Hallo
Für mich wäre natürlich ein Lagerfund einfach eine zusätzliche Bestätigung des Schlachtfeldes, die erfreulich wäre (vielleicht bin ich auch die Diskussion leid?). Wir hatten in den letzten Jahren zahlreiche Neuentdeckungen von Lagern (Hunsrück, Limburger Becken, Thüringen), die mich auch für Kalkriese optimistisch gestimmt hatten - leider ist dies bisher nicht eingetroffen.
Das vor ein paar Jahren entdeckte Lager bei Hermeskeil/Hunsrück, das wohl in die Zeit des Gallischen Kriegs datiert, war wohl länger als eine Nacht oder ein paar Tage - sondern - nach Aussage der Vorberichte - mindestens einige Wochen oder vielleicht Monate belegt. Es taugt daher kaum für einen Vergleich zu dem, was von verschiedenen Seiten für Kalkriese gefordert wird.
Vom neuen Lager an der unteren Lahn (Limburger Becken), dass ebenfalls caesarisch sein soll, habe ich bisher nur kurze Mitteilungen gelesen. Da wird man noch auf genauere Berichte warten müssen.
Aber was die Forderung eines Lagers bei Kalkriese angeht, möchte ich Folgendes zu Bedenken geben (sorry nicht Gegenstempel - aber potentielles Varusschlachtfeld):
- Falls Kalkriese Teilschauplatz der Varusschlacht gewesen sein sollte - war es eben nur TEILschauplatz - nicht mehr und nicht weniger.
Falls die historischen Quellen einigermaßen authentisch bzgl. des Schlachtverlaufs sein sollten, dann zog sich die Schlacht nicht nur zeitlich sondern auch räumlich sehr in die Länge. Es wären dann viele unterschiedliche "Schlachtplätze" - größere und kleinere gegen einen immer kleiner werdenden Heerzug, der weiter marschiert, die (falls die Angaben über 3 oder sogar 4 Tage stimmen) über sehr viele Kilometer östlich oder südöstlich von Kalkriese verteilt sein müssen.
(Keine Ahnung, wie schnell die Legionen unterwegs waren, aber man kann ohne große Übung auch in schlechtem Gelände gut 25 - 30 Km am Tag "wandern". - Die Menschen zu dieser Zeit, die vor allem zu Fuß unterwegs waren, konnten das bestimmt täglich bewerkstelligen und trainierte Legionen schafften wohl noch mehr Kilometer pro Tag.) Klar kam bei der Varusschlacht eben die "Schlacht" bzw. immer wieder Angriffe der Germanen dazwischen - aber das betraf wohl nicht gleichzeitig alle Menschen, die da nach Westen wollten. Die, die gerade nicht angegriffen wurden, marschierten wohl weiter.
Ich schätze mal, dass sich die "Varusschlacht" gut über ca. 75 Km Wegstrecke (oder sogar deutlich mehr) hingezogen haben könnte.
Germanicus wird ebenfalls eine ähnliche Strecke (über mehrere Tage) absolviert haben, als er "den Ort" der Schlacht besuchte.
Warum sollten ausgerechnet an dem kleinen Teilstück, das in Kalkriese bisher archäologisch untersucht wurde, all das entdeckt werden, was die Kritiker fordern?
- Lager, - am besten alle der varianischen Schlacht und dazu ein 8-Legionen-Lager von Germanicus. (Wo steht übrigens, dass alle 8 Legionen des Germanicus das Schlachtfeld inspizierten und gemeinsam in einem großen Lager übernachteten?)
- der Grabhügel - Wo steht, an welcher Stelle der diversen Schlachtfelder (die es bei der Varusschlacht gegeben haben muss) der Grabhügel (der später zerstört wurde) errichtet wurde?
- Überreste von Frauen und Kindern (Forderung von P. Kehne in einem Beitrag im neuen AiD Sonderheft) - Persönlicher Schmuck von einer römischen Frau wurde in Kalkriese wahrscheinlich gefunden. (Muss die Quelle noch mal suchen.) Der Tross wurde (laut Cassius Dio) warscheinlich schon am zweiten Tag aufgegeben - will heißen, die Wagen usw. verbrannt, die Überlebenden werden wohl ebenfalls versucht haben, Land Richtung Rhein zu gewinnen. Wie viele vom Tross tatsächlich am letzten Tag noch "den Rest" bekommen haben, ist völlig ungeklärt. (Mit Kindern kommt man nicht so schnell voran.)
Mit Knochenfunden nach über 2000 Jahren ist das sowieso so eine Sache. Das hängt vom Boden ab. - In sauren (kalkarmen) Böden sind Knochen nach wenigen Jahrzehnten vollständig vergangen. Wenn in der Ecke die Böden eher sauer sind, findet man heute auch keine 20.000 Menschen mehr - vollständig weg und seit vielen Jahrhunderten (ca. 19) dem natürlich Kreislauf wieder zugeführt.
- Die direkte Umgebung der heuigen Fundorte um Kalkriese wurden spätestens seit dem Mittelalter durch regelmäßigen Plaggenauftrag zur Gewinnung und Verbesserung von Ackerflächen deutlich verändert. (Die römerzeitlichen Befunde liegen dort oft unter sehr vielen Dezimetern mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Aufträgen von Plaggen (Rasensoden, die bei jedem Auftrag die "Ablagerung" über dem römerzeitlichen erhöhen.) Das erschwert die Entdeckung weiterer vorgeschichtlicher Strukturen erheblich.
Ich würde mir auch wünschen, dass dort vielleicht weitere Befunde, die die Varusschlachtthese erhärten (oder widerlegen), gemacht werden. Aber ich fürchte, dass das noch dauert.
Meine 5 Cent dazu
Grüße
Nemetona