AN DIE
MODERATION:
Könnte mir vorstellen, dass es unangebracht ist, im Faden über marxistische Religionskritik ausgedehnt über die religiösen Anschauungen Hitlers zu diskutieren. Aber falls Ihr das verschiebt, bitte irgendwohin, wo man auch ohne Schreibrechte mitdiskutieren kann. Das wäre sehr lieb. Danke.
Wenn ich aber die Existenz eines Gottes ablehne und verneine, nenne ich das Atheismus. Wenn ich an menschliches Können, persönliche Fähigkeiten, Verstand, Schicksal oder eine "Vorsehung" glaube (und nur daran; an keinen Gott), dann ist das für mich Atheismus, denn ein Gott kommt nicht in dieser Weltanschauung vor. Man spricht ja ausdrücklich von einer "Vorsehung" und nicht von Gott, man spricht von "Gaia" und nicht von Gott, man spricht von "Schicksal" und nicht von Gott, man spricht von "Homo Homini Deus est" und nicht von Gott. Oder von Göttern, ganz wie es beliebt.
Vielen Deiner Beobachtungen kann ich durchaus zustimmen: Hitler äußert sich m. W. nirgends über einen "persönlichen", helfend eingreifenden Gott; sondern nach seiner Weltanschauung ist der Mensch, ist das Volk und ist die Rasse so ziemlich auf sich selbst gestellt, muss selbst kämpfen, sich durchsetzen, das eigene Lebensrecht durch die eigene Stärke und Durchsetzungskraft beweisen. In diesem Sinne tut Hitler in "Mein Kampf" in der Tat - wie Du richtig sagst - sozialdarwinistische Bekenntnisse kund. Die arische Rasse muss sich selbst erlösen. Einen Erlöser-Gott kennt Hitler gewiss nicht. ABER in diesen "ewigen Kampf" hat gemäß Hitler doch "Gott" die Rassen und Völker hineigeschaffen bzw. hingesetzt. Warum kann solch ein Gott nicht Hitlers Überzeugung gewesen sein, warum kann er Deiner Meinung nach nur Berechnung oder Verstellung vor der Öffentlichkeit gewesen sein?
(Es ist ja nicht so, als dass Hitlers stumpfsinniger Gottesglaube, den christlichen Gottesglauben in irgendeiner Weise in Misskredit bringen könnte.)
Vielleicht kann man sagen: Hitler weiß nichts von seinem Gott, als dass er der Garant für das Heil der stärksten, sich im Kampf durchsetzenden Rasse ist. Alles andere an seinem Gott interessiert Hitler zugegebenermaßen auch nicht. Gott um seiner selbst willen ist bei Hitler kein Thema; Gott taucht bei ihm nur im Zusammenhang mit dem kämpfenden Menschen auf. Das ist schon richtig. Aber den Glauben an einen sonst nicht näher definierten Gott und Schöpfer, der den ganzen "Kampfeswahn" auf Erden ins Leben gerufen hat und diesen will und dessen Gültigkeit garantiert, möchte ich Hitler nicht absprechen.
Du hast auch damit recht: Hitler spricht in seinem Werk oft von der "Vorsehung" oder vom "Schicksal", vielleicht lieber noch als von "Gott". Vorsehung und Schicksal sind bei Hitler gewissermaßen das selbe von unterschiedlicher Warte aus betrachtet. Es geht allerdings nicht darum, dass irgendetwas vorherbestimmt ablaufen würde oder müsste, sondern die "Vorsehung" ist - nach meinem Dafürhalten - gewissermaßen das ewig geltende, göttliche Gesetz, dass der Stärkste und Durchsetzungsfähigste auf Erden der 'Liebling Gottes' wird/ist. In der Welt kämpfen die Rassen und Völker miteinander, die/das stärkste gewinnt. Das ist die Vorsehung. Hitlers Gott ist von dieser Situation auf Erden aber nicht abhängig, weil er am Ende den Siegreichen - egal wer das ist oder sein wird - als den Seinen betrachtet.
Hitlers Vorsehungsglaube spricht m. E. nicht gegen einen Gottglauben Hitlers.
Hitler spricht selbstverständlich von einem Gott, manchmal von einem "Herrn", manchmal von einem "allmächtigen Schöpfer" (wie zum Beispiel in seinem Buch "Mein Kampf").
Aber ich unterstelle Hitler Berechnung. Wie in allem Berechnung steckt, steckt auch für mich hinter dieser Anrufung Gottes eine reine Inszenierung. Hitler, der fromme Christ. Hitler, der die Werte des Christentums vertritt. Hitler, der die "parasitären" Juden nicht nur aus rassisch-sozialdarwinistischen, sondern auch aus religiösen Gründen verfolgt und damit die Reinheit des Christentums bewahren will. Hitler, der für alle Christen nur das Beste will, der einm Förderer und überzeugter Anhänger des Christentums ist.
Genau das sagt diese lächerliche Anrufung Gottes für mich aus. Für die Christen im Reich muss das wohl wie (göttliche) Musik geklungen haben. Einer, der seine Prinzipien nicht nur zum Wohle des arischen Volkes, sondern auch in Einklang mit Gott und Kirche und durch göttliche Weisung verfolgt.
Hitler hat sich nach meiner Einschätzung nicht so sehr als "frommer Christ" gegeben; denn wir sollten die damaligen Christen nicht unterschätzen: Zentrale christliche Lehren, Werte und Gebote wie Barmherzigkeit, Mitleid, Vergebung, Nächsten- und Feindesliebe, vor allem eben auch Erlösung durch Christus (nicht durch eigene Stärke) suchte man in Hitlers Werk vergeblich. Jener damalige Christ, dem solche christlichen Werte persönlich existenziell erschienen, der wird die Anschauungen Hitlers entweder nicht gutgeheißen haben oder er ist einen persönlichen Kompromiß eingegangen. Dass sich der traditionell christlich-kirchliche Glaube in wesentlichen Punkten nicht mit dem "Glauben" Hitlers vertragen wollte, dürfte dem damaligen Christen kein Geheimnis gewesen sein. Ich kann zumindest aus "Mein Kampf" nicht ersehen, dass Hitler sich bemüht hätte, als "frommer Christ" im kirchlichen Sinn zu erscheinen.
Verzeiht, dass ich den Sachverhalt so provokativ und zugespitzt dargestellt habe. Das entspricht natürlich in keinster Weise meiner Meinung von Hitler, soll aber meine Ansicht des überwiegend christlichen Volkes gegenüber dem "Führer" darstellen.
Ist ja gut, dass Du das so zugespizt hast, dann kann man schön diskutieren. Vielleicht steckt wirklich ein Funken Wahrheit darin, dass damals beinah jedermann (und auch beinah jeder Christ) "Mein Kampf" im Schrank stehen hatte, aber nie richtig drin gelesen hat. Ich bin aber der Meinung, den Interessierten war die Diskrepanz zwischen dem "Gottesbild" Hitlers, Rosenbergs & Co. und dem christlich-kirchlichen Gottesbild durchaus sehr bewusst. Aber ich lasse mich hierin gerne korrigieren.
Von da aus kann ich sagen, dass Hitler "Gott" nur als legitimierende Formel nutzt und nicht tatsächlich an Gott glaubt; allein seine "Vorsehung" spricht dagegen.
Wie gesagt: Die Vorsehung spricht in meinen Augen nicht gegen einen Gottglauben Hitlers. Die Vorsehung ist die Vermittler-Instanz zwischen Hitlers ominösem und undefiniertem Gott und der Menschenwelt.
Dass "Gott" bei Hitler nur eine "legitimierende Formel" ist - übrigens eine sehr schön gewählte Begrifflichkeit - ersehe ich aus "Mein Kampf" nicht. Damals haben sehr viele seltsame ariosophische, völkische, deutschnationale, antisemitische Denker und Macher einen seltsamen, aber dennoch einen Gott-Glauben gehegt. Da wäre Hitler ja kein Sonderfall. Ich sehe irgendwie noch nicht ein, warum Hitler ein Glaube an einen Gott abgesprochen werden soll, wo Hitler in seinem Werk doch explizit das Gegenteil vom Stapel lässt.