Heiliges Römisches Reich dt. Nation / Österreich?

chrissie

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Hallo liebe Geschichts-Cracks,

ich HOFFE, ihr könnt mir weiterhelfen, denn ich scheine ganz arg aufm Schlauch zu stehen...

Über mein Verständnisproblem gestolpert bin ich im Rahmen des Kartoffelkriegs bzw. Fürstenbundes von 1785, aber eigentlich geht es viel mehr um das Verhältnis von Österreich zum HRR dieser Zeit (also 18. Jhd.)

Mein aktueller Erkenntnisstand ist, dass Kaiser Joseph II. Österreicher (Habsburg-Lothringer) und Kaiser des HRR war. Wie verhielt sich denn Österreich zum HRR, also inwiefern war das schon klar abgegrenzt, denn 1806 bei der Erhebung Bayerns zum Königreich erklärte sich ja dann die HRR-Krone als erloschen und Österreich war separat. Im gleichen Denkzug frage ich mich auch ähnliches für Preußen, denn es gab ja den Dualismus Preußen/Österreich, der ja im siebenjährigen Krieg seinen Anfang fand - aber inwiefern gehörte Preußen damals zum HRR? Gehörten die etwa beide dazu und haben sich schön unter einer Kaiserkrone vereint gegenseitig misstrauisch im Auge gehabt oder wie?

Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass ich irgendetwas Wichtiges übersehen habe, jedenfalls fügt sich das in meinem Kopf leider gerade nicht zu einem stimmigen Ganzen. Ich hoffe daher auf eure Weisheit :yes:

Viele Grüße!
 
Das HRR umfasste Teile des österreichischen und Teile Preußens. Allerdings gab es nur einen sehr kurzen Zeitraum, in dem es einen österreichischen Kaisertitel und den Kaisertitel des HRR gleichzeitig gab (1804-1806). Davor waren die Herrscher Österreichs lediglich Erzherzöge von Österreich und Könige von Böhmen (seit 1526). Das HRR war allerdings ein sehr fragiles Gebilde, in dem die Teilstaaten schon seit der frühen Neuzeit ein weitgehndes Eigenleben führten. Man bekämpfte sich vor allem im 30-Jährigen und im 7-Jährigen Krieg gegenseitig.
 
Mein aktueller Erkenntnisstand ist, dass Kaiser Joseph II. Österreicher (Habsburg-Lothringer) und Kaiser des HRR war. Wie verhielt sich denn Österreich zum HRR, also inwiefern war das schon klar abgegrenzt, denn 1806 bei der Erhebung Bayerns zum Königreich erklärte sich ja dann die HRR-Krone als erloschen und Österreich war separat. Im gleichen Denkzug frage ich mich auch ähnliches für Preußen, denn es gab ja den Dualismus Preußen/Österreich, der ja im siebenjährigen Krieg seinen Anfang fand - aber inwiefern gehörte Preußen damals zum HRR? Gehörten die etwa beide dazu und haben sich schön unter einer Kaiserkrone vereint gegenseitig misstrauisch im Auge gehabt oder wie?
Österreich war ein Teil des Heiligen Römischen Reiches. Joseph II. regierte aber über das Erzherzogtum Österreich hinaus noch viele weitere Territorien, die sowohl außer- als auch innerhalb des Heiligen Römischen Reiches lagen.
Um das Ganze noch verwirrender zu machen, gab es auch einen österreichischen Reichskreis. Diesen dominierte der regierende Erzherzog von Österreich, es gab aber noch mehrere weitere Reichsstände, die dazu gehörten (siehe: Österreichischer Reichskreis ? Wikipedia ). Manchmal findet man die Aussage, der österreichische Reichskreis habe nur auf dem Papier bestanden. Aber das würde hier wohl über das Thema hinaus gehen.
Neben dem Erzherzogtum verfügten die Habsburger noch über andere Gebiete, die innerhalb des HRR in anderen Reichskreisen und in kreisfreien Regionen (Böhmen gehörte z.B. zu keinem Kreis) lagen.

Preußen gehörte nicht zum Heiligen Römischen Reich. Das Herzogtum Preußen, das 1701 zum Königreich erhoben worden war, lag außerhalb des HRR. Ähnlich wie im Falle Österreichs hatte aber der König von Preußen ebenso Gebiete innerhalb wie außerhalb des Reiches inne. Im Reich war er rein formell vor allem der Kurfürst von Brandenburg und als solcher Lehensnehmer des Kaisers. Das ist ähnlich wie mit dem König von Großbritannien, der im Reich vorwiegend der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (oft genannt Hannover) war.

Den Beginn des preußischen Dualismus würde ich schon vor 1763 ansetzen; aber nach dem Siebenjährigen Krieg könnte man feststellen, dass sich Preußen in seiner Konkurrenzposition zu Österreich behauptet hat. Österreich allein (bzw. mit der fast zu vernachlässigenden Unterstützung einiger Reichsstände (abgesehen von bedeutenden sächs. Kontingenten)) war es am Ende des Krieges nicht gelungen, Preußen aus eigener Stärke zu schlagen.
Gerade der Friede von Hubertusburg machte deutlich, dass beide Seiten gewillt waren, ohne Einmischung anderer Reichsstände in ihren Einflusssphären zu dominieren.
 
Das war sehr ausführlich, vielen Dank! (Weißt du so etwas auswendig? Da habe ich wirklich Respekt vor...)

Dann muss ich jetzt aber nochmal nachfragen:
Das heißt also quasi, der König von Preußen - nehmen wir mal Friedrich II. - war Lehensnehmer gleichzeitig des Kaisers Joseph II. und hatte auch noch ein Lehensverhältnis nach Polen bis zu dessen Teilung? Sehe ich das richtig?

Und den Fürstenbund hat er dann praktisch in seiner Funktion als Kurfürst von Brandenburg gegründet? Das war nämlich mein Knackpunkt: Wenn Preußen an sich nicht zum Reich gehört - oder nur ein Teil davon - war es mir nicht einleuchtend, wie dann auf einmal mit anderen Fürsten des HRR der Fürstenbund zustande gekommen ist.
 
@chrissie

Brissotin hat das m.E. sehr ausführlich erläutert. In Deinem Beispiel; der König von Preußen war als Markgraf von Brandenburg, und somit Kurfürst, und noch vieler anderer im HRRD verstreuter Herrschaften bis hinein in die Schweiz, die wiederum 1648 aus dem HRRD ausschied, Vasall des Kaisers des HRRD. Gleichzeitig gab es lehnsrechtliche Verbindungen zu Polen (bis ca. 1772).

Ich denke, die Erklärung zum Fürstenbund findest Du nicht in lehnsrechtlichen bzw. reichsrechtlichen Gegebenheiten, sondern im Machtkalkül der beteiligten Protagonisten bzw. Staaten/Reichsterritorien.

M.
 
Ich denke, die Erklärung zum Fürstenbund findest Du nicht in lehnsrechtlichen bzw. reichsrechtlichen Gegebenheiten, sondern im Machtkalkül der beteiligten Protagonisten bzw. Staaten/Reichsterritorien.
Ich denke, der Fürstenbund stand ursprünglich in einer Tradition bspw. der Kreisassoziationen - ein selbstständiges Gegengewicht zum Kaiser zu bilden, was seine Stärke aus der Bündelung mehrerer Reichsstände bezog, die einzeln wenig hätten ausrichten können, um der Einflusspolitik eines übermächtigen Kaiserhauses die Stirn zu bieten. Der Anlass war beim Fürstenbund ein politischer, aber eben auch aus dem Charakter des Reiches erwachsener. Das Reich basierte auf gewissen Verhaltensnormen, welche in unzähligen Verhandlungen austariert worden waren und bei jeder Erschütterung ins Wanken geraten mochten. Hätte der Kasiser bspw. Bayern an sich gebracht, so hätte das auf das Reich empfindliche Veränderungen bedeutet.
Der Fürstenbund wurde gewissermaßen mit der Zeit proborussisch instrumentalisiert (proborussisch-abhängige Staaten spielten da sicherlich auch eine Rolle), verlor damit aber letztlich auch seine Möglichkeiten als wirklicher Vermittler zum hehren Ziel der Bewahrung des Reiches gegen eine prokaiserliche Reform aufzutreten.

Eine interessante Herrscherpersönlichkeit in dem Zusammenhang ist Herzog Carl August von Sachsen-Weimar. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_August_(Sachsen-Weimar-Eisenach))
Hatte er ehedem wohlmöglich die ausweichende Politik seiner Mutter fortführen wollen, die sich in den schwierigen Zeit des Siebenjährigen Krieges in der Position einer (von Preußen kaum geachteten) Neutralität hatte behaupten wollen, so stieg er später aktiv in die Reichspolitik ein. Letztlich aber suchte er unter dem Schutz Preußens sein Heil und seine fernere Politik beruhte auf einen außenpolitischen Rückenschluss mit dem großen "Partner". Im Gegenzug bekam er den preußischen Schwarzen Adlerorden und einen Rang in der preußischen Armee - viel mehr kann man seine Abhängigkeit nicht demonstrieren (das war auch bei anderen Staaten vorher und nachher übliche Praxis auch von regierenden Landesherren).
 
Zuletzt bearbeitet:
ich glaube, ich habe mich da ein wenig missverständlich ausgedrückt.

Die Gründe für die Gründung des Fürstenbundes hatte ich denke ich soweit schon ganz gut verstanden, ich hatte nur davor den Denkfehler, dass ich Preußen entweder komplett oder eben garnicht dem HRR zugerechnet hatte. Und bei "garnicht" hätte quasi der König Preußens von außerhalb des Reichs mit Fürsten innerhalb des Reichs einen Bund geschlossen, das hatte für mich einfach wenig Sinn ergeben.

Extrem nach unten gerechnet und leider nur sehr notdürftig verglichen klang das für mich so, als hätte der Präsident der BRD mit dem Bürgermeister von... egal, irgendetwas in einem anderen Land... Lyon von mir aus - ein Bündnis geschlossen. Und das erschien mir wenig schlüssig. Aber wenn Friedrich der II. das Bündnis in seiner Funktion als Kurfürst von Brandenburg mit anderen Fürsten geschlossen hat und Brandenburg wiederum dem HRR zuzurechnen ist, dann macht das auch Sinn und eliminiert meinen Stolperstein.

Ich danke euch also, ich glaub, ich habs begriffen.
 
Ich "missbrauche" mal den Thread, da es bei mir auch um ds HRR geht. Gibt es eigentlich irgendwo gute Informationen über die Grenzentwicklung bzw. der Ausdehnung des HRR? Ich frage mich nämlich u.a., wie Böhmen überhaupt zum HRR gestoßen ist und wann welche italienischen Gebiete zum Reich gezählt haben. Das scheint ja recht unübersichtlich zu sein.
 
Ich "missbrauche" mal den Thread, da es bei mir auch um ds HRR geht. Gibt es eigentlich irgendwo gute Informationen über die Grenzentwicklung bzw. der Ausdehnung des HRR? Ich frage mich nämlich u.a., wie Böhmen überhaupt zum HRR gestoßen ist und wann welche italienischen Gebiete zum Reich gezählt haben. Das scheint ja recht unübersichtlich zu sein.
Gute Karten kenne ich momentan keine. Recht anschaulich sind historische (zeitgenössische) sogenannte Staatskalender.

Recht anschaulich und fast immer reichhaltig mit Quellenbelegen versehen sind die Artikel zu den Reichskreisen auf Wikipedia.
Reichskreis ? Wikipedia
Für die exakte Veränderung der Außengrenzen des Reiches zu verschiedenen Zeitpunkten muss man sich bisweilen schon durch manches Vertragswerk wühlen und am besten danach noch Reichsabschiede und andere Dokumente sichten, wo man auch findet, wer damals zum Reich gerechnet wurde. Eine regelrecht haarsträubende und keineswegs leichte Aufgabe. :angsthab:
 
Vielen Dank für den Link. Ich habe mir bereits die diversen Internetquellen angesehen. Wie du zurecht sagst, ist es echt schwer festzustellen, warum sich welche Grenzen ergeben haben. Und genau das ist das, was mich gerade brennend interessiert. :D
 
Vielen Dank für den Link. Ich habe mir bereits die diversen Internetquellen angesehen. Wie du zurecht sagst, ist es echt schwer festzustellen, warum sich welche Grenzen ergeben haben. Und genau das ist das, was mich gerade brennend interessiert.
Zu einigen Zeitpunkten haben wir ja konkrete "Zustandsberichte".
Im Grunde müsste sich irgendwo ein Verzeichnis sämtlicher Lehensnehmer des Kaisers finden lassen, die jeweils die Lehensmutung nötig hatten. Uff, jetzt frage mich aber nicht, wo ich das finden kann. Die "Verweigerer" solcher Mutungen (wie der Kurfürst von Brandenburg zeitweise) müssten eigentlich auch irgendwie als Schuldner des Kaisers verzeichnet sein.
 
Das Herzogtum Preußen, das 1701 zum Königreich erhoben worden war, lag außerhalb des HRR. Ähnlich wie im Falle Österreichs hatte aber der König von Preußen ebenso Gebiete innerhalb wie außerhalb des Reiches inne. Im Reich war er rein formell vor allem der Kurfürst von Brandenburg und als solcher Lehensnehmer des Kaisers.

Interessant ist vielleicht noch, dass der brandenburgische Kurfürst 1701 zum König in Preußen gekrönt wurde. König von Preußen nannte sich mWn erst Friedrich II., aus Gründen, die va in der Besetzung weiterer Teile Polens liegen. Allerdings galt auch das formal nur für das außerhalb des Reiches liegende polnische Gebiet. Nach den Schlesischen Kriegen war das allerdings Nomenklatura, da hatte es viel handfestere Probleme gegeben. Könige innerhalb des Reiches gab es erst nach dem Reichsdeputationshauptschluss, der das Ende des HRR einläutete.
 
Vielen Dank für den Link. Ich habe mir bereits die diversen Internetquellen angesehen. Wie du zurecht sagst, ist es echt schwer festzustellen, warum sich welche Grenzen ergeben haben. Und genau das ist das, was mich gerade brennend interessiert. :D

@Lafayette II.

Mein Mitdiskutant Brissotin deutete es schon an, das ist ein "irrer" Aufwand, den Du da betreiben müsstest.

Im Bundesarchiv in Berlin findet sich nichts, wohl aber gleichsam als first step im österreichischen Staatsarchiv, die Archivalien zu den drei Landesaufnahmen des Kgr. Böhmens. Dortige Signatur des Findbuches:

"Signatur:AT-OeStA/KA KPS KS Titel: Kartensammlung Entstehungszeitraum: ab ca. 1480 Darin:Erste, Zweite und Dritte Landesaufnahme Stufe:Bestand Signatur: AT-OeStA/KA KPS KS Titel: Kartensammlung Entstehungszeitraum: ab ca. 1480 Darin: Erste, Zweite und Dritte Landesaufnahme Stufe..."

Bestand AT-OeStA/KA KPS KS

Wenn Du dem link folgst, findest Du auch Literatur zum Bestand.

AT-OeStA/KA KPS KS Kartensammlung, 1480 (ca.)- (Bestand)

Zu den tschechichen Archiven kann ich wenig schreiben, ein Einstieg wäre das:

http://www.gda.bayern.de/veranstaltungen/dateien/halla/vortraege.pdf

Nicht viel, aber vllt. ein Anfang.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Lafayette II.

Mein Mitdiskutant Brissotin deutete es schon an, das ist ein "irrer" Aufwand, den Du da betreiben müsstest.

Im Bundesarchiv in Berlin findet sich nichts, wohl aber gleichsam als first step im österreichischen Staatsarchiv, die Archivalien zu den drei Landesaufnahmen des Kgr. Böhmens. Dortige Signatur des Findbuches:
Das Problem ist auch, dass man die vielen verschiedenen Unterlagen im Prinzip deutschlandweit zusammensammeln müsste. In Wien gibt es offensichtlich viele Archivalien zur Reichshofskanzlei im HHStA.

An den damals wichtigen Orten der Kreistage wie Ulm findet man nicht alle Unterlagen, sondern diese Unterlagen sind dann z.B. oftmals in die heutigen Hauptstaatsarchive wie Stuttgart/Ludwigsburg gekommen.

Für einen groben Überblick taugt aber m.E. ne Primärquelle wie diese zum oben angesprochenen Zeitpunkt, das sogenannte "Neue Genealogische Reichs- und Staats-Handbuch" von 1785: MDZ-Reader | Band | Neues genealogisches Reichs- und Staats-Handbuch
 
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