Altpreußischer Drill – gestern und heute

... Während im Laufe der Zeit Kolonnentaktik, Plänkler, Schützengruppe, Stoßtrupp den gewohnten Drill immer überflüssiger machten, verselbständigte sich dieser zur "Kunst um der Kunst willen": Während die Franzosen (notgedrungen) Tirailleur- und Kolonnentaktik anwandten, hatten die Preußen, auf ihren Lorbeeren ruhend, Schrauben und Nieten ihrer Musketen gelockert, damit es beim Exerzieren spektakulärer klapperte und ihre Läufe kaputtpoliert. Während greise preußische Frontoffiziere über die feigen französischen Schweine fluchten, die sich weigerten, sich 30 m vor der so künstlerisch herbeimanövrierten preußischen Front zum Salvenaustausch aufzureihen, fegten die modern kämpfenden französischen Heere ihre zurückgebliebenen Gegner von den Schlachtfeldern bei Jena und Auerstädt.

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Das ist zwar völlig richtig, bei den Briten /Hannoveranern war es jedoch genau umgekehrt. Diese behielten die Lineartaktik und den dazugehörigen strengen Drill bei, mit sehr gutem Erfolg. Der Drill war erforderlich um eine schnelle Schussfolge im kritischen Moment zu entwickeln. De haben es sogar gelegentlich geschaft, Kavallerieattacken aus der Linie heraus abzuweisen, wie es auch die Preussen unter Friedrich taten. Und sie haben diese Aufstellung nicht nur selber erfolgreich angewendet sondern auch die von ihnen organisierten spanischen und portugiesischen Truppen in dieser art ausgebildet und gedrillt, während die selbständigen spanischen Truppen sich nach französischer Art formierten und sogar ausrüsteten.
 
Den militärischen Sinn von "Drill" hat @Neddy in zwei Beiträgen ausgezeichnet erörtert. Insbesondere die folgende Passage seiner Ausführungen würde ich hervorheben:.
Ich halte diese Aussagen für grundsätzlich falsch. Die Preußen hatten eine sehr gute und zahlenmäßig starke leichte Infanterie, die in den Revolutionskriegen und bei der Niederschlagung des Kosciuszko-Aufstands mit Erfolg eingesetzt wurde. Das preußische Offizierskorps hat die Erfolge und die Taktik der französischen Truppen vor 1806 intensiv diskutiert. Das Bild von völlig unfähigen Offizieren und Soldaten ist mittlerweile veraltet. Die preußischen Truppen haben trotz ihrer prinzipiell nicht unterlegenen Kampfweise verloren, auch wenn dies in Preußen der Schmach wegen schon immer gerne anders gesehen wurde.
 
der Sinn der "Formalausbildung" mag sich nicht jedem erschließen, genausowenig wie die Fähigkeit der Hannoveraner, Kavallerieattacken abzuwehren...
Nun, die kommen heute nicht mehr vor, aber auch der hochgerüstete Soldat mit Hirn muß fähig sein, seinen Nachbarn und den nächsten wahrzunehmen, auf den Vordermann zu achten und sich auf den Hintermann verlassen.
Wenn das nicht gegeben ist, hat jeder einzelne verloren. Weswegen die Hannoveraner dank des Drills wohl in der Lage waren, Bewegungen der Einheit ohne Kommando, aber Situationsbedingt, ausführen zu können, genau wie das heute in den auseinandergezogenen Schützenlinien der Fall sein muß. DAS ist der Sinn der Formalausbildung und des Absingens von Liedern, erzeugen von "Masse" mit Hirn
 
Ich halte diese Aussagen für grundsätzlich falsch. Die Preußen hatten eine sehr gute und zahlenmäßig starke leichte Infanterie, die in den Revolutionskriegen und bei der Niederschlagung des Kosciuszko-Aufstands mit Erfolg eingesetzt wurde. Das preußische Offizierskorps hat die Erfolge und die Taktik der französischen Truppen vor 1806 intensiv diskutiert. Das Bild von völlig unfähigen Offizieren und Soldaten ist mittlerweile veraltet. Die preußischen Truppen haben trotz ihrer prinzipiell nicht unterlegenen Kampfweise verloren, auch wenn dies in Preußen der Schmach wegen schon immer gerne anders gesehen wurde.
Nichtsdestoweniger wurden die Preußen im Krieg von 1806/07 in jedem größeren Treffen geschlagen. Die Franzosen aggressiver, mobiler, flexibler und weniger schlecht geführt, als sie die hilflosen Preußen aufrollten.

Ich habe übrigens nirgends von "völlig unfähigen [...] Soldaten" geschrieben. "unbefähigt" würde ich hier aber tatsächlich mittragen: Die Truppe hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut gekämpft. Dennoch bestreite ich, dass sie gegenüber den Franzosen die relative Qualität hatte, die sie während der ersten Hälfte des Siebenjährigen Kriegs besass. Und sie war miserabel ausgebildet, miserabel ausgerüstet, miserabel motiviert, miserabel geführt.

Es bringt der besten Truppe aber nichts, wenn sie schlecht geführt wird (und das wurde sie: senile Kommandeure, überhebliche Stabsoffiziere und überalterte Subalterne). Und sie kämpft auch nicht erfolgreicher, wenn neue taktische Konzepte von ihren Offizieren bloß diskutiert werden. Mit Ausnahme einzelner Denkschriften oder Versuche war das gesamte preußische Kriegswesen nach dem Siebenjährigen Krieg stehengeblieben oder hatte sogar Rückschritte gemacht. Das Offizierskorps war überaltert, und mit ihnen ihre taktischen Konzepte. Die krachenden Niederlagen von Jena und Auerstedt waren in erster Linie das Resultat eklatanten Führungsversagens. All diese Symptome von Orthodoxismus gingen Hand in Hand auf dem Weg in das Debakel. Die Verteidigung von Kolberg ist allenfalls eine der wenigen Ausnahmen von der Regel.

Ich erlaube mir, an dieser Stelle Gneisenau zitieren zu lassen:
„Die Unfähigkeit des Herzogs von Braunschweig, einen soliden Feldzugsplan zu entwerfen, die seinem Alter so gewöhnliche Unentschlossenheit, sein Feldherrnunglück, das Mißtrauen der Armee in ihn, die Uneinigkeit der Koryphäen des Generalstabes [z. B. Massenbach], die Neutralisierung einiger der fähigsten Mitglieder desselben [z. B. Scharnhorst], unsere des Krieges entwohnte Armee, der beinahe in allen Zweigen sichtbare Mangel an Vorbereitung zu demselben, die in den bisherigen Friedensjahren zur Tagesordnung gewordene Beschäftigung mit nichtswürdigen Kleinigkeiten der Elementartaktik, unser Rekrutierungswesen mit allen seinen Exemtionen, das nur einen Teil der Nation zu den Waffen verpflichtete, dessen Dienstzeit über die Gebühr verlängerte, der folglich mit Widerwillen diente und nur noch durch Disziplin zusammengehalten wurde; unser Populationssystem, das dem Soldaten erlaubte, sich mit einer Familie zu belasten, deren Ernährung, wenn ihn der Krieg von seinem Herd abrief, meist der Wohltätigkeit des Publikums überlassen blieb und deren Schicksal oft dem bekümmerten Vater das Ende des Krieges wünschenswert machte; das Beurlaubungswesen, das den darauf mit seinen Einkünften angewiesenen Kompaniechef verleitete, den noch wenig disziplinierten Rekruten in die Heimat zu entlassen; die schlechte Verfassung unserer Regimentsartillerie, die niemals der zahlreichen reitenden Artillerie der Franzosen sich entgegenstellen konnte; die schlechte Beschaffenheit unserer Waffen; die Untauglichkeit der meisten unserer Generale; und, um alles zu umfassen, unser Eigendünkel, der uns nicht mit der Zeit fortschreiten ließ, pressen dem Patrioten stille Seufzer aus.“
Quelle:Schlacht bei Jena und Auerstedt ? Wikipedia

Das MGFA schien das zumindest bis 2010 ähnlich zu sehen:
Reform, Reorganisation, Transformation: zum Wandel in deutschen ... - Google Books
Beispiele:
S. 9: "[...] im Folgejahr [1806] war sie [die frz. Armee] das altpreußische Heer nicht nur nieder, sondern zertrümmerte es."

Besonders lesenswert sind hier die S. 15-17. Stichworte aus der Passage: überkommenes Militär- und Staatssystem, Mentalität und Habitus der Heere des Ancien Regime, logistische und rüstungstechnische Unzulänglichkeiten, absurde Folgen der Kompaniewirtschaft, unzureichendes Personal, Offiziere waren in den Kleinigkeiten des Dienstes gefangen, Werbung von "Ausländern" = Negativauslese, schlechte Personalauswahl und Ausbildung, menschenunwürdige Behandlung, selektiv wahrgenommene Wehrpflicht, Zuwenig an kriegerischer Gesinnung, militärtechnisches und gesellschaftliches Versagen, Reform der militärischen Spitzen- und Truppengliederung, der Taktik und Truppenführung, ein neues Konzept von Ausbildung und Allgemeinbildung der Soldaten, Reform des 'inneren Gefüges': Personalauswahl, Menschenführung, Kriegsartikel; Re-Professionalisierung der Armee; Ausbildung, Einsatz, Habitus sowie letztlich die geforderte Mentalit widersprachen dem Alten...

Und all das wurde bereits im Nachgang zum Siebenjährigen Krieg angelegt. Schon im Bayerischen Erbfolgekrieg war die preußische Armee ebenso schlaff aufgetreten wie während des Ersten Koalitionskrieges. Zu den Konsequenzen von Fritzens Beförderungsprinzip siehe u. a. hier:

"Er möchte nur wissen, dass die Armée mir gehöret": Friedrich II. und seine ... - Rolf Straubel - Google Books S. 10: "[...] gab es im Offizierskorps unübersehbare Anzeichen von Lethargie und Verkrustung, war somit das Gegenteil dess eingetreten, was der König [mit seiner Beförderungspraxis] angestrebt hatte."

Zuletzt eine nicht wirklich hochwissenschaftliche Seite, die aber, wie ich finde, mit einer ganz guten Zusammenfassung aufwartet:

Quelle: Jena und Auerstedt
Äußerlich bot die preußische Armee auf ihren Paraden noch immer ein glanzvolles Bild, und ihre schweren Mängel blieben der Öffentlichkeit des In- und Auslandes verborgen. Einzelne sachkundige Beobachter innerhalb und außerhalb der Armee hatten sie aber genau erfaßt. Die Armee bestand zu einem reichlichen Drittel aus »ausländischen« Söldnern (die zumeist aus deutschen Territorien stammten), zu zwei Drittel aus kantonspflichtigen Inländern, worunter sich ein hoher Prozentsatz Polen befand. Dienstbetrieb, Strategie und Taktik waren ganz von dem Bestreben geprägt, die Soldaten an der Fahnenflucht zu hindern. Trotz aller Vorkehrungen desertierten jedoch allein von Oktober 1805 bis Februar 1806 9558 Soldaten. Nur mit Hilfe der Prügel- und anderer barbarischen Strafen konnte die Disziplin aufrechterhalten werden. Im Feld blieben die Bewegungen der Armee langsam und schwerfällig, da sie darauf angewiesen war, Verpflegung, Zelte usw. in einem riesigen Troß mitzuführen. Auch die Lineartaktik mußte notgedrungen für den weitaus größten Teil der Infanterie beibehalten werden. Ansätze zur Einführung zeitgemäßer Kampfformen gab es bei der leichten Infanterie — den 24 Füsilierbataillonen und insbesondere dem von Ludwig von Yorck befehligten Feldjägerregiment.
Bei der preußischen Infanterie gab es keine Einzelausbildung, sondern eine Art Massendressur. Mit großem Zeitaufwand —und viel Prügeln — wurden die Soldaten regelrecht dazu abgerichtet, taktmäßig wie Automaten zu laden und zu schießen und komplizierte taktische Bewegungen auszuführen. Das Jägerregiment — das von vielen Gamaschenknöpfen scheel angesehen wurde — fiel jedoch völlig aus dem Rahmen. Bei seiner Ausbildung wurde das Schwergewicht nicht auf das Exerzieren gelegt, sondern auf das Scheibenschießen, das sogenannte zerstreute Gefecht und die Geländeausnutzung.
Über das Offizierskorps der preußischen Armee von 1806 sagte der preußische General und Militärhistoriker Eduard von Höpfner später: »Die obere Leitung der Militärangelegenheiten war völlig ohne Geist. Die Führer waren des Krieges entwöhnt, in ihren Ansichten veraltet; die älteren Offiziere bis zu den Hauptleuten hinab mit wenigen Ausnahmen alt und gebrechlich.« Von den 281 Majoren der Infanterie waren 196 älter als 50 Jahre. Über das Vorwärtskommen entschieden in der Regel nicht Fähigkeiten und Verdienste, sondern das Dienstalter war ausschlaggebend. Der Anteil bürgerlicher Offiziere lag unter 10 Prozent. Die höchsten Kommandostellen blieben zumeist Prinzen und Fürsten vorbehalten.
Ich bleibe dabei: Die preußische Armee von 1806 war ein verknöcherter Papiertiger auf tönernen Füssen.
 
All diese Symptome von Orthodoxismus gingen Hand in Hand auf dem Weg in das Debakel.

Ich bleibe dabei: Die preußische Armee von 1806 war ein verknöcherter Papiertiger auf tönernen Füssen.

Ist wohl eine völlig zutreffende und m.E. auch faire Beschreibung, Der Mythos von Leuthen erzwang eine taktisch-operative Handlungsweise, die antiquiert war. In Kombination mit einem Herr, das nicht mehr der Armee einer mobilisierten Nation (FR) gewachsen war. So oder so ähnlich lauten m.E. die generellen Erklärungen für die überraschend schnelle Niederlagen der Preußen.

Und macht auch deutlich, unter welchem starkem Druck sich die preußischen Reformer befunden haben, eine Armee neu aufzubauen, die den Erfordernissen der neuen Massenheere Rechnung trug.
 
Das preußische Kriegswesen ist sicherlich nicht mit dem Siebenjährigen Krieg stehengeblieben. Für das militärische Denken Friedrichs II. waren die Schlachten nach Leuthen deutlich wichtiger. In seinen Denkschriften befasst er sich vielmehr mit der gestiegenen Bedeutung der Artillerie, die in den späteren Schlachten zum massiven Problem wurde.

Nach 1786 kam es in der preußischen Armee zu größeren Reformen. Leider ist der Zeitraum 1786-1806 nicht sonderlich gut erforscht. Die meisten Militärgeschichtler zieht es zu Friedrich II. oder den Befreiungskriegen. Da gute Literatur zu den militärischen Entwicklungen in Preußen 1786-1806 schlechter zugänglich ist, entsteht der Eindruck eines Entwicklungsstillstands zwischen Siebenjährigem Krieg und 1806. Schaut man sich das Inhaltsverzeichnis des verlinkten Sammelbands an, kann man erkennen das sich keiner der Autoren im Kern mit dem genannten Zeitraum beschäftigt hat. Liest man dann auf S. 15 die Fußnoten kann man erfahren das die "ältere, oft grobschlächtige Vorstellung, dass die Preußische Armee von 1806 in jeder Hinsicht innovationsunfähig gewesen sei" von der jüngeren Forschung klar relativiert werde.

Die Erklärung für die Niederlage ist nicht allein in Ausbildung, Personalstamm und Taktik der Preußen zu suchen. Die eben genannte jüngere Forschung hebt besonders die preußischen Leistungen im Bereich leichte Infanterie hervor. Die Darstellung auf "preussenweb" ist ein perfektes Beispiel für die "ältere, oft grobschlächtige Vorstellung" des Jahres 1806. Scharnhorst kann man im übrigen nicht als neutrale Quelle zu den Defiziten der preußischen Armee lesen. Seine Positionen fanden Gegner, die einen anderen (sanfteren) Weg der Modernisierung des preußischen Heeres einschlagen wollten und sind daher in manchen Punkten überspitzt. Zusätzlich waren den preußischen Reformern Denkfehler eigen. Man überschätzte sehr häufig den Zulauf von Freiwilligen zur Armee (sowohl 1809 als auch 1813).

Für ein besseres Verständnis der vergleichsweise unpopulären preußischen Sattelzeit 1786-1806 braucht es noch viel Forschungsarbeit. Der Feldzug von 1807 hat sich bisher als gutes Untersuchungsfeld für eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit der preußischen Armee erwiesen, da hier die preußischen Reformen noch nicht anschlugen und trotzdem Preußisch-Eylau für Napoleon zu einem Pyrrhos-Sieg wurde. Auf die russische und die preußische Armee trafen viele von Scharnhorsts Kritikpunkten (vorallem soziale) zu.
 
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Lese ich das, kann das mit dem altpreußischen Drill soweit nicht her gewesen sein

An diesem Punkt liegt ein Mißverständnis vor. Drill ist nicht gleich militärische Effektivität. Auf disen Aspekt haben viele in diesem Thread hingewiesen. Die Ineffektivität der preußischen Armee speiste sich aus einer Reihe von Verkrustungen, trotz der seit "Valmy" einsetzenden Reorganisation der preußischen Armee. Und die preußischen Kommandeure, die die Franzosen bei Valmy bekämpft haben (v. Braunschweig etc.) waren auch gegen einen Waffengang von Preußen gegen Napoleon (vgl. beispielsweise Gates)

Das preußische Kriegswesen ist sicherlich nicht mit dem Siebenjährigen Krieg stehengeblieben.

Insgesamt verfügte die preußische Armee im Jahr 1806 über eine durchaus hohe Reputation, die Clausewitz allerdings eher als "Schein" klassifizierte. (vgl. Gates, Kapitel 4. From Jena to Tilsit).

Dennoch, sowohl Chandler, Esdale und auch Gates beschreiben die preußische Armee als im bestenfalls "konservativ" bzw. verkrustet. Gleichzeitig stand mit der Grande Armee von 1806 Preußen wohl die beste französische Armee gegenüber, die Napoleon jemals befehligen konnte, so Chandler (Kapitel 39). Insofern waren die Voraussetzungen für die Preußen besonders problematisch, gegen Napoleon zu gewinnen.

Zur Zeit der doppelten Niederlage der preußischen Armeen befand sich die preußische Armee in einer Übergangsphase. Zumindest in Bezug auf die Organisationsform der Armee. So beschreibt Esdale (S. 261) diese Reorganisation ab 1805, angelehnt an das französische System der Divisionen, als grundsätzlich richtig, aber in der Umsetzung als zu schwerfällig und nicht vollständig umgesetzt.

Insgsamt zu wenige leichte Truppen, wobei das Linearsystem der Preußen, mit dem später Wellington die französische Armee bei Waterloo besigte, als durchaus noch zeitgemäß anzusehen war (Gates, S. 261). Dieses System erklärt nicht alleine die preußischen Niederlagen.

Zudem wurde die "Schiefe Schlachtordnung" der Standard für die operative Ausrichtungdes preußischen Heeres und verhinderte so über die schematische Interpretation von operativen Ideen die Anpassung an den Gegner und an das Gelände. Ganz zu schweigen von der individuellen Entwicklung von eigenen kreativen Vorstellungen zum Gewinnen von Schlachten.

Von Chandler wird die preußische Armee als "museum piece" beschrieben, da: The Tradition of ferocious discipline had produced an army of automatons or "walking muskets"." Und an diesem Punkt wird die Veränderung der Schlachtfeldrealität besonders deutlich. Gegenüber einem flexiblen agieren der napoleonischen Truppen

Zwei weitere Schwächen des preußiichen System betrafen zum einen das Nichtvorhandensein eines einheitlichen Generalstabs. Das "Oberkriegskollegium" war zudem mit Personen besetzt, die die friderizianisch dachten und handelten und teilweise starke persönlich Antipahien hegten. In diesem Sinne faßt Chandler die Situation auf der Kommandoebene zusammen: "The gravest weakness of the Prussian army lay neither in the men nor their weapons, but in the leadership."

Ein extrem wichtiger Punkt der das Spannungsverhältnis von Drill und Staatsbürgerlicher Haltung beschreibt, ist zudem zu erwähnen. Durch Drill wird die Bereitschaft zum Gehorsam erzwungen, aber kein flächendeckender Patriotismus. Und an diesem Punkt wird Drill zum "Gefängnis" für die Initiative und vor allem die Moral der preußischen Truppen. Und erklärt auch, warum die preußischen Reformer nciht nur das Militär verändern wollten, sondern die Beziehung von Gesellschaft und Militär.

Auf das Problem des System der Depots sei zudem hingewiesen. Beispielsweis marschierten die französischen Garden in ca. einer Woche ungefähr 550 km, um sich dem prueßischen Schlachtfeld zu nähern. Eine Leistung, die für preußische Truppen nicht zu denken war. Nicht weil sie es nicht gekonnt hätten, sondern weil sie ihr Logistiksystem daran hinderte.


The Campaigns of Napoleon - David G. Chandler - Google Books

Napoleon's Wars: An International History, 1803-1815 - Charles Esdaile - Google Books

The Napoleonic Wars 1803-1815 - David Gates - Google Books
 
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n icht, das der Drill in den 1-2 Monaten des Jahres nicht hart gewesen wäre, aber wenn ein Großteil der Truppen nach der "Grundausbildung" z.T. 11 Monate abwesend ist, kann nicht zwingend von einem stehenden Heer gesprochen werden. Und 1-2 Monate Drill verpuffen während des Rest des Jahres.
Selbst gewillte Soldaten brauchen eine Woche "Drill", um z.B. wieder eine Geschützmannschaft zu werden. Und ein Geschütz von 1970 unterscheidet sich in der Bedienung nicht sonderlich von einer Feldschlange ...
 
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Dennoch, sowohl Chandler, Esdale und auch Gates beschreiben die preußische Armee als im bestenfalls "konservativ" bzw. verkrustet. Gleichzeitig stand mit der Grande Armee von 1806 Preußen wohl die beste französische Armee gegenüber, die Napoleon jemals befehligen konnte, so Chandler (Kapitel 39). Insofern waren die Voraussetzungen für die Preußen besonders problematisch, gegen Napoleon zu gewinnen.

Ein wichtiger Punkt. Vor allem der Ruf der ihnen vorauseilte, bedeutete eine gewichtige moralische Komponente


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Insgsamt zu wenige leichte Truppen, wobei das Linearsystem der Preußen, mit dem später Wellington die französische Armee bei Waterloo besiegte, als durchaus noch zeitgemäß anzusehen war (Gates, S. 261). Dieses System erklärt nicht alleine die preußischen Niederlagen.

Richtig
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Von Chandler wird die preußische Armee als "museum piece" beschrieben, da: The Tradition of ferocious discipline had produced an army of automatons or "walking muskets"." Und an diesem Punkt wird die Veränderung der Schlachtfeldrealität besonders deutlich. Gegenüber einem flexiblen agieren der napoleonischen Truppen

Das halte ich für einen anachronistischen Unsinn, bei dem man auch noch Nationale Vorurteile nachträglich hineininterpretiert. Auch zu Napoleons Zeiten galt Disziplin als die höchste militärische Tugend bei den Linientruppen und es gibt zahlreiche Berichte die voll des Lobes sind für Einheiten die Stundenlang im feindlichen Artilleriefeuer harren und sich erst dann bewegen, wenn sie dazu Befehl bekommen, sei es das Tolstoi-Regiment bei Borodino, die britischen Garden bei Albuera oder die jungen Hannoverschen Regimenter bei Waterloo.

Und was die Eigeninitiative bei den "leichten" Truppen betrifft, war die schon zu Friedrichs Zeiten bei den preussischen Husaren und Freitruppen auch nicht geringer als in anderen Armeen. "Ziethen aus dem Busch" als bestes Beispiel.

Zwei weitere Schwächen des preußiichen System betrafen zum einen das Nichtvorhandensein eines einheitlichen Generalstabs. Das "Oberkriegskollegium" war zudem mit Personen besetzt, die die friderizianisch dachten und handelten und teilweise starke persönlich Antipahien hegten. In diesem Sinne faßt Chandler die Situation auf der Kommandoebene zusammen: "The gravest weakness of the Prussian army lay neither in the men nor their weapons, but in the leadership."

Ein extrem wichtiger Punkt der das Spannungsverhältnis von Drill und Staatsbürgerlicher Haltung beschreibt, ist zudem zu erwähnen. Durch Drill wird die Bereitschaft zum Gehorsam erzwungen, aber kein flächendeckender Patriotismus. Und an diesem Punkt wird Drill zum "Gefängnis" für die Initiative und vor allem die Moral der preußischen Truppen. Und erklärt auch, warum die preußischen Reformer nciht nur das Militär verändern wollten, sondern die Beziehung von Gesellschaft und Militär.

Hier sprichst Du zwei wichtige Punkte an, die bisher noch gar nicht erwähnt wurden. Die Gründe für die rasche preussische Niederlage 1806/1807 lag nicht in der schlechteren Bewaffnung der Preussen -denn in diesem Feld hatte es seit 1786 kaum Änderungen gegeben- noch in der Taktik, -mit der Andere recht gut fuhren- noch im Drill, der ebenfalls bei anderen sehr hart und intensiv war, sondern in der moralischen Komponente, die auch dazu führte dass die meisten preussischen Festungen kampflos übergeben wurden, und die vermutlich dafür verantwortliche miserable Führung: In der Schlacht von Jena hatten die Preussen sogar eine Chance, die jedoch vertan wurde, weil der König es mit der Angst zu tun bekam und offensive Handlungen untersagte. Kein Wunder das bei einem so verzagten Anführer die Truppen auch keine große Lust zum kämpfen verspürten. Es ist schon ein deutlicher Unterschied zum Alten Fritz, der wohl der letzte europäische Herrscher gewesen sein dürfte, der seinen Truppen mit der Fahne in der Hand vorausstürmte.
 
n icht, das der Drill in den 1-2 Monaten des Jahres nicht hart gewesen wäre, aber wenn ein Großteil der Truppen nach der "Grundausbildung" z.T. 11 Monate abwesend ist, kann nicht zwingend von einem stehenden Heer gesprochen werden. Und 1-2 Monate Drill verpuffen während des Rest des Jahres.
Selbst gewillte Soldaten brauchen eine Woche "Drill", um z.B. wieder eine Geschützmannschaft zu werden. Und ein Geschütz von 1970 unterscheidet sich in der Bedienung nicht sonderlich von einer Feldschlange ...

Die lange Abwesenheit großer Teile vom "stehenden Heer" war Teil des Krümpersystem ? Wikipedia , um die Begrenzung des preußischen Heeres auf 42.000 Mann nach dem Frieden von Tilsit (1807) zu unterwandern.
"Während der grundlegenden Ausbildung gehörte immer nur ein Teil dieser Soldaten der regulären Truppe an und wurde auf die Heeresgröße angerechnet. Nach kurzer Zeit wurde dieses Personal durch neue Reservisten ausgetauscht und ins Zivilleben entlassen. Als Zivilisten übten die Reservisten weiter."
(Preußische Heeresreform ? Wikipedia)

Das Krümpersystem war aber nur ein Teil der Heeresreform von Gneisenau und Scharnhorst. Neben Veränderungen im Offizierskorps (Abschaffung des Senioritätsprinzips -> Aufstieg nun nach Fähigkeiten, nicht mehr nach Alter) versuchte man das Prinzip der französischen Revolutionsarmeen Levée en masse (Massenaushebungen) mit preußischen Armeetraditionen zu verbinden.

Die Notwendigkeit von Heeresreformen ergab sich aus den katastrophalen Niederlagen im 4. Koalitionskrieg. Da man große "Volksheere" nicht mehr mit der "Angst vor dem Unteroffizier" motivieren konnte, wurde auf Patriotismus und Abschaffung (bzw. Eindämmung) von entwürdigenden und brutalen Strafen gesetzt (Spießrutenlauf wurde schon 1806 ad acta gelegt) - u.U. könnte man darin die Parole des "Bürgers in Uniform" wiedererkennen (dem Soldatenkönig wäre wahrscheinlich allein bei dem Gedanken von Bürgern in Uniform die Perücke an die Decke geflogen).
In diesen Reformen, wenn auch nicht alles umgesetzt wurde, kann man einen Bruch mit dem frederizianischen Drill erkennen. Eine Kontinuität vom Soldatenkönig (nicht Kaiser!) Friedrich Wilhelm I. bis zur Bundeswehr unserer Tage halte ich daher für konstruiert.

Hier noch ein (älterer) Artikel der ZEIT, in dem die preußische Heeresreform 1807/08 mit der Ausrichtung der neugegründeten Bundeswehr in den 50er Jahren verglichen wird.
Preußens Heeresreform: Kein Zurück in eine ?heile Epoche? | DIE ZEIT Archiv | Ausgabe 24/1973
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag: Als Beispiel für den "Drill(i.S.v. milit. Übung) im Zivilen" außerhalb des "stehenden Heeres" können Schützenvereine herhalten - viele Vereine wurden in der napoleonischen Ära gegründet, bereits bestehende hatten großen Zulauf. Das Scheibenschießen eines einzelnen kommt einem Drill in der Tirailleur-Taktik gleich, wohingegen Exerzieren mehrere/vieler Soldaten eher für die Lineartaktik sinnvoll ist.
 
Ich denke in diese Disskussion sollte auch unbedingt der preußische Pietismus mit einbezogen werden. Dieser hat einen sicher nicht unwichtigen Einfluss auf den Preußischen Drill, da dort auch gewisse Ansätze wie Ordnung und Sauberkeit gepredigt wurden. Es sollte die evangelische Kirche wieder zu ihren Wurzeln führen, "back to the roots" sozusagen. Außerdem agierten in Preußen zahlreiche Vertreter des Pietismus, z.b. wurde Spener von Preußen bereitwillig aufgenommen. Da der Pietismus als Religion eine besondere Stellung im Leben eines Soldaten hatte, sollte das auch diskutiert werden.
 
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