Die Etrusker - Ureinwohner oder Zugewanderte?

Ravenik:

Herodot schrieb auch, dass die Etrusker Lyder seien, und die Lyder waren eindeutig indogermanischer Sprache....

Wer hat diese genetischen Untersuchungen anhand welchen Materials gemacht? Die Einwohner Kleinasiens sprachen zur Zeit der Ethnogenese der Etrusker (so weit man weiß) schon lange allesamt indogermanische Sprachen. Und insbesondere im Westen/Nordwesten von Kleinasien. Das Etruskische ist keine Indogermanische Sprache.

Die materielle Kultur der Etrusker passt zudem zu keiner der kleinasiatischen Kulturen dieser Zeit.

Warum sollte eine Gruppe die in Italien einwandert und dort die Oberschicht bildet, keinerlei materielle Spuren nach Kleinasien zu dieser Zeit haben wenn sie von dort stammt?

Noch darüber hinaus ist der archäologische Befund in Etrurien doch absolut eindeutig: es gibt keinerlei Abriss oder Verwerfung von der späten Villanova-Kultur hin zur etruskischen Kultur, beide gehen absolut logisch und fließend ineinander über, die Funde zeigen klar auf, dass sich die etruskische Kultur vor Ort autochthon entwickelte. Sie entwickelte sich zudem zuerst im Landesinneren voran, also nicht an der Küste, was bei einer Einwanderung aus Kleinasien über See eigentlich umgekehrtzu erwarten sein müsste.

Sepiola:

vielen Dank für die Verknüpfung, leider komme ich jetzt nicht mehr dazu, sie genauer zu studieren. Morgen mehr dazu.

Zur Frage in wie weit sich das "Lemnische" vom Etruskischen unterscheidet stehen wir halt vor dem Problem, dass wir zu wenig über das "Lemnische" wissen. Auch innerhalb der etruskischen Stammlande gab es verschiedene Dialekte bzw leicht unterschiedliche Schreibweisen.

Und sollte das Lemnische doch sich als deutlich abweichender Dialekt erweisen, kann man dies dann wie gesagt auch leicht mit einer etruskischen Kolonie erklären.
 
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Wer hat diese genetischen Untersuchungen anhand welchen Materials gemacht?

Es gibt eine aktuelle Untersuchung zu dem Thema, die ich leider nur in der Zusammenfassung frei verfügbar gefunden habe.

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ajpa.22319/abstract

In ihr wird darauf hingewiesen, dass vergangene Untersuchungen die heutige toskanische und anatolische Bevölkerung genetisch verglichen haben. Untersuchungen an ancient DNA haben jedoch ergeben, dass die heutige toskanische Bevölkerung nur in einigen Isolaten mit den Etruskern genetisch verwandt ist. Die festgestellten genetischen Ähnlichkeiten zwischen Toskanern und Anatoliern können dieser Studie zufolge nicht mit einer Einwanderung aus dem Osten, die zur Entstehung der etruskischen Kultur geführt haben soll, in Verbindung gebracht werden. Vielmehr sind die genetischen Verbindungen viel älter, möglicherweise so alt wie die Verbreitung der Landwirtschaft.
 
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Das bedeutet aber nicht, dass eine "Oberschicht" aus dem Osten nach Italien zugewandert wäre, sondern lässt sich ebenfalls aus der Präsenz etruskischer Seeräuber in der Ägäis viel leichter erklären.

Ich habe in meinem Eröffnungsbeitrag schon darauf hingewiesen, dass es zu den Etruskern zwei Hypothesen gibt. Die eine geht davon aus, dass sie autochthon sind und aus der Villanovakultur hervorgingen. Dafür spricht vor allem der bruchlose Verlauf dieser Kultur.

Die Hypothese einer Herkunft aus dem ägäischen Raum ist freilich nicht ganz von der Hand zu weisen. Bekanntlich kam es in dieser Region nach dem Zusammenbruch der mykenischen Macht zu beträchtlichen politischen und demografischen Verschiebungen, die wir als Ägäische Wanderung bezeichnen. Im Verlauf dieser Ereignisse brach das Hethiterreich zusammen, wozu auch ein Bürgerkrieg und innenpolitische Probleme beigetragen haben. Griechenland, Kreta, Zypern und Vorderasien wurden von Migrationsströmen erfasst.

Es ist somit nicht undenkbar, dass im Verlauf dieser Migrationsströme auch ägäische Migranten nach Italien gelangten. Im östlichen Mittelmeer gab es zu dieser Zeit altmediterrane Sprachen, von denen das Minoische lediglich ein Überrest ist. Niemand weiß, welche altkleinasiatischen Sprachen neben dem indoeuropäischen Hethitischen und Luwischen noch existierten. Eine dieser Sprachen war das nichtindoeuropäische Hattische, das nur bruchstückhaft überliefert ist und vom Hethitischen verdrängt wurde.

Es ist somit nicht undenkbar, dass die ägäischen Vorfahren der Etrusker in Italien zuwanderten und ihre ägäische altmediterrane Sprache das führende Idiom Etruriens wurde. Die Insel Lemnos wäre demnach von einer autochthonen altmediterranen Bevölkerung besiedelt gewesen, was die sprachliche Verwandtschaft zwischen Etruskisch und Lemnisch erklären könnte.

Was ich damit sagen will? Dass man nicht vorschnell eine der genannten Optionen vom Tisch wischen sollte.

Die von Herodot behauptete kleinasiatische Herkunft der Etrusker, nach der sie wegen einer Hungersnot aus Lydien eingewandert sein sollen, war schon in der Antike umstritten. So behaupteten andere Autoren wie Dionysios von Halikarnass, die Etrusker seien italische Autochthone.

Die moderne Forschung ist vielfach von einer kleinasiatischen Herkunft der Etrusker abgekommen. Sie nimmt an, dass die etruskische Bevölkerungsschicht im wesentlichen aus vorindogermanischen italisch-indigenen Elementen bestand, die auch Träger der eisenzeitlichen Villanovakultur waren. Nicht ausgeschlossen wird freilich ein Zustrom orientalischer Einwanderer aus dem östlichen Mittelmeerraum, wobei einige vermuten, dass diese die etruskische Führungsschicht gebildet haben könnten.

Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das Ergebnis der Genanalyse plausibler, denn in den repräsentativen Grabbauten ruhen vermutlich nur Vertreter der dünnen (orientalischen) Elite. Von der finden sich in der heutigen toskanischen Bevölkerung kaum noch Spuren.
 
Heine:

Letztes Jahr war ich auf einem Kolloquium in Italien dazu, und die genetische Verwandschaft zwischen Süditalienern (Kalabrien und Apulien) und der Bevölkerung Kleinasiens ist noch größer! Und erklärt sich höchst einfach daraus, dass die Menschen in Kleinasien wie in Italien in der Abstammung her indoeuropäische Vorfahren haben, ebenso wie die Bewohner der heutigen Toskana auch.

Dasselbe bei den Sprachen: in der Verknüpfung die Sepiola zur Verfügung gestellt hat, wird erneut die These von gewissen Paralellen im Lydischen und Etruskischen aufgeworfen. Das Lydische ist aber eine eindeutig indoeuropäische Sprache, dass Etruskische nicht. Wie erklären sich also diese Paralellen? Im Gegensatz zu dem von Sepiola verknüpften Artikel ist die etruskische Sprache in Italien in erheblichem Umfang durch andere italische, indoeuropäische Sprachen beeinflusst worden (was der Artikel gemäß seiner Zielsetzung verneint), insbesondere durch das Latinische und Umbrische. Die Paralellen zwischen Latein und Lydisch sind nun ebenfalls wieder noch viel größer, weil beide indoeuropäisch sind. Trotzdem propagiert niemand eine Abstammung der Latiner von den Lydern.

Im weiteren ist die Übersetzung des Frauennamens in keiner Weise ein Lesefehler, sondern eine mögliche Interpretation. Und es bleibt immer noch der lateinische Gens-Name der in Südetrurien weit verbreitet war sowie der Umstand, dass die von mir in einer Verknüpfung gezeigten weiteren Schriftfunde des "Lemnischen" die Nähe zum Etruskischen weiter bewiesen hat und dass "Lemnische" durch diese neuen Schriftfunde näher und nähe an das reguläre Etruskische heran rückt.


Dieter:

Genau genommen gibt es drei Thesen zur Verbindung der Etrusker in die Ägäis, von denen eine inzwischen eigentlich wiederlegt ist, und dass ist die Einwanderungsthese:

Der archäologische Befund ist absolut klar: die etruskische Kultur entwickelte sich organisch aus der Villanovakultur, dann (chronologie beachten) verlagerten sich die Machtzentren an die Küste und es gab eine Migration aus dem Landesinneren an die Küste. Zuerst waren die Etrusker schon da, dann verlagerte sich ihr Schwerpunkt an die Küste.

Bei einer Einwanderung einer "Oberschicht" aus Kleinasien müsste diese aber zuerst an der Küste angekommen sein. Das ganze ist eigentlich so klar und eindeutig seit Jahren bewiesen, dass die Einwanderungsthese damit schlicht und einfach widerlegt ist.

Verbleibt noch die dritte These, die Giovanni Feo vertritt, und die gerade in Deutschland fast keine Beachtung findet:

Dass nämlich nicht ein Volk nach Italien einwanderte, sondern dass eine Religion die aus der Ägäis stammt nach Etrurien gelangte und dort sich verbreitete. Es kamen also keine Einwanderer, die dann eine "Oberschicht" bildeten, sondern es gelangte eine Mysterienreligion nach Etrurien und setzte sich bei den Etruskern durch. Und diese Mysterienreligion stammte aus der Ägäis und war vorgriechischem Ursprungs. Feo kam auf diese These aufgrund seiner langjährigen Forschungen über die Hohlwege der Etrusker.

Lemnos war nun keine Kolonie, keine Heimat eines mit den Etruskern verwandten Volkes, sondern ein zentraler Ort jener Mysterienkulte, zu denen sich die frühen Etrusker bekehrten und deshalb suchten sie diesen Ort (als Pilger, Priester usw) immer wieder auf. Diese Mysterienkulte hat es auf den Nord-Ägäischen Inseln tatsächlich gegeben, nur in Etrurien wiesen wird über gewisse Aspekte und Kulte der Etrusker leider nur sehr wenig.

Diese These einer Übernahme einer ägäischen Religion durch die Etrusker (durch etruskische Seeräuber) würde die ägäische Verbindung erklären, ohne dass dazu eine Einwanderung eines Volkes nach Italien notwendig ist.

Bekanntlich kam es in dieser Region nach dem Zusammenbruch der mykenischen Macht zu beträchtlichen politischen und demografischen Verschiebungen, die wir als Ägäische Wanderung bezeichnen. Im Verlauf dieser Ereignisse brach das Hethiterreich zusammen, wozu auch ein Bürgerkrieg und innenpolitische Probleme beigetragen haben. Griechenland, Kreta, Zypern und Vorderasien wurden von Migrationsströmen erfasst.

Wohl war, aber die Chronologie passt nicht: diese Migrationsströme waren längst versiegt, als die Etrusker als Volk entstanden. Zwischen dem Untergang des Hethiterreiches und der Ethnogenese der Etrusker klafft eine erhebliche Lücke.

wobei einige vermuten, dass diese die etruskische Führungsschicht gebildet haben könnten.

Warum eigentlich die Führungsschicht? Nur weil es oft genug voneinander abgeschrieben wurde, wird es nicht wahrer: wenn eine kleine Gruppe nach Etrurien in der späten Villanovazeit gelangt wäre, warum hätte diese Gruppe die Führungsschicht bilden sollen, bilden können?

Dazu hätten sie die bestehenden einheimischen und sehr kriegerischen Eliten verdrängen und besiegen müssen. Eine kleine Einwanderergruppe wäre dazu militärisch nicht in der Lage gewesen. Wie hätte sich eine kleine Einwanderergruppe gegen die Krieger der Villanovakultur durchsetzen sollen?

Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das Ergebnis der Genanalyse plausibler,

Diese Geneanalysen beziehen sich auf die Verwandschaften zwischen der heutigen italischen Bevölkerung und der heutigen kleinasiatischen Bevölkerung. Dazu ist noch zu bedenken, dass heute in Kleinasien ein großer Anteil der Menschen türkische Vorfahren hat. Und dass in Italien sich abgesehen von den Etruskern Indoeuropäer niederließen.

Diese Genanalsysen sind daher für die Frage der Abstammung der Etrusker fast wertlos.

denn in den repräsentativen Grabbauten ruhen vermutlich nur Vertreter der dünnen (orientalischen) Elite. Von der finden sich in der heutigen toskanischen Bevölkerung kaum noch Spuren.

Warst du überhaupt schon mal in Etruskischen Totenstädten? Und gerade die repräsentativen Grabbauten (insbesondere die im Tuffstein) waren zum größten Teil seit langer langer Zeit völlig leer.

Und wer sagt, dass von der Oberschicht der Etrusker heute keine Spuren mehr in der toskanischen Bevölkerung vorhanden sind? Woher diese Aussage? Die etruskische Oberschicht entwickelte sich aus dem Kriegeradel der Villanovakultur nachweislich fließend. Und es gab keine "Kasten" welche Oberschicht und das Volk in Etrurien klar getrennt hätten. Eine klare ethnische Trennung zwischen etruskischer Oberschicht und etruskischem Volk gab es so nicht.

Und dann beschließend noch zum kritischen Begriff: Orientalisch:

Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die orientalisieriende Phase in der Etruskischen Kultur erst einige Zeit nachdem es die Etrusker schon gab auftrat. Die frühen Etrusker zeigen keinerlei orientalische Kultureinflüsse. Absolut keine.

Ein wesentliches Argument: die Etrusker als Volk entstanden. Und zeigen keinerlei kulturelle Einflüsse aus Kleinasien. Diese treten erst einige Zeit später auf, da gab es die Etrusker als Volk schon.

Die Einwanderungsthese ist schlicht und einfach widerlegt.

Selbst die letzten Verfechter diese These raunen nun nur noch von einer kleinen Gruppe von Einwanderern. Und erklären nicht, wie sich diese jemals militärisch gegen die dort bereits siedelnden Etruskischen Eliten hätte durchsetzen können. Und erklärt nicht mal im Ansatz, warum dann die Verlagerung der frühen etruskischen Kultur nicht von der Küste ins Landesinnere erfolgte, sondern umgekehrt aus dem Landesinneren an die Küste.

Die Etrusker waren zweifelsohne autochthon. Es verbleibt noch die These von Feo, dass die frühen Etrusker eine Religion aus der Ägäis übernahmen. Aber auch diese These geht davon aus, dass es die Etrusker als Volk schon gab, und sie dann erst diese Mysterienkulte übernahmen.
 
Während die Griechen davon überzeugt waren, dass die Tyrrhener aus dem ägäischen Raum nach Italien eingewandert seien, vertrat Dionysios von Halikarnass, Historiker zur Zeit des Augustus, eine abweichende Meinung. Er glaubte, die Etrusker seien autochthon, also schon immer in Italien ansässig gewesen. Diese Meinung fand nicht nur in der römischen Kaiserzeit, sondern auch in der modernen Forschung die meisten Befürworter. Dafür spricht, dass sämtliche Zeiugnisse der Etrusker und alle materiellen Produkte aus Italien stammen.

Nicht in das Bild passt allerdings die ostgriechische Insel Lemnos mit ihrer dem Etruskischen verwandten Sprache. Die Seeräuberthese, nach der etruskische Piraten Lemnos besiedelten, kann nicht restlos überzeugen. Aus sprachgenetischen Gründen müsste eine solche Ansiedlung durch Etrusker zwischen dem 10. und dem 7. Jh. v. Chr, erfolgt sein, was sich chronologisch nicht mit der etruskischen Ethnogenese in Italien vereinbaren lässt. Zudem verwundert, dass die frühen Griechen nichts von einer solchen Ansiedlung wussten und überlieferten. Zudem fehlt in allen anderen Bereichen der lemnischen Kultur etruskischer Einfluss.

Als Beweis für eine ägäische Herkunft der Etrusker wird zuweilen die Fülle orientalischer Einflüsse in der etruskischen Kunst und Kultur genannt. Allerdings sind diese Einflüsse auf einen lebhaften geistigen und mateiriellen Austausch mit dem Osten zurückzuführen, der sowohl Etrurien als auch das Griechenland des 8. und 7. Jh. erfasste und eine orientalisch geprägte Kulturepoche hervorbrachte.

In der Kunst wird das u.a. als "orientalisierende Phase" bezeichnet. Dieser orientalische Einfluss erreichte Etrurien zu einer Zeit, die merklich später liegt als eine mögliche Einwanderung aus dem Osten. Ferner weisen solche kulturellen Kontakte nicht Richtung Kleinasien, sondern nach Zypern, der Levante und in geringerem Maße nach Mesopotamien und Ägypten. Zentrale Vermittler solcher Kulturkontakte werden neben den Griechen die Phönizier gewesen sein, mit denen die Etrusker Jahrhunderte eng verbündet waren.

Letztes Jahr war ich auf einem Kolloquium in Italien dazu, und die genetische Verwandschaft zwischen Süditalienern (Kalabrien und Apulien) und der Bevölkerung Kleinasiens ist noch größer! Und erklärt sich höchst einfach daraus, dass die Menschen in Kleinasien wie in Italien in der Abstammung her indoeuropäische Vorfahren haben, ebenso wie die Bewohner der heutigen Toskana auch.

Die indogermanischen Hethiter haben lediglich eine altkleinasiatische vorindogermanische Bevölkerung überschichtet. Und auch das nur teilweise, denn große Gebiete Kleinasiens blieben davon unberührt und unverändert Siedlungsgebiet einer autochthonen altmediterranen Bevölkerung. Dazu passt gut, was ich hierzu im Hinblick auf genetische Vorgänge bei Wikipedia las:

Neuere Genforschungen der Universität Turin liefern weitere Hinweise darauf, dass die Etrusker Siedler aus dem antiken Lydien gewesen sein könnten (Piazza et alii, 2007).[3] Nach Barbujani sollen die vergleichenden Untersuchungen des Erbgutes ergeben haben, dass ein Drittel der mitochondrialen Allele denen der anatolischen Bevölkerung entspreche und nicht der italischen. Weiterhin zeige die Untersuchung ein homogenes Kontinuum der Gene innerhalb der etruskischen Bevölkerung, sowohl in geografischer Verteilung als auch im zeitlichen Verlauf zwischen dem 7. und 2. Jahrhundert v. Chr.; dieses sei zudem einheitlicher als das der heutigen italienischen oder europäischen Bevölkerung, was bedeute, dass es sich bei den Etruskern – zumindest die soziale Oberschicht betreffend – nicht um ein Völkergemisch gehandelt habe.[1]

Der Geoarchäologe Eberhard Zangger vermutet als Ursache für die Einwanderung aus Kleinasien eine politische Krisensituation am Ende des 12. Jahrhunderts v. Chr., von der der gesamte östliche Mittelmeerraum betroffen war.[4] Zangger bringt diese Wanderungsbewegung in Zusammenhang mit dem Zusammenbruch mehrerer Reiche und Kulturen im östlichen Mittelmeerraum am Ende der Bronzezeit.

Etrusker ? Wikipedia

Diese Genanalysen würden erneut die Einwanderungshypothese stützen.

Wohl war, aber die Chronologie passt nicht: diese Migrationsströme waren längst versiegt, als die Etrusker als Volk entstanden. Zwischen dem Untergang des Hethiterreiches und der Ethnogenese der Etrusker klafft eine erhebliche Lücke.

Eine solche "Lücke" sehe ich nicht. Die Zeit von 1200-900 v. Chr. ist im östlichen Mittelmeerraum eine Zeit des Umbruchs. Was Kleinasien angeht, so folgten den Hethitern vom 12.-9. Jh. v. Chr. kriegerische Scharen, die von Europa und Thrakien aus einwanderten. Dort konsolidierte sich dann allmählich das Reich der Phryger. Es ist somit denkbar, dass Vorfahren der Etrusker um das Jahr 1000 oder 900 v. Chr. Kleinasien verließen und (u.a. über Lemnos) Italien erreichten. Dabei muss man duchaus nicht voraussetzen, dass sie sich lediglich an der Küste ansiedelten.

Damit wären diese kleinasiatischen Migranten Impulsgeber der etruskischen Kultur, die sich ab dem 8. Jh. v. Chr. entwickelt. Die Sprache der Etrusker wäre - folgt man diesem Gedankengang - ein altmediterranes nichtindogermanisches Idiom. Es gibt allerdings auch Hypothesen, die eine Verwandtschaft mit dem Luwischen vermuten, was dann eine Zugehörigkeit des Etruskischen zur indoeuropäischen Sprachfamilie bedeuten würde.

Ich denke, dass die Herkunftsfrage noch immer umstritten ist, auch wenn wohl die meisten Forscher der autochthonen Theorie folgen, wofür sie gute Gründe haben.
 
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Diese Genanalysen würden erneut die Einwanderungshypothese stützen.

Die bei Wikipedia zitierten Genanalysen stammen von 2007. Es sind genau die Analysen, die Barbujani (als Co-Autor) in der oben verlinkten und zitierten Veröffentlichung von 2013 offenbar kritisch sieht.

Aufschlussreich wäre der Vergleich von ancient DNA der Etrusker mit ancient DNA von Lemnos bzw. Kleinasien. Der Vergleich der DNA der heutigen Bevölkerungen sagt nichts aus über die Ethnogenese der Etrusker, da 2800 Jahre Bevölkerungsentwicklung dazwischen liegen und festgestellt wurde, dass die heutige toskanische Bevölkerung überwiegend nicht mit den Etruskern genetisch verwandt ist.
 
Die bei Wikipedia zitierten Genanalysen stammen von 2007. Es sind genau die Analysen, die Barbujani (als Co-Autor) in der oben verlinkten und zitierten Veröffentlichung von 2013 offenbar kritisch sieht.

Aufschlussreich wäre der Vergleich von ancient DNA der Etrusker mit ancient DNA von Lemnos bzw. Kleinasien. Der Vergleich der DNA der heutigen Bevölkerungen sagt nichts aus über die Ethnogenese der Etrusker, da 2800 Jahre Bevölkerungsentwicklung dazwischen liegen und festgestellt wurde, dass die heutige toskanische Bevölkerung überwiegend nicht mit den Etruskern genetisch verwandt ist.

Vermutlich bringen uns Genanalysen aus den von dir geschilderten Gründen bei der Herkunftsfrage der Etrusker nicht weiter. :grübel:
 
Warum die DNA-Tests angezweifelt werden, die eine angebliche Herkunft der Etrusker aus Kleinasien beweisen sollen, wird hier erläutert: bild der wissenschaft online - Heftarchiv

Hier eine ganz aktuelle Gen-Analyse, bei der sogar auf 2000 Jahre altes Erbgut zurückgegriffen wurde. Das Ergebnis ist das gleiche: die Etrusker stammen danach aus Italien. Etrusker kommen aus Italien, nicht aus Anatolien

Inwieweit das alles nun seriös und unumstritten ist, vermag ich überhaupt nicht zu beurteilen. :nono:
 
Aus dem Artikel: "Zwar habe es auch Migrationen aus Anatolien gegeben. Die dazugehörige DNA gehe jedoch auf Zeiten der Prähistorie zurück."

Aha. Also, äh.

Aufgrund der angenommenen Bevölkerungskontinuität wäre doch damit zumindest bewiesen: Einige Etrusker stammten aus Kleinasien. Entweder die Presse hat Blödsinn verzapft, als sie schrieben, dass die Etrusker nicht aus Kleinasien kommen, oder die Forscher brauchen Nachhilfe. Nun, ich tippe mal eher auf die Presse.

Selbst wenn man von der Übernahme von Kulten ausgeht, werden diese ja von Menschen vermittelt worden sein. Eine asiatische Abstammung mag zudem als vornehm gegolten haben. Und solche Stammbaumprobleme wurden doch häufig sehr "pragmatisch" gelöst. (z.B.: Franken und Troja, Julius und Aeneas) Da mögen aus wenigen viele Einwanderer geworden sein.
 
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Und solche Stammbaumprobleme wurden doch häufig sehr "pragmatisch" gelöst. (z.B.: Franken und Troja, Julius und Aeneas) Da mögen aus wenigen viele Einwanderer geworden sein.

Die Herkunft aus dem legendären Troja ist ein äußerst beliebter Topos!

Aus dem Artikel: "Zwar habe es auch Migrationen aus Anatolien gegeben. Die dazugehörige DNA gehe jedoch auf Zeiten der Prähistorie zurück."

Danach könnte es sich sogar um die DNA früher Ackerbauern handeln, die über Kleinasien nach Europa einwanderten. Das wäre dann allerdings etwa 6000 v. Chr. geschehen. Diese vorderasiatische DNA findet sich in Spuren in großen Teilen Europas.
 
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Aha, ich hatte erst den Eindruck, die beziehen sich auf die Villanova-Kultur. Wenn das allgemein gemeint war, ist es klarer.
 
Im Gegensatz zu dem von Sepiola verknüpften Artikel ist die etruskische Sprache in Italien in erheblichem Umfang durch andere italische, indoeuropäische Sprachen beeinflusst worden (was der Artikel gemäß seiner Zielsetzung verneint), insbesondere durch das Latinische und Umbrische.
Ich weiß nicht, was für eine "Zielsetzung" Du unterstellst.
Der Artikel setzt sich mit den lateinischen und umbrischen Einflüssen auseinander. Er diskutiert die einzelnen Belege und zitiert die Fachliteratur.

Du stellst nur Behauptungen auf.
Belege? Null.

Im weiteren ist die Übersetzung des Frauennamens in keiner Weise ein Lesefehler, sondern eine mögliche Interpretation.
Den Lesefehler hat sogar De Simone eingesehen.


Und es bleibt immer noch der lateinische Gens-Name
Welcher?
 
Verbleibt noch die dritte These, die Giovanni Feo vertritt, und die gerade in Deutschland fast keine Beachtung findet:

Dass nämlich nicht ein Volk nach Italien einwanderte, sondern dass eine Religion die aus der Ägäis stammt nach Etrurien gelangte und dort sich verbreitete. Es kamen also keine Einwanderer, die dann eine "Oberschicht" bildeten, sondern es gelangte eine Mysterienreligion nach Etrurien und setzte sich bei den Etruskern durch. Und diese Mysterienreligion stammte aus der Ägäis und war vorgriechischem Ursprungs. Feo kam auf diese These aufgrund seiner langjährigen Forschungen über die Hohlwege der Etrusker.

Lemnos war nun keine Kolonie, keine Heimat eines mit den Etruskern verwandten Volkes, sondern ein zentraler Ort jener Mysterienkulte, zu denen sich die frühen Etrusker bekehrten und deshalb suchten sie diesen Ort (als Pilger, Priester usw) immer wieder auf. Diese Mysterienkulte hat es auf den Nord-Ägäischen Inseln tatsächlich gegeben, nur in Etrurien wiesen wird über gewisse Aspekte und Kulte der Etrusker leider nur sehr wenig.

Diese These einer Übernahme einer ägäischen Religion durch die Etrusker (durch etruskische Seeräuber) würde die ägäische Verbindung erklären, ohne dass dazu eine Einwanderung eines Volkes nach Italien notwendig ist.
Diese These geht doch eigentlich am Kernproblem vorbei: der sprachlichen Verwandtschaft zwischen den Etruskern und den frühen Lemniern. Sie ist es doch - neben diversen Gentests, die offenbar jeder nach seinem Gusto zurechtbiegen kann -, die in erster Linie für eine Verbindung der Etrusker nach Ostägäis/Westkleinasien spricht.

Welche Relevanz es haben soll, ob die Etrusker ihre Religion aus Lemnos übernommen haben sollen, weiß ich nicht. Aber damit werden sie doch wohl kaum die Sprache der Lemnier mitübernommen haben - mal abgesehen davon, dass die beiden Sprachen offenbar nur verwandt, aber nicht ident sind.
 
Welche Relevanz es haben soll, ob die Etrusker ihre Religion aus Lemnos übernommen haben sollen, weiß ich nicht. Aber damit werden sie doch wohl kaum die Sprache der Lemnier mitübernommen haben - mal abgesehen davon, dass die beiden Sprachen offenbar nur verwandt, aber nicht ident sind.

Auf Lemnos gibt es keine Belege für einen zentralen Mysterienkult der Etrusker. Ferner ist bis heute ungeklärt, ob Lemnos von Etrurien aus besiedelt wurde oder im Zuge einer Westwanderung von Vorfahren der Etrusker. Auch könnte es sich bei der Bevölkerung, die die Schriftreste in lemnischer Sprache hinterließ (Grabstele und eine Reihe kurzer Inschriften in Graffiti), um einen Rest der autochthonen Bevölkerung handeln. Auf jeden Fall sind nennenswerte kulturelle Ströme von Lemnos nach Etrurien - oder umgekehrt - höchst unwahrscheinlich.
 
Im Nachtrag hierzu der Aufsatz des Wiener Sprachwissenschaftlers Heiner Eichner http://de.wikipedia.org/wiki/Heiner_Eichner, der sich mit der Entzifferung des Lemnischen anhand der bewussten Grabstele beschäftigt. http://www.jolr.ru/files/%2882%29jlr2012-7%289-32%29.pdf

Auf Seite 28 kommt der Verfasser zu der Hypothese, dass die Herkunft der lemnischen Sprache doch eher auf Altitalien als auf Altanatolien hinweist. Es hätte danach eine etruskische Besiedlung während der frühen Eisenzeit (9/8. Jh.) stattgefunden.

Eine solche Besiedlung einer ägäischen Insel durch Etrusker wäre ein Solitär, sodass ich nicht recht daran glauben kann. Vielmehr vermute ich, dass es sich um die Sprache einer vorgriechischen Bevölkerung handelt, die einstmals auch auf anderen Inseln und Landstrichen der Ägäis saß.
 
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