Technologische Entwicklung im mittelalterlichen Europa.

...
Eine Möglichkeit wäre die Simulation durch Kettenmodelle gewesen.
Einer meiner Profs in "Technischer Mechanik" meinte man habe eben das bei gemacht.
Dass man also ein kopfüber stehendes Modell aus Ketten gebaut habe und die sich einstellenden Geometrien verwendet habe.
(Eine Kette kann Zugspannungen aufnehmen, kollabiert aber unter Druckspannung. Es ist hier das Gegenteil des Baustoffs Stein gegeben der nur Druckspannung aufnimmt, ... und deshalb stellt man das Ganze kopfüber.)

Gaudi soll dieses für die Sagrada Familia und für die Kirche im Parque Güell gemacht haben. Von letzterer gibt es eine rekonstruktion des Modells.
 

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Na, das Kettengewölbe als "analoges Rechenmodell" funktioniert jedenfalls hervorragend und ist den Bauformen nach dem Baumeister bekannt gewesen
 
Bdaian,

das von Dir verlinkte Bild zeigt das Grundprinzip sehr gut!
Ob das schon im fraglichen Zeitraum angewendet wurde, wäre interessant zu wissen.
Ich würde vermuten es war so.
(Mehr als eine Vermutung ist es leider nicht.)
 
Das Kettengewölbe würde ich auch eher mit Gaudi als mit dem Mittelalter in Verbindung bringen.

Das Kettengewölbe oder "Catenaria" ist m.W. zwar in der Renaissance wissenschaftlich untersucht und von Huygens, Leibniz und Bernouill berechnet worden, war aber schon lange vorher bekannt. Es gibt auch mittelalterliche Brücken mit Kettenbögen (z.B. anliegend Puente la Reina, erbaut im 11. Jahrhundert über den Arga in Navarra).

Die Formen aus den Bauwerken Gaudis sind eine Mischung aus gotischen Kreuzgewölben und Spitzbögen und Kettenbögen aus dem Jugendstil (Modernisme). Die (rekonstruierten) Modelle sind, wie man sehen kann, aus Seilen mit Gewichten, die Form die sich ergibt, ist etwas anders als eine reine Kettenlinie.
 

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Bdaian,

das von Dir verlinkte Bild zeigt das Grundprinzip sehr gut!
Ob das schon im fraglichen Zeitraum angewendet wurde, wäre interessant zu wissen.
Ich würde vermuten es war so.
(Mehr als eine Vermutung ist es leider nicht.)

M.W, gibt es keinen Beweis dafür. Es sind zwar einige wenige Bauzeichnungen und ein paar Modelle aus Holz aus dieser Zeit erhalten, jedoch kein Hinweis auf ein solches Modell aus Seilen oder Ketten.

Das sollte jedoch auch nicht verwundern da dieses vermutlich ein strenges Berufsgeheimnis der Baumeister gewesen sein wird. Da die Formen sich jedoch mit diesen Modellen eindeutig rekonstruieren lassen und sonst keine Berechnungsmöglichkeiten bekannt sind, ist stark davon auszugehen, dass man so vorging.
 
Das Behängen der Ketten- oder Seilkonstruktionen mit Gewichten ist eine Verfeinerung der praktischen Simulation.
Die mathematische Kettenlinie dagegen ist eine komplizierte und exakte Beschreibung einer nicht gegebenen Idealisierung der Bauten.

Geht man von einer möglicherweise vorher (im MA) durchgeführten praktischen Simulation aus, so stellt sich die Frage, inwiefern man die realen Verhältnisse auf ein maßstäblich kleineres Modell übertragen konnte.
Denn daraus ergeben sich ja erhebliche Verzerrungen.
 
Das Kettengewölbe oder "Catenaria" ist m.W. zwar in der Renaissance wissenschaftlich untersucht und von Huygens, Leibniz und Bernouill berechnet worden, war aber schon lange vorher bekannt. Es gibt auch mittelalterliche Brücken mit Kettenbögen (z.B. anliegend Puente la Reina, erbaut im 11. Jahrhundert über den Arga in Navarra).
Dann war es auch in der Antike bekannt. Die Römerbrücke bei Aspendos ,in der heutigen Türkei.
Eurymedonbrücke (Aspendos) ? Wikipedia
 
M.W, gibt es keinen Beweis dafür. Es sind zwar einige wenige Bauzeichnungen und ein paar Modelle aus Holz aus dieser Zeit erhalten, jedoch kein Hinweis auf ein solches Modell aus Seilen oder Ketten.

Das sollte jedoch auch nicht verwundern da dieses vermutlich ein strenges Berufsgeheimnis der Baumeister gewesen sein wird. Da die Formen sich jedoch mit diesen Modellen eindeutig rekonstruieren lassen und sonst keine Berechnungsmöglichkeiten bekannt sind, ist stark davon auszugehen, dass man so vorging.

Bdaian,

es wär aber auch denkbar, dass das andere Zeug einfach zusammengeklappt ist, und deshalb nur das erhalten blieb, was wir heute so bewundern.
:)
Es wäre auch denkbar, dass es eine Leistung einer sich herausbildenden Intuition war.
Sicher ist nur, dass Gebäude, die den Naturgesetzen nicht entsprachen, einstürzten.
(Und naheliegend ist es anzunehmen, dass ein Rückblick nicht ohne Färbung durch den eigenen Zeitgeist vorgenommen wird.)
 
Dann war es auch in der Antike bekannt. Die Römerbrücke bei Aspendos ,in der heutigen Türkei.
Eurymedonbrücke (Aspendos) ? Wikipedia

Offensichtlich. Und während bei einem Rundbogen die tasächliche Parabel innerhalb des Materials verläuft und von der ideellen Form deutlich abweicht, also eine eher statisch etwas ungünstigere Form darstellt, ist ein Spitzbogen eigentlich eine Kettenlinie mit einer zusätzlichen Punktlast in der Mitte, und dabei eine recht große Annäherung zwischen der statisch günstigsten und der tatsächlichen Form.
 

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Worin das Mittelalter nicht wieder an den antiken Stand heranreichte waren die Trinkwasserversorgung, der Straßen-und der Brückenbau sowie die Größe und das Fassungsvermögen von Schiffe und Heizungsanlagen. Auch das Wissen um die Betonherstellung blieb verloren.
jein
die Trinkwasserversorgung wurde dort, wo die nötigen finanziellen Mittel vorhanden waren, teilweise mittels römischer Aquaedukte und deren Nachbauten, häufiger mit der "Wasserkunst" reguliert.
Brückenbau scheint man gekonnt zu haben: im dt. Museum München ist ein Modell einer mittelalterlichen Brückenbaustelle zu besichtigen und erläutert.
Heizungsanlagen: erstaunlicherweise gibt es ein mittelalterliches hypocaustum um Refektorium des Klosters Bebenhausen, ebenso soll es ein Hypocaustum auf der Wartburg geben.
Straßenbau und Schiffe: keine Ahnung.
Opus Cementum scheint im Ma. nicht verwendet worden zu sein.
Auch die berühmten aufwändigen Thermen gab es nicht mehr.
 
@Bdaian, in Spanien gibt es auch eine antike, römische Brücke, in dieser Form. Die könnte der mittelalterlichen Pate gestanden haben. http://www.fotoviajero.com/image/248-cangas-de-onis-principado-de-asturias_big.jpg

Hallo Galeotto: Das ist die Brücke von Cangas de Onis. Die wird im Volksmund zwar als "puente romano" bezeichnet, ist tatsächlich jedoch mittelalterlich, eventuell auf einem antiken Vorgängerbau errichtet.

Aber die Form war eindeutig bekannt, wie man an der Eurymedonbrücke erkennen kann.
 
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Auch die berühmten aufwändigen Thermen gab es nicht mehr.
Nein, im Mittelalter kuschelte man sich lieber ,mit mehreren Leuten in einen Holzzuber=) Die Araber und die Osmanen hatten allerdings anspruchsvollere Badehäuser als die Europäer.
Auch Kanalisationen, wie sie in der Antike schon vorhanden waren, sind bis in die Neuzeit ein Fremdwort. Im Mittelalter bevorzugte man die Windspülung bei Toiletten und ließ die Hinterlassenschaften einfach in die Natur plumpsen. An Hygiene hatte die Antike schon gewaltig die Nase vorn.
 
An Hygiene hatte die Antike schon gewaltig die Nase vorn.
gewiß -- aber ebenso gewiß ist, dass zu keiner Zeit in der Antike alle römischen Bürger ihre Notdurft mit Wasserspülung beseitigen konnten (schätzungsweise entleerten sich maximal 20% der Bevölkerung so, wie es im berühmten antiken Klo in Sumelocenna (ein herrliches Museum übrigens!) machbar war) :rofl:
 
gewiß -- aber ebenso gewiß ist, dass zu keiner Zeit in der Antike alle römischen Bürger ihre Notdurft mit Wasserspülung beseitigen konnten (schätzungsweise entleerten sich maximal 20% der Bevölkerung so, wie es im berühmten antiken Klo in Sumelocenna (ein herrliches Museum übrigens!) machbar war) :rofl:
Nutzen konnten es alle. Im öffentlichen Raum gab es ausreichend große Latrinenanlagen. In den Insula-Wohnungen gab es in den Etagen weder fließend Wasser noch WC oder Fußbodenheizung und natürlich kraxelten die Römer nachts nicht aus der sechsten Etage nach unten um ein wassergespültes Örtchen zu verwenden. Da musste auch der Nachttopf herhalten und es gibt genügend antike Autoren, die sich über die nächtlichen Geschosse beschwerten, wenn die Leute ihre Nachtgeschirre, einfach aus den Fenstern entleerten. Aber im Gegensatz zum Mittelalter gab es eine, für alle Nutzbare Infrastruktur, auch wenn sie nicht alle aufsuchten.
 
Nutzen konnten es alle. Im öffentlichen Raum gab es ausreichend große Latrinenanlagen. (...)
Die meisten uns bekannten stammen aus dem 1. bis 4. Jahrhundert. Es erstaunt aber, dass anscheinend die Bedürfnisse der gesellschaftlichen Gruppierungen den Bau der Latrinen bestimmten und nicht der Bedarf der Volksmassen. So wurde der Bau von Latrinen meist privat finanziert, denn die Römer investierten nur Geld in Hygiene, wenn es einen messbaren Nutzen gab. Deswegen gibt es auch keine Latrinen in großen öffentlichen Gebäuden wie in den Amphitheatern und Kaiserforen; ja selbst im Kolosseum nicht! Die gesellschaftlichen Schichten teilten sich auch beim Gang auf die Toilette. Der Plebs pinkelte in die Kanalisation oder an die nächste Häuserecke. Inschriften aus Pompeji lassen vermuten, dass besorgte Hausbewohner die Passanten ermunterten, doch bitte an das Nachbarhaus zu urinieren
Hygiene im Römischen Reich ? Wikipedia
Zum Schluss sei erwähnt, dass die Römer mit ihrer Technik der Latrinen und Abwasserführung ein hygienisches Niveau erreichten, welches – abgesehen von mittelalterlichen Klöstern – in Europa erst wieder im 16. Jahrhundert mit der Einführung des wassergespülten Klosetts in England erreicht wurde.
 
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Heute pinkeln auch noch Leute an Häuserecken obwohl wir fast alle ein WC besitzen. Die Römer konnten aber auch die, von den Walkern aufgestellten Gefäße benutzen. Die Latrinen von Ephesos waren, wenn ich mich recht entsinne, gleich neben einem öffentlichen Gebäude und unweit vom Theater gelegen. http://static.panoramio.com/photos/large/63900623.jpg

Auch bei staatlichen Institutionen waren für die Bediensteten Toiletten vorhanden wie hier in der Kaserne der römischen Feuerwehr. http://ehlers-hh.de/rom/image/ostia/ostia3.jpg
Das findet man in keiner mittelalterlichen Burg, nicht einmal in einem Palast.
http://ehlers-hh.de/rom/image/ostia/ostia3.jpg
 
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Heute pinkeln auch noch Leute an Häuserecken obwohl wir fast alle ein WC besitzen. Die Römer konnten aber auch die, von den Walkern aufgestellten Gefäße benutzen. Die Latrinen von Ephesos waren, wenn ich mich recht entsinne, gleich neben einem öffentlichen Gebäude und unweit vom Theater gelegen. http://static.panoramio.com/photos/large/63900623.jpg

Auch bei staatlichen Institutionen waren für die Bediensteten Toiletten vorhanden wie hier in der Kaserne der römischen Feuerwehr. http://ehlers-hh.de/rom/image/ostia/ostia3.jpg
Habe ich das richtig verstanden, die Walker stellten Gefäße auf, um den Wertstoff Urin einzusammeln. Urin ? Wikipedia



Das findet man in keiner mittelalterlichen Burg, nicht einmal in einem Palast.
Urin, Harnstoff ist neben seinen mehr städtischen Anwendungen als Reinigungs-, Walkmittel, in erster Linie ein hervorragender Dünger. Im frühen Mittelalter landete der Inhalt des Nachttopfes wahrscheinlich gleich auf dem Misthaufen, denn es gab nur wenige Haushalte, die nicht mit der Landwirtschaft verbunden waren. Die mittelalterlichen Burgen hatten doch meist dieses balkonartige Kämmerchen in der Mauer, wo die Hinterlassenschaften im Burggraben landeten.

Durch die letzten Beiträge interessiert mich allgemein, wie generell in städtischen Kulturen der wertvolle Harnstoff sowie menschliche Fäkalien in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt wurden bzw. ob sie irgendwo ungenutzt als Abwasser abgeleitet wurden.
Z.B. landeten die Latrineninhalte Roms alle im Tiber?

OT Möchte den Thread nicht kapern, lohnt dafür ein eigenes Thema (Wirtschaftsgeschichte) oder gibt es das schon?
 
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Habe ich das richtig verstanden, die Walker stellten Gefäße auf, um den Wertstoff Urin einzusammeln.
Das war ein Grund dafür, dass kein Vermieter gern eine Walkerwerkstatt in seiner Insula haben wollte. Die Wohnungen darüber waren, wegen des unanständigen Geruches nur schwer zu vermieten. Auch der Handwerker selbst, der den ganzen Tag in den Urintrögen, mit den Beinen herumstampfte, dürfte den scharfen Duft nie wieder losgeworden sein. Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, anrüchiger Job.
Vermutlich war der strenge Geruch, einer frischgewaschenen Toga auch ein Grund dafür, dass vornehme Römer eine Vorliebe für Duftwässerchen hatten.
Über einer Senatsversammlung ,in der die Herren in blütenweißen Togen zusammensaßen, dürfte immer ein gewisser Pissoirduft in der Luft gelegen haben.
 
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