Gab es germanische Phalanxen?

Die Phalanx war ja nicht zuletzt ein Versuch, die Kriegsdauer zu verkürzen, um damit die Verheerungen die ein Krieg mit sich brachte zu begrenzen. Diese Begrenzung ergab sich aus der Notwendigkeit begrenzter Umweltressourcen und der in Griechenland schon damals einsetzenden Landnot. Diese Faktoren waren in Mitteleuropa so nicht gegeben und die Kampfweise der Phalanx damit dort auch sinnfrei.
Das könnte ein interessantes neues Diskussionsthema sein. Warum wurde die Phalanx-Taktik ersonnen? Auf Anhieb würde ich bezweifeln, dass es dafür "humanitäre" (Begrenzung von Verheerung) oder "ökologische" (Landnot) Gründe gab. Ich denke eher, dass ein gewisser "Organisationsgrad" der Gesellschaft Voraussetzung für die Phalanx-Taktik ist. Und ich denke, dass ein solcher gesellschaftlicher Organisationsgrad zwangsläufig zu militärischen Konzepten führt, die man unter dem Begriff "Phalanx" subsummieren kann. Wobei es sehr wohl möglich ist, dass Faktoren wie Knappheit von Grund und Boden und Risiko der Verheerung anlassgebend für die Entwicklung des "erforderlichen" Organisationsgrades gewesen sind. Dann stehen wir natürlich vor der altbekannten Frage, ob da zuerst die Henne, oder zuerst das Ei war... :still:


Dennoch sind gewisse militärische Einflüsse der Griechen in Mitteleuropa geraume Zeit vorhanden gewesen, insbesondere ab der Spätmykenischen Zeit bis hin zu der Zeit wo die Phalanx in Griechenland eingeführt wurde. Schon in der Hallstattzeit sind aber diese Einflüsse wieder fast völlig untergegangen.
Meinst Du griechische Einflüsse entlang der Mittelmeer-Küsten? Die gab es zweifellos, weil überall im Mittelmeerraum griechische "Pflanzstädte" gegründet wurden. Gibt es abseits dieser griechischen Sielungen noch andere Spuren, die griechischen Einfluss wahrscheinlich oder möglich erscheinen lassen?

MfG
 
Ich denke eher, dass ein gewisser "Organisationsgrad" der Gesellschaft Voraussetzung für die Phalanx-Taktik ist.
und ich hätte gedacht, dass innerhalb organisierterer Gesellschaften die professionellen Militärs nach Gesichtspunkten der maximalen Effizienz ihre Aufstellungen betreiben (z.B. eine Phalanx organisieren, statt eine Handvoll "Helden" allein loszuschicken (um es ganz platt auszudrücken))
 
und ich hätte gedacht, dass innerhalb organisierterer Gesellschaften die professionellen Militärs nach Gesichtspunkten der maximalen Effizienz ihre Aufstellungen betreiben (z.B. eine Phalanx organisieren, statt eine Handvoll "Helden" allein loszuschicken (um es ganz platt auszudrücken))
Ja, eben. Genauso "platt" wie Du das ausdrückst, ist es auch ;). Militärs sind da ganz pragmatisch-mechanistisch. Was sie tun können (mit ihren eigenen Leuten!), das tun sie auch. Was ihnen unmöglich erscheint, versuchen sie gar nicht erst. Eben das meinte ich: Es ging um Maximierung der Effizienz, nicht um Minimierung von Verheerungen. Deshalb gab es irgendwann die Phalanx. Die machte auch deshalb "Sinn", weil es Jahrzehnte dauert, einen kleinen Bauernjungen zu einem "Helden" auszubilden. Man braucht aber nur ein paar Wochen, um einen erwachsenen Bauern zu einem halbgebildeten Trottel "fortzubilden", der eingezwängt zwischen seinem linken und seinem rechten Kameraden in einer Phalanx die Lanze wagerecht halten kann... Quantität statt Qualität. Lieber zehntausend halbgebildete Lanzenträger als hundert "unüberwindliche Helden".

Und dabei gilt dann noch genau das, was Du genauso "platt" wie treffend schreibst:

...innerhalb organisierterer Gesellschaften...
Die Phalanx gab es nur "innerhalb organisierter Gesellschaften". Je geringer der Organisationsgrad einer Gesellschaft war, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit der Existenz von durchorganisierten militärischen Organisationen. Und Phalanx war hochorganisiert.

MfG
 
Die Phalanx gab es nur "innerhalb organisierter Gesellschaften". Je geringer der Organisationsgrad einer Gesellschaft war, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit der Existenz von durchorganisierten militärischen Organisationen. Und Phalanx war hochorganisiert.
womöglich kommt es auch auf die Art der Organisation an? die frühmittelalterlichen Heere mit ihren chaotischen Kriegszügen beschreibt Malte Prietzel (Krieg im Mittelalter) recht anschaulich, wobei die Teilnehmer (Krieger) einerseits teils nach persönlichen Bindungen geordnet waren (Sippenverbände etc), andererseits keine strategischen Ziele sondern nur Beutemachen kannten (also ohne starke Bindung an den Heerführer konnten solche Trupps schnell auseinanderlaufen) - aber wenn die sich mal einig waren, dann konnten die sehr effizient vorgehen --- organisiert genug waren die, aber die Organisation hatte andere gesellschaftliche Grundlagen als im antiken Griechenland. (ich frage mich, ob der sogenannte Schildwall weniger effizient als die Phalanx war)
 
womöglich kommt es auch auf die Art der Organisation an? die frühmittelalterlichen Heere mit ihren chaotischen Kriegszügen beschreibt Malte Prietzel (Krieg im Mittelalter) recht anschaulich, wobei die Teilnehmer (Krieger) einerseits teils nach persönlichen Bindungen geordnet waren (Sippenverbände etc), andererseits keine strategischen Ziele sondern nur Beutemachen kannten (also ohne starke Bindung an den Heerführer konnten solche Trupps schnell auseinanderlaufen) - aber wenn die sich mal einig waren, dann konnten die sehr effizient vorgehen --- organisiert genug waren die, aber die Organisation hatte andere gesellschaftliche Grundlagen als im antiken Griechenland. (ich frage mich, ob der sogenannte Schildwall weniger effizient als die Phalanx war)

Alles richtig. Die Frage nach der "Art der Organisation", nach ihrer Dauerhaftigkeit, nach ihrem Ziel etc. stellt sich aber erst, wenn es überhaupt Organisation gibt. Und ich bin der Meinung, dass es in den germanischen Gesellschaften keinen Organisationsgrad gab, der über persönliche Bekanntschaft hinausging. Das darf man jetzt nicht mit "Rückständigkeit" verwechseln! Es ist nur eine Gesellschaftsstruktur, in der ich keine "Mechanismen" erkennen kann, mit deren Hilfe man ganze Armeen hätte zusammenbinden können. Mir fällt einfach nichts ein, wie man auf militärischer Ebene Organisationsstrukturen hätte schaffen können, für die es in der zivilen Gesellschaft keine Entsprechungen gab.

Es kann natürlich sein, dass mir einfach die nötige Phantasie fehlt.

Die Frage nach der "Effizienz" des Schildwalls ist dann wieder eine ganz andere Dimension. Die hat nichts mit Organisationsgrad zu tun, sondern mehr was mit äußeren Umständen. Wir sind uns vermutlich einig, dass die römische Militärtaktik seinerzeit allen Konkurrenzmodellen klar überlegen war. Jedenfalls "statistisch" betrachtet. Das heißt nicht, dass römische Legeionen unter allen denkbaren Umständen allen denkbaren Gegnern überlegen gewesen wären. Vergleichen wir die griechische Phalanx mit der römischen Kohorten-Taktik (die eine "Ableitung" der Phalanx war!):

Würde so eine Konfrontation auf offenem, freiem Feld stattfinden, gäbe es nichts, was für einen Vorteil der römischen Taktik sprechen würde. Das Kohorten-Konzept ist nur deshalb "überlegen" und damit effizienter, weil es auch in einem Gelände funktioniert, das eben NICHT offen und frei von Hindernissen ist. Was will denn eine Phalanx tun, wenn die voranmarschiert und plötzlich mitten auf freiem Feld ein einziger dämlicher Baum im Weg rumsteht???? Römische Legionen, in denen einzelne Kohorten als eigenständige taktische Einheiten angesprochen und kommandiert werden konnten, waren in so einem Gelände weitaus flexibler.

Genauso gab es taktische Gegebenheiten, unter denen die blockweise aufgestellten Kohorten nicht mehr flexibel genug waren, um einen Gegner fassen zu können. Das war ja der Grund dafür, dass die Feldzüge in Germanien letztlich wirkungslos blieben. Das war der Schlüssel zu "Erfolg" des Arminius. Das war der Grund dafür, dass auf dem "Gefechtsfeld Germanien" irgendwann die Operationen in geschlossener Formation durch eine "aufgelöste" Kampfweise abgelöst wurden. In der Folge wurde das Gladius durch längere Schwerter ersetzt. Die Truppenaufgebote wurden kleiner, gleichzeitig aber beweglicher.

Welche Methode "effizienter" ist, hängt sehr von den taktischen Gegebenheiten ab. In den weiten, offenen Flächen im Mittelmeerraum war lange Zeit die Phalanx das Mittel der Wahl. In den Wäldern Germaniens hätte dieses Mittel kaum irgendwo "sinnvoll" eingesezt werden können.

MfG
 
Das war der Schlüssel zu "Erfolg" des Arminius. Das war der Grund dafür, dass auf dem "Gefechtsfeld Germanien" irgendwann die Operationen in geschlossener Formation durch eine "aufgelöste" Kampfweise abgelöst wurden. ...Die Truppenaufgebote wurden kleiner, gleichzeitig aber beweglicher.
Klingt recht allgemein. Kannst Du das an konkreten Fällen belegen?

Welche Methode "effizienter" ist, hängt sehr von den taktischen Gegebenheiten ab. In den weiten, offenen Flächen im Mittelmeerraum war lange Zeit die Phalanx das Mittel der Wahl. In den Wäldern Germaniens hätte dieses Mittel kaum irgendwo "sinnvoll" eingesezt werden können.
Wie verhält es sich dann genau mit der Flexibilität der taktischen römischen Strukturen und verwendeten Waffen im direkten (sozusagen "geographischen") Vergleich zwischen Germanien und den Kriegen im Osten? Unterschiede? Übereinstimmungen in welchen Zeiträumen?
 
Klingt recht allgemein. Kannst Du das an konkreten Fällen belegen?
Konkrete Fälle... Die lassen sich zum Beispiel in den Kriegen gegen die sich formierenden Franken finden. Gregor von Tours zitiert Berichte über einige Kämpfe, die Sulpicius Alexander niedergeschrieben hatte. Hier lässt sich schon erkennen, dass Schlachten keine Begegnungen von Großverbänden mehr waren. Oder zumindest nicht immer.

Beispiele sind aber eigentlich nicht erforderlich. Die von mir angesprochene Entwicklung ist auch an den Heeresreformen der späteren Kaiserzeit abzulesen. Gallienus stärkte ab Mitte des 3. Jahrhunderts die Reiterei und verkleinerte die schwere Infanterie. Unter Diokletian Anfang des 4. Jahrhunderts ging dieser Prozess weiter. Eine Legion bestand ab der Zeit nur noch aus rund 1000 Mann. Dafür gab es aber sehr viel mehr Legionen. 60 waren es glaube ich. Parallel dazu ist zu beobachten, dass ab dem 2. Jahrhundert in den Legionen verstärkt Schwerter vom Typ "Spatha" in Gebrauch kamen. Anfangs überwiegend bei Reitereinheiten (Hilfstruppen), später zunehmend auch bei der Infanterie. In spätrömischer Zeit lösten diese längeren Schwertformen das Gladius ab. Dies ist nur dadurch zu erklären, dass die Soldaten nicht mehr dichtgedrängt in engen Formationen kämpften, sondern größere Bewegungsfreiheit hatten, da lange Schwerter eher zum Schlagen als zum Stechen eingesetzt werden. Es ist also Platz zum Ausholen erforderlich.

Wie verhält es sich dann genau mit der Flexibilität der taktischen römischen Strukturen und verwendeten Waffen im direkten (sozusagen "geographischen") Vergleich zwischen Germanien und den Kriegen im Osten? Unterschiede? Übereinstimmungen in welchen Zeiträumen?
Ich bin nicht sicher, ob ich die Fragen richtig verstehe. Im Einsatz gegen die "griechische" Phalanx (oder ähnlich strukturierte Großverbände) erwiesen sich die Legionen als taktisch überlegen, weil die Phalanx zu unbeweglich war, um im Gefecht größere Schwenks oder Wendungen zu machen. Die Legionen hingegen konnten genauso dicht stehen, sie konnten aber gleichzeitig in Kohorten "zerlegt" und schneller umgruppiert werden.

Bei Kämpfen gegen Gegner, die noch nach der "Treffen-Taktik" vorgingen oder sich in Heerhaufen aufstellten, konnten die Legionen mit der Masse und Wucht der Phalanx vorgehen, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Wie überlegen diese Konzept war, zeigte sich auf allen Kriegsschauplätzen. Auch in Germanien, wo jeder Stamm mindestens einmal geschlagen wurde. Jedenfalls wenn das Gefecht auf offenem Gelände geführt wurde.

Trotzdem erwies sich die schwere Legionsinfanterie auf Kriegsschauplätzen wie Pannonien oder Germanien oder auch schon Gallien zu Caesars Zeiten oft als wenig geeignet. Caesar schildert an einer Stelle, wie seine Kohorten vergeblich versuchten, leichtbewaffnete Gallier, von denen sie bedrängt wurden, zum Kampf zu stellen. Stürmte eine der behäbigen Kohorten vor, liefen die Gallier weg. Marschierte die Kohorte anschließend zurück, wurde sie von hinten angegriffen. Deshalb sicherte sich schon Caesar die Unterstützung berittener germansischer Söldner.

Gerade in Germanien hatten die Legionen immer wieder das Problem, dass sie ihre Gegner in einem Gelände bekämpfen mussten, das für die schwere Infanterie kaum passierbar war. Gerade dort waren die Legionen deshalb auch auf ihre leichten Hilfstruppen angewiesen.

Beantwortet das Deine Fragen oder habe ich an Dir vorbeigeredet?

MfG
 
Projekt Generationes

Im Bezug darauf wie sich das römische Militär seit der Zeitenwende wandelte, verweise ich gerne auf das ambitionierte "Projekt Generationes" der "Legio VIII Augusta" und ihre Darstellung römischer Soldaten. Ihre gleichnamige Ausstellung fand ich ebenfalls sehr erhellend.
Einfach auf "Projekt Generationes" klicken und nachsehen.... Die "Asterix-Legionäre" gab es nur in einem sehr kurzen Zeitfenster.
In den Darstellungen und Begleittexten findet sich einiges von dem groben Abriss durch Maellon wieder. Das schlägt sich in der Ausrüstung nieder.

Legio VIII Augusta

An sich hatten diese Leute vor zum Thema auch ein Buch zu veröffentlichen...
 
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