...wie sollten die Veneter auch in Südfrankreich (Rhone) Stress machen, wenn sie nie da waren? Denn da hockten die
Ligurer ? Wikipedia und die wiederum wurden schon im 7. Jh. vor Chr. keltisiert (bzw. nach Ligurien abgedrängt). Die Massilia-Griechen handelten also mit keltischen Stämmen.
Hmm.. Laut dem von Dir verlinkten Wikipedia-Artikel wurden die Ligurer nicht
im, sondern
seit dem 7. Jahrhundert von den Kelten abgedrängt. Hier kommen zunächst v.a. die
Lepontier (westl. Lombardei, Piemont, Tessin) in Frage, deren Inschriftenraum aber nach Süden nicht über den Po hinausreichte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Golasecca-Kultur
Die Lepontier bzw. die ihnen zugeordnete Golasecca-Kultur gilt als stark etruskisch beinflusst. Die
Etrusker (ab 800 v. C. archäologisch fassbar, wohl tatsächlich auf Einwanderung aus Westasien mit Zwischenstation in Sardinien zurückgehend) dürften fleissig an der Zurückdrängung der Ligurer beteiligt gewesen sein. Sie machten sich ja u.a. auch südlich des Po breit, so dass die Lepontier gar keine Chance zum weiteren "Drängeln" gegen die Ligurer mehr hatten.
Die von Justinus aufgezeichnete Gründiungslegende - wie glaubwürdig auch immer - spricht von Ligurern, nicht Kelten, als Bewohnern Marseilles beim Erstkontakt mit den Griechen. Auch Hesiod und Avenius beschreiben den Küstenraum von den Seealpen bis Agde noch als fest in ligurischer Hand.
Ligures ? Wikipédia
Le
Périple de Pseudo-Scylax (écrit entre la fin du
VIe et le
IVe siècle av. J.-C.) donne les indications suivantes : « 3. Ligures et
Ibères. Après les Ibères, habitent les Ligures et les Ibères mêlés jusqu’au
Rhône. La navigation le long des Ligures depuis
Emporion jusqu’au Rhône est de deux jours et une nuit. 4. Ligures. Au-delà du Rhône suivent les Ligures jusqu’à
Antion. Dans cette région se trouve la ville grecque de
Massalia avec son port
[6]. »
Das vorgenannte Zitat deutet an, dass neben den Etruskern von Osten (Antion ist das heutige Antibes) auch die
Iberer von Westen her kräftig drängelten, und zwischen dem 6. Jhd. (Avenius) und dem 4. Jhd. (Pseudo-Skylax) ihre Westgrenze von Agde zur Rhone vorschoben. Die
Kelten kamen wohl von Norden her - die Rhone hinunter - dazu. Für das Rhonetal wird lt. deutschem Wikipedia " eine den
Keltiberern vergleichbare Mischbevölkerung [der Ligurer] mit keltischen Stämmen" angenommen, wobei diese Aussage weder geograqphisch noch zeitlich sonderlich präzise ist. Nach folgendem Buch (S 40f) "the Celts were present in strength in the vicinity of Massilia at the end of the 5th century BC, but they had not displaced the Ligurians"
http://books.google.de/books?id=fdqk4vXqntgC&printsec=frontcover&dq=%22celts%22&q=&hl=de#v=onepage&q=%22celts%22&f=false
Klar wird in jedem Fall, dass es nach der Gründung Massalias sowohl Kelten als auch Iberer und Etrusker näher an die griechischen Fleischtöpfe zog. Rom hat wohl massiv profitiert - da Korsika und Sardinien in punischer Hand waren, führte die griechische Seeroute nach Massalia zwangslaüfig die italienische Küste entlang, mit Ostia als wichtigem Anlegeplatz.
Zu den (Adria)Venetern als gewaltige Handelsmacht kann ich hier
Veneter (Adria) ? Wikipedia keinerlei Hinweis finden.
Scheinbar hast Du dort folgenden Satz überlesen:
In der älteren Phase bestanden Beziehungen zur Villanova-Kultur, in die Ägäis und den Nahen Osten, dann zu den Etruskern.
Mit "Beziehungen" sind, glaube ich, keine Brieffreundschaften gemeint. Die Beziehungen nach Norden hin habe ich ja schon angedeutet, werde sie aber in späteren Posts noch etwas detaillierter darstellen. Auch ohne "ostalpenindogermanische" Ortsnamen hier weiter zu vertiefen, sprechen venetische Inschriftenfunde in Tirol und an der mittleren Donau für sich.
Ravenik: Ansonsten: Wenn die Veneter, wie Du behauptest, so auf die Kontrolle der Handelswege aus gewesen sein sollen: Was sollte denn da die Gründung von Massalia bringen, um sie als Zwischenhändler zu umgehen? Das Zinn aus Britannien musste dann ja trotzdem irgendwie an den Venetern in der Bretagne (von denen Du ja offenbar davon ausgehst, dass sie mit den anderen Venetern verbandelt waren) vorbei. Warum haben sie das nicht verhindert? (Von Caesar wissen wir ja, dass sie zumindest zu seiner Zeit gute Seefahrer waren.)
Berechtigte Frage! Ich habe selbst noch keine befriedigende Antwort, jedoch so ein paar Ideen:
- Der Verlust des Handelsmonopls war, ähnlich wie beim mittelalterlichen Gewürzhandel, wohl schleichend, und könnte vielleicht erst so Mitte/ Ende des 5. Jhd. wirklich spürbar geworden sein. Da mögen sich den adriatischen Venetern durchaus schon andere Geschäftsmöglichkeiten (z.B. Verkauf norischer Schwerter an die Römer) geboten haben, die den Rückgang des Zinnhandels kompensierten.
- Wenn der "gute Kumpel" (und Absatzmarkt) Rom sich mit Massilia gegen die Punier (später auch die Kelten) verbrüdert, überlegt man sich zweimal, ob sich da Intervention (alleine, oder im Bündnis mit Karthago) wirklich wirtschaftlich und politisch rechnet. [Es ist erstaunlich, wie gut es den Venetern gelang, sich aus den Konflikten zwischen Römern und Etruskern raus zu halten. Da scheint Diplomatie häufiger den Vorrang vor Säbelrasseln genossen zu haben. Auch mit den keltischen Norikern fand man ja später einen modus vivendi.]
- Wann und wie (falls überhaupt) sich adriatische und armorikanische Veneter trennten, ist unklar. Der Beginn der "Keltisierung" der britischen Inseln ist ähnlich umstritten wie alles andere, was wir hier diskutieren. Für Irland wird teilweise von bis zu vier Immigrationswellen ausgegangen. Der "Konsens" scheint derzeit "Keltisierung irgendwann ab dem Beginn des 1. vorchristlichen Jahrtausends, weitgehend abgeschlossen im 6. Jhd. v. Chr." zu sein. Geht man, hypothetisch, davon aus, dass (i) die Einwanderung über die Bretagne erfolgte oder diese zumindest einbezog, und (ii) die armorikanischen Veneter Teil einer frühen Migrationswelle waren, hätten die Trennung der armorikanischen von den adriatischen Venetern schon Anfang des 1. Jahrtausends erfolgt sein können. In dem Fall wäre dann noch nicht einmal sicher, dass (über den Namen hinaus) Erinnerung an gemeinsamen Ursprung im späten 6./ frühen 5. Jahrhundert noch weiter lebte.
- Weiterhin ist fraglich, ob die Veneter die Route zwischen Loire- und Po-Mündung je vollständig kontrollierten, bzw. dies im 6. Jhd. v. Chr. noch taten. Die frühkeltischen West-Migrationen liegen - zumindest für mich - noch ziemlich im Dunklen. Aber wenn die Kelten ursprünglich, wie meist angenommen, in den Westalpen siedelten, und im 6. Jhd. v. Chr. Iberien erreichten, könnten sie auf dem Weg dorthin auch schon dem venetischen Zinnhandel zwischen Loiremündung und dem caput adria in die Quere gekommen sein.
- Wir kennen so einige Beispiele von Kolonien, denen schnell das Hemd näher als die Hose war. Zwischen der Landung der "Pilgrim Fathers" (1620) und der "Boston Tea Party" (1773) lagen beispielsweise gerade einmal 150 Jahre. Die armorikanischen Veneter dürften mit dem Erscheinen eines neuen "Kunden" an der Rhonemündung wenig Probleme gehabt haben - im Gegenteil, dadurch wurde ja die von ihnen (teilweise) kontrollierte Bretagne-Loire-Route zu Lasten der Themse-Rhein-Route gestärkt. Warum also für die entfernten Cousins unten an der Adria die Kartoffeln aus dem Feuer holen (nebenbei hätte man da ja auch noch um Iberien herum durch diverse fremde Gewässer segeln müssen)?
- Schliesslich (wie gesagt, zur frühkeltischen Westexpansion habe ich noch diverse Fragezeichen) - vielleicht waren zur fraglichen Zeit auch schon ein paar Jungs und Mädels aus den Westalpen in der Bretagne eingetroffen, und man hatte genug damit zu tun, sich mit den neuen Nachbarn einzurichten.
Hier noch ein interessanter Fund zu Q- vs. P-Keltisch:
http://eprints.soton.ac.uk/68726/1/etruscan.pdf
Abstract: [FONT=Verdana,Verdana][FONT=Verdana,Verdana]It is argued that what used to be called "P-Celtic" arose because Etruscans could not pronounce properly the Indo-European languages which they encountered in and around Italy. Etruscan influence can neatly explain not only the phenomenon of P-Celtic but also the corresponding phonological transition in Oscan and Umbrian. This scenario tends to support a relatively short timescale for the dissemination and diversification of the Western Indo-European languages.
[/FONT][/FONT]
Kernargument ist, dass "Q-keltische" Entwicklung der Regelfall für indoeuropäische Sprachen sei, und die "P-keltischen" bzw. "P-italischen" (Oscanisch-Umbrisch) Sonderfälle durch externen Sprachkontakt mit dem Etruskischen hervorgebracht wurden. Spinnt man die These weiter, hätte die keltische West-Expansion zwangsläufig aus dem westalpinen (lepontischen) Sprachraum heraus erfolgen müssen, und zwar erst relativ spät (Keltiberisch war noch Q-keltisch). Damit wären auch heutige P-keltische Sprachen (Wales, Cornwall, Bretagne) auf späte, d.h. LaTene-zeitliche Migrationen zurückzuführen, welche frühere, noch Q-keltische (und/oder venetische/ostalpenindogermanische?) Sprachschichten überformten.
[
Nebenbei, und OT, könnte der P-Italische Charakter des Umbrischen helfen, Plautus Erfolg als Komödiendichter und -darsteller zu erklären ("Prian").]