nun gut:
bevor irgendwelche Darstellungen phrygischer Mützen quasi zur Bundeslade stilisiert werden...
		
		
	 
Das ist irgendwie ein typisches Argumentationsmuster von dir: Du polemisierst gegen Behauptungen, die keiner aufgestellt hat.
	
		
	
	
		
		
			ist  zur Kenntnis zu nehmen, dass die programmatische "gekünstelte"  (Selbst)darstellung der ostgotischen Regentin Amalasuintha auf die  programmatische gentile Memoria der amalischen stirps regia  rekurriert*), und da zu dem Zweck, der Regentin die (mit dem Tod ihrers  Sohnes problematisch gewordene) Herrschaft zu erhalten. Das und nichts  anderes ist aus dem erstklassigen Gotenbuch von Herwig Wolfram zu  ersehen.
		
		
	 
Das gleiche Muster auch hier: Keiner hat  behauptet, dass die phrygische Mütze der ostgotischen Königin etwas mit  einer Kybele-Verehrung zu tun hat. Vielmehr stellt sie eine Remineszenz  an die geographische Herkunft der Ostgoten sowie ein politisches Symbol  dar. Nichtsdestotrotz geht die Mütze historisch auf den phrygischen  Kybele-Kult zurück.
	
		
	
	
		
		
			Sicherlich gibt es bedenkenswerte  kunsthistorische Überlegungen zu den diversen Darstellungen von  Herrschaftsinsignien zu unterschiedlichen Zeiten - aber eine phrygische  Mütze der Spätantike bzw. des Frühmittelalters sagt NICHTS über eine ggf  mehr als tausend Jahre alte angebliche (religiöse) Tradition.
		
		
	 
Um  letzteres geht es ja gar nicht im Zusammenhang mit der Ostgotenkönigin.  Du hattest ihre Kopfbedeckung thematisiert. Dass es dabei keinen 
direkten Zusammenhang mit dem Kybele-Kult und dem christlichen  Bischofsamt gibt, ändert nichts daran, dass sich die Mütze auf die  Kopfbedeckung bosporanischer Königinnen zurückführen lässt und dass  diese wiederum - wie könnte es anders sein? - mit dem Kybele-Kult im  Bosporanischen Reich zusammenhängt, der archäologisch nachgewiesen ist.  Zum Beispiel gab es in Panticapaeum, der Hauptstadt dieses Reiches, einen  Kybele-Tempel, dessen Überreste zusammen mit einer beschädigten  Kybele-Skulptur auf dem lokalen Mithridates-Hügel entdeckt wurden.  Andere archäologische Indizien in den bosporanischen Städten  Panticapaeum, Nymphaeum, Kepoi und Hermonassa verweisen ebenfalls auf  einen Kybele-Kult (Weihinschriften, Wandgemälde).
Allerdings  scheint nicht Kybele, sondern Aphrodite im BR am intensivsten verehrt  worden zu sein. Dabei ist wieder zu bedenken, dass Aphrodite von der Kybele-Gestalt synkretistisch den Aspekt einer  starken sexuellen Leidenschaft übernommen hatte. 
Bekanntlich  schloss der Kybele-Kult die Verehrung des Attis ein, eines jungen  Hirtengottes, in den Kybele leidenschaftlich verliebt war und den sie (in  dem bekanntesten der Mythen um dieses Paar), als er ihr, der Schönheit  einer Nymphe erlegen, untreu wurde, in Wahnsinn verfallen ließ, in  welchem er sich unter einer Pinie entmannte. Diese Pinie gilt fortan als  von der trauernden Göttin geheiligte ´Wiederverkörperung´ des toten  Attis und wurde in Rom kultisch als Symbol der Erneuerung des Lebens  gefeiert. Das Fest dauerte vom 22. bis zum 27. März, fiel also genau in  die Phase des im schon im Alten Orient traditionell gefeierten  Frühlingsäquinoktiums und begann mit einer Leichenfeier (Prozession mit  der Attis-Pinie). Ab dem 25. März begannen die Freudentage. Dass im  frühen Christentum die Zeugung seines Heros (9 Monate vor dem 25.12.)  sowie sein Sterben und seine ´Auferstehung´ ebenfalls in diese Märztage  fallen, ist natürlich alles andere als ein Zufall, sondern eine  Anpassung an ´heidnische´ Traditionen.
Zusätzlich zu diesem  exoterischen Kult gab es einen ´esoterischen´ Mysterienkult, über dessen  Inhalt wenig bekannt ist. Textliche Indizien lassen vermuten, dass es  darin um eine rituelle Wiedervereinigung von Kybele und Attis - im Sinne  einer Heiligen Hochzeit - geht, die sehr wahrscheinlich, ähnlich den  Praktiken des Eleusinischen Mysteriums und ganz in der Tradition  schamanischer Ekstasetechniken, von der Einnahme bewusstseinsverändernder  Substanzen begleitet wurde.
Zurück zu Aphrodite vs. Kybele:
Beider  Entstehung wird ebenfalls durch Kastrationsmytheme überliefert.  Aphrodite entstand bekanntlich aus dem Schaum aus Blut und Samen, der  sich aus dem Phallus des Uranos bildete nach dessen Entmannung durch  seinen Sohn Kronos. Kybele wiederum entstand, einem Mythos zufolge,  durch eine Selbstentmannung des zweigeschlechtlichen Wesens Agdistis,  dessen Phallus von Dionysos offensichtlich irreversibel an einen Baum  gebunden worden war. Der entmannte Agdistis war nun Kybele; aus dem Blut  des Genitals aber spross ein Mandelbaum, von dem der Nymphe Nana eine  Frucht ´in ihren Schoß´ fiel, so dass sie schwanger wurde und den Attis  gebar, in den sich Kybele dann verliebte.
Die Ähnlichkeit der Motive einer Geburt durch einen Kastrationsakt ist unübersehbar. Natürlich sind solche Kastrationsmythen das Produkt einer Überlagerung indoeuropäischer Einwanderer (z.B. die Phryger, die sich Anfang des 1. Jt. BCE in Anatolien ansiedelten) mit der indigenen Kultur von Hellas und Anatolien, sie gehen also nicht auf den ursprünglichen Magna-Mater-Glauben zurück. 
Ähnlich  unübersehbar ist eine Parallele zwischen Attis, dem Geliebten der  Kybele, und Paris, dem Aphrodite die schöne Helena verspricht, um ihn  für die Wahl zur schönsten Göttin zu belohnen (Apfel des Paris), wodurch  sie den Trojanischen Krieg auslöst. Die Parallele besteht weniger (aber  auch) darin, dass eine Art Dreiecksverhältnis besteht (Nymphe, mit der Attis fremdgeht / Helena als Geliebte des Paris), sondern in der Kopfbedeckung beider Jünglinge (siehe  angehängte Bilder von Paris, der oft mit phrygischer Mütze gezeigt  wird).
Ich will jetzt nicht vom 100sten ins 1000ste geraten und  breche daher in dieser Stelle ab. Auf die genaueren Zusammenhänge des  Attis-Kultes (zurückgehend auf das Stieropfer im Kontext  altorientalischer Fruchtbarkeitskulte) werde ich noch zurückkommen.
Einen Überblick über den Montanismus werde ich in Bälde nachreichen.