Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

El Quijote, bitte bedenke, dort waren auch Gruben. Schreibt Tacitus, dass die voll Wasser waren, wie im Sumpf üblich? Ja nee is klar, das hat er wohl nur vergessen zu schreiben, oder diese waren auf Hügeln angelegt, natürlich...
 
Mag sein, dass das so war, laut Tacitus jedoch hat sich das ganze anders abgespielt. Diesem zufolge verfolgten die am Vortag noch arg gebeutelten Römer die Germanen, wenn ich jetzt aus dem Kopf heraus das richtig wiedergebe*, sogar so lange, dass einige Einheiten erst nach Einbruch der Nacht zurückkehrten.


Einen campus müssen wir uns erst einmal als eine Ebene auf der keine oder nur wenige Bäume stehen vorstellen. Ob hier Sumpf war, oder nicht, darüber gibt das Wort keine Auskunft. Es ist jedenfalls so, dass Tacitus den Weg des Caecina zum Varusschlachtfeld auch mit den "trügerischen Feldern" (fallacibus campis) der Moore beschreibt (aus dem Gedächtnis, Stelle liefere ich heute Abend gerne nach**).
Und Tacitus ist natürlich nicht unsere einzige Quelle. Wenn es eines gibt, worin sich alle beschreibenden Quellen einig sind, dann sind es die Wälder und Sümpfe, in welchen die Varusschlacht stattfand bzw. die die Umgebung des Schlachtfeldes chararkterisieren. Es ist eben auch das in Rom verbreitete Germanienklischee.

*Im Morgengrauen (orta die) greifen die Germanen die besiegt geglaubten Römer an (Tac. ann. I, 68, 2) bei Nacht (...dies permansit. Nocte demum reversae legiones...) kehren die Legionen vom Blutbad (trucidatum) an den Germanen (vulgus) zurück (Tac. ann. I, 68, 5)
Nebenbei bemerkt, eine schöne Stelle, die zeigt, dass auch der Angreifer abgeschlachtet werden kann, weil ja genau das Wort trucidatum als Beleg gegen eine Schlacht im eigentlichen Sinne herangezogen wurde. Aber das war im Datierungsthread.
**pontes et aggeres umido paludum et fallacibus campis imponeret - ...dass er Brücken und Dämme über den nassen Sumpf und die trügerischen Felder legte... (Tac. ann. I, 61, 1)
 
Wo ist das Problem?
Wenn sich die Schlacht/die Gefechte über mehrere Tage hin zogen, so können diese doch wohl in Sümpfen, Wäldern und trockenen Ebenen stattgefunden haben!? Warum entweder oder?
 
**pontes et aggeres umido paludum et fallacibus campis imponeret - ...dass er Brücken und Dämme über den nassen Sumpf und die trügerischen Felder legte... (Tac. ann. I, 61, 1)

Das war auf dem Weg dorthin, mein Lieber! Oder mutmaßt Du wirklich, er habe auf dem Schlachtfeld Brücken und Dämme anlegen lassen? Ok, wäre auch möglich. Dann kann man die Leichen besser aufsammeln und zusammentragen...:yes:
 
Das war auf dem Weg dorthin, mein Lieber!
Genau das habe ich geschrieben:

Es ist jedenfalls so, dass Tacitus den Weg des Caecina zum Varusschlachtfeld auch mit den "trügerischen Feldern" (fallacibus campis) der Moore beschreibt (aus dem Gedächtnis, Stelle liefere ich heute Abend gerne nach).

**pontes et aggeres umido paludum et fallacibus campis imponeret - ...dass er Brücken und Dämme über den nassen Sumpf und die trügerischen Felder legte... (Tac. ann. I, 61, 1)
 
El Quijote, natürlich wurden die Germanen durch Germanicus` Truppen bei jeder Schlacht nahezu völlig vernichtet, schreibt er ja ausdrücklich auch so, der gute Tacitus (außer beim kurzen Aufeinandertreffen nach der Bestattung). Dummerweise standen dann Tage, Wochen oder Monate später wiederum offensichtlich kampfstarke (Vorsicht! Meine spekulative Mutmaßung!!!) Germanentruppen dem Arminius zur Verfügung.
Der Tacitus muss doch selber beim Aufschreiben derartiger "Vernichtungsschlachten" gelacht haben (wieder mutmaßliche Spekulation - durch nichts bewiesen, Sepiola;) ).
Aber selbstverständlich gehen seriöse und gründliche Wissenschaftler exakt nach dem Geschriebenen, nur Spinner, gelle, interpretieren da was rein, was nicht sein kann, jawoll! Da muss ich mich wohl doch an die Nase fassen...
 
Wo ist das Problem?
Wenn sich die Schlacht/die Gefechte über mehrere Tage hin zogen, so können diese doch wohl in Sümpfen, Wäldern und trockenen Ebenen stattgefunden haben!? Warum entweder oder?

Hallo Xander, es steht ja nicht unbedingt die Frage "entweder - oder", sondern beim verstehenden Lesen der Quellen sollte auch mit anderen bekannten Tatsachen verglichen werden. Nun ist es aus militärischer Sicht nicht ganz verständlich (angenommen, Dios Schilderung stimmt), warum erfahrene Kommandeure mit ihren Truppen nicht für ihren Marsch die geeignetsten Wege und Trassen nutzen. Auch wenn man schnell vorankommen möchte, ist es eigentlich besser, bekannte Strecken zu nehmen, als durch unbekannte Gegenden zu ziehen, zumal Varus`Heerzusammenstellung (übermäßig großer Tross und Zivilbegleitung) überhaupt nicht dafür geeignet war. Wenn man dann auch noch plötzlich angegriffen wird, muss das Vorhaben neu überdacht werden! Jetzt zu jenen unbekannten entfernten Aufständischen weiter zu ziehen, bzw. weiter durch den Dschungel sich baumfällend zu bewegen und sich dabei noch ständiger Angriffe zu erwehren, ist doch nicht hilfreich. Ein Umschwenken in Richtung befestigter Stützpunkte, oder wenigstens in freies Gelände, ist aber nicht beim Verfasser herauszulesen.
Nein, da wird ein Lager irgendwie im Wald, so gut es ging, angelegt, dann zieht man zu einer Lichtung, bricht von dort auf und geht wieder in Wälder. Hier findet dann der Endkampf statt (bei Tacitus steht aber "freies Feld").

Das ist militärisch äußerst unerklärlich gehandelt, oder?
Schon bei den Aufständischen fängt es an. Entweder erfahre oder vermute ich eine bedrohliche Anzahl, dann schicke ich nur Kampftruppen mit relativ leichtem Gepäck, hole Verstärkungen (Asprenas) und ziehe möglicherweise schnellstens hinterher. So könnte es gewesen sein, denn warum sonst braucht Varus noch die angeblich zusammenzurufenden cheruskischen und anderen (?) Germanenverbände?
Oder aber ich erfahre nur von weniger Aufständischen, dann schicke ich schnelle leichte Abteilungen dorthin ( wie Tacitus es für 15 - Stertinus mit den Brukterern - oder in 16 - sogar zweimal Stertinus mit den Angrivariern - beschreibt).

Für einen durchaus erfahrenen Varus und seine Legaten kommt das aber nach Dio nicht in Betracht. Selbst wenn er an den Rhein wollte, was ich einem Varus als Chef der Provinz (?) durchaus zubillige, dann ziehe ich doch auf bekannten Heerstraßen dorthin und mache an geeigneter Stelle mit dem Großteil meiner Truppen einen Schwenk und sende die Zivilisten und den überflüssigen Tross unter leichter Bedeckung nach Hause (angenommen, Kalkriese läge in der Nähe des angeblichen Aufstands), zumal ich dann den ersten Lippelagern sehr nahe wäre.

Bin ich am Ende allein mit der Aussage, dass das beschriebene Handeln des Varus völlig unlogisch ist?
 
...
Bin ich am Ende allein mit der Aussage, dass das beschriebene Handeln des Varus völlig unlogisch ist?

Für uns heute mag es unlogisch erscheinen, aber kennen wir alle Gründe, die Varus zu diesem Handeln trieb?

In 2000 Jahren wird man auch das Desaster in Stalingrad anzweifeln, da sich niemand vorstellen kann, dass ein erfahrener deutscher Heerführer so unvernünftig handeln konnte! :rolleyes:
 
Gutes Beispiel!
Nur wissen wir, dass Paulus militärisch richtig handeln wollte (sofortiger Ausbruch), was ihm verboten wurde.
Dem Varus hat Augustus aber nicht in seine Aktion hineingeredet (ging ja auch nicht, rein technisch), der konnte frei nach seinen, ich wiederhole mich gern, sicherlich guten militärischen Fähigkeiten handeln. Auch wird Augustus in einer vielleicht zu gründenen Provinz keinen unfähigen "Partylöwen" (Sepiola, das ist eine Analogie! Ob Varus tatsächlich Partys im heutigen Sinn gefeiert hat, steht niergendwo!) als Chef eingesetzt haben.
Aber alle Gründe für das Handeln des Varus - falls Dio die Wahrheit wiedergibt - kennen wir tatsächlich nicht, da stimme ich Dir zu.

Beste Grüße
Ostfale
 
Nun ist es aus militärischer Sicht nicht ganz verständlich (angenommen, Dios Schilderung stimmt), warum erfahrene Kommandeure mit ihren Truppen nicht für ihren Marsch die geeignetsten Wege und Trassen nutzen. Auch wenn man schnell vorankommen möchte, ist es eigentlich besser, bekannte Strecken zu nehmen, als durch unbekannte Gegenden zu ziehen

Wenn man ein bestimmtes Ziel erreichen will, das in einer bislang unbekannten Gegend liegt, nutzt es nichts, bekannte Strecken zu nehmen. (Das nur als allgemeine Bemerkung. Die Route, die Varus genommen hat, können wir ja nicht rekonstruieren. Wir wissen nur, dass er sich irgendwo zwischen Rhein und Weser bewegt hat.)

Bei verstehender Lektüre der Quellen könnte man allerdings den Eindruck bekommen, dass die Legionen des Varus gezielt in eine bestimmte Gegend gelockt wurden.


Jetzt zu jenen unbekannten entfernten Aufständischen weiter zu ziehen, bzw. weiter durch den Dschungel sich baumfällend zu bewegen und sich dabei noch ständiger Angriffe zu erwehren, ist doch nicht hilfreich. Ein Umschwenken in Richtung befestigter Stützpunkte, oder wenigstens in freies Gelände, ist aber nicht beim Verfasser herauszulesen.
Ein Weiterzug zu jenen unbekannten entfernten Aufständischen ist dem Text aber auch nicht zu entnehmen.
Das Heer stand vor der Wahl, entweder kehrtzumachen und zurück Richtung Weser zu marschieren - oder sich in Richtung der befestigten Stützpunkte (Rhein oder Lippe) durchzuschlagen.
Ersteres gibt wenig Sinn, letzteres schon.



Nein, da wird ein Lager irgendwie im Wald, so gut es ging, angelegt, dann zieht man zu einer Lichtung, bricht von dort auf und geht wieder in Wälder. Hier findet dann der Endkampf statt (bei Tacitus steht aber "freies Feld").
Bei Tacitus steht campus.
Näheres bitte ich hier nochmals nachzulesen:
http://www.geschichtsforum.de/724570-post364.html
http://www.geschichtsforum.de/724544-post3837.html
http://www.geschichtsforum.de/725461-post527.html

Schon bei den Aufständischen fängt es an. Entweder erfahre oder vermute ich eine bedrohliche Anzahl, dann schicke ich nur Kampftruppen mit relativ leichtem Gepäck, hole Verstärkungen (Asprenas)
Wie Varus sich den Zusammenstoß mit den Aufständischen vorstellte, erwähnt doch Cassius Dio überhaupt nicht.

Wenn ich Cassius Dio richtig verstehe, wurde Varus überfallen, als er sich noch auf befreundetem Gebiet wähnte.
Was Asprenas hier soll, weiß ich nicht. Asprenas war weit. Die Verstärkung, mit der Varus rechnete, bestand in den germanischen "Verbündeten". (Und in einzelnen römischen Truppenteilen, die in der näheren Umgebung zeitweise stationiert waren.)
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote, natürlich wurden die Germanen durch Germanicus` Truppen bei jeder Schlacht nahezu völlig vernichtet, schreibt er ja ausdrücklich auch so, der gute Tacitus (außer beim kurzen Aufeinandertreffen nach der Bestattung). Dummerweise standen dann Tage, Wochen oder Monate später wiederum offensichtlich kampfstarke (Vorsicht! Meine spekulative Mutmaßung!!!) Germanentruppen dem Arminius zur Verfügung.
Es geht nur darum, was Tacitus schrieb, nicht, was wirklich passiert ist; das werden wir eh nie klären können, hinter die Quellen kommen wir kaum zurück.
Wenn du schreibst
Ostfale schrieb:
Tacitus erwähnt mit keinem Wort, dass die Legionen nochmal zum Engpass zurückgingen
dann ist dem entgegenzuhalten, dass Tacitus zumindest schreibt, dass die Römer am letzten Tag der Schlacht an den pontes longi die siegesgewissen Germanen überraschten und die Fliehenden niedermetzelten und dass sie erst des Nachts zurückkehrten (reversae).

(bei Tacitus steht aber "freies Feld")
"Freies Feld" steht bei Tacitus eigentlich nicht. Nur medio campo. Die Übersetzungsentscheidung Sontheimers diente wohl am ehesten dazu, die Unerhörtheit wiederzugeben, dass die 'bleichenden Knochen' unbestattet dort auf den Schlachtfeld lagen. Und bei Tacitus steht eben auch in Teutoburgiensi saltu.
 
Ja Sepiola,

und genau Segestes behauptete dem Germanicus gegenüber (als er aus der Belagerung durch Arminius befreit wurde), dass er das auch gemacht hat, aber als Warnung vor den Verrätern.
So schreibt es Tacitus, auch andere berichten darüber.
Frage: Wieviel von den Tischgenossen an jenem Abend lebten da noch, bzw. waren mit dem Segestes soweit verbunden, dessen Aussagen Germanicus gegenüber zu bestätigen?
Frage: Wie hoch könnte die Motivation eines Mitverschwörers (wenn auch nicht gerne zu dem Kreis gehörend) sein, nachdem in der Heimat nur noch Feinde nach seinem Leben trachteten, ebenso sein Sohn nachweislich am Aufstand teilnahm, also wie hoch wäre die Motivation, dem "Befreier" gegenüber eine schöne Geschichte zu erzählen, die ihn von allen Vorwürfen befreit, ihn damit vor einem relativ schnellen Tod bewahrte?
Frage: Was ist von einem Vater und Fürsten seines Volkes zu halten, der der Beutevorführung der eigenen Tochter nebst Enkel im Triumph auf Seiten der Feinde seiner Kinder und seines Volkes zuschaut? So rein charakterlich betrachtet (auch vor 2000 Jahren gab es schon Vaterliebe, oder?)?

Nur mal so als Fragen, musst nicht unbedingt drauf antworten. Dir wird schon klar sein, was ich damit "vermuten" will, natürlich ohne jede schriftliche Quelle!
 
Bin ich am Ende allein mit der Aussage, dass das beschriebene Handeln des Varus völlig unlogisch ist?
Salve,
nein, ich sehe das auch so. Die einzig denkbare Dramatik, die mit der Topographie des Cassius Diu zusammenpasen könnte, wäre der Harz oder vielleicht das Weserbergland. Wenn Varus vielleicht von irgendeinem Lager (strategisch gesehen wäre bei Halle ideal) zurück Richtung Rhein möchte, südlich des Harzes läuft und dann von Aufständen nördlich des Harzes berichtet wird, könnte er auf die Idee gekommen sein, den Harz zu queren. Wenn er dann in ein Tal zieht und von hinten angegriffen wird, könnte er sich entschieden haben, weiter rein zu gehen, bis dann auch von anderen Seiten Angriffe kamen....dann wäre er irgendwann in der Falle. (Vgl. auch Hartmut Raddatz (Veni, Vidi, Vici). Im Weserbergland könnte es auch so gewesen sein, woanders fehlt die Logik, schon sowieso in der Gegend von Kalkriese, ein paar Kilometer von der Hauptstraße entfernt....Und das 3 Legionen so einfach flüchten im flachen Land???? Das sind dann ja wohl nicht mehr die Legionen, die gerade noch die halbe Welt erobert haben, oder?:pfeif::pfeif:
 
Eigentlich bist du einer völlig anderen Auffassung, als Ostfale. Während nämlich deine Beschreibung auf Cassius Dio basiert, der von den Überlieferern des Varusschlachtgeschehens derjenige ist, der zeitlich und räumlich am weitesten vom Schlachtgeschehen entfernt ist und das meiste Sondergut hat, welches zum Teil physikalisch schlicht unwahrscheinlich ist (Römer werden vom Sturm und herabstürzenden Baumkronen gebeutelt, Germanen dagegen nicht), will Ostfale nämlich gerade darauf hindeuten, dass Cassius Dios Schlachtbeschreibung ziemlich unglaubwürdig ist. Eure einzige Gemeinsamkeit ist, dass ihr Kalkriese als Varusschlachtort ausschließt.
 
Ist ja gut. Auch du wirst allerdings unterschiedliche Vorstellungen haben, wenn jemand sagt
- Politik ist ein weites Feld
- der Ball rollte über das Feld
oder
- der Bauer bestellt seinen Acker Weizen wächst auf dem Feld.
Obwohl Felder viel mit Ähren zu tun haben, meinte man früher, Soldaten fielen auf dem Feld der Ehre....
 
Sollten wir noch einen Thread mit dem Titel "Bedeutung von Campus" aufmachen? Zu "haud procul", "saltus" und "teutoburgiensis" hatten wir doch schon welche.:fs:

Ich habe gerade meinen Stohwasser aus Schulzeiten aus dem Regal geholt (und von Staube der letzten Jahrzehnte befreit):

Danach kann Campus Feld, Gefilde, Ebene, Ackerland, Saatfeld, Schlachtfeld, offene Feldschlacht, Fläche, Platz, Spielraum, Tummelplatz heißen.

Was macht aus dem Kontext wohl den meisten Sinn?:)
 
Zurück
Oben