Die Schlacht im Unwegsamen

Ja, in 63 wird dediziert ein Ort beschrieben, an dem dann auch eine dedizierte Schlacht stattfand.
Das sehe ich eben nicht so zwingend.

Wenn wir die Schlachtfeldbesichtigung mehr oder weniger ausblenden, ist die Abfolge: Stertinius verwüstet die - sicherlich relativ gut mit Wegen erschlossenen - Siedlungskammern der Brukterer, Germanicus zieht mit dem Heer hinterher in der Erwartung, Arminius müsse/würde sich irgendwann zum Kampf stellen. Der tut ihm den Gefallen vorläufig aber nicht, sondern zieht seine Truppen in unwegsamerem, unerschlossenem Gelände zusammen. Also keine Ortsangabe, sondern eine generische Beschreibung des Landschaftstyps bei gleichzeitigem Transportieren der Informationen zu Arminius' strategischem Konzept.

Edit:
Die Schlüsselstelle ist sicherlich
ubi primum copia fuit, evehi equites campumque, quem hostis insederat, eripi iubet
Muß sich ubi primum copia fuit auf einen konkreten Ort beziehen? Das würde natürlich eine Kausalkette initiieren, die das Vorstürmen der Reiterei, das Zurückweichen des Arminius, den Gegenangriff von dessen zweiter Schlachtreihe, die scheiternde Unterstützung durch die leichtbewaffneten Verbände, das drohende Zurückdrängen in den Sumpf und die Rettung durch Germanicus' Auftauchen in einen engen lokalen und zeitlichen Zusammenhang stellt. Ab dieser Stelle also wieder Geschehen in Zeitlupe, der Tempowechsel würde erst mit mox reducto ad Amisiam erfolgen - und genau das gefällt mir nicht, die Textstelle sed Germanicus cedentem in avia Arminium secutus wäre ausgesprochen schlecht geschnitten, würde man in einem Film sagen: Nach der dramatischen Tempoverlangsamung am Varus-Schlachtfeld steht plötzlich der Oberbösewicht vor unserem Helden - woher? einfach auf die Bühne des Geschehens gebeamt? Und noch verwirrender, der Fiesling muß sich tatsächlich von der ersten Sekunde seines Auftauchens an schon zurückziehen - warum? was ist da passiert?
 
Zuletzt bearbeitet:
Was genau sind die Kriterien für diesen Einschätzung?
Tacitus erzählt die Schlacht im Unwegsamen sehr knapp, deswegen im Zeitraffer,
ich habe diese dadurch entstehende Undurchsichtigkeit der Textstelle eingehend geschildert, der gesamte Ablauf der Schlacht wird nicht klar - vergleiche dies selbst mit der ausführlichen Schilderung der Schlacht an den langen Brücken, es entsteht ein Gemälde vor dem Auge des Lesenden, man leidet mit Caecina, erfährt seine Überlegungen und er als Hauptperson hält sogar eine Rede - und auch der Zwist zwischen Arminius und Inguomer macht die Schilderung lebendig und farbig - man sieht das Schwanken der Hauptpersonen, und Tacitus hat dies auch so ausführlich kunstvoll gestaltet, um Caecina als lobenswertes römisches Vorbild darzustellen, der sich dem Schicksal stellt, und damit römischen Schlachtenruhm als Gegenbild zu Varus rettet - die Zeitlupe hat also einen anschaulich rhetorisch belehrenden Sinn.
 
Ja, in 63 wird dediziert ein Ort beschrieben, an dem dann auch eine dedizierte Schlacht stattfand.

Dezidiert ist etwas anderes: Arminius zog sich in avia, in die Einöden zurück. Was ist daran "dezidiert"?

Was genau sind die Kriterien für diesen Einschätzung?
Ist doch ganz einfach.

Arminius zieht sich zurück, Germanicus verfolgt. Das sind schon mal Verben, die an sich eine durative (länger andauernde) Bedeutung haben, die also kein punktuelles Geschehen bezeichen, wie etwa befehlen, schlagen o.ä. Wir erfahren weder, wie lange das dauerte noch wie weit. Aber wir können davon ausgehen, dass Arminius eine oder mehrere Strategien verfolgte. Er lockt Germanicus. Vielleicht, um ihn in günstiges Gelände zu manövrieren, vielleicht, um die acht Legionen auseinanderzuziehen, vielleicht, um ihn einfach möglichst weit weg von der römischen Zivilisation zu schlagen, um eine Flucht zu verhindern, vielleicht, um in bewährter Nadelstichtaktik Erfolge zu erzielen. Er hat schließlich fast die dreifache Menge Männer gegen sich, als bei Varus. Wenn man unterstellt, dass Arminius' Leute in der Varusschlacht sich zu einem bedeutenden Teil aus den germanischen Auxiliartruppen Varus' rekrutierten, dann hatte Arminius sogar mehr als die dreifache Menge Männer gegen sich als bei Varus.
Wenn man dies berücksichtigt, dann wird Arminius sich eher länger und weiter zurückgezogen haben.

Und bei der Rückführung zur Ems, das sollte ja klar sein, schließlich haben wir seit dem Verlassen der Flotte an der Ems kapitelweise Ereignisse: Die Verwüstung des ganzen Bruktererlandes zwischen Ems und Lippe mit Auffindung des Adlers, die Bestattung der Varuslegionen, die Verfolgung und schließlich das Scharmützel in der Einöde...
 
... der gesamte Ablauf der Schlacht wird nicht klar - vergleiche dies selbst mit der ausführlichen Schilderung der Schlacht an den langen Brücken, es entsteht ein Gemälde vor dem Auge des Lesenden ...
Eben. Auch der Besuch des Varusschlachtfelds wird ausführlich und sehr bildhaft geschildert. Darum kann ich mich nicht recht anfreunden damit, Tacitus würde hier nur ein paar Zeilen später eine einzelne Schlacht beschreiben.
... schließlich haben wir seit dem Verlassen der Flotte an der Ems kapitelweise Ereignisse: Die Verwüstung des ganzen Bruktererlandes zwischen Ems und Lippe mit Auffindung des Adlers, die Bestattung der Varuslegionen, die Verfolgung und schließlich das Scharmützel in der Einöde...
Wenn die Verfolgung ein komplett eigenständiges Kapitel darstellen soll, wäre der Halbsatz sed Germanicus cedentem in avia Arminium secutus erzählerisch aber schon sehr dürr. Wenn andererseits das Hin und Her zwischen Arminius und der römischen Reiterei zum Kapitel Verfolgung gehört, im Zeitraffer erzählt wie zuvor Stetinius' sicherlich etliche Tage währendes Marodieren im Brukterergebiet, gibt das Scharmützel, als Germanicus mit der Hauptstreitmacht auftritt, offenbar auch nicht genug her für eine dramatische Schilderung in einem eigenständigen Kapitel. Also entweder ist Tacitus als Dramaturg ausgesprochen unbegabt. Oder wir haben schlicht keine "Schlacht im Umwegsamen".
 
Deswegen schreibe ich ja immer von einem Scharmützel. (Ich war mir nicht sicher, ob ich den letzten Beitrag als Zustimmung oder nuancierte Gegenrede verstehen sollte, deshalb die Antwort.)
 
Ich war mir nicht sicher, ob ich den letzten Beitrag als Zustimmung oder nuancierte Gegenrede verstehen sollte, deshalb die Antwort.
Sowohl als auch :fs: Wobei sich meine Gegenrede auf einen Deiner früheren Beiträge bezieht:
Ich meine es geht immer im Wechsel: "Aber Germanicus folgte dem Arminius, der sich in unwegsame Gegenden zurückzog," (Zeitraffer) "und befahl der Reiterei [...] vorzustürmen" (Zeitlupe)
Wie gesagt, wenn das in Zeitlupe betrachtete Schlachtgeschehen mit dem Vorstürmen der Reiterei beginnt, ist das im Zeitraffer erzählte Kapitel Verfolgung für meinen Geschmack zu dünn. Nun ist mein Geschmack sicherlich kein Maßstab. Zudem kenne ich Tacitus bei weitem nicht gut genug um beurteilen zu können, wie er selber das gesehen hätte und ob er's überhaupt so gesehen hätte. Und schließlich sind meine Sprachkenntnisse in Latein sehr eingerostet, waren aber selbst zu besten Zeiten nie gut genug, so daß ich nicht wage zu behaupten, ubi primum copia fuit ließe eine andere Interpretation zu als eben den Tempowechsel von Zeitraffer zu Zeitlupe.
 
Das primum kann sich ja nicht auf copia beziehen, da copia feminin ist, primum aber, wenn es als Zahladjektiv gemeint wäre, neutrum wäre. Tatsächlich handelt es sich hier um Adverb: erstmals.

Sontheimer übersetzt ubi primum copia fuit mit "sobald sich Gelegenheit dazu bot". Eckstein gibt in seinen Erläuterungen zum Text für Lateinschüler hierzu leider keine Angaben.
J. Jackson übersetzt: "at the earliest opportunity"
A. J. Church und W. Jackson Brodribb: "as soon as he had the opportunity"

Es ist hier halt nur ein Satz im Zeitraffer - der mit den durativen Verben, dessen Dauer wir mangels Zeit- und Entfernungsangaben nicht ermessen können - bevor Tacitus die Handlung mit "bei der ersten Gelegenheit" wieder verlangsamt. Und weil eben tatsächlich nicht viel passiert ist [Scharmützel], oder Tacitus ggf. auch die Inkompetenz Germanicus' nicht allzu deutlich herausstreichen wollte, ist die Schilderung der Schlacht eben sehr kurz ausgefallen. Ich würde es so sehen, dass hier Arminius' Strategie einfach nicht zu dem erhofften Erfolg geführt hat.
 
Es ist hier halt nur ein Satz im Zeitraffer - der mit den durativen Verben, dessen Dauer wir mangels Zeit- und Entfernungsangaben nicht ermessen können
Im vorangegangenen Zeitrafferkapitel, dem Aufmarsch der Armee mit anschließendem Verheeren des gesamten Bruktererlandes, haben wir zwar auch keine konkreten Zeitangaben, aber immerhin einen geografischen Maßstab, der dem Leser ein Gefühl für die Erzählzeit vermittelt und damit eindeutig darauf hinweist, daß im Zeitraffer berichtet wird. Auch der Tempowechsel bei der Schlachtfeldbegehung ist für den Leser eindeutig erkennbar. Mit dem sed Germanicus cedentem in avia Arminium secutus nun läßt Tacitus die Leserschaft völlig im Regen stehen: Verfolgt Germanicus die Germanen nur ein paar Minuten, ehe es zur Schlacht kommt? Oder Stunden? Oder Tage?
Tacitus verdichtet häufig genug. Aber hier haben wir offenbar eine verlustbehaftete sprachliche Komprimierung, da die Dauer dieser Verfolgungsjagd sicherlich kein ganz unwesentlicher Aspekt ist, zumal im Kontext des dramaturgischen Tempowechsels. Ist Tacitus ein so schlechter Erzähler?
Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt: Einen Satz vorher fährt Tacitus das Tempo ja ganz auf Null herunter mit dem Verweis auf Tiberius und dessen retrospektive Kritik an Germanicus' Verhalten. Was soll dieser Einschub? Ich würde ihn ja verstehen, wenn Tacitus sagen wollte: Im Gegensatz zu des Caesars Befürchtung war das Heer nach der Bestattung der Gefallenen der clades variana keineswegs zaghaft und in seiner Kampfeslust geschwächt, sondern ging sogar mit noch mehr Eifer daran, Arminius und seine Germanen zu verfolgen. Stattdessen ein dürres sed Germanicus cedentem in avia Arminium secutus, das auch keinerlei Einblick liefert in die Gefühlslage des gemeinen Legionärs.
 
Warum sollte Tacitus deswegen ein schlechter Erzähler sein? Tacitus ist jemand, bei dem man stellenweise tatsächlich jedes Wort auf die Goldlwaage legen kann bzw. sogar muss. Etwa bei seinem dem Urteil der Römer über Augustus anlässlich seines Todes. Aber an anderen Stellen muss man einfach konstatieren, dass es nicht viel zu berichtet gab. Arminius wich aus, Germanicus verfolgte ihn. Das ist erstmal ziemlich ereignislos. Als im Jahr 16 Germanicus von der Ems zur Weser zieht, berichtet Tacitus erst mal nur davon, dass man bei der Emsüberquerung Schwierigkeiten hatte und dass die Angrivarier Stress machten (wobei einiges dafür spricht, dass die Ampsivarier gemeint sind, aber: anderes Thema). Im nächsten Satz steht man schon an der Weser Arminius gegenüber. War Tacitus deswegen ein schlechter Erzähler? Nein, es war einfach nicht relevant. Es war seiner Leserschaft doch egal, ob Germanicus drei oder fünf Tage marschiert ist. Dass die Legionäre jeden Abend schanzten, dass man sich versorgen musste etc., war auch jedem klar und musste nicht berichtet werden.
 
Müssen wir bei dem in Ann. I, 63 beschriebenen Geschehen überhaupt von einem singulären und auf wenige Stunden zusammengedrängten Ereignis ausgehen?
Meiner Meinung nach ja.

Wäre nicht auch denkbar, daß Tacitus zum vorherigen Erzähltempo zurückkehrt? Daß er schildern will, wie Germanicus sein Heer so weitermachen läßt wie vor der Bestattungsaktion? Daß Reiterei und Leichtbewaffnete ausschwärmen, die noch unorganisierten Germanen vor sich her treiben, sie in kleinen Gruppen stellen sollen, woimmer und wannimmer möglich? Daß Arminius, obwohl mittlerweile am Ort des Geschehens eingetroffen, sich zunächst noch treiben lassen muß (vielleicht aber auch treiben lassen will, solange die Richtung stimmt), noch Ordnung in das Chaos der versprengten Brukterergruppen bringen muß, aber auch darauf vertrauen kann, daß er von Tag zu Tag stärker wird, weil sich hinter ihm die Hauptmacht seiner Truppen sammelt? Daß Arminius dann irgendwann sich mit seiner Verstärkung vereint wendet und nun seinerseits die römische Kavallerie vor sich her treibt, der es nicht gelingt, sich mit den anderen Kontingenten zu treffen und organisiert solange Widerstand zu leisten, bis Germanicus mit der schweren Infanterie eintrifft und eingreifen kann? Daß es Arminius beinahe gelingt, die Römer in sumpfiges Terrain abzudrängen, wo sie ihm nicht mehr entkommen könnten, dann aber doch Germanicus noch rechtzeitig mit ausreichend Verstärkung aufmarschiert und die Reiterei heraushaut (wobei in diesem Szenario Arminius sich recht schnell zurückziehen müßte, weil offenbar noch nicht stark genug für eine Entscheidungsschlacht mit Germanicus' Legionen, und das Heraushauen also eher Scharmützelcharakter hätte)? Daß Tacitus also ein Geschehen beschreibt, das sich über etliche Tage hinzieht anstatt nur ein paar Stunden, das nicht eine einzelne Schlacht umfasst, sondern vielmehr eine Abfolge von kleineren Gefechten?
Die Schlüsselstelle ist sicherlich

Muß sich ubi primum copia fuit auf einen konkreten Ort beziehen? Das würde natürlich eine Kausalkette initiieren, die das Vorstürmen der Reiterei, das Zurückweichen des Arminius, den Gegenangriff von dessen zweiter Schlachtreihe, die scheiternde Unterstützung durch die leichtbewaffneten Verbände, das drohende Zurückdrängen in den Sumpf und die Rettung durch Germanicus' Auftauchen in einen engen lokalen und zeitlichen Zusammenhang stellt.
Die Schlüsselstelle, aus der sich meiner Meinung nach primär ergibt, dass es sich um ein einziges Gefecht handelte, ist "evehi equites campumque, quem hostis insederat, eripi iubet": Der Feind hatte ein Feld bzw. eine Ebene besetzt, und Germanicus befahl der Reiterei die Säuberung. Es ist nicht davon die Rede, dass er die Reiterei ausschwärmen ließ, um die Germanen anzugreifen, wo immer sie ihrer habhaft wird, sondern es ist von EINEM Feld die Rede. Tacitus schreibt nicht, dass der Feind eine Gegend (z. B. "regio", allenfalls "ager") besetzt hielt, die Germanicus von der Reiterei säubern ließ, sondern er schreibt von einem campus, also einer eher überschaubaren Fläche.
Weiters schreibt Tacitus nicht, dass es der von Arminius vor sich hergetriebenen römischen Kavallerie nicht gelungen sei, sich mit den anderen Kontingenten zu treffen, sondern er schreibt von "missaeque subsidiariae cohortes", also Kohorten, die ausdrücklich "entsandt" wurden, offenbar zur Hilfe.

Was Zeitraffer/Zeitlupe betrifft: Wenn man, wie ich, davon ausgeht, dass kaum etwas vorgefallen ist, es insbesondere keine Schlacht gab, sondern nur ein kleines Scharmützel, ist die Schilderung ausführlich genug. Ich vermute, dass einerseits die Reiterei rasch umkehrte, als die Germanen aus dem Wald hervorbrachen, und sich in kein großes Gefecht einließ, andererseits die verfolgenden Germanen rasch umkehrten, als sie den Legionen zu nahe kamen, statt sich auf eine Schlacht einzulassen. Was hätte Tacitus daraus Großes machen sollen?

Stimmt, Arminius war es der sich in das Unwegsame begeben hat, um dann in dem Unwegsamen zu sein, und Germanicus hat ihn dabei verfolgt. Also kamen beide aus dem Wegsamen.
Anderenfalls müssten wir Tacitus ob der Beliebigkeit, mit der er die Fälle verwendet, unterstellen, dass bei ihm der Akkusativ den Dativ sein Tod wäre.
Also eigentlich lässt sich aus der Stelle nur herauslesen, dass Arminius von einer weniger unwegsamen Gegend in eine unwegsame zog. Tacitus schreibt aber nirgendwo, dass Germanicus dem Arminius davor schon auf den Fersen geklebt wäre, sich also in derselben Gegend befunden hat wie Arminius. (Das ist wohl Deine Annahme, weil Du davon ausgehst, dass sich Arminius davor unmittelbar beim Varus-Schlachtfeld aufhielt, wo bekanntlich Germanicus verweilte. Das ergibt sich aus dem Text allerdings nicht.) Germanicus kann durchaus aus einer auch schon unwegsamen Gegend Kurs auf die unwegsame Gegend genommen haben, in die sich Arminius aus einer wegsameren zurückzog.

Ravenik, dass es wiederum gar nicht zum Kampf gekommen wäre, überzeugt mich auch nicht, fassen die Römer nicht wieder Vertrauen zum Kampf, könnte es nicht sein, dass die zuerst fliehende Reiterei umschwenkte, und wieder die germanische attackierte,
und diese dann nach kurzem Gefecht aufgab, und wendete?
Davon steht bei Tacitus nichts und passt nicht zu seiner Schilderung, wonach die Germanen die Römer offenbar so lange verfolgten, bis die Legionen auftauchten.

Mich irritiert das zweimalige Auftauchen des Wortes Schlacht (Schlachtreihe bei den Germanen, Schlachtordnung bei den Römern), das auf Infanterietruppenkörper in Gefechtsstellung hinweist, die von beiden Seiten dann nicht in den "unentschiedenen Kampf" eingegriffen hätten?
Wo steht das? Ich lese nur von einer "nova acie".

Gerade wenn es sich bei den Germanen, wie von Dir vermutet, primär um Reiter oder Plänkler handelte, ist klar, wieso die aufmarschierenden Legionen nicht in den "unentschiedenen Kampf" eingreifen konnten: Wenn die Germanen vor den Legionen flohen, waren die schweren Legionäre unmöglich in der Lage, fliehende Reiter und Plänkler einzuholen und zum Kampf zu zwingen.

Wenn die römische Gesamtmacht eine Chance hatte, das Arminiusbündnis zu stellen, dann doch dort, man lässt die acht Legionen nicht zur Schlacht aufstellen, um dann den Reitern zuzuschauen und Wetten auf sie abzuschließen.
Da Arminius einen Teil seiner Truppen im Wald versteckt hatte, konnte Germanicus nicht wissen, dass er den ganzen Feind vor sich hatte. Er sah offenbar nur die Germanen auf dem Feld. Gerade wenn es sich bei ihnen, wie von Dir vermutet, um Reiter oder Plänkler handelte, wäre es sinnlos gewesen, die Legionen gegen sie zu schicken. Germanicus sah offenbar eine überschaubare feindliche Truppe und hielt die Reiter für geeignet und ausreichend, um gegen sie vorzugehen.
 
Tacitus schreibt aber nirgendwo, dass Germanicus dem Arminius davor schon auf den Fersen geklebt wäre, sich also in derselben Gegend befunden hat wie Arminius. (Das ist wohl Deine Annahme, weil Du davon ausgehst, dass sich Arminius davor unmittelbar beim Varus-Schlachtfeld aufhielt, wo bekanntlich Germanicus verweilte. Das ergibt sich aus dem Text allerdings nicht.) Germanicus kann durchaus aus einer auch schon unwegsamen Gegend Kurs auf die unwegsame Gegend genommen haben, in die sich Arminius aus einer wegsameren zurückzog.

Sonst bin ich da ja ganz bei dir, aber davon bin ich allerdings auch immer ausgegangen, dass Arminius sich bei der Bestattung der Varuslegionen beobachtend in der Nähe befunden haben muss. Das ergab und ergibt sich für mich immer noch aus dem Zurückziehen und Verfolgen.
 
Ausschließen kann ich es natürlich nicht, Tacitus schreibt ja nichts darüber. Ich bin aber eher skeptisch, dass Germanicus das Varus-Schlachtfeld besucht, besichtigt und die Leichen begraben lassen hätte, wenn Arminius ganz in der Nähe stand. Schließlich musste er damit rechnen, dass seine Soldaten schockiert und niedergeschlagen sein würden und im Falle eines Angriffs den Ort als Unglücksort und schlechtes Omen betrachten würden. (Die Römer waren da ja recht empfindlich. Wenn sie Jahrestage von großen Niederlagen als Unglückstage mieden, dann werden sie sich kaum auf den Örtlichkeiten von großen Niederlagen behaglich gefühlt haben.) Wenn er hingegen damit rechnen konnte, dass bis zum Feindkontakt noch einige Zeit vergehen würde, konnte er hoffen, dass sich seine Soldaten wieder beruhigt hätten und sich vielleicht ihr Schock sogar in Rachedurst gewandelt hätte.
 
Hallo Ravenik, zu deiner Frage bezüglich des Wortes Schlacht, ich stütze mich auf meine Tacitus-Übersetzung (Magnus-Verlag, übersetzt von Wilhelm Bötticher und bearbeitet von Andreas Schäfer), dort lässt Arminius die zweite Schlachtreihe hervorbrechen, die die römische Reiterei verwirrt, und Germanicus lässt die Legionen in Schlachtordnung antreten. Falls dies fehlerhaft übersetzt ist, dann hat sich dies erledigt.
Da Arminius einen Teil seiner Truppen im Wald versteckt hatte, konnte Germanicus nicht wissen, dass er den ganzen Feind vor sich hatte. Er sah offenbar nur die Germanen auf dem Feld. Gerade wenn es sich bei ihnen, wie von Dir vermutet, um Reiter oder Plänkler handelte, wäre es sinnlos gewesen, die Legionen gegen sie zu schicken. Germanicus sah offenbar eine überschaubare feindliche Truppe und hielt die Reiter für geeignet und ausreichend, um gegen sie vorzugehen.
Das ist insofern richtig, dass er die Reiterei gegen Reiterei schickt, wie gut Germanicus Aufklärung war, offensichtlich nicht gut genug, ist schwer zu beurteilen, wenn er Arminius bei den Truppen auf dem Feld vermutet, wird die Hauptmacht nicht weit sein. Kurze Zeit später sind alle acht Legionen in Schlachtordnung angetreten, und es kommt zum Kampf, und man trennt sich unentschieden. Vorrückende Kohorten, die in ein Reitergefecht eingreifen, und mit diesen dann im Verbund kämpfen, wäre eine Möglichkeit, wie dieser Kampf ausgesehen haben könnte.
Davon steht bei Tacitus nichts und passt nicht zu seiner Schilderung, wonach die Germanen die Römer offenbar so lange verfolgten, bis die Legionen auftauchten.
Meine Überlegungen, die natürlich nur hypothetisch sind, beziehen sich darauf, dass Tacitus von einem unentschiedenen Kampf spricht - es ist durchaus möglich, dass es gar nicht eigentlich zu einem Kampf kam, sondern nur zu Verfolgung, Zurückweichen, Umschwenken, Haltmachen und Flucht, nach deiner Interpretation deswegen unentschieden, weil keiner Seite ein wirkungsvoller Zug und Erfolg vergönnt war. Interessant wäre, ob Tacitus eine ähnliche Situation genauso beschreibt (bei Livius kenne ich es, dass zwei Parteien sich gegenüberstehen, nicht zur Schlacht entschließen sondern in ihr Lager zurückziehen, ähnlich auch bei Cäsar), mich hindert das Wort Kampf daran, deiner Version zuzustimmen. Daher meine Überlegung für ein kurzes Reitergefecht - die Männer fassen Vertrauen, die Feinde erfüllt Erschrecken, und man trennte sich nach unentschiedenem Kampf - stände dort, dass sich die Germanen zurückgezogen hätten, oder umschwenkten, wäre deine Version abgesichert. So bleibt vieles offen.
Das sich die Römer vor einem Kampf zurückzogen, jetzt, da sie Arminius gestellt haben, davon gehe ich nicht aus, auch wenn das strategische Ziel des Feldzugs (Strafgericht gegen beteiligte Stämme) undeutlich bleibt - manche Historiker interpretieren die Feldzüge gegen die Chatten und Brukterer in 15 AD als Versuch, den Boden zu bereiten für den Feldzug an die Weser in den Kernraum der Cherusker im folgenden Jahr, um keinen Feind mehr im Rücken zu haben während dieses Aufmarsches - glaube ich nicht, dass das römische Heer eine Schlacht vermieden hätte, auf offensichtlich nicht ganz ungünstigem Terrain, wenn schon jetzt das Ziel, das man sich eigentlich für das nächste Jahr gesetzt hatte (Niederlage der Arminius-Koalition), schon jetzt möglich war. Auch Arminius brauchte einen Sieg, seine Frau und sein Sohn waren in der Hand der Römer, vor Segestes Oppidum hatten seine Truppen eine Niederlage erlitten, und die Arminius-Koalition hatte Chatten, Marser und Bructerer nicht vor den Feldzügen der Römer schützen können.
 
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Hallo Ravenik, zu deiner Frage bezüglich des Wortes Schlacht, ich stütze mich auf meine Tacitus-Übersetzung (Magnus-Verlag, übersetzt von Wilhelm Bötticher und bearbeitet von Andreas Schäfer), dort lässt Arminius die zweite Schlachtreihe hervorbrechen, die die römische Reiterei verwirrt, und Germanicus lässt die Legionen in Schlachtordnung antreten. Falls dies fehlerhaft übersetzt ist, dann hat sich dies erledigt.
Nicht unbedingt fehlerhaft, aber sehr frei. An der ersten Stelle heißt es wortwörtlich übersetzt: "bald gab er das Zeichen hervorzubrechen denen, die er in die Wälder versteckt hatte", an der zweiten: "wenn nicht Caesar die vorgeführten Legionen aufgestellt hätte".

mich hindert das Wort Kampf daran, deiner Version zuzustimmen
Von einem "Kampf" steht da eigentlich auch nichts.

Das sich die Römer vor einem Kampf zurückzogen, jetzt, da sie Arminius gestellt haben, davon gehe ich nicht aus [...] glaube ich nicht, dass das römische Heer eine Schlacht vermieden hätte, auf offensichtlich nicht ganz ungünstigem Terrain, wenn schon jetzt das Ziel, das man sich eigentlich für das nächste Jahr gesetzt hatte (Niederlage der Arminius-Koalition), schon jetzt möglich war.
Wie ich schon früher geschrieben habe, kann man sich im Krieg eher selten wirklich frei aussuchen, wann und wo man eine Schlacht schlägt. Wenn man den Gegner nicht aus irgendeinem Grund zur Schlacht zwingen kann (z. B. durch einen Hinterhalt, indem man seine Hauptstadt belagert, ihn vom Nachschub abschneidet oder einen Ort besetzt, den er unbedingt passieren muss), ist man darauf angewiesen, dass er sich ihr stellt.
Im konkreten Fall: Was konnte Germanicus denn Deiner Meinung nach machen, wenn Arminius es nicht auf eine große Schlacht ankommen lassen wollte, sondern seine Truppen wieder zurückzog? Seine Legionäre den sich zurückziehenden Germanen nachlaufen lassen? Sie konnten wohl kaum schneller marschieren als die Germanen. Seine Reiterei und seine (eventuell beweglicheren) Hilfskohorten waren wohl von der Flucht erschöpft und verstört und mussten sich erst sammeln.

Auch Arminius brauchte einen Sieg, seine Frau und sein Sohn waren in der Hand der Römer, vor Segestes Oppidum hatten seine Truppen eine Niederlage erlitten, und die Arminius-Koalition hatte Chatten, Marser und Bructerer nicht vor den Feldzügen der Römer schützen können.
Einen Sieg hätte er zwar brauchen können, aber vor allem brauchte er keine große Niederlage, die ihm gedroht hätte, wenn er sich den Römern auf offenem Feld zur Schlacht gestellt hätte. Wenn schon, dann hätte er wenigstens vernünftig aufmarschieren müssen und nicht seine die fliehenden Römer verfolgenden (und wohl dementsprechend ungeordneten und allmählich ermüdeten) Leute auf die aufmarschierenden Legionen werfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In diesem Sinne ist es lohnenswert, mal im bello gallico die Kapitel vor Caesars Schlacht gegen Ariovist zu lesen.
 
Hallo Ravenik,
da sieht man, wie eine Übersetzung alles verändert, eine Übersetzung im Internet spricht weder von Kampf, noch von einem Unentschieden (gottwein.de):
Das Erscheinen der neuen Schlachtlinie brachte die Reiterei in Verwirrung; die ihr zugeschickten Hilfskohorten waren schon von dem Strom der Fliehenden fortgerissen und mehrten die Bestürzung, und bereits waren sie daran, in einen den Siegern bekannten, für die Unkundigen gefährlichen Sumpf gedrängt zu werden, als der Caesar die Legionen aufmarschieren ließ. Das machte bei den Feinden Schrecken, bei denen Soldaten Zuversicht, und man trennte sich ohne Entscheidung. Bei mir in der Übersetzung steht "nach unentschiedenem Kampfe".
In dieser Form kann ich deine Version akzeptieren, eines Scharmützels ohne besonderes Gewicht, mehr Einzelkämpfe als auch nur der Beginn einer Schlacht.
Ich betonte, dass sich wahrscheinlich nicht die römischen Legionen zurückzogen, sondern das germanische Bündnis, nicht weil ich denke, Germanicus hätte Mittel ausgelassen, um die Schlacht herzustellen, ich bin ganz deiner Meinung, dass es nicht sinnvoll ist, die Legionen zur Verfolgung zu schicken, wenn dann im Verbund mit der Kavallerie und den Hilfskohorten, Plänklern und Fernkämpfern, sondern weil ihn keine militärische Unterlegenheit dazu zwang. Trotzdem , warum bricht Germanicus die Verfolgung, das Nachziehen sofort ab - weil er sieht, dass Arminius ihm ausweicht? Weil die Proviantkolonnen fehlen (Delbrück)? Dass er ihn (dort, zu dieser Zeit?) nicht stellen kann? Tacitus bleibt da unbestimmt - wenn man Germanicus Gedanken und Planungen von 16. AD anschaut, wird man etwas schlauer (Annalen 2, 5-10): In ordentlicher Feldschlacht und auf angemessenem Gelände schlage er die Germanen; was jenen helfe, seien Wald und Sumpf, kurzer Sommer und früher Winter. Sein Heer leide nicht so sehr durch das feindliche Schwert als durch weite Märsche und Verlust an Waffen. Gallien sei der Lieferung von Pferden müde. Ein langer Tross verlocke zu Überfällen und sei eine Last für die, die ihn zu decken haben.

Komme er aber über das Meer, so sei ihnen selbst die Besitzname leicht, dem Feind aber unbekannt. Auch würde der Krieg früher im Jahr begonnen und Legionen und Vorräte miteinander fortgebracht; Reiter und Pferde werden die Flüsse heraufkommen und frisch und ungeschwächt mit einem Mal mitten in Germanien sein.

Das sind die Schlussfolgerungen aus den Feldzügen der beiden Jahre davor, wahrscheinlich war es zu spät im Jahr, um die Verfolgung fortzusetzen, das Heer stützte sich auf Proviantkolonnen, weniger auf die Versorgung mit Schiffen (von Aliso aus, und vom Basislager an der Ems, Meppen?), die langen Märsche hatten die Legionen und Reiter ermüdet. Die Aufteilung in drei Kolonnen auf dem Rückweg geschah mit Sicherheit auch, um die Versorgung aus dem Land auf drei Wegstrecken zu erleichtern.
 
Die Schlüsselstelle, aus der sich meiner Meinung nach primär ergibt, dass es sich um ein einziges Gefecht handelte, ist "evehi equites campumque, quem hostis insederat, eripi iubet": Der Feind hatte ein Feld bzw. eine Ebene besetzt, und Germanicus befahl der Reiterei die Säuberung.
Ja, Du hast Recht, diese Stelle läßt keine andere Interpretation zu: ein Feld wird genannt, das allein deshalb schon überschaubar groß gewesen sein muß, da von so wenigen Feinden besetzt, daß die Reiterei allein genügen sollte, sie zu schlagen.
Warum sollte Tacitus deswegen ein schlechter Erzähler sein?
Kein guter jedenfalls, da jegliche Überleitung fehlt und ebenso jeder Hinweis auf die Dauer der Verfolgung. So bleibt für den Leser rätselhaft, ob das folgende Scharmützel sich in unmittelbarer Nähe des Tumulus abspielt oder vielleicht doch etliche Tage später und viele Meilen entfernt.
Als im Jahr 16 Germanicus von der Ems zur Weser zieht, berichtet Tacitus erst mal nur davon, dass man bei der Emsüberquerung Schwierigkeiten hatte und dass die Angrivarier Stress machten [...]. Im nächsten Satz steht man schon an der Weser Arminius gegenüber.
Ja, auch hier überspringt Tacitus die Beschreibung eines offenbar ereignislosen Marschs. Im Gegensatz zu Ann. I, 63 aber benennt Tacitus hier klar einen Ort und verdeutlicht so dem Leser eben, daß er einen tagelangen ereignislosen Marsch ausgelassen hat.
 
Kein guter jedenfalls, da jegliche Überleitung fehlt und ebenso jeder Hinweis auf die Dauer der Verfolgung. So bleibt für den Leser rätselhaft, ob das folgende Scharmützel sich in unmittelbarer Nähe des Tumulus abspielt oder vielleicht doch etliche Tage später und viele Meilen entfernt.

Für den Leser bleibt auch rätselhaft, ob Germanicus vor der Scharmützel Käse oder Schinken zum Abendbrot verzehrt hat. Ist deswegen Tacitus ein schlechter Erzähler?

Wir sollten doch versuchen, Tacitus aus dem Blickwinkel seiner damaligen Leser zu verstehen.
Tacitus konnte nicht ahnen, dass germanische Leser 2000 Jahre später seine Texte verzweifelt nach Hinweisen durchforsten würden, wo denn nun genau welches Ereignis stattgefunden hat.
Seinen damaligen Lesern war doch wurscht, ob das Scharmützel 15 oder 75 Meilen vom Tumulus entfernt war. Deswegen hat niemand zu "rätseln" angefangen.

Wir wissen nicht, ob Tacitus genaue Informationen zum zeitlichen Ablauf und zu Entfernungsangaben vorlagen.

Aber selbst wenn sie ihm vorlagen, wäre er kein guter Erzähler gewesen, wenn er seinen Text mit Informationen vollgestopft hätte, mit denen seine Leser nichts anfangen konnten und die sie eher gelangweilt hätten.
 
Kein guter jedenfalls, da jegliche Überleitung fehlt und ebenso jeder Hinweis auf die Dauer der Verfolgung. So bleibt für den Leser rätselhaft, ob das folgende Scharmützel sich in unmittelbarer Nähe des Tumulus abspielt oder vielleicht doch etliche Tage später und viele Meilen entfernt.

Es war ihm eben nicht wichtig.
 
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