Gattenwahl im Antiken Griechenland

Nergal

Aktives Mitglied
In wie weit hatten Männer und Frauen damals bei der Wahl ihres Eheparteners ein Mitspracherecht?
Waren Ehen arangiert, konnte nur der Mann bestimmen, oder beide, oder nur die Eltern?
 
In wie weit hatten Männer und Frauen damals bei der Wahl ihres Eheparteners ein Mitspracherecht?
Waren Ehen arangiert, konnte nur der Mann bestimmen, oder beide, oder nur die Eltern?

Um eine allgemeine Antwort zu geben:
Die Braut hatte nichts zu melden. Die Sache wurde vor allem zwischen Bräutigam und Schwiegervater ausgemacht. Bei der Partnerwahl waren familiäre, wirtschaftliche und gesetzliche Bedingungen zu beachten.

Der Altersunterschied zwischen den Eheleuten war oft beträchtlich. Mädchen wurden mit plus minus 15 verheiratet, Männer ließen sich bis 30 Zeit.


Wer es genauer wissen will und französisch kann:

Anne-Marie Vérilhac + Claude Vial:
Le mariage grec: du VIe siècle av. J.-C. à l'époque d'Auguste
Athen 1998
 
In wie weit hatten Männer und Frauen damals bei der Wahl ihres Eheparteners ein Mitspracherecht?
Waren Ehen arangiert, konnte nur der Mann bestimmen, oder beide, oder nur die Eltern?

Wie Sepiola schon andeutete, gibt es hier auf in den verschiedenen Poleis gewichtige Unterschiede. Auch in der zeitlichen Ebene ist nicht mit Kontinuität zu rechnen.
Der wesentliche Teil der uns zur Verfügung stehenden Informationen, bezieht sich natürlich – wie sollte es anders sein – auf Athen. Es ist davon auszugehen, dass Ehen oder besser gesagt Familiengründungen, weniger auf einer Liebesbeziehung als auf Erwägungen der Nützlichkeit beruhten bzw. als natürliche Notwendigkeit betrachtet wurden. Als wichtigsten Gründe für die Ehe nennt Xenophon die Zeugung von Nachkommen. Diese sollten der Pflege im Alter und dem Fortbestand der Gattung dienen.
Im Normalfall wurde die Ehe vom Vater der Braut oder deren Vormund geschlossen. Dieser hatte auch für eine entsprechende Mitgift zu sorgen, welche bei einer Scheidung auch wieder zu erstatten war (ähnlich einem Tauschhandel). Die Braut scheint hier relativ wenig Mitspracherecht gehabt zu haben. Dies lag zum einen an ihrem zumeist sehr jungen Alter von ca. 15 Jahren und zum anderen an ihrer gesellschaftlichen Position innerhalb der Polisgesellschaft (Selbst für erwachsene Frauen galt, dass jene am besten sind, über die nicht einmal gesprochen wird. Und wie soll jemand in dieser Position, noch dazu in jungen Jahren, ein relevantes Mitspracherecht eingeräumt werden?). Im Gegensatz dazu wurde der etwa doppelt so alte 30jährge Bräutigam sehr wohl an der Heiratsentscheidung beteiligt.
Ab den 4. Jahrhundert trat der Aspekt der gefühlsmäßigen Verbindung in der Ehe verstärkt in den Vordergrund. Deutlich wird dies anhand von Abbildungen von Ehepaaren auf attischen Marmorlekythen. Diese Gefühlsbetontheit ist jedoch nicht so sehr auf die Eheschließung, sondern mehr auf die bestehende, gereifte Ehe bezogen.

Für Sparta ist die Informationslage leider nicht ganz so gut. Hier soll die Braut, mit ca. 20 Jahren, allerdings etwas älter gewesen sein. Wilfried Schmitz hat hierzu aber noch einen schönen Artikel geschrieben in dem es heißt:

„Folgt man der Darstellung des Plutarch in der ‚Vita des Lykurgos’ wurde die Braut in der Brautnacht geraubt; man schor ihr die Haare bis auf den Kopf, zog ihr ein Männergewand an und legte sie auf eine Streu. Der junge Mann kam heimlich zu ihr und ging nach dem Geschlechtsverkehr zu seinen Altersgenossen zurück. Bei diesem Hochzeitsritual wurde der gleichgeschlechtliche Verkehr zwischen dem Erastes und einem Eromenos imitiert, so wie er während der Erziehung der Heranwachsenden zwischen einem 20-30ährigen Spartiaten und einem zwölf- bis 18jährigen Jugendlichen üblich war.“

Hier auch nochmal ein kleiner Link zu dem Artikel von Schmitz.

Quellen:

Raimund Wünsche (Hrsg.): Starke Frauen, Staatliche Antikensammlung und Glyptothek, München 2008, S.: 26-28.

Schmitz Willfried, Gegenwärtige Antike, Antike Gegenwarten (Kolloquium zum 60. Geburtstag von Rolf Rillinger), S. 106, Bielefeld 2002
 
Ab den 4. Jahrhundert trat der Aspekt der gefühlsmäßigen Verbindung in der Ehe verstärkt in den Vordergrund. Deutlich wird dies anhand von Abbildungen von Ehepaaren auf attischen Marmorlekythen. Diese Gefühlsbetontheit ist jedoch nicht so sehr auf die Eheschließung, sondern mehr auf die bestehende, gereifte Ehe bezogen.

Die antiken Griechen unterschieden 6 Arten der ´Liebe´:

1) Eros, die sexuelle Leidenschaft - von den Griechen als zweischneidiges Schwert gesehen, da lustvoll, aber auch gefährlich (Kontrollverlust)

2) Philia, die Freundschaft, von den Griechen oft über den Eros gestellt

3) Ludus, spielerische Liebe/Sex

4) Agape, die selbstlose Liebe

5) Pragma, die reife Liebe zwischen langjährigen Partnern (von dir im o.z. letzten Satz angesprochen)

6) Philautia, auch als Narzissmus bekannt
 
Eine Frage:
Inwieweit hatte der Bräutigam im Gegensatz zur Braut tatsächlich Mitspracherecht, wenn er nicht selbst das Oberhaupt seiner Familie war?
 
Eine Frage:
Inwieweit hatte der Bräutigam im Gegensatz zur Braut tatsächlich Mitspracherecht, wenn er nicht selbst das Oberhaupt seiner Familie war?

Guter Einwand. Wenn der Vater des Bräutigams noch am Leben war, hatte dieser sicher das entscheidende Wort. Da wurden Ehen arrangiert. Der Sohn wurde ggf. vor vollendete Tatsachen gestellt und bekam die Braut erst am Hochzeitstag zu Gesicht.

Andererseits waren die Männer bei der Heirat schon relativ alt. Da wird es nicht selten vorgekommen sein, dass der Vater des Bräutigams nicht mehr am Leben war - oder dass der Sohn schon zu Lebzeiten des Vaters seinen eigenen Haushalt gegründet hatte.

Buselus, men of the jury, was a member of the deme Oeon, and to him were born five sons, Hagnias and Eubulides and Stratius and Habron and Cleocritus. And all these sons of Buselus grew up to manhood, and their father Buselus divided his property among them all fairly and equitably, as was fitting. And when they had divided the property among themselves, each of them married a wife according to your laws, and sons and grandsons were born to them all, and there sprang up five households from the single one of Buselus; and they dwelt apart, each one having his own home and begetting his descendants.
Demosthenes, Against Macartatus, section 19
 
Die antiken Griechen unterschieden 6 Arten der ´Liebe´:

1) Eros, die sexuelle Leidenschaft - von den Griechen als zweischneidiges Schwert gesehen, da lustvoll, aber auch gefährlich (Kontrollverlust)

2) Philia, die Freundschaft, von den Griechen oft über den Eros gestellt

3) Ludus, spielerische Liebe/Sex

4) Agape, die selbstlose Liebe

5) Pragma, die reife Liebe zwischen langjährigen Partnern (von dir im o.z. letzten Satz angesprochen)

6) Philautia, auch als Narzissmus bekannt

Ich möchte Ihnen und Ihrem Bemühen nicht zu nahe treten, wage jedoch zu bezweifeln, dass die antiken Griechen das lateinische Wort " ludus " gebrauchten.
Ich meine, Alan Lee verwendet diesen an sich unzulässigen Synkretismus.
Sicherlich gibt es lateinische Fremd- und Lehnwörter im Altgriechischen, die aber weniger aus dem philosophisch-soziologischem Gebiet kommen als aus militärischem und juristisch-verwaltungstechnischen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte Ihnen und Ihrem Bemühen nicht zu nahe treten, wage jedoch zu bezweifeln, dass die antiken Griechen das lateinische Wort " ludus " gebrauchten.
Ich meine, Alan Lee verwendet diesen an sich unzulässigen Synkretismus.
Sicherlich gibt es lateinische Fremd- und Lehnwörter im Altgriechischen, die aber weniger aus dem philosophisch-soziologischem Gebiet kommen als aus militärischem und juristisch-verwaltungstechnischen.

Natürlich gebrauchten die Griechen nicht das Wort ´ludus´ für ´spielerische Liebe´, praktizierten aber sicher das, was Lee darunter versteht und mangels eines passenden griechischen Wortes lateinisch benennt. In diesem Sinne ist der linguistisch irritierende Synkretismus sachlich zulässig, meine ich.

Übrigens gibt es ´ludus´ als lateinisches Lehnwort im Griechischen im Ausdruck ´loudos matouteinos´ für die Kaserne von Tierkampf-spezialisierten Gladiatoren. Etymologisch leitet es sich entweder von ´leyd-´(= spielen / aus der PIE-Sprache) oder aus dem Etruskischen ab, erkennbar am toskanischen ´ludio´, das auf das Etruskische zurückgeht. Übrigens legen neuere DNA-Untersuchungen nahe, dass die Toskaner ursprünglich aus dem Nahen Osten kamen, das aber nur am Rande.

Wir können uns in diesem Forum auch gerne duzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens gibt es ´ludus´ als lateinisches Lehnwort im Griechischen im Ausdruck ´loudos matouteinos´ für die Kaserne von Tierkampf-spezialisierten Gladiatoren. Etymologisch leitet es sich entweder von ´leyd-´(= spielen / aus der PIE-Sprache) oder aus dem Etruskischen ab, erkennbar am toskanischen ´ludio´, das auf das Etruskische zurückgeht. Übrigens legen neuere DNA-Untersuchungen nahe, dass die Toskaner ursprünglich aus dem Nahen Osten kamen, das aber nur am Rande.

Es ist zumindest zweifelhaft, ob das lateinische ludere ( altlat. loidere ) mit dem griechischen λοιδορέω oder mit einem nicht-existenten ( irgendwoher erschlossenen ) anderen Wort zusammenhängt. Daher ist ein proindogermanisches Urwort nicht gesichert oder so einfach erschließbar.
Zum anderen:
hast Du eine Belegstelle für Dein Wort loudos matouteinos?
Da die Aspiration der Gutturalia, Muta und Dentalia im Griechischen schon sehr früh einsetzt, müsste die korrekte Umschreibung nicht λουδος ( loudos ), sondern λουντος ( lountos ) sein. Ähnlich steht es mit dem matouteinos, dass durchaus als - ινος ( - inos ) und nicht als - εινος ( - einos ) hätte transkribiert werden können.
Aber das führt nun ziemlich weit vom Thema weg.
Du hast insofern recht, dass es im klassischen Griechisch keine Entsprechung zum lateinischen ludus und zum deutschen Spiel gibt. Das Wort παιχνίδι(ον) entwickelt sich erst in der Spätantike, bez. frühen MA aus dem Verbum παίζω.
 
Aber das führt nun ziemlich weit vom Thema weg.

Ja, deswegen schließe ich hier mit diesem Thema ab. Es ist aber sicher kein Problem, wenn du deinerseits noch einmal darauf eingehst.

Es ist zumindest zweifelhaft, ob das lateinische ludere ( altlat. loidere ) mit dem griechischen λοιδορέω oder mit einem nicht-existenten ( irgendwoher erschlossenen ) anderen Wort zusammenhängt. Daher ist ein proindogermanisches Urwort nicht gesichert oder so einfach erschließbar.

Gesichert ist natürlich nichts, aber eine der bestehenden Hypothesen wird wohl zutreffen. Für einen etruskischen Ursprung spricht, dass ´ludio´ bzw. ´ludione´ (Schauspieler, Gladiator) von antiken Autoren auf das Etruskische zurückgeführt wurde und dass die Römer Waffentänze und Schauclownerien (aufgeführt von ´ludiones´) ursprünglich von den Etruskern übernommen hatten, welche möglicherweise auf aus der Ägais eingewanderte Pelasger zurückgehen.

hast Du eine Belegstelle für Dein Wort loudos matouteinos?

Der historische Beleg ist die Inschrift IK Ephesos 852, siehe:

Christian Mann, "Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir!" - Gladiatoren im Osten des Römischen Reiches und die Frage der Romanisierung / S. 125, Fußnote 52

Es gibt zudem den Ausdruck ´epitropos loudon´, gleichfalls für die Unterkünfte von Gladiatoren, hier ohne Einschränkung auf einen speziellen Kämpfertyp, erwähnt zuerst bei Louis Robert, "Les gladiateurs dans L’Orient grec" (1940), auf den Bezug genommen wird in:

"L´organisation des spectacles dans le monde romain", III Christina Kokkina, Games vs. buildings as energetic choices", S. 120, Fußnote 51 (PDF bei academia.edu S. 25)
 
Zurück
Oben