eben sagen: Prophetie hat nichts mit Hellseherei oder Magie zu tun. Propheten sind nach christlichem Verstnändnis auserwählte Menschen, die von Gott einen Auftrag erhalten. Diese Menschen gehen in eine Stadt (z. B. Iona) oder in ein Land, wo sie die Missstände anprangern. Diese Kritik enthält immer einen kultkritischen Teil, dass also Gott nicht mehr der gebührende Respekt entgegengebracht wird, und einen sozialkritischen (du kannst dir sicherlich etwas darunter vorstellen).
Dabei beziehen sie sich vor allem auf die Zehn Gebote, den Dekalog, der aus dre (nach anderen Meinungen vier) theonomen und sechs bzw. sieben autonomen Geboten besteht und somit auch wieder Kult und Gesellschaft beinhaltet.
Tatsächlich kann man Johannes den Täufer nach dieser Definition als Propheten bezeichnen, denn er übt ja gerade diese Kritik, ruft zu einer Umkehr auf, will eine Beichte und ein Sündenbekenntnis. Was aber sonst Gott tut (also der Stadt/dem Land vergeben), tut Johannes selbst, indem er die Sünder tauft und sie somit von ihrer Sünde reingewaschen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit Geschichtswissenschaft hat das ja augenscheinlich erst einmal nichts zu tun. Bei genauerer Betrachtung schon.

:confused:

Die meisten Wunder Christi Jesu sind Metaphern, Symbole, Parabeln. Das kann man ganz klar so sagen. Kein Katholik, der noch ganz bei Verstand ist, glaubt, dass Jesus wirklich über das Wasser gelaufen ist oder dass er einen Toten (Lazarus) tatsächlich von den Toten aufgeweckt hatte.

Über Verstand oder Unverstand Gläubiger - unabhängig davon, ob katholisch, protestantisch, orthodox oder was sonst - sollten wir hier nicht reden. Es dürfte nach allgemeinem Verständnis auch nicht so sein, dass Wunder als Metaphern, Symbole oder Parabeln interpretiert oder wahrgenommen werden. Ich denke schon, dass es den Kern des christlichen Glaubens ausmacht, die Wunder - in erster Linie das der Auferstehung - ernst zu nehmen. Ansonsten könnten die Kirchen gleich dicht machen und Gebäude und Kirchenschätze als Museumsräume und -gut zur Verfügung stellen.

Das kann ich ganz kurz sagen: Aus exegetischer Sicht...
Das hier ist ein Geschichtsforum. Wir beschäftigen uns nicht theologisch mit Glaubenstexten, sondern mit historischen Fragestellungen. Die Exegese ist per definitionem aber theologisch definiert. Die Theologen befinden sich innerhalb des Systems, sie gehen von der Wahrheit der biblischen Texte aus. Die Historiker befinden sich außerhalb des Systems, sie fragen eher nach der Historizität des in den Texten Bekundeten und untersuchen narrative Strukturen, sprich Motivationen für die Auswahl des Berichteten.

Das zweite versteht man allgemeinhin so, dass Lazarus seinen Glauben verloren hat (also im Glauben tot war). Jesus kam zu ihm, hat ihm neuen Glauben "geschenkt" und ihn somit wieder zum Leben erweckt. Gleiches dürfte auch für die Auferstehung Christi gelten.

Aber das ist – wie gesagt – Exegese.

In meinen Augen ist das keine Exegese, sondern der Versuch, den Bericht der Evangelien mit der erfahrbaren Wirklichkeit zu harmonisieren, sprich die Diskrepanz zwischen Wunderbericht und dem eigenen bzw. gesellschaftlichen Unvermögen, den Wunderbericht heute noch ernst zu nehmen, aufzuheben, quasi den Bibeltext zu retten, obwohl man ihn eigentlich selbst nicht mehr ernst nimmt. Man behandelt den Text aber dann weder als Historiker, noch liest man ihn so, wie es von den Autoren intendiert war, ihn zu lesen, also als Theologe oder Exeget.

Das kann ich mir auch so vorstellen, wie du es sagst. Ich bin kein absoluter Bibelprofi, aber ich denke, dass dies durchaus so gewesen sein könnte.
Es kann aber durchaus auch sein, dass die Johannes-Gemeinde sich der Christus-Gemeinde angeschlossen hatte, da sie von der Messiasrolle Christi überzeugt wurden und zwar von Gott und von Johannes. Dabei beziehe ich mich auf Joh 1,29-34:

"Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes."

Ebenso Joh 1,36: "Seht, das Lamm Gottes!"

Damit durchdringst du immer noch nicht das Problem, vor welchem wir als Historiker stehen: [gesprungene Schallplatte]Diese Texte überliefern nicht die Sicht des Täufers, sondern sie überliefern eine Vorstellung, die christliche Überlieferer von der Sicht des Täufers verbreiten wollten. [/gesprungene Schallplatte]

Johannes gibt also bereitwillig seine Rolle als Prophet ab, sieht seinen Auftrag als erfüllt und den Messias als erschienen an. Wenn er also sagt, dass er keinerlei Ansprüche stellt und seiner Gemeinde (die, wie ich denke, eher aus einzelnen Pilgern bestand denn aus einer fest etablierten Gemeinde wie die Pharisäer) Jesus als den Messias vorstellt, dann dürfte auch eigentlich keine Konkurrenten entstehen.

Das ist eben eine christliche Überlieferung. Uns liegt nun mal leider keine anderen Dokumente vor, welche die Sichtweisen der Anhänger des Täufers oder des Täufers selbst spiegeln, außer diesen christlichen Dokumenten.
Stell dir vor, es wäre Wahlkampf und Partei A macht eine Aussage über die Politik der konkurrierenden Partei B. Partei A wird kein Interesse daran haben, Partei B zu loben, sondern sie wird erklären, warum die Politik von Partei A gut und von Partei B (C, D und E) schlecht ist.
Und wenn Partei A eigentlich dem zustimmt, was Partei B in Regierungsverantwortung beschlossen hat, wird Partei A entweder versuchen, dies als eigene Idee darzustellen, die von Partei B übernommen wurde, oder aber sonstwie zu erklären versuchten, warum sie die bessere Partei ist und warum Partei B eigentlich sich eigentlich auf den Arbeiten und Ideen von Partei A ausruht.
So ähnlich ist das mit dem Täufer. Die Konkurrenz zwischen den zwei messianischen Bewegungen wird einfach dadurch versucht aufzuheben, dass man dem Täufer unterstellt, dass er die Superiorität Jesu anerkannt habe. Eine Gegenposition ist nicht überliefert.

Papst Benedikt XVI. hat dies zwar während seines Pontifikates geschrieben, allerdings verlangt er für sein Werk keine Lehrautorität, womit diese Schriften nur seine persönliche Meinung als gläubiger Katholik und nicht als Papst darstellen dürften.

"Papa Ratzi" ist ja mehr als "nur" der Papst. Er ist jahrzehntelang Professor für Theologie gewesen und unter dem Pontifikat seines Vorgängers als Chef der Glaubenskongregation sozusagen der oberste Glaubenswächter. Deshalb habe ich mich explizit nicht auf sein Papsttum bezogen sondern auf
seine "prominente Stellung, die er in den letzten Jahren und Jahrzehnten innerhalb des Katholizismus eingenommen hat". Er ist und bleibt durch und durch Theologe.

Die Forderung, die du stellst, ist in einem Geschichtsforum legitimiert, allerdings beleuchtet dieses Buch mit seinen Abhandlungen den historischen Kontext der Stationen im Leben Jesu und gibt Einblicke in die gesellschaftliche und politische Historie bzw. Situation zu Zeiten Jesu.

Nichtsdestotrotz handelt es sich um ein Buch welches theologisch ist und auch sein will. Ratzinger ist kein Historiker und will es auch nicht sein.

Das kann man jetzt auch wieder so und so sehen. Ich sehe es durch die Brille der Christen, du wahrscheinlich durch jene eines objektiven Geschichtswissenschaftlers.

Und da fehlt uns dann eine gemeinsame Diskussionsbasis und ich erinnere noch einmal daran, dass wir hier ein Geschichtsforum haben und dem intersubjektiven Dialog verpflichtet sind.
(Nur als Hinweis: Lies mal die Regeln!)

Ich wäre gespannt, was für dich "prophetische Fähigkeiten" sind.
Ich kann das mal eben sagen: Prophetie hat nichts mit Hellseherei oder Magie zu tun.
Ich habe nichts dergleichen behauptet.

Propheten sind nach christlichem Verständnis auserwählte Menschen, die von Gott einen Auftrag erhalten.
Und hier sind wir wieder bei dem Problem, dass Intersubjektivität nicht gegeben ist. Voraussetzung ist nämlich, dass es a) Gott gibt und b) Menschen von Gott befähigt werden, als sein Sprachrohr zu fungieren. Dies aber liegt außerhalb unserer tatsächlichen Erfahrbarkeit. In einem theologischen Forum kann man damit meinetwegen arbeiten, in einem Dialog, an dem Gläubige und Nichtgläubige, Angehörige verschiedener Religionen und Konfessionen teilnehmen ist diese Voraussetzung keine gemeinsame Basis.
 
Ich tue dir gerne den Gefallen und werde mich noch einmal ausführlich mit den Forenregeln beschäftigen :)

Dass man Wunder in der Bibel (vor allem das Angesprochene) nicht wörtlich nimmt, ist Lehrmeinung von päpstlicher Seite, wird in den Universitäten gelehrt und schließlich auch im katholischen Religionsunterricht (und da die Lehrer die Missio Canonica innehaben, kann man davon ausgehen, dass sie durchaus die Lehrmeinung der Kirche vertreten, denn sonst hätten sie ihre Missio Canonica wohl schon los).

Ich bin natürlich nicht an einer Grundsatzdiskussion über Gott, Religion und den Glauben interesssiert. Ich wollte auch eigentlich nicht, dass dafür extra ein neuer Thread aufgemacht wird und alles wer weiß wie hochgepusht wird. Mein erster Beitrag zu diesem Thema bezog sich auch nicht auf das Thema des anderen Threads direkt, sondern eher auf deine Feststellung, zu der ich meine Meinung darlegen wollte.
Das ist damit getan :)
 
Ich tue dir gerne den Gefallen und werde mich noch einmal ausführlich mit den Forenregeln beschäftigen :)

Das ist ausgesprochen lieb von dir.

Dass man Wunder in der Bibel (vor allem das Angesprochene) nicht wörtlich nimmt, ist Lehrmeinung von päpstlicher Seite, wird in den Universitäten gelehrt und schließlich auch im katholischen Religionsunterricht (und da die Lehrer die Missio Canonica innehaben, kann man davon ausgehen, dass sie durchaus die Lehrmeinung der Kirche vertreten, denn sonst hätten sie ihre Missio Canonica wohl schon los).

Meines Wissens gilt für die katholische Kirche kirchenoffiziell sogar noch immer das Dogma von der Jungfräulichkeit Mariens, über die Geburt Jesu und der Nennung von Geschwistern hinaus, auch wenn das der Mehrheit der Gläubigen vermutlich schnurz oder unbegreiflich ist.
Dass die Kirche aber die Wunder nicht mehr ernst nähme, und gar "das Angesprochene" (welches meinst du damit, den Gang auf dem stürmischen See oder das Auferstehungswunder?), das müsstest du mir belegen.

Ich wollte auch eigentlich nicht, dass dafür extra ein neuer Thread aufgemacht wird und alles wer weiß wie hochgepusht wird.

Die Diskussion um die Bewertung des Täufers ist eben in der Substanz eine andere, als die Frage nach der Datierung der Evangelien. Deshalb wurde daraus ein eigener Thread gemacht.
 
Und ich will auch gar nichts dagegen sagen, dass speziell ein neuer Thread eröffnet wurde.

Zu jenem von dir angesprochenen Dogma kann ich nicht viel sagen, da ich mich mit Dogmatik nicht sonderlich gut auskenne.

Natürlich sind Wunder wichtig und sollten auch von jedem Gläubigen ernst genommen werden, das steht ganz außer Frage. Aber sie sollten nicht wörtlich genommen werden; vielmehr ist der Sinn dahinter der Kern.
Ich kann dir zum Beispiel für das Wunder, dass Jesus über das Wasser wandelt, gerne einen Deutungsansatz liefern, aber das passt gewiss nicht hier hinein.
 
Mir geht es eigentlich nur ganz konkret um einen kirchenoffiziellen Beleg, dass die Kath. Kirche die Wunder nicht als Wunder, sondern als Metaphern, Symbole oder Parabeln ansieht, wie du behauptet hast, keine Einzelinterpretationen.
 
"Für die Bibel sind aber Heilungsgeschichten nicht allein medizinische Ereignisse. Sie sind wie Wegweiser und Hinweise: Hier ist großes am Werk, hier handelt Gott unter den Menschen. Also - die medizinische Frage hilft nicht weiter."

— Quelle: Das Kirchenlexikon

"Der Blick auf die Art und Weise, in der die Evangelisten die Wundergeschichten in den Gesamtkontext ihrer Werke einordnen und deuten, zeigt, daß im Neuen Testament der Akzent gerade nicht auf dem Außergewöhnlichen in den Wundergeschichten liegt. Damit teilen die Autoren des Neuen Testaments zunächst einmal die antike Weltsicht, die in dererlei Geschehnissen primär Offenbarungen des Göttlichen sah. Sie gehen aber darüber hinaus, indem sie die Wunder durchweg als Zeichen deuten, in denen das Wesen von Botschaft und Wirksamkeit Jesu offenbar wird (vgl. Mt 11,2-6 par Lk 7,18-23 u.ö.). Am konsequentesten hat diesen Ansatz Johannes durchgeführt (vgl. die durchgängige Bezeichnung der Wunder als 'semeia – Zeichen' im Joh)."

— Quelle: Bibelwissenschaft

"Die neuzeitliche liberale Theologie interpretiert biblische Wunder auch im übertragenen Sinne: z. B. jemandem die Augen und Ohren öffnen, weil er blind und taub war gegenüber der Rede Jesu vom Reich Gottes, das zum eigentlichen Menschsein und Gottvertrauen befreie. In diesem Sinne werden Wunder gattungsgeschichtlich als eine Form betrachtet, mit der eine Botschaft des Glaubens oder Vertrauens Kerygma vermittelt werden soll."

— Quelle: Wikipedia.de

"In der Bibel ist das Wichtigste beim Wunder nicht die Unnatürlichkeit des Geschehenen, sondern das Offenbarwerden der Menschenfreundlichkeit Gottes."

— Quelle: kirchensite.de
 
Entschuldigung, dass mein Beitrag nichts mehr mit Johannes d. Täufer zu tun hat ...

Die meisten Wunder Christi Jesu sind Metaphern, Symbole, Parabeln. Das kann man ganz klar so sagen. Kein Katholik, der noch ganz bei Verstand ist, glaubt, dass Jesus wirklich über das Wasser gelaufen ist oder dass er einen Toten (Lazarus) tatsächlich von den Toten aufgeweckt hatte.
[...]
Das zweite versteht man allgemeinhin so, dass Lazarus seinen Glauben verloren hat (also im Glauben tot war). Jesus kam zu ihm, hat ihm neuen Glauben "geschenkt" und ihn somit wieder zum Leben erweckt. Gleiches dürfte auch für die Auferstehung Christi gelten.
El Q. hat imgrunde schon das gleiche gesagt, aber ich will es noch mal unterstreichen: In meinen Augen wird man mit solchen Interpretationen den Quellen - hier eben den Evangelien - in keinster Weise gerecht!!! Denn diese sagen eben mit keiner Silbe, dass Lazarus "im Glauben" tot war, sondern sie sagen ganz eindeutig, dass er bereits mit Leichentüchern ins Grab gelegt worden war, sprich in "biologischem" Sinne tot war. So und nicht anders wollen die Quellen meiner Meinung nach in diesem Punkte verstanden werden!

Man kann entweder den Evangelien abnehmen, dass bspw. die Auferweckung des leiblich verstorbenen Lazarus durch Jesus tatsächlich stattgefunden hat, oder man kann der Ansicht sein, dass dieses Ereignis entgegen den Evangelien nicht stattgefunden hat. Beide Ansichten halte ich für konsequent und vertretbar, weil sie die Aussageabsicht der Quelle nicht ummogeln. Die oben zitierte Ansicht halte ich hingegen für inkonsequent.

Das ist gewiss nur meine Meinung in diesem Punkte. Ob die "richtiger" als andere Meinungen ist, weiß ich noch nicht mal; aber ich wollte sie unbedingt loswerden.


(PS: Ich stelle sogar die These auf, dass nur der, wer an die leibliche Auferstehung Jesu Christi glaubt, im Sinne der Katholischen Kirche auch katholisch ist. - Ist wohl aber nichts für's Geschichtsforum.)
 
Diese Deutungsansatz ist bestimmt richtig, wenn du in einer amerikanischen Amish-Gemeinde lebst oder du ein Fundamentalist bist.

Wie die Kirche es sieht, ist bitte meinem letzten Post zu entnehmen.

In der Bibel steht – da du es gerade ansprichst – nichts von einer Auferstehung des Fleisches, sondern eine Auferstehung des Leibes.
Christus wurde schlicht ans Kreuz gehängt, starb und verweste wahrscheinlich friedlich in seinem Grab (oder sonst irgendwo).
Was aber wahrlich auferstanden ist, ist die Botschaft Christi. Die war mit seinem Tod nämlich erstmal weg. Die jünger besannen sich aber wieder auf ebenjenen Missionsauftrag und die Worte ihres Herrn und der Glaube "lebte wieder auf", erstand aus dem Grabe.

Ich will für meine Thesen keine absolute Gültigkeit verlangen, sie spiegeln aber meinen persönlichen Glauben wider und das, was man mir von kirchlicher Seite her beigebracht hat.
 
"Für die Bibel sind aber Heilungsgeschichten nicht allein medizinische Ereignisse. Sie sind wie Wegweiser und Hinweise: Hier ist großes am Werk, hier handelt Gott unter den Menschen. Also - die medizinische Frage hilft nicht weiter."

— Quelle: Das Kirchenlexikon

"Der Blick auf die Art und Weise, in der die Evangelisten die Wundergeschichten in den Gesamtkontext ihrer Werke einordnen und deuten, zeigt, daß im Neuen Testament der Akzent gerade nicht auf dem Außergewöhnlichen in den Wundergeschichten liegt. Damit teilen die Autoren des Neuen Testaments zunächst einmal die antike Weltsicht, die in dererlei Geschehnissen primär Offenbarungen des Göttlichen sah. Sie gehen aber darüber hinaus, indem sie die Wunder durchweg als Zeichen deuten, in denen das Wesen von Botschaft und Wirksamkeit Jesu offenbar wird (vgl. Mt 11,2-6 par Lk 7,18-23 u.ö.). Am konsequentesten hat diesen Ansatz Johannes durchgeführt (vgl. die durchgängige Bezeichnung der Wunder als 'semeia – Zeichen' im Joh)."

— Quelle: Bibelwissenschaft

"Die neuzeitliche liberale Theologie interpretiert biblische Wunder auch im übertragenen Sinne: z. B. jemandem die Augen und Ohren öffnen, weil er blind und taub war gegenüber der Rede Jesu vom Reich Gottes, das zum eigentlichen Menschsein und Gottvertrauen befreie. In diesem Sinne werden Wunder gattungsgeschichtlich als eine Form betrachtet, mit der eine Botschaft des Glaubens oder Vertrauens Kerygma vermittelt werden soll."

— Quelle: Wikipedia.de

"In der Bibel ist das Wichtigste beim Wunder nicht die Unnatürlichkeit des Geschehenen, sondern das Offenbarwerden der Menschenfreundlichkeit Gottes."

— Quelle: kirchensite.de

Hallo Decurion,

bis auf das Wikipedia-Zitat, welches sich explizit auf eine "liberale Theologie" beschränkt, ohne, dass hier eine Konfessionszugehörigkeit oder Überkonfessionalität dieser "liberalen Theologie" deutlich würde, ist keines der von dir angeführten Zitate dazu geeignet zu belegen, dass von kirchenoffizieller Seite der Wunderglaube ad acta gelegt worden sei. Die Kernaussage ist letztlich die, dass die Wunder nicht Selbstzweck sind, nicht dazu da, die Menschen zu beeindrucken, sondern um die Liebe Gottes zu den Menschen auszudrücken. Da ist nichts davon zu lesen, dass es sich um Symbole oder Metaphern handelt.
 
Die Quelle "kirchensite.de" wird von dem römisch-katholischen Bistum Münster betrieben. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der Bischof von Münster (bzw. seine Vertreter) einfach mal etwas behauptet, das nicht dem katholischen Glauben entspricht.

"die medizinische Frage hilft nicht weiter"

Damit ist wohl gemeint, dass es sich nicht um eine reale Tat handelte, sondern dass genau das ein Symbol ist.

Und was ich auf der kirchensite gefunden habe, zeigt das auch ganz deutlich. Es ist der Sinn, der dahinter steckt und nicht eine unnatürliche Handlung.
 
Du kommst mit deinen Zitaten durcheinander. Zunächst einmal stammt das Zitat nicht von der katholischen Kirchensite, sondern von dem evangelischen Pastor Jan von Lingen. Macht aber nichts.

Hier ist Großes am Werk, hier handelt Gott unter den Menschen. Also - die medizinische Frage hilft nicht weiter.

Jan von Lingen versucht hier eben nicht, das Wunder an sich in Frage stellen, wie du ihm unterstellst. Er sagt gerade, dass wir die Heilung medizinisch (naturwissenschaftlich) nicht erklären können. Wunder definieren sich gerade dadurch, dass es sich um Phänomene handelt, die sinnlich erlebbar aber nicht naturwissenschaftlich zu erklären sind.

Es ist also mitnichten ein Bekenntnis des Pastors dazu, sich außerhalb der Theologie seiner Kirche zu bewegen und noch weniger dazu, dass die großen Kirchen sich vom Wunderglauben abgewandt hätten.

Diese deine Interpretation der Aussagen des Pastors ist also eine ebenso eigensinnige Interpretation, wie die Annahme, dass es aus Sicht der christlichen Theologie einen Unterschied zwischen der leiblichen und der fleischlichen Auferstehung gebe und die leibliche Auferstehung nur transzendent zu verstehen sei. Das ist dasselbe, was ich schon oben kritisierte: "der Versuch, den Bericht der Evangelien mit der erfahrbaren Wirklichkeit zu harmonisieren, sprich die Diskrepanz zwischen Wunderbericht und dem eigenen bzw. gesellschaftlichen Unvermögen, den Wunderbericht heute noch ernst zu nehmen, aufzuheben, quasi den Bibeltext zu retten, obwohl man ihn eigentlich selbst nicht mehr ernst nimmt."
 
Ich will für meine Thesen keine absolute Gültigkeit verlangen, sie spiegeln aber meinen persönlichen Glauben wider und das, was man mir von kirchlicher Seite her beigebracht hat.

Okay. Dann entschuldige bitte meinen anfängl. Ton! Das meine ich ernst, denn ich habe vermutet, dass Du die offizielle Lehre der Kirche besser kennst, als Du aus "ideologischen Gründen" zugeben wolltest. Also so fies dachte ich.

Es gab im Laufe der Kirchengeschichte 21 sog. ökumenischen Konzilien, zu denen alle katholischen Bischöfe eingeladen waren (wenngleich meistens leider nicht Bischöfe aus aller Welt anwesend waren), um unter anderem über Lehrfragen zu entscheiden. Diese ökumen. Konzilien stellten Dogmen auf, die bis heute die offizielle Lehre der Kirche ausmachen, für den Katholiken also strenggenommen bindend sind. Auch was Synoden und Päpste in Sachen Glaubenslehre von sich gaben hat eine kirchliche Relevanz.
Es gibt z. B. - und das wäre ja vielleicht ganz interessant für Deine weiteren Studien - ein Werk namens "Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen" (griech.-lat.-dt.) von Heinrich Denzinger u. Peter Hünermann (verschiedene Aufl., Herder-Verlag), in dem man die Quellentexte, also den Wortlaut der kirchl. Lehrentscheidungen, nachlesen kann.
Was in einem Kirchenlexikon oder auf den von Dir angeführten Internetseiten steht, kann ohne jede Frage gut und richtig sein, aber es gibt nicht automatisch die Lehrmeinung der Kirche wieder.

In Bezug auf unser Beispiel mit der leibl. Auferstehung Christi zitiere ich aus dem Denzinger/ Hünermann nur mal das erste, was ich beim Durchblättern gefunden hab:
"Er hat, so bekennen wir, unter Pontius Pilatus aus freiem Willen für unser Heil gelitten im Fleisch, wurde gekreuzigt im Fleisch, ist gestorben im Fleisch, ist auferstanden am dritten Tage in demselben verherrlichten und unverweslichen Fleisch (carne) und ... ist hinaufgestiegen in die Himmel, um auch zur Rechten des Vaters zu sitzen".
Brief des Papstes Pelagius I. von 557 n. Chr. (Die drei Punkte … im Text stehen so in der 40. Aufl.; ich habe hier nichts ausgelassen).

Die 11. Synode von Toledo (672-676 n. Chr.) z. B. sagt:
„Gott, das Wort, hat nämlich nicht die Person des Menschen angenommen, sondern die Natur, und in die ewige Person der Gottheit hat er die zeitliche Substanz des Fleisches (substantiam carnis) aufgenommen“.
Auch das impliziert doch stark eine leibliche Auferstehung Jesu Christi.

Die beiden beispielhaft vorgebrachten Zitate stehen „rangmäßig“ freilich unter den Entscheidungen der ökumen. Konzilien, aber ich stelle einfach mal die freche Behauptung auf, dass auch die ökumen. Konzilien sich irgendwo in dieser Weise über die Auferstehung Christi ausgesprochen haben. Um es kurz zu machen: Ich hab jetzt keine Lust mehr noch weiter zu suchen (denn der Denzinger hat ungefähr 1575 Seiten mit Quellentexten).
 
Die beiden beispielhaft vorgebrachten Zitate stehen „rangmäßig“ freilich unter den Entscheidungen der ökumen. Konzilien, aber ich stelle einfach mal die freche Behauptung auf, dass auch die ökumen. Konzilien sich irgendwo in dieser Weise über die Auferstehung Christi ausgesprochen haben. Um es kurz zu machen: Ich hab jetzt keine Lust mehr noch weiter zu suchen (denn der Denzinger hat ungefähr 1575 Seiten mit Quellentexten).

Darf ich aushelfen?

2. Vat. Konzil, Sitzung v. 7.12.1965, Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", Pkt. 32

… wird im Werk Jesu Christi vollendet und erfüllt. Als fleischgewordenes Wort … […]…, errichtete er nach seinem Tode und seiner Auferstehung unter allen, die ihn im Glauben und in der Liebe annehmen, durch das Geschenk seines Geistes eine neue brüderliche Gemeinschaft, nämlich in seinem Leib, der die Kirche ist,…
 
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen zu diesem Thema. Ich werde mich gerne noch weiter mit diesem Thema beschäftigen, meine "Quellen" dazu befragen und Meinungen sind ja schließlich da, damit man sie ändern kann, hm? ^^

Da ich auch nicht stellvertretend für die (katholische) Kirche spreche, will ich mir nicht anmaßen, irgendwelche Standpunkte als die der Kirche zu betiteln.

@ buschhons: Die so zahlreich von mir angegeben Quellen geben sehr wohl die Lehrmeinung wider (s. Bistum Münster). Es ist nur eine andere Sache, wie man sie auslegt und versteht.
 
Also die RKK sieht die Wunder Jesu sicher nicht als "Symbole". Man kann das einfach im Katechismus nachlesen.

Da steht z.B.

547 Jesus begleitet seine Worte durch zahlreiche ,,machtvolle Taten, Wunder und Zeichen" . Diese zeigen, daß das Reich in ihm gegenwärtig ist. Sie bezeugen, daß Jesus der angekündigte Messias ist.

548 Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, daß der Vater ihn gesandt hat. Sie laden ein, an ihn zu glauben. Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten. So stärken die Wunder den Glauben an ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, daß er der Sohn Gottes ist. Sie können aber auch Anlaß zum ,,Anstoß" sein (Mt 11,6). Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen. Trotz seiner so offensichtlichen Wunder wird Jesus von einzelnen abgelehnt [Vgl. Joh 11,47-48.] ja man bezichtigt ihn, mit Hilfe der Dämonen zu wirken.

etc. da steht nix von Symbolen .. und der Katechismus beschreibt wohl am verbindlichsten, was die RKK für richtig hält.
 
@ buschhons: Die so zahlreich von mir angegeben Quellen geben sehr wohl die Lehrmeinung wider (s. Bistum Münster). Es ist nur eine andere Sache, wie man sie auslegt und versteht.

Wenn man es so formuliert wie Du, hat man natürlich zum guten Teil recht. Ich hatte es oben aber wohlbedacht anders formuliert, damit Du eben nicht recht hast. War nur ein Spaß:).


@bonito: Dein Hinweis auf den Katechismus ist an sich sehr gut. Allerdings habe ich mal gehört, dass der Katechismus imgrunde kein "Dokument" kirchlicher Lehrentscheidung ist, sondern den Inhalt jener Dokumente nur verlässlich und gewissenhaft wiedergibt. (Ich gebe zu, letztlich kommt es so ziemlich auf das selbe hinaus; denn im Katechismus wird man aller Wahrscheinlichkeit nach nichts finden, was nicht offizielle Lehre der RKK ist).

So viel zur Rolle des Täufers:grübel:.
 
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