Völkermord Herero - Problemfrage stellen

Wobei natürlich schon die Haager Landkriegsordnung die Schonung der Zivilbevölkerung verlangt und das Herbeiführen übermäßiger Opfer unter derselben ächtet. Da ist Völkermord dann nur ein extremer Spezialfall. Das sollte zumindest bei der Debatte beachtet werden, ob Völkermord vor den Nürnberger Prozessen justiziabel ist. Denn die Unterzeichner-Staaten verpflichteten sich verbotene Handlungen unter Strafe zu stellen. Bewaffneter oder gewalttätiger Widerstand gilt darin als Kapitalverbrechen, während bei anderem nur ein Verbot gefordert wird. Es sind also andere Ansichten und Wertungen als heute. Dennoch war es eine gültige Rechtsquelle, die in Deutschland bis heute Gesetz ist.

Mir ist bewußt, dass das ein multilateraler Vertrag war, der zunächst nur die ratifizierenden Staaten betraf. Doch wurde er, insbesondere in Deutschland lange als Quelle eines allgemeinen Völkerrechts hinsichtlich des Krieges betrachtet. Mir ist bewusst, dass das wahrscheinlich zu vereinfachend gesagt ist, aber es schien mir wichtig darauf hinzuweisen. Ich habe auch nicht im Kopf, wann welcher Teil unterschrieben wurde.
ich habe leider nicht den Text von 1899, nur den von 1907 und der gilt in Deutschland seit 1910. Problem bzgl. der HLKO ist, daß es Kriege zwischen Staaten behandelt, nicht Aufstände.
 
Völkermord wurde erst im 20. Jahrhundert zunehmend problematisiert und konstruiert. Vorausgegangen ist die Entwicklung des Völkerrechts und der Menschenrechte. Jahrhunderte lang galten Vertreibungen, Versklavungen und Massaker als probate Mittel.

Bald schon wurde Angehörige der eigenen Konfession oder "Rasse" wenigstens geschützt, während Fremde weiterhin massakriert werden dürften. Menschenrechte galten nicht allgemein, sondern nur die eigene Wahlverwandtschaft. Sehr deutlich erkennbar ist dies zum Beispiel am europäischen Diskurs über tscherkessische Sklaven im Osmanischen Reich. Eine derartige Behandlung von "Weißen" galten natürlich als unerhört, aber mit den anderen kann man das machen. Genau auf die gleiche Weise argumentierte auf von Trotha. Es sei selbstverständlich, so von Trotha, dass die Genfer Konvention beim Krieg in Afrika nicht angewendet würde.

Der Völkermord an den Herero fällt genau in die Zeit, in der Massaker und Vertreibungen zunehmend problematisiert werden. Besonders deutlich wird dies dadurch, dass von Trothas brutale Kriegsführung durch Reichstagsabgeordnete kritisiert wurde.

Die Bezeichnung als "erster Völkermord des 20. Jahrhunderts" ist ziemlich irreführend. Viel mehr ist es einer der letzten Völkermorde des 19. Jahrhunderts. Von Trothas Kriegsführung gegen die Herero stellt keine neue Dimension dar. Es ist keine neue Barbarei, sondern eine alte. Die Kritik daran ist das neue. Die Niederschlagung des Boxeraufstandes oder der Pariser Kommune hat die zeitgenössische Öffentlichkeit nicht so sehr erregt wie der Völkermord an den Herero.
 
...und selbst wenn die Herero und Nama miteingeschlossen wären, käme man juristisch mit vielem durch. So heißt es in der Einlassung
die Leiden des Krieges zu mildern, soweit es die militärischen Interessen gestatten,oder
wie sie sich ergeben aus den unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen

Zudem heißt es in Art. 2 der Präambel


Art. 2 [Anwendung nur unter Vertragsparteien]. Die Bestimmungen der im Artikel 1 angeführten Ordnung sowie des vorliegenden Abkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich Vertragsparteien sind.
In Kapitel 1 Artikel 2 heißt es

Art. 2 [Kämpfende Bevölkerung] Die Bevölkerung eines nicht besetzten Gebiets, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antriebe zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne Zeit gehabt zu haben, sich nach Artikel 1 zu organisieren, wird als kriegführend betrachtet, wenn sie die Waffen offen führt und die Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachtet.

In Kapitel 2 Art. 13 heißt es

Art. 13 [Heeresgefolge]. Personen, die einem Heere folgen, ohne ihm unmittelbar anzugehören, wie Kriegskorrespondenten, Zeitungsberichterstatter, Marketender und Lieferanten, haben, wenn sie in die Hand des Feindes geraten und diesem ihre Festhaltung zweckmäßig erscheint, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene, vorausgesetzt, daß sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde des Heeres befinden, das sie begleiteten.
Man könnte da noch weiter machen. Die HLKO enthält viele dieser schwammigen Bestimmungen und Ausschlüsse.

Ich denke aber, daß solch juristische Spielereien nicht wirklich wichtig sind. Ich bin absolut dafür, daß sich Deutschland für seine Taten während der Kolonialzeit entschuldigt. Ich habe auch trotz der marginalen Schuld Deutschlands am Völkermord an den Armeniern die Anerkennung der deutschen Verantwortung begrüßt. Ein Geschehnis als Völkermord anzuerkennen, das keines war, halte ich aber für reine Dummheit.
 
Ich bin völlig einer Meinung mit denen, die von Verbrechen während dieses Konfliktes sprechen. Ich bin völlig einverstanden, daß die Zwangsarbeit und die Konzentrationslager unmenschlich waren. In puncto Völkermord sitzen wir aber einem propaganda coup der Briten auf, den ideologischen Ergüssen eines DDR-Historikers und ebendso ideologisierten Kolonial- und Genozidforschern und kapitulieren vor geldgierigen Nachkommen.

Nett und da haben wir sie wieder die "Verschwörungstheorien" des "perfiden Albions". :rofl: Ich frage mich gerade, wer eigentlich gerade ideologisch eingefärbte Schablonen benutzt. :grübel:

Das platte und ideologisch eingefärbete Bashing von Historikern, die sich mit dem Genozid in SW-Afrika beschäftigen, betrifft unter anderem zwei international sehr renomierte Forscher. Wie beispiel die wegweisenden Arbeiten von Zimmerer und von Hull.

https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Zimmerer

https://de.wikipedia.org/wiki/Isabel_Hull

Es mutet dagegen wie ein Scherz an, wenn "beorna" einen Hobby-Historiker und Mitglied eines Traditionsverbands - Herrn Nuhn - als leuchtendes Beispiel für nicht ideologisch eingefärbte Forschung präsentiert.

Walter NUhn schätzte, daß 1904 ca. 40,000 Hereros in DSWA lebten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nuhn

https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionsverband_ehemaliger_Schutz-_und_%C3%9Cberseetruppen

Offensichtlich gibt es eine derartige große Ferne zur akademischen Forschung, die bei manchen dazu führt, jegliche Maßstäbe für international anerkannte Forschungsergebnisse zu verlieren.

Aber vermutlich sitze ich da auch nur einem "Propaganda Coup" der Briten auf oder noch schlimmer dem - erfolgreichen - Versuch der Gehirnwäsche durch einen "DDR-Historiker", wobei nicht klar ist, wer da eigentlich gemeint sein sollte. Weder Hull noch Zimmerer können wohl gemeint sein.
 
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Völkermord wurde erst im 20. Jahrhundert zunehmend problematisiert und konstruiert. Vorausgegangen ist die Entwicklung des Völkerrechts und der Menschenrechte. Jahrhunderte lang galten Vertreibungen, Versklavungen und Massaker als probate Mittel.

Bald schon wurde Angehörige der eigenen Konfession oder "Rasse" wenigstens geschützt, während Fremde weiterhin massakriert werden dürften. Menschenrechte galten nicht allgemein, sondern nur die eigene Wahlverwandtschaft. Sehr deutlich erkennbar ist dies zum Beispiel am europäischen Diskurs über tscherkessische Sklaven im Osmanischen Reich. Eine derartige Behandlung von "Weißen" galten natürlich als unerhört, aber mit den anderen kann man das machen. Genau auf die gleiche Weise argumentierte auf von Trotha. Es sei selbstverständlich, so von Trotha, dass die Genfer Konvention beim Krieg in Afrika nicht angewendet würde.

Der Völkermord an den Herero fällt genau in die Zeit, in der Massaker und Vertreibungen zunehmend problematisiert werden. Besonders deutlich wird dies dadurch, dass von Trothas brutale Kriegsführung durch Reichstagsabgeordnete kritisiert wurde.

Die Bezeichnung als "erster Völkermord des 20. Jahrhunderts" ist ziemlich irreführend. Viel mehr ist es einer der letzten Völkermorde des 19. Jahrhunderts. Von Trothas Kriegsführung gegen die Herero stellt keine neue Dimension dar. Es ist keine neue Barbarei, sondern eine alte. Die Kritik daran ist das neue. Die Niederschlagung des Boxeraufstandes oder der Pariser Kommune hat die zeitgenössische Öffentlichkeit nicht so sehr erregt wie der Völkermord an den Herero.
Beim Punkt Völkermord divergieren unsere Meinungen. Sonst kann ich dir weitgehend zustimmen. Wobei ich es auch nicht dem 19. jahrhundert zuordnen würde, sondern generell der Kolonialzeit. Noch der Algerienkrieg und der Mau-Mau-Krieg wurden so geführt und damit sogar beide nach dem WWII.
 
Nett und da haben wir sie wieder die "Verschwörungstheorien" des "perfiden Albions". :rofl: Ich frage mich gerade, wer eigentlich gerade ideologisch eingefärbte Schablonen benutzt. :grübel:

Aber mit der Leugnung der Genozids befindet sich "beorna" ja in guter Gesellschaft und zeigt, dass die Leugnung von Genozides offensichtlich gerade schwer in Mode ist.

Das platte und ideologisch eingefärbete Bashing von Historikern, die sich mit dem Genozid in SW-Afrika beschäftigen, betrifft unter anderem zwei international sehr renomierte Forscher. Wie beispiel die wegweisenden Arbeiten von Zimmerer und von Hull.

https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Zimmerer

https://de.wikipedia.org/wiki/Isabel_Hull

Es mutet dagegen wie ein Scherz an, wenn "beorna" einen Hobby-Historiker und Mitglied eines Traditionsverbands - Herrn Nuhn - als leuchtendes Beispiel für nicht ideologisch eingefärbte Forschung präsentiert.



https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nuhn

https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionsverband_ehemaliger_Schutz-_und_Überseetruppen

Offensichtlich gibt es eine derartige große Ferne zur akademischen Forschung, die bei manchen dazu führt, jegliche Maßstäbe für international anerkannte Forschungsergebnisse zu verlieren.

Aber vermutlich sitze ich da auch nur einem "Propaganda Coup" der Briten auf oder noch schlimmer dem - erfolgreichen - Versuch der Gehirnwäsche durch einen "DDR-Historiker", wobei nicht klar ist, wer da eigentlich gemeint sein sollte. Weder Hull noch Zimmerer können wohl gemeint sein.
Auf deinen Beitrag habe ich schon gewartet. Du kannst dich in diese Gruppe nahtlos einreihen. Ich finde es eher traurig, das "Hobby-Historiker" wie Nuhn und Schneider-Waterberg (bezeichnest du Lau auch als solche?) sich mehr mit den Quellen und Widersprüchen befassen als Zimmerer, Drechsler und Co.

Und mich mit Genozid-Leugnern in einen Topf zu werfen, ich vermute du meinst Türken und Holocaust-leugner, zeigt mir deutlich, welch Geistes Kind du bist. Ich leugne keinen Genozid, es gab ihn nicht. Das unterscheidet mich von den Erdogans und Haverbecks, Neys oder Irvings. Und falls du dir Mühe geben würdest meine Beiträge zu lesen und zu verstehen, könntest du erkennen, daß ich keinesfalls Verbrechen leugne, die sich beweisen lassen, sondern lediglich an der Einordnung der Ereignisse als Genozid Anstoß nehme.

Ich habe in meinem Studium gelernt, daß man über Streitpunkte diskutiert und das es oft trotz Diskussion nicht immer zu einer Einigung kommt. Du scheinst neben deiner Meinung aber grundsätzlich keine andere zu akzeptieren und anstatt selbst Dinge zu hinterfragen flüchtest du dich regelmäßig in Quellenangaben.
 
Ich würde eher sagen, dass er oft den Standpunkt von Autoritäten vertritt. Das ist die Haus eine legitime Haltung, die natürlich nicht von der Pflicht zur Begründung befreit.

(Jetzt macht das Ding aus 'durchaus' 'die Haus', und ich kann's nicht ändern.)
 
@beorna Wenn jemand sehr undifferenziert in den letzten Beiträgen ausgeteilt hat, dann bist Du es. Und es waren u.a. sehr renomierte Historiker, die da pauschal abqualifiziert worden sind.

Auf deinen Beitrag habe ich schon gewartet. Du kannst dich in diese Gruppe nahtlos einreihen.

Vielen Dank. Mache ich gerne. Ich reihe mich gerne ein in die international anerkannte Forschung, die durch einen sehr breiten Filter der Begutachtung geht. Dann habe ich eine höhere Sicherheit, dass mein Weltbild bzw. mein Ansatz zur Erklärung historischer Ereignisse kein Methodenartefakt ist, sondern eine angemessene Rekonstuktion der Vergangenheit.

Ich habe in meinem Studium gelernt, daß man über Streitpunkte diskutiert und das es oft trotz Diskussion nicht immer zu einer Einigung kommt. Du scheinst neben deiner Meinung aber grundsätzlich keine andere zu akzeptieren und anstatt selbst Dinge zu hinterfragen flüchtest du dich regelmäßig in Quellenangaben.

Ich flüchte nicht in Quellenangaben, sondern ich liefere Belege für entsprechende Positionen, da die intersubjektive Nachprüfbarkeit ein zentrales Kriterium für wissenschaftliches Argumentieren ist.

Ansonsten referiere ich sogar widersprüchliche Positionen und belege sie sogar zusätzlich, gerade um die unterschiedlichen Positionen zu zeigen.

Und offensichtlich fällt Dir Dein Widerspruch nicht auf. Ich referiere anerkannte wissenschaftliche Ergebnisse, gerade weil ich meine eigene Meinung nicht überbewerte.
 
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Ich würde eher sagen, dass er oft den Standpunkt von Autoritäten vertritt. Das ist die Haus eine legitime Haltung, die natürlich nicht von der Pflicht zur Begründung befreit.

(Jetzt macht das Ding aus 'durchaus' 'die Haus', und ich kann's nicht ändern.)

Klar ist das legitim. Quellenwissen kann auch prinzipiell nicht schaden. Mit diesem argumentum ad verecundiam kann er vielleicht auch oftmals Leute beeindrucken. Da ich hier ja nur wieder eingestiegen bin, weil ich zufällig sah, daß jemand auf die neue Spiegelausgabe hinwies, könnte thanepower vielleicht den Bericht von Bartholomäus Grill unter wissenschaftlicher Beratung von Gustav Obermaier gerne auseinandernehmen und vielleicht auch nicht nur mit Zitaten von Autoritäten, sondern auch eigenen Schlußfolgerungen!
 
@beorna Wenn jemand sehr undifferenziert in den letzten Beiträgen ausgeteilt hat, dann bist Du es. Und es waren u.a. sehr renomierte Historiker, die da pauschal abqualifiziert worden sind.
Gegen Zimmerer und Drechsler, ja, das habe ich. Ich will beide oder auch andere nicht pauschal abqualifizieren. Dennoch gibt es bei beiden Punkten, die zu Kritik meiner Meinung nach berechtigen. Und in bezug auf den herero und Namakonflikt vertreten beide Standpunkte, die mir ideologisch bedingt erscheinen. Das man Nuhn oder Schneider-Waterberg dies auch vorwerfen kann, akzeptiere ich. Und nun sollte die Arbeit eines Historikers beginnen.


Vielen Dank. Mache ich gerne. Ich reihe mich gerne ein in die international anerkannte Forschung, die durch einen sehr breiten Filter der Begutachtung geht.
Da hast du mich mißverstanden :)


Ich flüchte nicht in Quellenangaben, sondern ich liefere Belege für entsprechende Positionen, da die intersubjektive Nachprüfbarkeit ein zentrales Kriterium für wissenschaftliches Argumentieren ist.
das sehe ich anders.

Ansonsten referiere ich sogar widersprüchliche Positionen und belege sie sogar zusätzlich, gerade um die unterschiedlichen Positionen zu zeigen.
das ist richtig. Eine eigene Position kann aber auch nicht schaden.

Und offensichtlich fällt Dir Dein Widerspruch nicht auf. Ich referiere anerkannte wissenschaftliche Ergebnisse, gerade weil ich meine eigene Meinung nicht überbewerte.
Ein wenig Zweifel, auch an "anerkannten" wissenschaftlichen Ergenissen, kann nie schaden.
 
Um vielleicht mal von unseren persönlichen Differenzen weg zu kommen. wie bewertest du denn das Zahlenspiel. 80.000 bis 100.000 Herero sollen es gewesen sein, 1911 nur noch 15000. Es gibt mehrere Aussagen von Missionaren die deutlich niedriger liegen. Wie stehst du denn dazu? Sind in den 15000 denn auch die Hereros von Salatiel Kambazembi in Ovamboland? Der scheint der gnadenlosen Omaheke auch entkommen zu sein. Was ist mit Daniel Kariko? was ist mit der gruppe von Willy maherero geschehen, was mit Zacharias Zaraua?
 
Zur Feststellung des Genozids an den Herero die entsprechende Stellungnahme der UN

Historical Survey - Whitaker Report on Genocide, 1985

gesamt:
Whitaker Report on Genocide, 1985 - Prevent Genocide International

Es werden dort ca. 105.000 Herero als Opfer benannt. Beispielsweise bezieht sich Sarkin in seiner Untersuchung auf diese Angabe und von diesem Wert gehe ich somit aus. Wenngleich natürlich deutlich sein sollte, dass diese statistischen Angaben bestenfalls "gesicherte Schätzungen" sein können.

Die Anzahl der Opfer dürfte zumindest nahe an die Gesamtzahl der Personen heranreichen, die zum Volk der Herero gehörten und somit ist auch die absolute Zahl der Toten nicht relevant, sondern der prozentuale Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zumindest für die Qualifizierung als "Genozid".

Zumal Sarkin auch deutlich macht, dass es bei der Frage durchaus nicht nur um Entschädigungen geht, sondern um die Rekonstruktion der Identität der Herero als "beschädigtes" Volk.

Um das Thema soziale und kulturelle Auswirkungen eines ünterdrückenden und ausbeutenden Imperialismus in den Kolonien auch zusätzlich zu benennen.

https://books.google.de/books?id=aVX3XcuC9akC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Und mit M. Mann (The Dark Side of Democracy, S. 106) möchte ich folgendes formulieren "Had the International Criminal Tribunal existed in 1905, General von Trotha would certainly have been convicted of genocide on the basis of his own testimony. If sufficient evidence could be found, so some of his officers ...and some of the settler militiamen. Probably not the kaiser or General von Schlieffen, however, or many other civilians."
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich dachte immer, es käme auf den Vorsatz an, nicht auf die Zahl.

Angaben der UNO sind für jene Zeit keine Quelle, da sie erst Jahrzehnte später gegründet wurde. Nolens volens muss man nach den Quellen Fragen, die dem zugrunde liegen. Und Literatur, die versäumt die Quellen zu prüfen -es geht hier ja um wichtige Daten und nicht etwa darum, ob der Kaiser schlechte Laune hatte, als er von dem Vorgehen erfuhr- gebührt ohne Überprüfung der Argumentation und der richtigen Quellen, kein Vertrauen. Oder gilt jener Bericht als Quellenedition?

Thanepower, ich weiß, Du beziehst Dich auf den Bericht als Untersuchung der Zahlen. Ich will nur darauf hinweisen, dass solche Berichte oft wie Quellen benutzt werden, obwohl sie diese bloß untersuchen. Daher ist es dann auch wieder legitim, deren Zuverlässigkeit zu überprüfen. Schließlich hat man ja schon oft beobachten können, dass diese nicht nach Kenntnisstand, sondern aufgrund von politischer Einflussnahme entstehen. Man denke an die Angaben zum Kalorienbedarf pro Tag. Oder auch die jüngst bekannt gewordenen Erpressungen, denen sich der Generalsekretär beugen musste. Damit kann man Angaben der UN nicht ohne Prüfung übernehmen.

Mir geht es da keineswegs um eine Position. So sehr habe ich mich nicht damit beschäftigt. Ihr habt doch beide keine bösen Absichten, wollt herausfinden, was man noch zum Ereignis sagen kann, wobei einmal die konservative Sicht vom Völkermord vertreten wird und einmal Kritik daran geäußert wird.

Ich würde vorschlagen, erst einmal die Zahlen zu klären, zu schauen, wie leistungsfähig die genannten Wasserlöcher in der fraglichen Jahreszeit sind und von welchem zeitlichen Ablauf man ausgehen kann. Das sind ja die Punkte, an denen sich die Kritik beornas entzündet.

Edit: Einige Kritikpunkte sind mir zwar bisher schon aufgefallen, aber nicht mehr, als einem sonst bei den üblichen Generalisierung auffällt, wenn man mal die Quellen liest. Eine Zeit war ich daher skeptisch, aber wenn die anerkannten Autoritäten dabei bleiben, mögen mir entscheidende Fakten nicht bekannt sein. Jetzt bin ich wieder überrascht und gespannt, was herauskommt, wenn man mal genauer nachschaut. Darum schlage ich vor, grundsätzlichere Diskussionen, also zur Wissenschaftstheorie, in einem anderen Thread zu führen und hier Quellen und Definitionen aufzusuchen, also empirisch vorzugehen.
 
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Hoffnungslos!

also ich lese, das von 80.000 ungefähr 15.000 überlebten. Eine Zahl 105.000 sehe ich jetzt nicht, vielleicht habe ich sie aber übersehen.
Also Sarkin bezieht sich darauf und nennt diese Zahl und du gehst deshalb davon aus. Und gibt es denn auch andere Untersuchungen oder Aussagen dazu?

Dann schreibst du, "Die Anzahl der Opfer dürfte zumindest nahe an die Gesamtzahl der Personen heranreichen, die zum Volk der Herero gehörten und somit ist auch die absolute Zahl der Toten nicht relevant, sondern der prozentuale Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zumindest für die Qualifizierung als "Genozid"".

Also für einen Genozid ist die Anzahl laut Definition erstmal unwichtig, sondern die Absicht. Zudem, was heißt dürfte? Ja, wenn von 105.000 wirklich 1911 nur noch 15.000 lebten, dann ist das schon gewaltig. Als die Deutschen im Jahre 1906 zählten waren es rund 18.000 die in ihrem Gewahrsam waren, sie gingen aber auch von weiteren 15.000 aus, die es nicht waren. Hinzu kommen die in den britischen Kolonien oder in Angola. Missionare schätzen die Herero 1910 bereits wieder auf bis zu 40.000 Personen in DSWA. Das wiederum läßt alle in Betschuanaland, in Ovamboland, im Cacaoveld, in Ngamiland oder Tsu und Kavango gar nicht mit ein. Sicherlich sind das alles Schätzungen, aber das liegt bei "deinen" Quellen nicht anders. Und ebendso verhält es sich mit der ursprünglichen größe im Jahre 1904. Leutwein geht von 60-70.000 Herero aus, andere von 40-60.000. Missionare schätzten auch die Anzahl der Herero am Waterberg auf nur 25-35.000.

Niemand kann definitive Zahlen nennen. Daher sollte man äußerst vorsichtig sein, aus vagen Zahlen einen Völkermord zu fabrizieren.


Und was Trotha betrifft, so wäre ich ja bereit einen beabsichtigten Genozid in Betracht zu ziehen. Ich sprach es aber an, der sogenannte Vernichtungsbefehl wurde aber erst 2 Monate nach der Schlacht am Waterberg erlassen. Er bezog sich zudem nur auf männliche Herero, die ebend alle Kombattanten waren. Zu diesem Zeitpunkt hatte er gar keinen oder kaum noch Zugriff auf die Herero, die ihm allesamt, in alle Richtungen, entwischt waren. Ich denke, die These, daß es ein Befehl war um das Gesicht zu retten, sollte durchaus ernsthaft geprüft werden. Eine Abschließung der Omaheke mit seinen paar tausend Mann, vielfach ohne Pferde, war schlichtweg möglich und die "Abschließung" erfolgte auch viel zu spät, um überhaupt noch wirksam hätte werden zu können. die Absicht eines Genozids ist deshalb zumindest zweifelhaft. Mahereros Aufruf, "tötet keine Engländer mehr, keine Buren, Basterds, etc, tötet alle Deutschen" erfüllt bei einer Wertung wie bei v. Trotha dann nicht weniger den Vorwurf des Genozids.
 
Damit kann man Angaben der UN nicht ohne Prüfung übernehmen.

Guter Hinweis! Damit haben wir die Messlatte durchaus hoch angelegt.

Der "Whitaker-Report" spiegelt durchaus die Korrektur einer politischen Beeinflussung auf die UNO wieder, aber in der Frage des Genozids an den Armeniern. Insofern wird man gerade hinsichtlich einer politischen Beeinflussung eine hohe Sensibilisierung und Bereitschaft dieser zu widerstehen unterstellen können.

"introduction There have been two major United Nation documents on genocide, the Ruhashyankiko report of 1978 and the Whitaker report of 1985. Both are major studies of genocide from the standpoint of the Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities (presently the Sub-Commission on Promotion and Protection of Human Rights), with the second report intended as a corrective to the former. Due to political pressure, the Ruhashyankiko report had been forced to delete any mention of the Armenian genocide. The Whitaker report, in contrast, concluded that the Armenian massacres had constituted genocide."

Es ist aber durchaus interessant, dass ein zentraler UNO-Report zur Frage von Genoziden, der heute jederzeit im Web überprüft werden kann und aktualisiert wird in seinen Quellen, kritischer hinterfragt wird wie Aussagen von Missionaren etc.

@Riothamus: Wenn Du zu Recht eine kritische Sichtung von Quellen einforderst, dann solltest Du diese Forderung auch und vor allem auch an die stellen, die auf eine Revision der offiziellen Einschätzung eines Genozids an den Herero drängen. Die sind vor allem in der Beweispflicht!

Und so lange halte ich mich persönlich an die offizielle Einschätzung der Uno, die durch die Ergebnisse von Hull und anderen bestätigt werden. Auch ohne, dass ich im Moment die Quellenlage überprüfen kann und will, weder im UNO-Bericht und auch nicht bei Hull oder anderen. Aber sollte ich mehr Zeit haben, werde ich den Bestand der UB gerne durchforsten.

Ich dachte immer, es käme auf den Vorsatz an, nicht auf die Zahl.

Nein, so einfach ist das sicherlich nicht. Es gibt durchaus unterschiedliche Verwendungsweisen des Konstrukts "Genozid", wie im entsprechenden Handbuch interdisziplinär dargestellt.

https://books.google.de/books?id=bEcTDAAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=the+oxford+handbook+of+genocide&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=the%20oxford%20handbook%20of%20genocide&f=false
 
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.....

@Riothamus: Wenn Du zu Recht eine kritische Sichtung von Quellen einforderst, dann solltest Du diese Forderung auch und vor allem auch an die stellen, die auf eine Revision der offiziellen Einschätzung eines Genozids an den Herero drängen. Die sind vor allem in der Beweispflicht!
Nun, dazu gehören doch die Hinterfragung der Bevölkerungszahlen, der örtlichen Begebenheiten und anderer Punkte, die du aber sofort dadurch weggewischst hast, daß es sich um Hobby-Historiker handelt. Wenn man Beweise fordert, sollte man sie sich auch anhören.

Und so lange halte ich mich persönlich an die offizielle Einschätzung der Uno, die durch die Ergebnisse von Hull und anderen bestätigt werden. Auch ohne, dass ich im Moment die Quellenlage überprüfen kann und will, weder im UNO-Bericht und auch nicht bei Hull oder anderen. Aber sollte ich mehr Zeit haben, werde ich den Bestand der UB gerne durchforsten.
Ich habe das Buch von Hull nicht vorliegen. Aber wenn ich mich erinnere beschreibt doch auch sie die Phase nach den Gefechten am Waterberg als genozidale Phase des Krieges, mitsamt Verhungern und Verdursten in der wasserlosen Omaheke und ebendso von systematischem Morden in den Konzentrationslagern. Die Herero wurden aber nicht in die Omaheke getrieben, sondern haben sich dorthin abgesetzt um nach Betschuanaland zu kommen. Sie wurden nicht von der Schutztruppe in der Omaheke eingekesselt. Dazu hatte die gar nicht das Personal.

Nein, so einfach ist das sicherlich nicht. Es gibt durchaus unterschiedliche Verwendungsweisen des Konstrukts "Genozid", wie im entsprechenden Handbuch interdisziplinär dargestellt.

https://books.google.de/books?id=bE...age&q=the oxford handbook of genocide&f=false
Doch, so einfach ist das. Keine Absicht, kein Völkermord, jedenfalls nach der lemkinschen Definition. Und hier kommen wir zu einem weiteren Punkt, nämlich der Rücknahme durch die Reichsregierung als man davon Kenntnis bekam.
 
Die Aufforderung war beiden Seiten zugedacht.

Und offizielle Einschätzung? Gerade da, wo man versucht eine Meinung verbindlich zu machen, muss größte Sorgfalt walten. Kommen Zweifel, müssen sie ausgeräumt werden, oder die Einschätzung aufgegeben. Mit Wissenschaft hat das auch nichts zu tun.

Eine wissenschaftliche Aussage hingegen muss sich jederzeit der Überprüfung stellen. Sonst ist es keine Wissenschaft. Genau genommen ist auch keine Widerlegung notwendig, um neue Theorien zu vertreten. Wer zu erst kommt mahlt vielleicht im Wissenschaftsbetrieb zuerst, ganz sicher nicht in der Wissenschaft. Sonst müssten wir erstmal widerlegen, dass Gott die Geschichte inspiriert. Bekanntlich kann man das nicht.

Ich habe mich gerade bei Steltzer, Die Deutschen und ihr Kolonialreich eingelesen. Es gibt sicher ausführlichere, aber für den schnellen Überblick...

Und zum Thema Wasserlöcher ist es schon mal aufschlussreich: S. 204 zitiert er den Grossen Generalstab (Hg), Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südafrika, Berlin 1906/07, S.202f.: Die Wasserstellen waren von den zu zahlreichen Menschen und dem Vieh ausgetrunken. Dabei sollen die Herero bis zu 40 Meter tief gegraben haben. Schon vor erreichen des Sandfeldes habe man entlang "der feindlichen Rückzugsstraße" zahlreiche Verdurstende gefunden. Steltzer gibt Major von Erstorff als Quelle an. Sauber müsste das im Generalstabswerk nach gehalten werden. Dazu werde ich in nächster Zeit nicht kommen.

Noch eine Bemerkung ist interessant. Trotha konnte die Herero wegen der "trockenen Jahreszeit", also doch wohl aus Wassermangel nicht verfolgen. Auch da würde ich mich über den Generalstab zu den Quellen hangeln.

Dann gibt es noch einen Widerspruch. Schon am Tag des berüchtigten Befehls musste er, soviele Kräfte wie möglich wegen des Aufstände der Nama nach Süden verlegen. Auch da dürfte der Generalstab Aufschluss bieten: Wie gestaltete sich die Absperrung tatsächlich? Und wie sah der an die Truppe tatsächlich ausgegebene Befehl aus? Bei einem ungenauen Tagesbefehl ist es doch ganz sicher nicht geblieben. Und gibt es Aussagen zur Durchführung des Auftrags?

Als Zahlen bringt Steltzer nur die Schätzungen von Missionare aus dem Jahr 1906, die schon erwähnt wurden und betont, dass es keine Zahlungen gab.
 
Jörn Axel Kämmer schrieb:
Das Völkerrecht des Kolonialismus: Genese, Bedeutung
und Nachwirkungen
, Hamburg Seite 418, 419

Im Falle der nicht seltenen bewaffneten Konflikte gab die oft aus Unkenntnis resultierende Missachtung der humanitären Regeln durch die sich der Unterwerfung widersetzenden Indigenen den Europäern probaten Anlass, sich der Kriegsrepressalie zu bedienen oder gar die Nichtanwendbarkeit humanitärer Grundregeln auf die nicht für staatsfähig erachteten „Wilden“ oder „Halbwilden“ zu proklamieren. Mit erfolgter Unterwerfung waren Kolonialkriege nur noch interne Konflikte, für die damals auch in Europa kaum humanitären Regeln gegolten hätten. „Gefangene werden nicht gemacht“ war auch in Europa der Imperativ gegenüber irregulären Kombattanten und Aufständischen. Warum auch hätten sie gegen die Herero schonender vorgehen sollen als gegen Insurgenten der Pariser Kommune.

Kämmerer hat die Eigenlogik kolonialer Gräueltaten kurz und knapp dargestellt.

Die Gräueltaten der Herero während des Aufstandes ("Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich kämpfe, tötet alle Deutschen.") sind willkommener Anlass für von Trotha, die Regeln einer huminatärischen Kriegsführung nicht auf die Herero anzuwenden.
Der zweite Punkt ist der, dass man die Herero nicht als reguläre Kämpfer ansah.
Auch Kämmerer zieht den Vergleich mit der Niederschlagung Parsier Kommune. Derartige Grausamkeiten sind also auch in Europa denkbar. Wichtig erscheint mir an der Stelle auch, dass von Trotha bereits im deutsch-französischen Krieg kämpfte, also ein Zeitgenosse der Ereignisse war. Die Idee man könne oder müsse Kommunisten und andere Aufständige einfach niedermetzeln führt nach 1918 zur Verrohung und Barbarisierung innerhalb Europas.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im August herrscht in der Omaheke Winter und es ist gleichzeitig die Trockenzeit. Deine Erwähnung, daß man Leichen neben ergrabenen Wasserlöchern fand, ist zutreffend. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren, wieso die Herero mit so viel Volk und Vieh diesen Weg nahmen? Für sie war die Omaheke kein terra incognita. Bekannte trails führten hindurch.

Richtig ist auch, daß eine Verfolgung der Herero gar nicht stattfand. Vielmehr wurde versucht mit den Herero Fühlung zu behalten. Die Masse der Truppen war fertig. Dies versuchte Brigitte Lau anhand des Sanitätsberichtes zu zeigen. Gerade Typhus und Ruhr setzten den Deutschen zu, was übrigends auch vielfach in den späteren Lagern zu den meisten Toten unter Herero und Nama führte. Die Herero und Nama kamen oft bereits geschwächt an, schlechte und unzureichende Ernährung und Unterbringung taten ihr übriges.
 
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