Karl V. - gescheitert oder nicht?

Dieter

Premiummitglied
Ich habe kürzlich die Oper Karl V. von Ernst Krenek gesehen. Daraus ergab sich für mich die Frage, ob der Kaiser - wenn man einmal Bilanz zieht - politisch gescheitert ist oder nicht.

Im Leben dieses bedeutenden Kaisers des Heiligen Römischen Reichs gibt es zahlreiche Höhepunkte und Niederlagen. Aber was überwiegt schließlich, wenn man das Lebenswerk und die Ziele dieses Monarchen betrachtet?
 
Ich habe mich nicht sehr ausführlich mit Karl V. beschäftigt; jedenfalls nicht ausführlich genug, um seine Politik in ihrer Gesamtheit als Erfolg oder als Misserfolg einschätzen zu können.

Ich denke, das Hauptziel Kaiser Karls war es, seine Hausmacht zu stärken, wie auch die Position des Kaisers gegenüber seinen Fürsten und den Ständen.
Ob ihm das gelungen ist, kann man auf verschiedene Weisen betrachten.
Zum einen war Karl vielleicht der mächtigste Herrscher zu dieser Zeit. Er war Herr über unglaublich große Territorien (Spanien, Österreich, Ungarn, Kroatien &c. &c. &c.) und hatte zudem überseeische Besitzungen. Er führte Kriege, die er gewann und er hatte mit den Fuggern an seiner Seite schier unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung.
Seine Position gegenüber den Reichsfürsten war und blieb aber in seiner Herrschaftszeit die gleiche wie zuvor. Mit der Reformation wurde das Kaisertum wahrscheinlich noch mehr destabilisiert.
Allerdings brachte Karl auch das Tridentinum auf den Weg, eines der bedeutendsten Konzilien der katholischen Kirche und Meilenstein der Gegenreformation, was die Kirche bis in heutige Tage beeinflusst.
 
Ich würde die Herrschaft Karl V. differenziert bewerten. Er war der mächtigste Herrscher des Abendlandes und konnte diese Position gegenüber Frankreich auch verteidigen. Auch der Angriff auf Wien durch das Osmanische Reich, welches sich auf dem Höhepunkt der eigenen Macht befand wurde, wenn auch glücklich, abgewehrt.
Gegen die Reichsfürsten konnte er sich trotz militärischer Erfolge nicht durchsetzen. Somit blieb es der konfessionellen Spaltung.
Ich würde ihn dennoch nicht als gescheitert ansehen. Er ist eine große Herrscherpersönlichkeit, dienicht alles erreicht hat, was sie sich vorgenommen hat.
 
Ich denke, die Bewertung wird unterschiedlich ausfallen, nicht nur nach Standpunkt, sondern auch ob man Karls Nachwirkung als König von Spanien oder als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs bewertet. Als König von Spanien war Karl V. durchaus erfolgreich. er hinterließ seinem Sohn Philipp II. ein starkes und vergrößertes Imperium mit einer Hegemonialstimmung. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wäre vermutlich auch eine stärkere und begabtere Persönlichkeit an einem universalen Herrschaftsanspruch gescheitert. Es stellt sich die Frage, ob ein Kaiser, der größeres Interesse an der Reichspolitik und mehr Kenntnis der äußerst diffizilen Verhältnisse besessen hätte, den deutschen und benachbarten Territorien einen weniger gewalttätigen Verlauf der Reformation und Gegenreformation hätte garantieren können.
 
Ich denke, dass Karl V. an den selben Problemen wie sein Vorgänger auf dem Kaiserthron zu knabbern hatte. Das spanische Erbe machte es auch nicht leichter, sondern erhöhte letztlich auch den Aufwand, den die Regierung über zwei so unterschiedliche Reiche mit sich bringt. Als Karl V. an die Macht kam, konnte er ja noch nicht ahnen, welche Wellen die Reformation schlagen würde unter der er ungleich stärker als sein französischer Konkurrent zu leiden hatte. Es ist eigentlich erstaunlich, dass sich Karl V. so verhältnismäßig gut über so lange Jahre auf seinem Posten zwischen ständischer Opposition im Reich, Expansionspolitik Spaniens und dem ererbten Dauerkonflikt mit Frankreich behaupten konnte. Vielleicht ist es gerechter, ihn weniger an seinen Zielen (vielleicht war sein Rückzug aus der Politik am Lebensende doch eine Kapitulation?) als an seinen Hindernissen und Schicksalsschlägen zu messen.
 
Ich würde die Herrschaft Karl V. differenziert bewerten. Er war der mächtigste Herrscher des Abendlandes und konnte diese Position gegenüber Frankreich auch verteidigen ... Gegen die Reichsfürsten konnte er sich trotz militärischer Erfolge nicht durchsetzen. Somit blieb es der konfessionellen Spaltung.

Das ist sicher der entscheidende Punkt, den auch andere User hervorgehoben haben.

Was Spanien angeht, so stieg es durch Karl V. unvermittel zur Weltmacht auf. Die Wirtschaftkraft des expandierenden spanischen Imperiums wurde zur Grundlage der kaiserlichen Großmachtpolitik, womit freilich auch schon der Keim für spätere wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme Spaniens gelegt war.

Das Ziel, die Einheit der katholischen Kirche zu bewahren, verfehlte der Kaiser. Er musste entgegen seiner tiefverwurzelten Überzeugung erleben, dass die "lutheranischen Ketzer" im Reich rechtlich anerkannt wurden und der Augsburger Religionsfriede - den bereits sein Bruder und Nachfolger König Ferdinand 1555 abschloss - die Glaubensspaltung des Reichs besiegelte.
 
Ich habe kürzlich die Oper Karl V. von Ernst Krenek gesehen. Daraus ergab sich für mich die Frage, ob der Kaiser - wenn man einmal Bilanz zieht - politisch gescheitert ist oder nicht. ...

@Dieter

Ich kenne die Oper nicht.

Dynastisch ist er nicht gescheitert, da "überrunden" ihn erst 1714 die Bourbonen.

Im HRR gibt es m.E. drei Daten, die seinen Weg zur persönlichen/politischen Resignation herbeiführten.

1530, die ideengeschichtlich wirksamste Zäsur.
1547, ein persönlicher Triumph, der
1555 sich in eine Niederlage verwandelte.

Das Konzil, dessen Ende er nicht mehr erlebte, akzeptiert mehr oder weniger die konfessionelle Spaltung des westeuropäischen Christentums.

Das "Kaisertum" verliert in seiner Regierungszeit den sakralen Charakter vllt. auch markiert in 1527.

Ob Scheitern oder nicht, wage ich nicht, mangels Kenntnisse zu beurteilen, Gründe zur Resignation, lassen sich allerdings finden.

M.
 
@Dieter

Ich kenne die Oper nicht.

Ein beeindruckendes Werk, komponiert in Zwölftontechnik. Der Komponist Ernst Krenek musste vor den Nazis in die USA emigrieren.

Inhaltlich fordert die Oper förmlich dazu heraus, sich mit dem politischen Vermächtnis Karls V. auseinanderzusetzen. Hier kurz die Handlung:

ERNST KRENEK: Karl V.
Auf eigenen Wunsch von der Kaiserwürde entbunden, bilanziert der dem Tod entgegensehende Karl V. sein Dasein – in einer Rückschau auf die wesentlichen Stationen seiner Biographie, wohlwollend bis kritisch unterstützt von dem jungen Beichtvater Juan de Regla. Der Ex-Regent hält sein Leben für gescheitert, da es ihm nicht gelungen sei, die Welt im Zeichen Christi zu einen. Nicht einmal Luthers Reformation und die Kirchenspaltung habe er verhindern können. Sich der Tatsache bewusst, ein politisches „Flickwerk“ zu hinterlassen und ein Reich, in dem die Sonne niemals unterging, der Dunkelheit preisgegeben zu haben, stirbt Karl V. – mit der bescheidenen Hoffnung, dass er wenigstens diese letzte seiner Aufgaben zu Gottes Zufriedenheit bewältigen möge.
 
Als König von Spanien war Karl V. durchaus erfolgreich. er hinterließ seinem Sohn Philipp II. ein starkes und vergrößertes Imperium mit einer Hegemonialstimmung.
Wobei man das nicht unbedingt Karl auf die Habenseite schreiben kann, der war nämlich an den westindischen Besitzungen weit weniger interessiert, als später sein Sohn. Karl dachte traditionell, seine Politik bewegte sich in einem europäisch-mediterranen Rahmen. Es waren halt keine regulären Truppen, sondern Abenteurer, die sich im Namen der spanischen Krone Westindien unter den Nagel rissen.
Ich würde es so sehen: Karl war militärisch erfolgreich, konnte aber seine militärischen Erfolge nur sehr bedingt zu politischen Erfolgen ausbauen. Auch seine Englandpolitik scheiterte ja letztlich, trotz der zunächst noch gemeinsamen Interessen mit Henry VIII.
 
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