Bernsteinhandel

Wenn ich der These folge, dass das Egtvet-Mädchen tatsächlich aus dem Schwarzwald-Raum stammt und ihre Reisebereitschaft möglicherweise in einen Fernhandels-Kontext einzuordnen ist, stellt sich mir die Frage, was da zwischen bronzezeitlichen Dänen und Badenwürttembergern "verhandelt" worden sein könnte?

Aus Jütland erscheint Bernstein als begehrtes Handelsgut sehr plausibel. Und einfach mal spekuliert vielleicht ja auch via Nordhandel Walross-Elfenbein, oder Pelze ...

Der Kern-Schwarzwald hingegen erscheint mir Nicht-Experten, nach Befragung von Freund googelus, auf den ersten Blick jedoch als ziemlich weißer Fleck auf der bronzezeitlichen Europa-Karte. Bis auf wenige lokale Hinweise, sehr vereinzelter Abbau von Erzen (z.B. Kelten bei Neuenbürg/schon eisenzeitlich) und Salz (Reichenhall) scheint der Archäologie bislang noch kein wirklich "dicker Fisch" ins Netz gegangen zu sein - gerade das damals begehrte Kupfer ist kaum/nicht nachweisbar abgebaut worden.
Oder liege ich mit diesem Wissensstand völlig daneben?
Gab es andere Güter die den Schwarzwald-Raum damals attraktiv gemacht haben könnten?

Einen Hinweis, dass es möglicherweise doch viel umtriebiger im Schwarzwald zugegangen sein könnte liefert evtl. eine Pollenanalyse von Karseen aus dem Nord-Schwarzwald, die auf offensichtlich signifikant einsetzenden Rückgang bzw. Veränderungen der Waldstruktur in der Bronzezeit schließen lässt, und mit Bergbau in Verbindung gebracht wird.
Denkmalpflege Baden-Württemberg: Wald und Mensch ? eine lange und wechselhafte Beziehung
Demzufolge wären hochattraktive Handelsgüter wie Kupfer, Silber, Gold, ... zumindest denkbar.

Ob dann als Enpunkt einer Handelsbeziehung nach Jütland, oder eben einer lokalen Machtstruktur mit der sich ein Bernstein-Fernhändler gerne gut stellen wollte, als Zwischenstation entlang der "Nord-Süd-Autobahn" von Nordsee/westlicherOstsee zum Mittelmeer via Rhein und Rhone - beides erschiene mir dann durchaus plausibel.

Ergo, wie schon @augusto (s.o) bezüglich eines Kupferschlacke-Fundes in Schweden mit möglicher Herkunft aus Wolfach anregte: also mal ran an die Spaten im Schwarzen Wald!
Oder hat hier nur Freund Zufall zugeschlagen und auf mal so gar nicht materiell wie profitorientert motivierte Weise schlicht einen herrlich unerklärbaren Amor-Pfeil verschossen... ;)

Anm.: Bei Gaggenau im Nordschwarzwald gibt es übrigens einen Berg namens "Bernstein" wie auch einen Ort "Bernbach" - für beides wird jedoch eine Abstammung vom althochdeutschen "bero" für "Bär" angenommen.
Wäre ja auch zu schön gewesen wenn es auf einen Hortfund zurück gehen würde... :red:
 
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Rund um den Bodensee und überhaupt circumalpin hat man doch jede Menge neolithischer und bronzezeitlicher, vereinzelt auch noch früheisenzeitlicher Pfahlbau- und Feuchtbodensiedlungen/Terramare. Der Rhein als Handelsroute hat ja eigentlich immer funktioniert.
 
@el quijote
Kein Widerspruch dazu, stimme ich uneingeschränkt zu.
Doch im Zuge der Thesen rund um die Mobilität des Egtved-Mädchens wird u.a. auch eine "politische" Verheiratung oder der dergleichen in Betracht gezogen, die der Festigung von Handelskontakten gedient haben könnte.

Davon ausgehend, wenn ich als Jütländer Bernstein anbieten kann, was bekomme/will ich andernorts dafür haben? Güter? Sicheres Geleit und Durchzugsrechte?
 
Bernstein als Zahlungsmittel hört sich interessant an - welche Indizien sprechen dafür?
Für die Bronzezeit wird dies ausführlich in der weiter oben verlinkten schwedischen Studie diskutiert, die identifizierten schwedischen Kupferquellen dortige Bernsteindepots gegenüberstellt. Die entsprechende Karte (Bernsteindepots durch gelbe Schraffierung gekennzeichnet) ist angehängt.
Bernsteinhandel in den Kaukasus und nach Mesopotamien wird zwar öfters erwähnt, scheint aber noch wenig erforscht. Ein bisschen dazu findet sich hier: https://books.google.de/books?id=P_Ixuott4doC&pg=PA80&lpg=PA80&dq=Baltic+amber+prehistory+Georgia&source=bl&ots=bxBtIaE-ML&sig=qFqIXmEsuJbU99bOwzOFBYQEaFk&hl=de&sa=X&ei=sZxlVceZM8S5UdbjgOgC&ved=0CCAQ6AEwADgK#v=onepage&q=Baltic%20amber%20prehistory%20Georgia&f=false

Die Zahlungsmittelfunktion ist eigentlich so altbekannt, dass ich zunächst gar nicht weiter nach Belegen geguckt hatte.
Bernstein
Wenn ich es richtig erinnere, ist ein Argument das häufige Vorkommen von Ketten aus konisch geschliffenen, länglichen, längs aufgefädelten Bernsteinperlen (beads) mehr oder weniger standardisierter Größe (0,5-1 cm Länge). Diesen Ketten wird, ähnlich wie Kaurimuschel-Ketten, primär Zahlungsmittelfunktion und nur sekundär Schmuckfunktion zugeschrieben, weil die Form der beads sich tendenziell negativ auf Lichtdurchlässigkeit und Reflektion des Bernsteins auswirkt.

Folgende Studie diskutiert Bernsteinhandel in/mit der iberischen Halbinsel, aber auch im paneuropäischen Kontext, ab dem Neolithikum, vor dem Hintergrund der dortigen Funde baltischen (Kantabrien, Andalusien) und sizilianischen (Andalusien, Katalonien, Baskenland) Bernsteins. [Die Karte auf S.198, und die nachfolgende Diskussion zum eisenzeitlichen Handel zwischen Ostsee und der nördlichen Adria könnte Dich, dekumatland, und andere ebenfalls interessieren].
Amber Sources and Trade in the Prehistory of the Iberian Peninsula | Mercedes Murillo-Barroso - Academia.edu
Hier eine Diskussion zum Bernsteinhandel mit der Ägäis ab ca. 3.000 v. Chr. (Kugelamphoren-Kultur). Die typischen beads treten erstmals mit der Glockenbecher-Kultur auf, ja sind für sie charakteristisch. Ihr Vorkommen in Grabfunden ist nicht an sozialen Status gekoppelt:
http://www.staff.amu.edu.pl/~praeur...1/AMBER BETWEEN THE BALTIC AND THE AEGEAN.pdf

Für weiter zurückliegende Epochen wird die Beleglage dünner, u.a., weil Bernsteindepots nicht direkt, sondern nur über den Fundzusammenhang datierbar sind. Hier sind v.a. der schon erwähnte Fund aus Kükhoven/ Rheinland, daneben Bernsteinfunde in süddeutschen Pfahlbausiedlungen zu nennen. Dazu, eher pauschal History Database Search - trade and transport in prehistoric Europe=
Social relations among farmers and among the increasing complex hunter-gatherer communities demanded a supply of materials, such as shells, attractive stone, amber, gold, and copper, that could be made into personal ornaments and display goods, as well as exotic artifacts such as nonlocal pottery. During the fifth to third millennia these needs promoted the development of trading networks to ensure the regular supply of these goods.
---
Zu "Fernheiraten" in der Bronzezeit noch folgender Fund aus den Niederlanden (S. 389; S. 397 diskutiert allgemein dortige Bernsteinfunde, insbes. südl. Drenthe):https://www.google.de/url?sa=t&rct=...=blQAAXdBPT-kpHS9SeiwcA&bvm=bv.93990622,d.d24
One of the few examples of such rich female graves found in the Netherlands is that of the 'Weerdinge Lady', which yielded a string of amber beads, a bronze bracelet and four pins, including two with wheel-shaped heads. What makes this grave so unusual is that it contained a combination of objects that would cause no surprise in northern Hessen or Thüringen, but is in fact highly exceptional in the Netherlands. This led Butler to conclude that the 'Weerdinge Lady' was actually a 'Lady from Hessen', who had married a native chieftain.
Ja, ja, die Holländer und die Hessen(-Nassauer)...
 

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Die Zahlungsmittelfunktion ist eigentlich so altbekannt, dass ich zunächst gar nicht weiter nach Belegen geguckt hatte.
Bernstein
Wenn ich es richtig erinnere, ist ein Argument das häufige Vorkommen von Ketten aus konisch geschliffenen, länglichen, längs aufgefädelten Bernsteinperlen (beads) mehr oder weniger standardisierter Größe (0,5-1 cm Länge). Diesen Ketten wird, ähnlich wie Kaurimuschel-Ketten, primär Zahlungsmittelfunktion und nur sekundär Schmuckfunktion zugeschrieben,
das war mir neu, Bronzezeit ist ein recht weißer Fleck auf meiner Karte... ich hab mir auf die Schnelle Bernstein ? Wikipedia durchgelesen: Zahlungsmittel wohl im Sinne von Handelsgut, Tauschobjekt.
 
Rund um den Bodensee und überhaupt circumalpin hat man doch jede Menge neolithischer und bronzezeitlicher, vereinzelt auch noch früheisenzeitlicher Pfahlbau- und Feuchtbodensiedlungen/Terramare. Der Rhein als Handelsroute hat ja eigentlich immer funktioniert.
Es wird auch immer wieder gerne über eine prähistorische Handelsroute Hamburg-Marseille spekuliert - der eine oder andere Bohlenweg in der norddeutschen Tiefebene läge ziemlich gut auf der Strecke. So ab Köln wäre es rheinaufwärts gegangen, am Schwarzwald vorbei und dann entweder durch die Burgundische Pforte oder durch die Westschweiz zur Rhone. Auf diesem Weg könnte sowohl sardisches Kupfer (gesichert, in größeren Mengen) als auch solches aus dem massif central (vermutet) seinen Weg nach Dänemark und Schweden gefunden haben (siehe die Karte in meinem vorangegangen Beitrag).
Zahlungsmittel wohl im Sinne von Handelsgut, Tauschobjekt.
Jein - die Standardisierung der beads deutet auch auf die Funktion der monetären Recheneinheit hin, und der Wertaufbewahrung/ Ersparnisbildung diente Bernstein allemal.
Jedoch war Bernstein sicher nicht das einzige Zahlungsmittel. Standardisierte kupferne "Ösenringe" aus Tirol und aus den slowakischen Westkapaten hatten ähnliche Funktionen: http://www.value-and-equivalence.de...Widerstreit/Hensler__Werte_im_Widerstreit.pdf,
Im Mittelmeerraum finden sich die standardisierten kupfernen Ochsenhautbarren. Weiterhin gibt es Anzeichen, dass zumindest regional Hallenser Briquetage (natürlich salzgefüllt) ebenfalls Zahlungsmittelfunktion zukam - im Havelgebiet findet sie sich nämlich noch und vor allem in Siedlungsfunden, an der Neisse aber nur noch als Grabbeigabe, was auf hohen zugemessenen Wert hindeutet.
Anders gesagt - jede Kultur hatte wohl ihre eigene "Sachwährung", die überregional/ interkulturell in andere "Währungen" getauscht wurde, wobei dann öfters, insbesondere in Mitteleuropa, mehrere "Währungen" parallel verwendet wurden. Zinnbarren aus Cornwall, Gold aus den Karpaten und Bosnien, mediterrane Muscheln, afghanischer Lapis Lazuli, im Neolithikum südalpiner Jadeit/ Grünstein, Obsidian aus Melos oder Lipari, skandinavische Pelze und anderes mehr dürften die "Währungsliste" komplementieren.

P.S: Weitere Informationen im angefügten Link - hier v.a. interessant die (noch am Anfang stehende) Diskussion zum bronzezeitlichen Wiege- und Meßsystem:
http://agbronzezeit.uni-goettingen.de/Abstracts/Brandenburg_Havel_2012_Abstracts.pdf
 
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Das Thema finde ich sehr spannend, unabhängig vom Bernsteinhandel, allerdings habe ich da grundsätzliche Fragen, und müsste mich erst einlesen.
Erste Frage, wie erklärt man sich die Ablösung des Bernsteins als "Zahlungsmittel"? Im Zusammenhang eines Zusammenbruchs bronzezeitlicher Internationaler Ökonomie und Tauschsystemen? Das Bild von der Bronzezeit hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert, daher kann man meiner Ansicht nur ergebnisoffen diskutieren.
Zum Thema frühzeitliche Zahlungssysteme: ab wann sprechen wir davon?
Wer gibt den Standard vor? Wer garantiert den Wert? Wie bildet sich ein Preis? Für welchen Markt? Das sind nur einige Fragen, die mich dann beschäftigen würden, wenn wir in das Thema der frühzeitlichen Ökonomie und des Warentauschs einsteigen würden.

Eher zurückhaltend gegenüber einer These eines großen Fernhandels am Ende der vorrömischen Eisenzeit mit Bernstein: http://www.academia.edu/10061636/Fr...schen_Raum_am_Ende_der_vorrömischen_Eisenzeit
 
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Die Vermischung findet sich allerdings schon bei Müller, aus dessen Text nicht klar hervorgeht, ob er die Parallelen zu "rim decoration pattern 12" aus "the eigth up to the 14th house generationoftheMerzbachtal–i.e.5150–4950calBC" nur für den Parower, oder auch den ebenfalls mit Randkerben versehenen, von Müller im Anschluss besprochenen Schlamersdorfer Pott zieht.

Müller gibt jedenfalls keinen Anlass zu einer Verwechslung.

Er unterscheidet klar zwischen linear pottery (Parow und Rittermannshagen) und Ertebølle pottery (Schlamersdorf) und betont auch noch extra, dass da Welten auseinanderliegen.

Worauf sich das Zitat bezieht, ist doch eigentlich klar.

Zur rheinischen Herkunft der Parow-Scherben habe ich noch eine skeptische Anmerkung gefunden:

Journal of Archaeology in the Low Countries


Für weiträumige Handelsbeziehungen von/ zur Ostsee schon im 5. Jtsd., und Bernstein als Zahlungsmittel bleiben aber diverse weitere Indizien - neben den schon vorerwähnten z.B. auch noch die Verbreitung von Adzen ("Scheibenbeilen") vom Rheinland in die Ertebolle-Kultur
Die Indizien für Import aus dem linksrheinisch-belgischen Raum sind laut Klassen:
- 2 Scherben aus Parow
- 4 Dechseln (engl. adzes) - 3 aus Schonen, 1 aus Seeland
- 1 Scheibenkeule aus Ringsted (Seeland)

Zu den Dechseln schreibt Klassen (S. 58): "Die Ansprache dieser Fundgruppe ist überaus problematisch, da nur schwer zu entscheiden ist, ob es sich bei diesen Objekten wirklich um Importe oder aber um lokale Kopien bandkeramischer flacher Dechseln handelt."
Und zur Scheibenkeule (S. 62): "Der seeländische Fund kann daher auf der Basis einer Formanalyse nicht sicher aus der belgischen Bandkeramik hergeleitet werden, aus der bis heute keine vergleichbaren Exemplare bekannt geworden sind".
Trotzdem hält Klassen (u. a. aufgrund der verwendeten Rohmaterialien) eine belgische Herkunft für wahrscheinlich.
 
Untenstehende "Antworten" sind nicht als gesicherte Aussagen, sondern v.a. als Arbeitshypothesen zu verstehen. Ich lasse mich gerne korrigieren.
Erste Frage, wie erklärt man sich die Ablösung des Bernsteins als "Zahlungsmittel"?
Durch "Monetarisierung", also echtes Münzwesen, ausgehend von der Ägäis (Lydien etwa 600 v.Chr., Ägina 550 v. Chr.), und dann nach und nach in Italien und bei den Kelten übernommen. Bernstein blieb aber wichtiges Handelsgut zwischen Germanen/Balten und dem römischen Reich.
[Hier ist übrigens interessant, dass Bernstein sowohl für Christentum als auch Islam bevorzugtes Material für Gebetsketten/ Rosenkränze darstellt -und zwar in einer Bernsteinform, die den beads sehr nahe kommt. Bemerkenswert auch das islamische "Opferritual".]
Härter als der Dollar - DER SPIEGEL 7/1949
Zum Thema frühzeitliche Zahlungssysteme: ab wann sprechen wir davon?
Gute Frage! Ich denke, das wichtigste Kriterium ist die Herausbildung eines wiedererkennbaren, allgemein anerkannten Standards. Bei Bernstein wären dies die beads, die mit der Glockenbecherkultur, also etwa um 2.600 v. Chr., aufkommen. Die geographisch weite Verbreitung dieser Kultur, von Portugal bis Ungarn, Sizilien bis Schottland, benötigte ökonomischen "Kitt". Ein Zusammenhang mit Kupfer-/Bronzeverarbeitung ist wahrscheinlich (u.a. Beginn des irischen Kupfer- und cornischen Zinnabbaus in der Glockenbecherkultur) - Bernstein macht sich als "Gegenwährung" nicht schlecht.
Bei Jadeit/Grünstein gehen wir in Europa ins 5. Jtsd. vor Christus zurück (ab wann in China?), Lazarusklapper aus dem Schwarzen Meer finden sich bereits bei den Bandkeramikern. Für Gold und Silber habe ich keine Idee, vielleicht kann jemand anders aushelfen.
Wer gibt den Standard vor?
Der entsteht über die Zeit, teils beim Kunden (das Zeug soll genauso aussehen wie beim Nachbarn), teils beim Produzenten (allmähliche Herausbildung standardisierter Fertigungstechnik). Interessant hier sind die Ösenringe, bei denen die Tiroler offenbar ein slowakisches Design buchstäblich "abkupferten". Die ersten Kupferäxte waren Imitationen von Grünstein-Äxten. Man legte Wert auf niedrigen Arsengehalt, damit das Kupfer möglichst schnell grün anlief (mehr dazu im Ötzi-Thread).
Praktische Aspekte (gut transportierbar, direkt am Körper tragbar) spielten natürlich auch eine Rolle, wie an Bernsteinketten und Ösen(hals)ringen ablesbar ist.
Wer garantiert den Wert? Wie bildet sich ein Preis?
War wohl wie heute beim Goldhandel: Keine Garantie, aber generelles Vertrauen in die Werthaltigkeit.
Wer hat im Nachkriegsdeutschland auf dem Schwarzmarkt den Wert der "Zigarettenwährung" garantiert?
Eher zurückhaltend gegenüber einer These eines großen Fernhandels am Ende der vorrömischen Eisenzeit mit Bernstein: Fragen zu Handelsrouten und Fernkontakten im ostgermanischen Raum am Ende der vorrömischen Eisenzeit | Piotr ?uczkiewicz - Academia.edu
Interessanter Link, sehr schöne Karten - was für Dich, dekumatland!
Mich stört allerdings die dortige Aussage des Fehlens von Zentralorten. Die keltische Siedlungskammer rund um Krakau (u.a. Salzsiederei, aber auch viel Metallhandwerk) ist von der polnischen Archäologie gut belegt, und zeichnet sich auch auf den Fundkarten deutlich ab. Ich wette, würde der Krakauer Burgberg abgetragen, würde man dort genau so einen Zentralort finden.
Die alte silingische bzw. schlesische Hauptstadt Niemcza dokumentiert schon mit ihrem Namen (kelto-?)germanische Siedlungskontinuität über die Völkerwanderungszeit hinweg. Da sollte es mich doch sehr wundern, wenn nicht auch zwischen der Zerstörung des dortigen oppidums um 500 v.Chr. und der Völkerwanderungszeit in der Nähe ein Zentralort gelegen hätte, auch wegen der gängigen Lokalisierung des von Tacitus beschriebenen Hains der Alcis auf dem nahegelegenen Zobtenberg.
Die These, es hätte keine festen und verwendbaren Wege im "tiefsten Barbaricum" gegeben, wiederlegt ein Blick auf die Karte des Prolemäus, auf der sich klar die Bernsteinstraßen nachverfolgen lassen (und z.B. Kalisch verzeichnet ist). "Die Annahme eines dauerhaft genutzten Seehandelsweges von der Westkeltiké bis zur Weichselmündung überzeugt nicht." Natürlich nicht - den gab es zwar in der Bronzezeit, und wieder bei den Wikingern, aber das "tiefste Barbaricum" zur Römerzeit war halt - ehm - "anders". Man musste ja auch um Skagen rum, die Wege zwischen Trave und Alster, und zwischen Schlei und Eider waren den Germanen unbekannt...

Vernachlässigt wird die bekannte Salzarmut Polens, die schon in der Steinzeit weiträumigen Salzhandel, entweder aus Krakau oder aus Halle/ Bernburg erforderlich machte (vgl. die gut dokumentierte frühmittelalterliche Salzstraße aus dem Elbe-Saale-Gebiet entlang Havel, Spree und Warthe nach Bydgosz an der unteren Weichsel, und korrespondierende bronzezeitl. Funde aus Rammelsberger Kupfer in Ost-Hinterpommern/ Pommerellen). Dass Salz und Bernstein gut zusammenpassen, wissen wir ja aus Hallstatt.
Das Eisenverhüttungsrevier im Kielcer Bergland, das vielen Autoren zufolge halb Germanien und Skandinavien versorgt haben soll, und mit einer nahegelegenen keltischen Siedlungskammer korrespondiert, kommt ebenfalls nicht vor: "Vielleicht wurden die Schwerter von Oblin lokal hergestellt? Diese Annahme setzt jedoch Adaption und Übernahme entsprechender fremder Techniken und die hierfür erforderlichen Werkzeuge voraus." Oder Wissen darum, dass das größte bekannte Eisenverhüttungsrevier nördlich der Alpen gleich um die Ecke lag.

Da hat jemand sehr schön kartiert, aber bei der Hintergrundrecherche ab und zu geschlafen. Einem Teil der Thesen (Wanderhandwerker, streckenweise Nutzung von Flüssen für den Warentransport) mag ich durchaus zustimmen. Die zunehmende Monetarisierung, einschließlich erster keltischer Münzprägung im heutigen Polen, hat sicherlich dem Bernsteinhandel nicht gut getan, und das Augenmerk von Massenware/ "beads" auf hochwertige Schmucksteine verschoben. Kriegsbedingte Unterbrechung der Handelsrouten (hier hätten neben/ vor den Boier-Kriegen u.a. der archäologisch recht gut fassbare Durchzug der Kimbern und Teutonen, daneben häufigere Skytheneinfälle Erwähnung finden können) kam öfters vor.
Die sehr skeptische Schlußfolgerung halte ich jedoch für überspitzt. Ohne regelmäßigen und lukrativen (Bernstein-)handel lassen sich weder die gotische Expansion entlang der östlichen Bernsteinstraße zum Schwarzen Meer, noch die mitteleisenzeitliche Migration der pommerschen Gesichtsurnenkultur von Zentralpommern sowohl zur Weichselmündung als auch nach Niederschlesien, noch die Aktivitäten Theoderichs zur Wiederbelebung des Handels mit dem Baltikum und Gotland befriedigend erklären.
Ein deutlich weniger zurückhaltendes Bild, zwar für die Völkerwanderungszeit, aber mit Rückblicken auf die Römerzeit, findet sich z.B. hier:
Trade, salt and amber. The formation of Late Migration Period elites in the ?Balti-culti? area of Northern Poland (the Elbl?g Group), [in:] People at the Crossroads of Space and Time (Footmarks of Societies in Ancient Europe), A. Bliujiene (ed.)

@Sepiola: Die Siedlungen der Ertebolle-Kultur lagen vorwiegend an der Küste, d.h. jetzt etwa 4-7 m unter dem Spiegel der Ostsee. Augrabung (wenn das der richtige Begriff ist) hat da in Deutschland gerade erst begonnen, in Schweden ist sie umweltrechtlich verboten. Viel mehr als Indizien, die sich aber mehr und mehr häufen, kann man da kaum erwarten. Es war vielleicht etwas unglücklich, Dich auf eine über 10 Jahre alte Publikation zu verweisen. In ein paar Jahren, wenn die Ausgrabungen unter der Wismarer und Lübecker Bucht vollständig ausgewertet sind, und die derzeit intensiven Grabungen im Oldenburger Graben weitere Funde zeigen, dürfte man klarer sehen.
Zur rheinischen Herkunft der Parow-Scherben habe ich noch eine skeptische Anmerkung gefunden:

Journal of Archaeology in the Low Countries
Du meinst den in Fußnote 8 erwähnten Fund einer ähnlichen Scherbe bei Wolfsburg? Dass das Design typisch rheinisch ist, bezweifelt bislang wohl kein Forscher. Dann bleibt die Frage, ob solche Töpfe über Wolfsburg, oder direkt aus dem Rheinland nach Parow gelangten. Ist eigentlich egal - Wolfsburg und das Rheinland liegen auch nicht gerade nebenan.
Davon abgesehen war mir Wolfsburg als bandkeramischer Siedlungsraum bislang unbekannt. Eigentlich siedelten die Bandkeramiker nur auf Lössböden, die nördlich der A2 rar werden. Aber da lerne ich gerne dazu -hast Du weitere Quellen zu den Wolfsburger Bandkeramikern?
Braunschweig-Hildesheimer Lößbörde ? Wikipedia
 

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Wenn ich der These folge, dass das Egtvet-Mädchen tatsächlich aus dem Schwarzwald-Raum stammt und ihre Reisebereitschaft möglicherweise in einen Fernhandels-Kontext einzuordnen ist, stellt sich mir die Frage, was da zwischen bronzezeitlichen Dänen und Badenwürttembergern "verhandelt" worden sein könnte?

Aus Jütland erscheint Bernstein als begehrtes Handelsgut sehr plausibel. Und einfach mal spekuliert vielleicht ja auch via Nordhandel Walross-Elfenbein, oder Pelze ...

Der Kern-Schwarzwald hingegen erscheint mir Nicht-Experten, nach Befragung von Freund googelus, auf den ersten Blick jedoch als ziemlich weißer Fleck auf der bronzezeitlichen Europa-Karte. Bis auf wenige lokale Hinweise, sehr vereinzelter Abbau von Erzen (z.B. Kelten bei Neuenbürg/schon eisenzeitlich) und Salz (Reichenhall) scheint der Archäologie bislang noch kein wirklich "dicker Fisch" ins Netz gegangen zu sein - gerade das damals begehrte Kupfer ist kaum/nicht nachweisbar abgebaut worden.
...
da könnte ein aktueller Artikel aus der Süddeutschen Zeitung ein etwas anderes Licht bringen:
Archologie - Das Mdchen von Egtved - Wissen - Sddeutsche.de
26. Juli 2015, 08:47 Uhr
Archäologie Das Mädchen von Egtved

Vor 3400 Jahren pendelte ein junges Mädchen zwischen Dänemark und dem Schwarzwald. Jetzt rätseln Archäologen: War sie die Priesterin eines Sonnenkults?


...Die Untersuchungen ergaben, dass die junge Frau nicht in Dänemark geboren wurde, sondern weit entfernt im Südwesten Deutschlands. In Dänemark erregte die Meldung Aufsehen. Das wäre in etwa so, also würde man herausfinden, dass Ötzi ein Wikinger war. 13 bis 15 Monate vor ihrem Tod war sie noch einmal in ihrer alten Heimat, dann reiste sie zurück nach Jütland, blieb dort ein paar Monate, kehrte erneut neun bis zehn Monate vor ihrem Tod in den Schwarzwald zurück, blieb dort wieder knapp ein halbes Jahr, ehe sie etwa einen Monat vor ihrem Tod wieder nach Egtved kam, wo sie ihre letzte Ruhestätte fand. Die junge Frau reiste offenbar mehrmals zwischen beiden Orten hin und her.

Die Forscher überlegten auch, was die weiten Reisen motiviert haben könnte. "In der Bronzezeit bestanden zwischen Dänemark und Süddeutschland enge Beziehungen", sagt der dänische Archäologe Kristian Kristiansen. "Damals waren Süddeutschland und Dänemark die beiden dominanten Machtzentren Westeuropas, ähnlich wie Königreiche." Er vermutet, dass das Mädchen mit einem Mann aus Jütland vermählt worden war, um ein Bündnis zwischen zwei mächtigen Familien zu schmieden. Solche Heiratsallianzen waren nicht selten in der Bronzezeit.


In den beiden Machtzentren im Norden und Süden lebten damals jeweils circa 300 000 Menschen. Die Bevölkerungsdichte war mit etwa zwölf Menschen pro Quadratkilometer deutlich höher als in anderen Gegenden Mitteleuropas, dies belegen Auswertungen des Archäologen Johannes Müller von der Universität Kiel. Er fand auch zahlreiche Hinweise darauf, dass diese Regionen jeweils schon eine eigene kulturelle Identität hatten und es bereits so etwas wie Häuptlinge gab. "Die Gesellschaften in Dänemark und Süddeutschland waren hierarchisch aufgebaut", so Müller. "Macht wurde auch allmählich vererbt, es gab eine Führungselite." In der Region dazwischen, im heutigen Niedersachsen oder Hessen, lebten dagegen deutlich weniger Menschen, hier gab es auch keine hierarchischen Strukturen.


Auch die Grabsituation passt dazu. In Mitteldeutschland wurden die Menschen in großen Gemeinschaftsgräbern bestattet, keiner wurde bevorzugt behandelt. Ganz anders war es im Norden und Süden: In den großen Hügelgräbern fanden sich nur wenige Tote, die meisten mit üppigen Grabbeigaben versehen waren. Dabei gab es durchaus lokale Besonderheiten: In Dänemark regierten eher die Männer, in den Gräbern finden sich Krieger mit prächtigen Achtkant-Schwertern, im Süden eher Frauen mit prachtvollem Schmuck. Sie scheinen damals eher an der Spitze der Gesellschaft gestanden zu haben.
In beiden Machtzentren tauchen häufig Herrschaftsinsignien auf. Auch die Bronzescheibe des Mädchens von Egtved könnte so ein Symbol gewesen sein.

Der Reichtum der beiden wichtigen Königtümer basierte auf dem Handel. Dänemark handelte damals vor allem mit Bernstein, er war im Süden Europas bis hin zu Griechenland und dem Mittleren Osten begehrt. Die Herrscher von Mykene etwa tauschten ihre Bronze gegen Bernstein aus Dänemark ein. Das Metall war damals etwa so wichtig wie Öl heute. Der Süden des heutigen Deutschland lag nun genau zwischen diesen Handelszentren. Vermutlich gab es damals aber noch kein ausgedehntes europäisches Handelsnetz, sondern eher einzelne Gruppen von Reisenden, die weite Distanzen zurücklegten und neben Waren auch neue Ideen mitbrachten. Offenbar profitierten die Menschen in Süddeutschland von ihrer Mittellage. Hier florierte vor allem das Handwerk, was der Region ebenfalls Reichtum brachte.
....




 
@Erich
Sieh mir bitte nach, dass ich mich sicher etwas zu sehr am Begriff "Schwarzwald" festgebissen hatte - allerdings hatte ich in dem von dir zitierten post auch "Kern-Schwarzwald" geschrieben.
Als gebürtigem Nordschwarzwälder, wo die Sonnenstrahlen am 21. Juli mitunter je nach Lage erst gegen 8 Uhr vormittags die Talgründe erreichen und bereits um 18 Uhr wieder verschwinden, hat mich entlang meines Wissens, dass der Schwarzwald (i.S.v. Mittelgebirge) lange Zeit spärlich und durchgängig auch erst spät besiedelt zu worden sein scheint, einfach irritiert, dass da immer wieder der Begriff "Schwarzwald" als Herkunftsort des Egtved-Mädchens auftauchte. Das war ziemlich engstirnig von mir - Wasser und somit auch das Strontium schert sich nen feuchten Tropfen um räumliche Bezeichnungen.

Wenn ich "Schwarzwald" als räumlichen Begriff durch Südwest-Deutschland ersetze, habe ich weitaus weniger Schwierigkeiten, mir handelspolitische und/oder dynastische Verbindungen zwischen Dänemark und bspw. dem Rheintal vorzustellen. Die junge Frau hat dann halt am Ostufer rechtsrheinisches Zuflusswasser (Brunnen, Quelle, Bach) getrunken, hätte am Westufer wohnend und trinkend hingegen Strontium-Isotopen im Haar die auf die Vogesen verweisen würden/könnten. Wie lokal präzise die Forschung Strontium-Signale unterscheiden kann, entzieht sich meiner Kenntnis - ich schlucke Erkenntnisse der Strontium-Analytiker interessiert, verstehe selbst jedoch gar nichts davon.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Lukullus:
Streng genommen sagt der Bericht über die Untersuchungen ja auch nur, dass
die junge Frau nicht in Dänemark geboren wurde, sondern weit entfernt im Südwesten Deutschlands [/quote] und sie Bekleidung mit Schafwolle aus der Region hatte, also
dass auch die Schafwollfäden, aus denen die Kleidung der jungen Frau gewoben war, nicht aus Dänemark stammen. "Die Schafe grasten wohl in weiter verstreuten Regionen in der Nähe des Schwarzwalds",
. Und auch im Schwarzwald selbst könnte seinerzeit das eine oder andere Dorf bestanden haben, auch wenn sich nicht in jedem Tal eine Stadt befunden hat.
Darum ging's mir aber nicht, sondern um die im Artikel angesprochenen und von mir im Zitat wiedergegebenen Ausführungen zu den Handelsbeziehungen zwischen dem heutigen Südwest-Deutschland und Dänemark.
 
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