Wie lässt sich heutzutage die byzantinische Rhetorik geschichtlich bewerten?

AntikerSophist

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Hallo,
mir ist bekannt, dass es in der Forschung, die Rede von einer spezifisch byzantinischen Rhetorik gibt, wenn ich das richtig sehe. Beispiele solcher Vertreter dieser Art von Rhetorik, kann man ja in Michael Psellos aus dem 11. Jahrhundert sehen oder auch andere byzantinische "Intellektuelle" wie Bessarion , Plethon u.a. nennen, so jedenfalls mein Eindruck. Kann es sein, dass in der byzantinischen Kultur die Rhetorik denselben Stellenwert hatte wie in der griechisch-antiken Kultur, oder gibt es da geschichtlich gesehen Differenzen zwischen beiden Kulturen in dieser Hinsicht? Die Byzantiner und die antiken Griechen benutzten ja dieselbe Sprache: nämlich Griechisch, wobei sich dieses Griechisch natürlich unterscheidet von dem antiken Griechisch glaube ich. Ich fand es jedenfalls interessant zu sehen, wie rhetorisch anscheinend die byzantinische Kultur und ihre Bildung war, was mich eben insofern an die antike griechische Kultur erinnerte. Ich weiß nicht , ob man dem lateinischen Westen zu dieser Zeit das selbe rhetorische Niveau in seiner Bildung zu billigen kann , wie das zu damaliger Zeit in der Kultur des byzantiisichen Reiches der Fall war. Anscheinend kann man Byzanz in dem Punkt als Fortsetzer der antiken griechischen Kultur sehen, für die ja die Bedeutung der Rhetorik im kulturellen Leben unbestritten war. Ist aber die byzantinische Rhetorik eine Weiterentwicklung der antik-griechischen Rhetorik oder übernimmt sie diese im grunde nur mit wenigen Modifikationen? Wie kann man das historisch/geistesgeschichtlich beurteilen? Ist die byzantinische Rhetorik ein Spezifikum der byzantinischen Kultur gewesen, also etwas, was es in kulturellen Dingen von anderen damaligen Ländern qualitativ stark unterschied?
 
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Ich weiß nicht , ob man dem lateinischen Westen zu dieser Zeit das selbe rhetorische Niveau in seiner Bildung zu billigen kann , wie das zu damaliger Zeit in der Kultur des byzantiisichen Reiches der Fall war.
kannst du angesichts von Roger Bacon (13. Jh.) und seinen vielbeachteten philosophischen Schriften irgendeine Unterlegenheit der "lateinischen Kultur" gegenüber der byzantinischen in dieser Zeit (13. Jh.) geistesgeschichtlich benennen und nachweisen?

eine gewisse zivilisatorische, aber nicht zwingend intellektuelle Überlegenheit des oströmischen Reichs gegenüber den Verhältnissen in Italien oder im Frankenreich mag noch für das 9.-11/12. Jh. gelten, danach aber sicher nicht mehr. Zivilisatorisch-technisch standen die hochmittelalterlichen italienischen Stadtstaaten ganz sicher nicht im Schatten von Byzanz, dessen Stern in jedem Sinne seit dem Beginn der Kreuzzüge drastisch am sinken war.
 
kannst du angesichts von Roger Bacon (13. Jh.) und seinen vielbeachteten philosophischen Schriften irgendeine Unterlegenheit der "lateinischen Kultur" gegenüber der byzantinischen in dieser Zeit (13. Jh.) geistesgeschichtlich benennen und nachweisen?

@dekumatland: eine kulturelle Unterlegenheit der "lateinischen Kultur" kann ich so adhoc gegenüber der byzant. Kultur nicht nachweisen. Ich würde zwar sagen, dass der lateinische Westen kulturgeschichtlich gesehen ein gewisses rhetorische Niveau bzw Können hatte, denn die waren ja nicht kulturell unbedarft und das will ich auch nicht in Frage stellen, aber ich habe den Eindruck dass die byzantinische Kultur kulturhistorisch im Bereich von Rhetorik/Literatur doch wie mir scheint auf einem höheren rhetorisch- kulturellen Level war zu dieser Zeit . Das ist wie gesagt mein Eindruck, ich kann das aber nicht so direkt nachweisen. Jedenfalls wenn byzantinische "Intelektuelle" aus dieser Zeit liest, ist deren rhetorisches Können zum Teil wirklich beeindruckend nach meiner Einschätzung.

eine gewisse zivilisatorische, aber nicht zwingend intellektuelle Überlegenheit des oströmischen Reichs gegenüber den Verhältnissen in Italien oder im Frankenreich mag noch für das 9.-11/12. Jh. gelten, danach aber sicher nicht mehr. Zivilisatorisch-technisch standen die hochmittelalterlichen italienischen Stadtstaaten ganz sicher nicht im Schatten von Byzanz, dessen Stern in jedem Sinne seit dem Beginn der Kreuzzüge drastisch am sinken war.

@dekumatland: Naja militärtechnisch-zivilisatorisch mag das der Fall , dass dieser Stern im Sinken war. Allerdings wenn man die Kulturgeschichte Byzanz bis zum Fall von Konstantinopel im 15. Jahrhundert weiter verfolgt, habe ich den Eindruck, dass die rhetorische Kultur bzw. Bildung der Byzantiner dennoch nach wie vor seine Qualität hatte. In militärisch-politischen Dingen ging es zwar eher bergab, und Byzanz Macht wurde immer geringer, aber die literarisch-rhetorische Können , kurz die geistig-literarische Kultur des späten Byzanz kann sich dennoch sehen lassen wie ich finde, wenn man z.B. an Plethon, Bessarion und andere griechische Gelehrte/"Intelektuelle" aus dieser Zeit denkt. Ob sie kulturell Staaten wie Italien zu dieser Zeit eher überlegen waren vermag ich nicht zu beurteilen. Aber auch die Lateiner konnten ja ihre Kulturschaffende vorweisen und deren rhetorisch-literarisches Können möchte ich nicht unbedingt anzweifeln. Nach dem Fall Konstantinopels sind ja die byzantinischen Wissenschaftler/Gelehrten nach Italien geflüchtet und haben dort kulturell gewirkt (auch rhetorisch wie im Falle von Plethon). Ob das eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Lateinern und den Exil-Byzantiner war, kann ich momentan nicht einschätzen. Jedenfalls lädt das Ganze zu geistes/kulturgeschichtlichen Reflexionen vom heutigen Standpunkt aus ein.
 
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