Opferriten?

Nergal

Aktives Mitglied
Ich frage mich schon seit langem wie eigentlich die Opferriten der frühen Hochkulturen, oder auch primitiver Völker zu verstehen sind?

Dem Gott/Göttern opfert man, wenn es sich beim Opfer um ein Lebewesen handelt, doch eigentlich seine eigene Schöpfung, welchen Sinn macht so etwas, dh dem Schöpfer die Zerstörung seines Werkes anzubieten?

Bedeutet das dass man absichtlich auf etwas von Wert verzichtet, um die eigene Hingebung/Opferbereitschaft zu zeigen, oder bedeutet es dass der Gott nicht allmächtig ist, das Opfer nicht direkt seine Schöpfung, sondern ein Produkt menschlicher Arbeit welches man Ihm durchaus anbieten kann, als etwas das praktisch eine Wertsteigerung erhalten hat (wenn ich das so sagen darf).

Zumindest bei Abraham scheint es sich um eine Glaubensprobe gehandelt zu haben.
 
Die Frage kann man so nicht stellen weil es keine einheitlichen Vorstellungen von Göttern, deren Machtbereich und Schöpfereigenschaft gegeben hat.
 
Die Frage ist eigentlich, ob nicht nur der Tod, sondern auch die Schöpfung immer und überall als göttlich angesehen wurde.

Ursprünglich wahrscheinlich kaum. Es ging beim Glauben in erster Linie um die Angst vor dem Tod. Die Gottheit war wegen ihrer Macht über den Tod gefürchtet; die natürlichste Art der Spiritualität. Die Opferung von Lebewesen entsprach dem Glauben, dass die Gottheit blutrünstig sei, und ihr Hunger gestillt werden müsse.

Sehr bald aber muss die Einsicht gekommen sein, dass die Zuständigkeit für den Tod auch die Schöpfung beinhalten muss. So kamen zusätzliche Gottheiten hinzu, die für angenehmere Dinge, wie z.B. für die Erschaffung von Leben zuständig waren. Hier war also bereits nicht nur die Angst das Motiv für die Spiritualität, sondern auch Dankbarkeit. Ob nur die einen Götter frisches Blut geopfert bekamen, während man die Gunst der anderen durchgehend nur mit Esswaren und Wertgegenständen suchte, entzieht sich meinen Kenntnissen.

Die Einsicht, dass es allzu subjektiv sei, den Gottheiten menschliche Eigenschaften zuzuordnen, führte zur Zusammenführung der guten und bösen Gottheiten wieder in eine Gottheit. Insofern also logisch, andererseits aber auch schwierig, da die universelle Gottheit für alles zuständig wurde. Und spätestens hier kommt es zum Problem mit der Opferung von Leben; in manchen Gesellschaften akzeptiert, während bei uns verpönt (was auch die Beurteilung der Motive von solchen Opferungen schwierig macht).

Tieropfer werden bei uns als unnötiges Töten angesehen, u.a. aus Tierliebe, während z.B. aus Hundeliebe für jeden einzelnen Hund etwa 12 Schweine (d.h. 12 genauso intelligente und empfindsame Wesen) geschlachtet werden. Sei nur erwähnt, um zu zeigen, dass den Menschen das Wissen um ihr paradoxes Verhalten weder früher, noch heute zu einer Änderung des Verhaltens geführt hat. Dass man also mit Tieropfer die Schöpfung einer Gottheit zerstört, wurde aus Angst vor dem eigenen Zerstörtwerden verdrängt. Insofern ist Nergals Verwunderung berechtigt, da sich die Opferung von Leben einer nüchternen Logik entzieht.

Das hauptsächliche Wesen der Opferungen bestand aus dem Verzicht auf naturgegebene Vorteile, d.h. aus dem Verzicht auf die göttliche Güte, seien es Blumen, Esswaren, Lebewesen, oder auch nur die Zeit, die man Gott geopfert/gewidmet hat. Einzig die Opferung von Kriegsgefangenen war ein Ritus, der keinen Verzicht beinhaltete (falls keine Sklaverei praktiziert), und deutet auf die primitive Form einer blutrünstigen Gottheit, noch ohne schöpferische Eigenschaften. Bei späteren Religionen kann man von einem Überbleibsel dieser archaischen Form der Spiritualität ausgehen.
 
Die Frage ist eigentlich, ob nicht nur der Tod, sondern auch die Schöpfung immer und überall als göttlich angesehen wurde.

Ursprünglich wahrscheinlich kaum. Es ging beim Glauben in erster Linie um die Angst vor dem Tod. Die Gottheit war wegen ihrer Macht über den Tod gefürchtet; die natürlichste Art der Spiritualität. Die Opferung von Lebewesen entsprach dem Glauben, dass die Gottheit blutrünstig sei, und ihr Hunger gestillt werden müsse.

Das sind weitverbreitete, aber eher naive und nicht einmal im Ansatz belegbare Phantasien über eine vermeintliche Blutrünstigkeit und ultranegative Gottesvorstellung unserer prähistorischen Vorfahren. Dass es neben Tod auch Geburt gibt, welche in prähistorischen Gemeinschaft logischerweise als positiv und gleichfalls als ein Effekt ´göttlichen´ Willens angesehen wurde, das kommt dir nicht in den Sinn, obwohl viele, dir vermutlich unbekannte archäologische Indizien, vor allem in den paläolithischen Kulthöhlen, dafür sprechen, dass weibliche Fruchtbarkeit religiös verehrt wurde. Beispiele:

Stilistisch ungewöhnlich, aber vom Sinn her charakteristisch für das paläolithische Denken präsentiert sich der Eingang der Höhle von La Magdeleine in Frankreich: Hier säumen zwei Frauenreliefs mit besonders betontem Schamdreieck den Eingang. Ihre Bedeutung lag vermutlich darin, den Besuchern der Höhle zu signalisieren, dass sie den weiblichen Schoß der Erde betreten, den Ort der Wiedergeburt von Tieren und Menschen im Rahmen des kosmischen Erneuerungskreislaufs. Im Innern vieler Höhlen finden sich Vulva-Zeichen verschiedener Art, die in der Höhle von zentraler Bedeutung sind. In El Castillo sind an den Wänden vier leuchtend rot gemalte Vulven zu sehen, neben die ein schwarzer Pfeil gezeichnet wurde. In Bedeilhac ist eine Vulva sehr naturgetreu im Lehmboden dargestellt, sie steht ´offen´ und zeigt die Klitoris. Die Beispiele ließen sich lange fortsetzen. Zu beachten ist, dass es sich dabei nicht um Sexual-, sondern um Regenerationssymbole handelt.

Sehr bald aber muss die Einsicht gekommen sein, dass die Zuständigkeit für den Tod auch die Schöpfung beinhalten muss. So kamen zusätzliche Gottheiten hinzu, die für angenehmere Dinge, wie z.B. für die Erschaffung von Leben zuständig waren. Hier war also bereits nicht nur die Angst das Motiv für die Spiritualität, sondern auch Dankbarkeit. Ob nur die einen Götter frisches Blut geopfert bekamen, während man die Gunst der anderen durchgehend nur mit Esswaren und Wertgegenständen suchte, entzieht sich meinen Kenntnissen.

Ach so, irgendwann später - bei dir "sehr bald", was Jahre oder Jahrtausende bedeuten kann - kam den Menschen dann der Gedanke, auch die Geburt könne eine göttliche Ursache haben. Dafür wurden dann, ich zitiere, "zusätzliche Gottheiten" geschaffen. Welche Gottheiten das in dem in Frage stehenden Zeitraum - dem Paläolithikum - sein könnten, erwähnst du nicht, was auch kein Wunder ist, da für diese Epoche keine Göttervielfalt nachweisbar ist. Verifizierbar ist Polytheismus erst ab dem späten Neolithikum.

Was du da anbietest, sind leider bzw. glücklicherweise nur Privatphantasien ohne jeden wissenschaflichen Kontext.
 
Zuletzt bearbeitet:
Huch, warum gleich so persönlich?! :huh: Kann mich aber nicht zu den angebotenen Vulva-Theorien äußern, da ich deren »wissenschaftlichen Kontext« zum Thema »Opferriten« erst verstehen muss.
 
...
Stilistisch ungewöhnlich, aber vom Sinn her charakteristisch für das paläolithische Denken präsentiert sich der Eingang der Höhle von La Magdeleine in Frankreich: Hier säumen zwei Frauenreliefs mit besonders betontem Schamdreieck den Eingang. Ihre Bedeutung lag vermutlich darin, den Besuchern der Höhle zu signalisieren, dass sie den weiblichen Schoß der Erde betreten, den Ort der Wiedergeburt von Tieren und Menschen im Rahmen des kosmischen Erneuerungskreislaufs. Im Innern vieler Höhlen finden sich Vulva-Zeichen verschiedener Art, die in der Höhle von zentraler Bedeutung sind. In El Castillo sind an den Wänden vier leuchtend rot gemalte Vulven zu sehen, neben die ein schwarzer Pfeil gezeichnet wurde. In Bedeilhac ist eine Vulva sehr naturgetreu im Lehmboden dargestellt, sie steht ´offen´ und zeigt die Klitoris. Die Beispiele ließen sich lange fortsetzen. Zu beachten ist, dass es sich dabei nicht um Sexual-, sondern um Regenerationssymbole handelt.
...

Wie willst Du wissen, dass es keine "Sexual- sondern Regenerationssymbole" sein sollen?

Interpretierst Du da nicht zu viel hinein? Wir wissen, bzw. wir nehmen an, was sie dargestellt haben, aber nicht was es bedeutete.

Ähnliche Darstellungen findest Du heute auch noch an Wänden von Schultoiletten und Baustellen, ohne dass Schulkinder oder Bauarbeiter an den kosmischen Erneuerungskreislauf glauben.
 
Huch, warum gleich so persönlich?!

Sorry, meine Formulierungen ist weniger persönlich - warum auch? - als vielmehr typologisch gemeint. Das habe ich im ersten Satz ja angedeutet.

Kann mich aber nicht zu den angebotenen Vulva-Theorien äußern, da ich deren »wissenschaftlichen Kontext« zum Thema »Opferriten« erst verstehen muss.

Überlegungen über Opferriten machen aber nur in einem größeren Kontext Sinn. Dieser Kontext ist, da wir über die religiösen Vorstellungen dieser Zeit nur unvollständige (manche behaupten übertreibend: gar keine) Daten haben, notwendigerweise hypothetisch. Hypothesen sind aber keine wilde Spekulation, sondern idealerweise auf Indizien gestützt. Solche Indizien gibt es für das Paläolithikum in nicht geringer Menge, lediglich ihre Interpretation ist nicht mit letzter Sicherheit möglich.

Eine plausible Theorie - in diesem Forum freilich sehr unbeliebt - besagt, dass das Paläolithikum Schauplatz der Verehrung einer als weiblich und parthenogenetisch vorgestellten Naturgottheit war, die Macht über Leben und Tod aller Lebewesen hatte. Dementsprechend gab es in dieser Zeit keine Trennung göttlicher Zuständigkeiten für Tod und Geburt, vielmehr fallen beide Bereiche in die Zuständigkeit der einen weiblichen Gottheit - die allerdings apersonal zu denken ist, also ohne die anthropomorphen Charakteristika der Götter der historischen Zeit.

Ein Argument, das die Hypothese jener Geburt-und-Tod-"Göttin" stützt, ist der Hinweis auf historische Göttinnen wie die ägyptischen Isis und Nut. Isis wurde als Mutter- und als Todesgöttin in Personalunion verehrt. Nut (übersetzt: Vulva) ist unter den ägyptischen Muttergöttinnen wahrscheinlich am frühesten entstanden, also noch in prähistorischer Zeit. Sie galt nicht nur als Gebärerin des Sonnengottes Re (also der Sonne), sondern verschlang ihn auch am Abend, d.h. sie zog ihn hinab in das Todesreich, um ihn am nächsten Morgen wieder zu gebären. Auch die ägyptische Hathor galt als Geburts- und Todesgöttin.

Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass im Paläolithikum beide existentiellen Motive auf verschiedene Gottheiten verteilt waren, vielmehr besteht Grund zu der Annahme, dass sie zwei komplementäre Aspekte ein- und derselben Gottheit waren. Dass diese Gottheit weiblich konnotiert war, dafür sprechen zahlreiche archäologische Indizien, z.B. die von mir schon genannten Kulthöhlen. Möglicherweise wurde diese Gottheit als Ur-Ahnin aller Menschen gedacht. Hinweise auf Ahnenkult in Bezug auf einzelne Sippen gibt es für das Paläolithikum meines Wissens aber nicht.

Was den Sinn der Opferriten betrifft, besteht eine Vielzahl von Interpretationen. Ich favorisiere eine multikausale Erklärung, die zwei Aspekte umfasst:

+ bewusst:

Geschenk an die Gottheit, um ihren ´universellen´ Fruchtbarkeitszyklus fortzusetzen, d.h. die Hervorbringung des pflanzlichen, tierischen und menschlichen Lebens.

+ unbewusst:

Kompensation eines (unbewusst) empfundenen Schuldgefühls wegen der Tötung von Jagdtieren. Dazu folgendes:

Einige Wissenschaftler verorten den Ursprung des religiösen Schuldgefühles in den Empfindungen der Paläolithiker gegenüber den von ihn getöteten und verzehrten Tieren. Da die Paläolithiker längst nicht so scharf zwischen Mensch (bzw. der eigenen Art) und Tier unterschieden wie spätere Hochkulturen, löste die für die Nahrungsgewinnung notwendige Tiertötung in ihnen emotionale Regungen aus, die man als Schuldgefühl bezeichnen kann. Ein Teil der mittelsteinzeitlichen Rituale, wie man sie z.B. aus der Höhlenkunst erschließen kann, diente der Abfuhr des Schuldgefühls in Form des rituellen Opfers. Der bekannte Altertumswissenschaftler Walter Burkert hat die griechischen Rituale aus den steinzeitlichen abgeleitet:

Rezension: Sachbuch: Griechische Passion - Wissenschaft - FAZ

Sein Buch über den "Homo Necans" (1972), den tötenden Menschen, erkannte hinter dem Opferritual der Griechen die Ängste und Schuldgefühle der steinzeitlichen Jäger, die töten müssen, um leben zu können, und denen doch dabei graut. Im Opfer, nach dem man das Fleisch des geschlachteten Tieres im Festmahl ißt, während Knochen, Fett und Eingeweide für die Götter verbrannt werden, ist der gewaltsame Ursprung der Kultur festgehalten: die Entstehung der Gemeinschaft durch das gemeinsame Töten und die Verteilung der Beute...

Die Theorie, die Tierzeichnungen hätten jagdmagische Zwecke gehabt, ist mittlerweile in den Hintergrund getreten.
 
Wie willst Du wissen, dass es keine "Sexual- sondern Regenerationssymbole" sein sollen?

Weil es damals höchstwahrscheinlich keinen Grund gab, Sexualität religiös zu verehren, da ihre Bedeutung für die Fruchtbarkeit noch nicht erkannt war. Es gibt keinen Hinweis auf Phallussymbole im Paläolithikum, schon gar nicht mit kultischer Funktion. Insofern die Vulven in den Höhlen also eine kultische Funktion haben, kann diese nur mit weiblicher Fruchtbarkeit zusammenhängen, die, wie bei vielen späteren historischen Göttinnen, als parthenogenetisch gedacht wurde.

Ein expliziter Sexualkult, der nur Vulven, aber keine Phalli involviert, ist dagegen nur sehr schwer vorstellbar, schon gar nicht über Jahrzehntausende hinweg.

Interpretierst Du da nicht zu viel hinein? Wir wissen, bzw. wir nehmen an, was sie dargestellt haben, aber nicht was es bedeutete.

Siehe meine Ausführungen über "hypothetisches Denken" in meiner Antwort an die Dame mit dem schönen Namen ´Mashenka´.

Ähnliche Darstellungen findest Du heute auch noch an Wänden von Schultoiletten und Baustellen, ohne dass Schulkinder oder Bauarbeiter an den kosmischen Erneuerungskreislauf glauben.

Ich hoffe, du merkst selbst, dass dieses ´Argument´ überaus dürftig ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine plausible Theorie - in diesem Forum freilich sehr unbeliebt - besagt, dass das Paläolithikum Schauplatz der Verehrung einer als weiblich und parthenogenetisch vorgestellten Naturgottheit war, …
Tja, da bist auch wieder an die Falsche geraten, denn ich halte absolut nichts von Thesen über Muttererde-Verehrungen in Form von – wie Du oben so schön detailliert beschrieben hast – Vulva-Darstellungen. Meiner geringen Meinung nach: wir wissen es nicht. Eine eindeutige Zuweisung in die Kult-Ebene ist feuchter Unfug, um die Figürchen näher angucken zu dürfen… :lupe:

Bei meinen Ausführungen hatte ich in erster Linie die Azteken im Kopf, die bekanntlich gerne ihre Gegner für Tlaloc oder Huitzilopochtli hinmetzelten; chronologisch freilich nicht ganz koscher, lässt aber ganz locker Schlüsse auf ähnliche Denkweisen anderer Völker zu, mich ohne gleich mit Sexualhistorikern anlegen zu wollen.


Da die Paläolithiker längst nicht so scharf zwischen Mensch (bzw. der eigenen Art) und Tier unterschieden wie spätere Hochkulturen, löste die für die Nahrungsgewinnung notwendige Tiertötung in ihnen emotionale Regungen aus, die man als Schuldgefühl bezeichnen kann. Ein Teil der mittelsteinzeitlichen Rituale, wie man sie z.B. aus der Höhlenkunst erschließen kann, diente der Abfuhr des Schuldgefühls in Form des rituellen Opfers. Der bekannte Altertumswissenschaftler Walter Burkert …
Nun, das liegt wohl auf der Hand; das erfährt jedes Kind mit 7-8 Jahren, während es sich zum ersten Mal mit Tod und Macht auseinandersetzt. Bedeutet aber noch lange nicht, dass Schuldgefühle als Motivation für Höhlenzeichnungen dienten. Übrigens: kann die Tötung eines Lebewesens nicht auch eine Erregung auslösen, was später verarbeiten werden will?
Allzuviel schlechtes Gewissen kann ich auch nicht in Tier- und Menschenopfern erkennen… Oder gab es die erwiesenermaßen nur im fernen Amerika?
 
Es gibt keinen Hinweis auf Phallussymbole im Paläolithikum

Zumindest darf es nach der "plausiblen" "Theorie" keine geben.

Engravings of sexual representations and signs.
Top: La Madeleine (Dordogne). Engraved on a semi-cylindrical staff, bear's head with outstretched tongue in conjunction with a realistic representation of a phallus and a vulva.
 

Anhänge

  • ch6_1.gif
    ch6_1.gif
    59,1 KB · Aufrufe: 697
Zumindest darf es nach der "plausiblen" "Theorie" keine geben.
Lass mich raten: bear vs. alien?


Dem will ich gar nicht nachdoppeln – da ließen sich noch bestimmt paar phallische Objekte aus dem Jungpaläolithikum finden. Dem armen Nergal ging es aber um das Warum bei der Opferung von Lebewesen. Meine »ultranegative Gottesvorstellung« von unseren Vorfahren, die mich den naiven Ausdruck »blutrünstige Gottheit« gebrauchen ließ, wurde von Chan erstmal mit dem Hinweis auf Muttererdekulturen ausgeschimpft, d.h. aus seiner Überzeugung heraus, dass ›Schöpfergötter‹ vor den ›Strafgöttern‹ verehrt worden seien. Ein paar Phallus-, oder Vulva-Darstellungen mehr, werden da nicht weiterhelfen.

Wie wär’s mit der Frage: was war zuerst, die Dankbarkeit, oder die Angst?
 
Ich hatte dich schon mal darauf hingewiesen, chan, dass diese Behauptung nicht stimmt. In Les Trois-Frères gibt es eine mindestens 17.000 Jahre alte Penisdarstellung, im Schwäbischen hat man einen 28.000 Jahre alten Phallus gefunden (Hohler Fels), berühmt ist auch die Darstellung des Mannes mit dem erigierten Glied in Lascaux, wo man sich nicht sicher ist, ob die Darstellung zusammen mit einem gegenüberstehenden Wisent zu lesen ist, oder nicht. Auch in Göbekli Tepe hat man die Darstellung eines Mannes mit erigiertem Penis gefunden.
 
...
Wie wär’s mit der Frage: was war zuerst, die Dankbarkeit, oder die Angst?

Wenn ich in einer dunklen und feuchten Höhle hausen würde, zwischen Höhlenbären, Säbelzahntigern und in der Nahrung von misslaunigen Mammuts abhängig, würde ich annehmen, die Angst war zuerst da.

Dankbarkeit würde ich eher bei Bauern ansiedeln die sich im Herbst über einen vollen Speicher Korn und einen großen Krug voll Bier freuen.

Selbstverständlich zittert auch der Bauer vor einer Missernte, Hagel, Dürre oder Krankheiten und der Jäger und Sammler freute sich über das Beuteglück oder einen Strauch Blaubeeren. Aber ich denke beim Jäger ist die Angst allgegenwärtiger und die "Erfolgserlebnisse" sind sowieso mit Blutvergiessen verbunden, so dass ich mir vorstellen könnte, dass man irgendwann auf den Gedanken kam, das ausbleibende Glück durch Blutvergiessen herbei zu rufen.

Das sind natürlich ebenfalls alles nur Spekulationen meinerseits.Ich finde nur, dass das Bild einer Jäger und Sammler Gesellschaft mit einer "Mutter-Erde" Religion nicht so gut zusammen passt. Ich kenne auch kein heutiges (jagendes) Naturvolk was ähnliche Vorstellungen hat. Das ist m.E. eher etwas für Bauern die direkt von der Erde etwas erhalten. So z.B. noch heute in Peru und der Kult der "Pacha Mama". Trotz (nominellen) Katholizismus, opfern die Collas täglich der Erde.
 
Bedeutet das dass man absichtlich auf etwas von Wert verzichtet, um die eigene Hingebung/Opferbereitschaft zu zeigen, oder bedeutet es dass der Gott nicht allmächtig ist, das Opfer nicht direkt seine Schöpfung, sondern ein Produkt menschlicher Arbeit welches man Ihm durchaus anbieten kann, als etwas das praktisch eine Wertsteigerung erhalten hat (wenn ich das so sagen darf).

Ich würde das viel pragmatischer sehen und gar nicht so verklausulieren wollen.
Innerhalb einer Sippe, die aus Jägern und Sammlern bestand war es vermutlich selbstverständlich und Alltag, alles was zum Lebensunterhalt beitrug, miteinander zu teilen. "Mein Mammut vs. Dein Mammut" dürfte es schwerlich gegeben haben.
Als sich dann der Glaube an eine höhere Macht zunehmend etabliert hat, war es nur logisch und folgerichtig, dass auch mit ihr alles geteilt wurde.
Da diese Macht aber nicht antworten konnte und man gar nicht so richtig sicher sein konnte, dass das Geschenk auch ankam, haben sich die Leute nach und nach Rituale und Zeremonien einfallen lassen, um die "Zustellung" sicherzustellen.
Mit der Zeit wurden die Rituale komplexer und zunehmend mystifiziert, je nach Kultur, Region, sozialem Gefüge und was auch immer.
 
Überlegungen über Opferriten machen aber nur in einem größeren Kontext Sinn. Dieser Kontext ist, da wir über die religiösen Vorstellungen dieser Zeit nur unvollständige (manche behaupten übertreibend: gar keine) Daten haben, notwendigerweise hypothetisch. Hypothesen sind aber keine wilde Spekulation, sondern idealerweise auf Indizien gestützt.

So weit, so gut, es gibt reichlich Hypothesen. Auch hier ist das Grundproblem, dass die Frage, was als "Indizien" gewertet wird, heutigen Wahrnehmungen unterliegt.

Solche Indizien gibt es für das Paläolithikum in nicht geringer Menge, lediglich ihre Interpretation ist nicht mit letzter Sicherheit möglich.
"Letzte Sicherheit" ist daher eine reichliche Übertreibung.

Nun zu den Aussagen:
Eine plausible Theorie - in diesem Forum freilich sehr unbeliebt - besagt, dass das Paläolithikum Schauplatz der Verehrung einer als weiblich und parthenogenetisch vorgestellten Naturgottheit war, die Macht über Leben und Tod aller Lebewesen hatte. Dementsprechend gab es in dieser Zeit keine Trennung göttlicher Zuständigkeiten für Tod und Geburt, vielmehr fallen beide Bereiche in die Zuständigkeit der einen weiblichen Gottheit - die allerdings apersonal zu denken ist, also ohne die anthropomorphen Charakteristika der Götter der historischen Zeit.

Ein Argument, das die Hypothese jener Geburt-und-Tod-"Göttin" stützt, ist der Hinweis auf historische Göttinnen wie die ägyptischen Isis und Nut. Isis wurde als Mutter- und als Todesgöttin in Personalunion verehrt. Nut (übersetzt: Vulva) ist unter den ägyptischen Muttergöttinnen wahrscheinlich am frühesten entstanden, also noch in prähistorischer Zeit. Sie galt nicht nur als Gebärerin des Sonnengottes Re (also der Sonne), sondern verschlang ihn auch am Abend, d.h. sie zog ihn hinab in das Todesreich, um ihn am nächsten Morgen wieder zu gebären. Auch die ägyptische Hathor galt als Geburts- und Todesgöttin.

Parthenogenese ist reine Spekulation.

Nut bedeutet nicht Vulva, sondern Himmel oder Firmament. Das korrespondiert mit einigen Hinweisen, dass die Göttin astronomisch mit der Milchstraße assoziiert und in astronomischem Zusammenhang abgebildet worden worden ist.

Für Assoziationen von Milchstraße (zB Spruch 176) und Vulva liegen keine "Indizien" vor, es liegen Spekulationen vor. Von Wells stammt zB die Hypothese, dass die Milchstraße am Winterhimmel in Ägypten wie eine mit gestreckten Armen und Beinen liegende Frau aussehe, und dieses Darstellungen von Nut entsprechen würde. Die Vulva-Phantasie kommt dann daher, dass am Winterhimmel (sozusagen pränatal/antenatal) die Sonne ungefähr "aus der Vulva" der Milchstraße aufgehen würde ("imagined to be born"). Ergänzt um den Umstand, dass die Sonne neun Monate zuvor "im Kopf steht". Der Phantasie kann also freier Lauf gelassen werden.

Mit dem Himmel wird ansonsten alles mögliche assoziiert, so Aufgang, Untergang und Wiedergeburt der Sonne oder des Mondes, und ansonsten "many different aspects within this role" (Wilkinson), Schutz, Wiedergeburt, Trennung der Erde von den umgebenden Wassern des Chaos, usw. usf.

Hathor könnte aus prädynastischer oder frühdynastischer Zeit stammen, über die Ursprünge ist nichts bekannt, Evidenzen stammen aus späteren Zeiten. Hier wieder ähnlich schillernde Kompositionen: Mutter, Ehefrau, Himmel, Auge des Re, Sonne, Kuh mit evt. Bezug auf die frühere Gottheit Mehet-Weret, Namen wie "mistress of the vagina", Herrin ferner Länder und Beschützerin im Jenseits (was nicht mit "Tod" gleichzusetzen ist), Herrin über Musik, Freude und Glück, ebenso wie Trunkenheit oder Rauschzustand.

Zu Isis ist anzumerken, dass die Wurzel "obskur" sind (statt vieler: Wilkinson), und etliche Hypothesen sich darum ranken, dass sie mit Nut + Hathor, Renenutet, Astarte, Bastet, Sothis "gemergt" wirden ist. Die Übernahme ikonografischer und mythologischer Attribute von Hathor ist evident. Isis ist ein Mischmasch, die Ursprünge sind völlig diffus (Wilkinson).

Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass im Paläolithikum beide existentiellen Motive auf verschiedene Gottheiten verteilt waren, vielmehr besteht Grund zu der Annahme, dass sie zwei komplementäre Aspekte ein- und derselben Gottheit waren.
Ebenso gibt es keinen Grund anzunehmen, dass beide existentiellen Motive in Gottheiten vereinigt waren. Weder - noch, nicht einmal ist klar, wo und wann es sich bei figürlichen Darstellungen um "Gottheiten" handelt, oder was sonst so mit den Bildern, Figuren oder "Steinritzen" getrieben wurde.

Ein "ägyptischer Kontext" zur Interpretation paleolithischer Gottheiten, paleolithischer Riten, figürlicher Abbildungen ist nicht belegbar.
 
Meine eigentliche Frage scheint irgendwie das erste Posting nicht überlebt zu haben :)
Ach, ich habs ja gleich geschrieben, die Frage funktioniert so nicht.
Was sind primitive Völker? Wenn einer vor 20.000 Jahren eine Vulva oder einen Penis an die Wand gekritzelt hat, war der überhaupt Mitglied eines Volkes? IMO eher nicht, damals gabs Sippen oder Familien oder wasweißich.
Was weiß man von der Gedankenwelt früher Hochkulturen? IMO weiß man vor den Griechen oder Römern nicht viel und die haben ihre Opfer keinem Schöpfergott gebracht sondern das waren eher so "Deals", zumindest bei den Griechen, nach einem erfolgreichen militärischen Abenteuer haben sie "Prozente" abgeliefert. Die dokumentierte Motivation der Römer bei Menschenopfern war die Angst vor Hannibal,
Ich denk du mußt die Frage präzisieren und weit über Spekulationen wirst auch dann nicht hinauskommen,
 
Dankbarkeit würde ich eher bei Bauern ansiedeln die sich im Herbst über einen vollen Speicher Korn und einen großen Krug voll Bier freuen.
Absolut! Dankbarkeit (insbesondere an die Erde) kann eigentlich erst richtig bei den Sesshaften, bzw. bei den saisonal Sesshaften vermutet werden. Die Menschheit hat ihre weitaus längste Zeit mit dürftig behauenen Steinchen in der Hand verbracht. Vergleicht man sie mit Ästen hantierenden Schimpansen, wird klar, dass man da nicht allzu tiefe philosophische Betrachtungsweisen erwarten kann. Donnert es, und wird so ein Wesen vom Blitz erschlagen, dann wird erstmal geopfert, damit der Donnergeist da oben das nicht nochmals tut. Da gibt es zunächst noch lange keine religiöse Dankbarkeit.


So weit, so gut, es gibt reichlich Hypothesen. Auch hier ist das Grundproblem, dass die Frage, was als "Indizien" gewertet wird, heutigen Wahrnehmungen unterliegt.
Genau das hab ich mich auch gefragt. Wie kann man Menschenopfer 100%-ig beweisen?

Ein erster Hinweis wären gleichartige Verletzungen an Knochen, an möglichst vielen menschl. Überresten am gleichen Ort. (bereits hier hapert es bei vielen angeblichen Beweisen.) Wie man aber Massenhinrichtungen von Menschenopfern unterscheiden kann, ist mir ein Rätsel. (Das Fehlen von Organen deutet zwar auf eine kultische Bestattung, aber nicht unbedingt auf Menschenopfer.) Da helfen nur zusätzliche Funde von Opferung-Tools und Opferungsmobiliar, die eindeutig nur als solche interpretierbar sind.

<i>@ El Quijote</i>: (nur nebenbei bemerkt) bzgl. ›Opferungsmobiliar‹. Ich hatte beim von Dir geposteten piktischen Stein den Verdacht (mit dem ich allerdings den Thread nicht zusätzlich belasten wollte :D ), dass es sich dabei um ein Segment eines Opfertisches handeln könnte. Die stark abgeschrägte runde Seite mit den gerundeten Ecken macht weder bei ›Sitzungen‹, noch beim Essen Sinn. Der einzige Zweck, den ich darin erkennen kann (sofern man solche weiche Formen auf sonstigen piktischen Bauteilen nicht gefunden hat), ist die Schonung von Lebewesen, die auf den Tisch gezerrt werden, seien es Tiere, oder Menschen. Habe daraufhin zwar nicht genauer nachgeguckt, aber immerhin gesehen, dass den Pikten Menschenopfer tatsächlich nachgesagt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben