Friedrich II., der Große... mal wieder

Rebellution

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Ich weiß, dass es kaum ein Thema, welches so ausgelutscht und totgeforscht ist, wie den alten Fritzen gibt (höchstens Adi). Aber genau darauf bezieht sich mein Thema; wäre Friedrichs Stellenwert im Gedächtnis der Nation so hoch gewesen, wenn Preußen sich nicht im 19. Jhdt nach und nach als die führende, deutsche Kraft etabliert hätte und infolge dessen nicht dieser enorme "Friedrich-Push" gekommen wäre, wie er sich in den bekanntesten Friedrich-Portraits, unendlichen Publikationen von der Zeit 1850 an bis letztendlich heute und unzähligen Filmen zu seiner Person niederschlägt?
Gerade unter den Hohenzollern im deutschen Reich wurde Friedrich ja ziemlich stilisiert und idealisiert, das zieht sich praktisch durch bis in die Weimarer Zeit, wo es (u.a.) einige Briefmarkenmotive mit ihm drauf gab, bis hin zum III. Reich, schließlich hatte Hitler ihn sogar (als Bild) in seinem Dienstzimmer in der Neuen Reichskanzlei hängen. Praktisch wird erst seit ca. 30 Jahren an seinem Idealbild gekratzt, man stellt ihn zunehmend wegen der Draufgängeraktion Schlesien -> siebenjähriger Krieg infrage und erwägt sogar, ob er nicht eventuell homosexuelle Neigungen hatte.
Aber lange Rede, gar kein Sinn;
War Friedrich so bedeutsam, wie man jahrhundertelang tat, oder ist er eine durch Herrschaft seiner Verwandten hochgehobene Person?
 
Mach dir doch mal den "Spaß" und vergleiche Friedrich mit dem Sonnenkönig. Der gilt ja als bedeutend.
 
... wäre Friedrichs Stellenwert im Gedächtnis der Nation so hoch gewesen, wenn Preußen sich nicht im 19. Jhdt nach und nach als die führende, deutsche Kraft etabliert hätte und infolge dessen nicht dieser enorme "Friedrich-Push" gekommen wäre, wie er sich in den bekanntesten Friedrich-Portraits, unendlichen Publikationen von der Zeit 1850 an bis letztendlich heute und unzähligen Filmen zu seiner Person niederschlägt?
Hätte, hätte Fahrradkette ... ein Antwort ist wohl nicht zu geben, da die Verklärung, Legendenbildung, Wertschätzung, wie auch immer, längst vor der Dominanz Preußens und der Reichsgründung begann, wie sich z.B. in der Bewunderung des großen Korsen zeigte. Wir wissen also nicht, wie eine andere Entwicklung gewirkt hätte.
War Friedrich so bedeutsam, wie man jahrhundertelang tat, oder ist er eine durch Herrschaft seiner Verwandten hochgehobene Person?
Realpolitisch betrachtet bleibt immer, dass er Preußen in den Kreis der Großmächte Europas geführt hat.

Grüße
excideuil
 
Hätte, hätte Fahrradkette ... ein Antwort ist wohl nicht zu geben, da die Verklärung, Legendenbildung, Wertschätzung, wie auch immer, längst vor der Dominanz Preußens und der Reichsgründung begann, wie sich z.B. in der Bewunderung des großen Korsen zeigte. Wir wissen also nicht, wie eine andere Entwicklung gewirkt hätte.

Realpolitisch betrachtet bleibt immer, dass er Preußen in den Kreis der Großmächte Europas geführt hat.

Grüße
excideuil

Welchen Stellenwert haben den bspw. Maria Theria oder Joseph II. in Österreich?
 
Maria Theresia insofern einen hohen, als sie so ziemlich die einzige österreichische Herrschergestalt vor Franz Joseph I. ist, die so ziemlich jedem Österreicher ein Begriff sein dürfte. Damit ist dann aber auch schon ziemlich Schluss mit dem Geschichtswissen; die meisten meinen, sie sei "Kaiserin von Österreich" oder so ähnlich gewesen. Bekannt ist auch noch eine Anekdote, wonach ihr der kleine Wolferl (Mozart) nach einem Konzert ein Bussi gegeben habe ... Gesehen wird sie als korpulente Landesmutter und "große" Österreicherin, aber eigentlich wird mit ihr im breiten Bewusstsein nicht viel verbunden, also was sie gemacht habe und warum sie bedeutend sei. Von etwas besser Informierten wird sie gerne irrigerweise für eine aufgeklärte Monarchin gehalten (und insofern positiv gesehen), und dass unter ihr die Folter abgeschafft wurde, ist auch noch bekannt.

Joseph II. hat eigentlich keinen großen Stellenwert. Wenn, dann gilt er halbwegs Geschichtsinformierten mit Hang zu Österreichkritik am ehesten als (an österreichischer Spießbürgerlichkeit und katholischem Konservatismus) gescheiterter Aufklärer.
 
War Friedrich so bedeutsam, wie man jahrhundertelang tat, oder ist er eine durch Herrschaft seiner Verwandten hochgehobene Person?

Jemand ist immer nur so bedeutsam, wie jemand anders ihn macht. Zu jedem Großen (Prominentem...) in irgendwas lassen sich m. E. drei finden, die genau jenes ähnlich gut oder besser konnten oder taten.

Auch variiert der Blick auf Menschen und deren Lebensleistung einmal von dem Standpunkt, den man gerade hat und dem Zweck, unter dem die Betrachtung steht.

Dass der olle Fritze gerade den militärisch minderbemittelten Folgeregimen gut als Gallionsfigur diente, dürfte nahe liegen: "Qualität schlägt Quantität", "Allein gegen eine Welt von Feinden und durch zähes Durchhalten am Ende obsiegend" und ähnlicher Sch...wachsinn lassen sich mit seinem "Sieg" im Siebenjährigen Krieg doch gut illustrieren.

Selbstverständlich hatte er zu Lebzeiten schon Auswirkungen auf die damals politisch noch gar nicht vorhandenen "Deutsch" (Protestanten!). Andererseits war er m. E. einer der letzten Totengräber des HRR, ehe Napoleon diesem den Gnadenstoß gegeben hat. Ist natürlich eitle Spekulation, ob das HRR es ohne Fritzens Wirken länger gemacht hätte (vielleicht wären die Preußen dann nicht so hochnäsig in die Niederlage gezogen...)

Du müsstest Dich also der Mühe unterziehen, welche Leistungen/Errungenschaften er für Preußen gebracht hat und welche Nachteile Preußen aus seinem Handeln erwuchsen. Dann vergleichste dat miteinander, und dann haste gerade mal seine politische Bedeutung für Preußen betrachtet. Das selbe kannst du dann für "Deutschland" oder Mitteleuropa machen. Das ganze jeweils kurz-, mittel-, langfristig und für alle Horizonte dazwischen. Und dann kannst du Bedeutung auch aus Sicht von Partikluarinteressen sehen, z. B. aus militärhistorischer Sicht, oder aus musikalischer Sicher oder aus Sicht auf den aufgeklärten Absolutismus; Realpolitik: Kriegstreiber versus raffinierter Außenpolitiker, Kriegsverbrecher, Kartoffelbauer, Sümpfetrockenleger etc. pp.

Warum nun allerdings die Spekulation/Forschungsrichtung, ob er "homosexuelle Neigungen" hatte, "an seinem Idealbild kratzen sollte", erschließt sich mir insofern nicht recht, als mir nicht bekannt wäre, dass Fritze von irgendjemandem in irgendeiner Weise als von besonderer heterosexueller Bedeutung dargestellt worden wäre. (Dafür war in Fritzens Personaltableau der Seydlitz zuständig.:winke:)
 
Mach dir doch mal den "Spaß" und vergleiche Friedrich mit dem Sonnenkönig. Der gilt ja als bedeutend.

Das tun ja etliche Geschichtslehrer a la "Aufgeklärter Absolutismus vs L´etat ce mois. Dabei wird oft übersehen, dass die beiden ganz verschiedenen Epochen angehörten. Louis Urenkel und Nachfolger war nicht ganz 2 Jahre älter als F. II.

Der aufgeklärte Absolutismus habe in Deutschland oder besser in den deutschen Ländern die Notwendigkeit einer Revolution verhindert.

Ob der Souverän aber Voltaire las, Flöte spielte und sich als "erster Diener des Staates" sah, machte für die Untertanen keine oder wenige Unterschiede und die Reformen des aufgeklärten Absolutismus waren ohnehin dürftig, ob in Preußen oder Österreich. Man wird sich fragen dürfen, ob der aufgeklärte Absolutismus nicht überfällige Reformen blockiert hat und eine Tradition der Reform von oben schuf. Ein selbstbewusstes Bürgertum konnte in Preußen kaum gedeihen, in Armee und Verwaltung konnte der Adel seine Macht ausdehnen, und das Bürgertum kopierte ihn.

Traf wieder preußisches Militär, hat sich nicht viel verändert. Noch immer das hölzern pedantische Volk, noch immer ein rechter Winkel, und im Gesicht der eingefrorene Dünkel.
Sie stolzieren noch immer herum, so kerzengerade geschniegelt,
als hätten sie verschluckt den Stock, mit dem man sie einst geprügelt.

Das trauliche Du wird an das alte "er" erinnern. Der lange Schnurrbart ist eigentlich nur des Zopftums neueste Phase,
der Zopf, der ehemals hinten hing, er hängt jetzt unter der Nase."

So erinnerte sich Heinrich Heine in Deutschland- ein Wintermärchen an preußisches Militär, und das Militär als Schule der Nation wurde kaum in Frage gestellt.

Die Provinzen, die Fritz um der Gloire willen eroberte, sind längst verloren, Preußen ist von der Landkarte verschwunden und von den Reformen hat nur die Kartoffel Furore gemacht, die in Preußen per Zwang eingeführt wurde
 
Natürlich hat das 19. Jh. (die vielen Illustrationen des exzellenten Künstlers Menzel beispielsweise) und auch die erste Hälfte des 20. Jh. (die Propagandafilme) viel zu unserem Friedrichbild beigetragen. Andererseits war Friedrich II. schon in seiner Zeit Ziel einer erstaunlichen Verehrung. Es gab Lieder, wie die Spottlieder auf die Reichsarmee oder auch die Franzosen, Gemälde u. vieles mehr. Zeitnah entstanden bereits beispielsweise die Gemälde Rodes: Bernhard Rode ? Wikipedia Auch Chodowiecki und andere (aber vor allem der enorm erfolgreiche Stecher C.) haben bereits im 18.Jh. deutschlandweit die Rolle Friedrichs als Schlachtenlenker und Staatsmann verbreitet. Schon damals spaltete er die Gemüter. Und dennoch war es so, dass über die Grenzen Preußens hinaus viele Verehrer Friedrichs existierten. Während des Siebenjährigen Krieges kam es in ein paar Reichsstädten zu Auseinandersetzungen zwischen Pro-Friedrich-Anhängern und Gegnern. Aber auch Potentaten selber schätzen überaus Friedrich II. - Carl Theodor von der Pfalz oder sogar die sächsische Regentin Maria Antonia oder auch Kaiser Joseph II..

Ein Vergleich mit Louis XIV wird schwierig. In seiner Zeit und bis weit ins 18.Jh. genoss Louis XIV als Förderer der Künste nicht zuletzt durch Voltaires Arbeit über ihn einen bedeutenden Ruf. In seiner Zeit, v.a. auf dem Zenit seiner Macht im 17.Jh., vermochte er eine ganze Maschinerie der Verehrung seiner Person in Gang zu halten. Heute scheint mir seine Bedeutung für Frankreich in Frankreich selber auch noch in einem tiefen Bewusstsein. Hier muss man ja aufpassen, wenn man vergleicht, dass man Friedrich II. nicht allzusehr aus deutscher Sicht betrachtet.

Für den Verlauf der deutschen Geschichte war sein Handeln gewiss überaus relevant. Auf europäischer Ebene prägte aber Louis XIV sein Frankreich mindestens ebenso wie Friedrich II. auf die Entwicklung Deutschlands einwirkte.
Allerdings haben die Franzosen am Ausgang des 18.Jh. mit dem Auftreten Bonapartes eine weitere bedeutende Figur. Vielleicht wäre unser Bild von Louis XIV ein anderes, wenn nicht Napoléon in noch tiefgreifenderer Art über eineinhalb Jahrzehnte die Landkarte Europas verändert hätte.
 
War Friedrich so bedeutsam, wie man jahrhundertelang tat, oder ist er eine durch Herrschaft seiner Verwandten hochgehobene Person?

Bezogen auf den militærischen Aspekt Friedrichs gibt es doch den typisch knappen, aber eben treffenden Ausspruch Napoleons: "Wenn dieser Mann noch lebte, stuenden wir jetzt nicht hier."

Es gibt keinen Grund an diesem respektvollen Urteil eines Mannes zu zweifeln, der seinerseits zu den Grossen des Militærs gezæhlt wird.
Der hat Friedrichs Feldzuege studiert, ganz sicher!

Gruss, muheijo
 
War Friedrich so bedeutsam, wie man jahrhundertelang tat, oder ist er eine durch Herrschaft seiner Verwandten hochgehobene Person?

Die Bedeutung Friedrichs II. in der Geschichtsschreibung hängt vor allem an zwei Punkten: Zum einen stieg unter ihm Preußen zur europäischen Großmacht auf, neben Österreich, England, Russland un Frankreich, wofür die Historiker das grässliche Wort "Pentarchie" prägten.

Zum anderen bleibt Friedrich II. als erster aufgeklärter Monarch Europas im historischen Gedächtnis, der hinsichtlich der verschiedenen Glaubensrichtungen und Religionen in Preußen Toleranz übte und in seinem "Politischen Testament" folgende erstaunliche Sätze über seine fürstlichen Kollegen äußerte:

"Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe für das Glück der Völker zu wirken. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind und denken nur an das liebe Ich ... Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Range erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volks mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates!" (nach: Geschichte in Quellen, Bd. 3, München 1976, S. 605 ff.)

Allein deswegen gebührt dem "Alten Fritz" ein Ehrenplatz in der Galerie europäischer Monarchen.
 
Bezogen auf den militærischen Aspekt Friedrichs gibt es doch den typisch knappen, aber eben treffenden Ausspruch Napoleons: "Wenn dieser Mann noch lebte, stuenden wir jetzt nicht hier."
Kann auch eine Fehleinschätzung Napoleons sein. Er hatte aber immerhin genauso wie Friedrich II. für sich, dass er Feldherr und Herrscher bzw. Konsul in einer Person war. Außerdem darf man die Rolle Roßbachs für die französische Wahrnehmung Friedrich II. vielleicht nicht übersehen.
 
Zum anderen bleibt Friedrich II. als erster aufgeklärter Monarch Europas im historischen Gedächtnis, der hinsichtlich der verschiedenen Glaubensrichtungen und Religionen in Preußen Toleranz übte und in seinem "Politischen Testament" folgende erstaunliche Sätze über seine fürstlichen Kollegen äußerte:

"Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe für das Glück der Völker zu wirken. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind und denken nur an das liebe Ich ... Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Range erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volks mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates!" (nach: Geschichte in Quellen, Bd. 3, München 1976, S. 605 ff.)

Allein deswegen gebührt dem "Alten Fritz" ein Ehrenplatz in der Galerie europäischer Monarchen.
"Politische Testamente", Memoiren, für die Veröffentlichung gedachte Briefwechsel etc. sind aber immer mit allergrößter Vorsicht zu genießen, da sie sich als Quelle über den Verfasser, vor allem über seine hehren und edlen Ab- und Ansichten, denkbar schlecht eignen. Da versucht doch jeder, sich ins beste Licht zu rücken und sich als auf- und abgeklärter Visionär zu präsentieren, der seinen Zeitgenossen weit voraus war/ist.

Wenn Friedrich "Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit" anderer Fürsten tadelte, drängt sich doch die Frage auf, was für ein Volk bzw. das "Glück der Völker" wohl er- und zuträglicher ist: Ein Fürst, der faul in seinem Schloss sitzt und rauschende Feste feiert, oder einer, der zwar den "ersten Diener des Staates" gibt, aber mit seinem Volk (bzw. vor allem seinen zwangsrekrutierten Truppen) (im Grunde genommen überflüssige) Kriege führt und sein Land damit finanziell, wirtschaftlich und im Extremfall auch demographisch zerrüttet. Die erste polnische Teilung wiederum diente auch nicht gerade dem "Glück der Völker", vor allem nicht dem des polnischen.

Das jetzt bitte nicht falsch verstehen: Ich will Friedrich II. nicht schlecht machen. Schlechter als die Masse diverser Monarchen, die sich emsig für das "Wohl" ihres Volkes betätigt haben, egal ob sie sich selbst gerne als "Landesvater", "erster Diener", "erster Bürger" oder was auch immer gesehen haben, war er nicht. Nur sollte man halt zwischen Anspruch (bzw. Selbstdarstellung) und Wirklichkeit unterscheiden, und bei ihm klafften sie doch recht weit auseinander.
 
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Wenn Friedrich "Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit" anderer Fürsten tadelte, drängt sich doch die Frage auf, was für ein Volk bzw. das "Glück der Völker" wohl er- und zuträglicher ist: Ein Fürst, der faul in seinem Schloss sitzt und rauschende Feste feiert, oder einer, der zwar den "ersten Diener des Staates" gibt, aber mit seinem Volk (bzw. vor allem seinen zwangsrekrutierten Truppen) (im Grunde genommen überflüssige) Kriege führt und sein Land damit finanziell, wirtschaftlich und im Extremfall auch demographisch zerrüttet. ...

Nur doof, wenn der faule, Feste feiernde Fürst zudem auch noch Kriege führt!
Hat Friedrich mehr Kriege geführt (angefangen) als andere Regenten in Europa? :grübel:
 
Nur doof, wenn der faule, Feste feiernde Fürst zudem auch noch Kriege führt!
Hat Friedrich mehr Kriege geführt (angefangen) als andere Regenten in Europa?
Im Reich?
Fällt mir keiner ein.

In Europa? Hm, wahrscheinlich Louis XV. Bei den Briten ist das Kriegsführen eher Sache des Unterhauses.

Friedrich II. war am Österr. Erbfolgekrieg beteiligt 1740-42 und 1744-45. Er war in Europa der Auslöser des Siebenjährigen Krieges, 1756-1763, und beteiligte sich am Bayerischen Erbfolgekrieg (1778). Das macht 12 bzw. 13 Kriegsjahre bei einer Regierungszeit von immerhin 46 Jahren.

Sein Vater, Friedrich Wilhelm I., brach garkeinen Krieg vom Zaun, beteiligte sich aber geschickt an einem der beiden, die er führte. Von 27 Regierungsjahren befand er sich 12 im Krieg, also kaum weniger als sein Sohn.

Maria Theresia war m.E. für keinen ihrer Kriege verantwortlich. Im Ö. Erbfolgekrieg war sie die Angegriffene, im Siebenjährigen war sie letztlich durch die Reichsverfassung zu einer Hilfeleistung für das überfallene Sachsen verpflichtet (gemäß Landfriedensordnung von 1495). Ihre Rolle bzw. Verantwortung im Bayerischen Erbfolgekrieg wäre zu untersuchen.

Wie sieht es im Ausland aus?

Louis XV führte in etwa 31 von 59 Regierungsjahren irgendwo in der Welt Krieg. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass sein Kolonialreich mehr Anlässe für Kriege lieferte. http://www.geschichtsforum.de/f288/kriegs-und-friedenszeiten-unter-louis-xiv-und-louis-xv-30105/
Persönlich veranlasst hat er vielleicht den Polnischen Thronfolgekrieg. Sonst agierte er als großer Partner anderer Mächte.

Man müsste mal Schweden und Russland untersuchen. Aber mir scheint es schon so, dass Friedrich II. als Hauptverantwortlicher von Kriegen sicherlich vorne mit dabei ist.
Außerdem war Friedrich II. mindestens in 2 Fällen (1740 und 1756) eindeutig juristisch als Verbrecher greifbar. Ich weiß nicht wie es bei den anderen internationalen Konflikten stand, aber der Angriff auf einen anderen Reichsstand (Österreich bzw. Sachsen) war auf jeden Fall ein juristisch einwandfrei belegbares Verbrechen.
 
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"Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe für das Glück der Völker zu wirken. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind und denken nur an das liebe Ich ... Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Range erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volks mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates!" (nach: Geschichte in Quellen, Bd. 3, München 1976, S. 605 ff.)

Allein deswegen gebührt dem "Alten Fritz" ein Ehrenplatz in der Galerie europäischer Monarchen.
Da wäre ich vorsichtig.
Bei Schieder heißt es:
"Friedrichs späte politische Schriften zeigen sein ständiges Bemühen, die Monarchie zu retten, indem er den Monarchen das Gewissen schärfte und ihnen ihr Sündenregister vorhielt. Aber genügte das? "Wir wünschten wohl", heißt es am Schluss seiner Abhandlungen über Regierungsformen und Herrscherpflichten, "dieser schwache Versuch wäre imstande, Fürsten wie Marc Aurel heranzubilden. Das wäre der stärkste Lohn, den wir erwarten könnten, und er würde zugleich das Heil der Menschheit bedeuten."" [1]

Friedrich verteidigt die absolute Monarchie: "Minister stiften Verwirrung, weil ihr ständiger Wechsel keine Zeit läßt, um Pläne ausreifen zu lassen. Den Ministern gehört der Staat nicht, deswegen liege ihnen sein Wohlergehen nicht wahrhaft am Herzen. Der König aber und sein Volk bilden einen einzigen Körper; der Fürst ist für den Staat, den er regiert, dasselbe, was das Haupt für den Körper ist; er muss für die Allgemeinheit sehen, denken und handeln, um ihr jeglichen wünschenswerten Vorteil zu verschaffen." [1]

Ich bleibe dabei, bei der Beurteilung Friedrichs bleibt immer, dass er Preußen in den Kreis der Großmächte geführt hat. Dazu gehörte auch, dass er eine Armee unterhielt, die auf die Bevölkerung bezogen die größte in Europa war, deren Unterhalt nicht nur viele Steuern sondern auch viel Kreativität verlangte. Er setzte diese Armee immer dann ein, wann es ihm als notwendig erschien. Mit Erfolg, auch wenn festgestellt werden muss, dass ihm äußerst günstige Umstände halfen.

Auf den weiter oben angeregten Vergleich mit Ludwig XIV. stellt sich eine (theoretische) Frage: Wer von beiden ist eher bei der Aussage: "Der Staat bin ich!" anzusiedeln?

Grüße
excideuil

[1] Schieder, Theodor: Friedrich der Große Ein Königtum der Widersprüche, Bertelsmann, Gütersloh, o.J., Seite 287
 
Ich bleibe dabei, bei der Beurteilung Friedrichs bleibt immer, dass er Preußen in den Kreis der Großmächte geführt hat.

An den immanenten Maßstäben seiner Zeit gemessen ist das vermutlich ein angemessener Befund.

Dieses kann man den Darstellungen von Bendix [3] oder von Clark entnehmen [4] entnehmen, die den Aufstieg beschrieben. In nüchternen Zahlen ausgedrückt hatte sich Preußen seit 1740 bis 1806 in seinen "Kennzahlen" (Bevölkerung, Größe, Wirtschaft etc.) ca. verdreifacht. Insofern hat er Preußen die Entwicklung vorgezeigt die es im neunzehnten Jahrhundert dann weiter verfolgt hat, wenngleich natürlich nciht ohne Brüche und auch nciht zwangsläufig.

Die "Größe" zu beurteilen ist wohl immer eine "subjektive" Beurteilung, basierend auf einer "subjektiven Bilanz" wie Kunisch in seinem Epilog m.E. zutreffend bemerkt [1, S. 541].

Ich weiß nicht wie es bei den anderen internationalen Konflikten stand, aber der Angriff auf einen anderen Reichsstand (Österreich bzw. Sachsen) war auf jeden Fall ein juristisch einwandfrei belegbares Verbrechen.

Die weltgeschichtliche Bedeutung von FdG verortet Kunisch in dem Konfliktfeld, das "Brissotin" mit dem "Verbrechen" seiner Angriffskriege angesprochen hatte und der Charakterstärke, die diesem Akt durch seine erfolgreiche konsequente Durchführung bis zum Ende die Legitimation des damaligen Staatensystems verschaffte.

Und wie Showalter betont, durch die "Calvinistische Moral", die dem Erfolgreichen die historische Berechtigung erteilt, auch einen FdG in seinem problematischen Mchtstreben, vor dem Hintergrund der damaligen Normen, freispricht.

In diesem Sinne formuliert Kunisch: "Nur wenn sich durch den Erfolg herausstellte, dass er der Beauftragte des Schicksals war, nur dann war er im Recht gewesen". [1, S. 543].

Abschließend ist wohl mit Kunisch festzustellen, dass die Frage nach der Größe von Friedrich eine "fiktionale Kategorie" ist, die nur eine Annäherung an das historische Individuum ermöglicht.

Unabhängig von der Festellung von Kunisch, dass FdG ohne Zweifel der wohl vielfach begabteste Herrscher seiner Zeit war und das ebenso für seine königlichen preußischen Nachfolgern gilt [1, S. 544]

Vielleicht kann man seine Bedeutung in Anlehnung" an Showalter [2] festhalten: "For good and for ill, Fredrick of Prussia remains Frederick the Great. And his potery is not all that bad."

1.J. Kunisch:Friedirch der Große. 2009
2.D. Showalter: Frederick the Great. A military History. 2013
3.R. Bendix: Könige oder Volk. Zweiter Teil. S. 255 ff: Eine Revolution von oben.
4. C. Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600-1947, 2007, S. 220 Der Kampf um die Vorherrschaft
 
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Auf den weiter oben angeregten Vergleich mit Ludwig XIV. stellt sich eine (theoretische) Frage: Wer von beiden ist eher bei der Aussage: "Der Staat bin ich!" anzusiedeln?
Eine gute Frage.

Wenn ich mich so an Lehndorff und Thiebault erinnere, scheinen bei Friedrich II. Minister u.ä. noch weitaus weniger eine Rolle gespielt zu haben als bei Louis XIV, auch wenn Friedrich II. negativen Einflüsterungen gegenüber (Thiebault bemerkt das am Beispiel einiger Franzosen, die frustriert Preußen wieder verlassen haben sollen.) durchaus zugänglich war.
 
An den immanenten Maßstäben seiner Zeit gemessen ist das vermutlich ein angemessener Befund.

Dieses kann man den Darstellungen von Bendix [3] oder von Clark entnehmen [4] entnehmen, die den Aufstieg beschrieben. In nüchternen Zahlen ausgedrückt hatte sich Preußen seit 1740 bis 1806 in seinen "Kennzahlen" (Bevölkerung, Größe, Wirtschaft etc.) ca. verdreifacht. Insofern hat er Preußen die Entwicklung vorgezeigt die es im neunzehnten Jahrhundert dann weiter verfolgt hat, wenngleich natürlich nciht ohne Brüche und auch nciht zwangsläufig.

Die "Größe" zu beurteilen ist wohl immer eine "subjektive" Beurteilung, basierend auf einer "subjektiven Bilanz" wie Kunisch in seinem Epilog m.E. zutreffend bemerkt [1, S. 541].



Die weltgeschichtliche Bedeutung von FdG verortet Kunisch in dem Konfliktfeld, das "Brissotin" mit dem "Verbrechen" seiner Angriffskriege angesprochen hatte und der Charakterstärke, die diesem Akt durch seine erfolgreiche konsequente Durchführung bis zum Ende die Legitimation des damaligen Staatensystems verschaffte.

Und wie Showalter betont, durch die "Calvinistische Moral", die dem Erfolgreichen die historische Berechtigung erteilt, auch einen FdG in seinem problematischen Mchtstreben, vor dem Hintergrund der damaligen Normen, freispricht.

In diesem Sinne formuliert Kunisch: "Nur wenn sich durch den Erfolg herausstellte, dass er der Beauftragte des Schicksals war, nur dann war er im Recht gewesen". [1, S. 543].

Abschließend ist wohl mit Kunisch festzustellen, dass die Frage nach der Größe von Friedrich eine "fiktionale Kategorie" ist, die nur eine Annäherung an das historische Individuum ermöglicht.

Unabhängig von der Festellung von Kunisch, dass FdG ohne Zweifel der wohl vielfach begabteste Herrscher seiner Zeit war und das ebenso für seine königlichen preußischen Nachfolgern gilt [1, S. 544]

Vielleicht kann man seine Bedeutung in Anlehnung" an Showalter [2] festhalten: "For good and for ill, Fredrick of Prussia remains Frederick the Great. And his potery is not all that bad."

1.J. Kunisch:Friedirch der Große. 2009
2.D. Showalter: Frederick the Great. A military History. 2013
3.R. Bendix: Könige oder Volk. Zweiter Teil. S. 255 ff: Eine Revolution von oben.
4. C. Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600-1947, 2007, S. 220 Der Kampf um die Vorherrschaft



Wie wäre wohl seine Nachwirkung gewesen, wenn ihm nicht letztendlich der Erfolg recht gegeben hätte?

Bismarck schrieb in seinen Gedanken und Erinnerungen dass nicht selten die Bankrotteure der Geschichte sich nichtsdestotrotz großen Ansehens erfreuen wie Karl XII., der (nach Bismarcks Ansicht) in Schweden eher größeres Ansehen genoss, als Gustav II. Adolf. Karl XII. hatte die diplomatischen Möglichkeiten, die sich ihm auch nach der Katastrophe von Poltawa boten ausgeschlagen, bis 1718 eine verirrte Kugel seinem unzeitgemäßen Heldenleben ein Ende machten, und auch Friedrich ist einige Male nur mit großem Glück dem Tod entgangen. Neben glänzenden Siegen bei Rossbach und Leuthen standen verheerende Niederlagen bei Kolin, Hochkirch und Kunersdorf. An an beiden besonders verheerenden Debakeln bei Hochkirch und Kunersdorf war Friedrich nicht schuldlos. Bei Hochkirch beharrte er darauf das Lager im ungünstigen Dorf Hochkirch aufzuschlagen, ohne die österreichischen Truppenbewegungen einsehen zu können. Moritz von Dessau protestierte gegen den Aufenthalt im Dorf und der Generalquartiermeister der preußischen Armee weigerte sich Friedrichs Anordnungen zu folgen und wurde mit Arrest bestraft. Feldmarschall Keith sagte, wenn die Österreicher uns nicht angreifen, verdienen sie gehängt zu werden, worauf Friedrich mit Scherzen antwortete. Er verließ sich auf einen Maulwurf unter den österreichischen Offizieren, der aber durch Zufall enttarnt wurde. Die preußische Armee wurde durch Dauns Nachtangriff kalt erwischt, und kalt erwischte es auch einen Großteil der preußischen Truppen bei Kunersdorf, wo die Truppen im Kuhgrund verbluteten.

Friedrichs Leben rettete eine Schnupftabakdose, die eine Kugel aufhielt, und es fehlte nicht viel daran, dass Preußen drohte, wieder auf den Status einer Mittelmacht reduziert zu werden, hätten nur Österreicher und Russen ihren Vorteil genutzt. Friedrich selbst sprach vom Miracle de la Maison de Brandenburg.
 
Wie wäre wohl seine Nachwirkung gewesen, wenn ihm nicht letztendlich der Erfolg recht gegeben hätte?

Bismarck schrieb in seinen Gedanken und Erinnerungen dass nicht selten die Bankrotteure der Geschichte sich nichtsdestotrotz großen Ansehens erfreuen wie Karl XII., der (nach Bismarcks Ansicht) in Schweden eher größeres Ansehen genoss, als Gustav II. Adolf. Karl XII. hatte die diplomatischen Möglichkeiten, die sich ihm auch nach der Katastrophe von Poltawa boten ausgeschlagen, bis 1718 eine verirrte Kugel seinem unzeitgemäßen Heldenleben ein Ende machten, ...
Ich denke, Du hast Dir die Frage selber beantwortet. Auch wenn es sehr hypothetisch bleibt, kann ich mir gut vorstellen, dass man Friedrich II. ungefähr wie Karl XII. eingestuft hätte.
Wobei Karl XII. immerhin für sich hatte, dass er sich als der Verteidiger aufspielen konnte. Nicht er hatte seine Feinde herausgefordert, sondern der militärisch wahrscheinlich unfähige polnische König hatte Livland angreifen lassen, weil dies einem Versprechen vor dem poln. Reichstag entsprach (wobei mir selbst ein Erfolg garkeine so nennenswerte Publicity erschienen wäre).
 
Wie wäre wohl seine Nachwirkung gewesen, wenn ihm nicht letztendlich der Erfolg recht gegeben hätte?

Friedrichs Leben rettete eine Schnupftabakdose, die eine Kugel aufhielt, und es fehlte nicht viel daran, dass Preußen drohte, wieder auf den Status einer Mittelmacht reduziert zu werden, hätten nur Österreicher und Russen ihren Vorteil genutzt. Friedrich selbst sprach vom Miracle de la Maison de Brandenburg.
Ja, nicht nur die Schnupftabaksdose. Mein Vater hat immer gern eine Anekdote erzählt, nach der Friedrich nach der Schlacht von Kunersdorf fast durch plündernde Kosaken "erledigt" wurde, diese aber von ihm abließen, weil er so abgerissen und so gar nicht königlich erschien und zudem bei ihm nichts zu holen war ...

Erfolg gibt recht, wie thane weiter oben feststellt. Es kann daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine Beurteilung Friedrichs ungleich kritischer ausfallen würde, hätte er den Großmachtstatus wieder "vertrödelt". Mit Sicherheit wären Stimmen laut geworden, die ihn laut als "Hasardeur" gebranntmarkt hätten.

Vergleicht man Friedrich mit Napoleon, ist wohl feststellbar, dass Friedrich neben seinen Feldherrenfähigkeiten auch ein großer Politiker war, er eben die sich bietenden äußerst günstigen Möglichkeiten ergriff - oder die Fehler seiner Widersacher nutzte -, um trotz Niederlage den Status seiner Staaten zu garantieren.

In der Summe bleibt, dass Friedrich II. den Großmachtstatus Preußens begründete, der von seinen Nachfolgern wieder infrage gestellt wurde. Erinnert sei an die Katastrophe von Jena und Auerstedt 1806 und den demütigenden Frieden von Tilsit 1807.

Und hinzu kommt jede Menge Mythos wie z.B. hier beschrieben:
Napoleon: "Wie konnte sie es wagen, Madame, mit Ihren geringen Hilsmitteln mir, mir! den Krieg zu erklären?"
Luise: "Sire, der Ruhm Friedrich II. ließ uns unsere Kräfte überschätzen." [1]

Ein Mythos, der eine Beurteilung Friedrichs natürlich schwieriger macht. Schwieriger auch deshalb, weil die große Zahl der Opfer - wohl immer mit dem Beinamen "der Große" verbunden - nur mit dem Erfolg der zu beurteilenden Person gerechtfertigt werden kann.

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand, Memoiren, Bd 1, Seite 246
 
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