Der Umfang der Verpflichtung zum Militär- oder Kriegsdienst ergab sich aus der Verfassung.
Meine Frage bezieht sich nicht speziell auf das Deutsche Reich (DR). Für Großbritannien gibt Adam Hochschild eine hervorragende Darstellung, worin er bemerkt, dass das Wehrpflichtgesetz von 1916 "den Wehrdienstverweigerern [zunächst] überraschend viel Spielraum" ließ. [1]
Die Nichtbefolgung des Gestellungsbefehls ab 1914 wurde dann gleichgestellt als Fahnenflucht behandelt.
Vielleicht ist es nützlich, eine Abschichtung vorzunehmen [1a]:
A. Als Kriegsdienstverweigerung ist bereits der Widerstand gegen die "Eingliederung in bewaffnete Verbände, die für kriegerische Kampfhandlungen ausgerüstet und ausgebildet sind", zu bewerten. [2] Konkret aufs DR bezogen: Der Verweigerer will bereits seiner Militärpflicht (der Pflicht, sich der Aushebung zu unterwerfen) nicht genügen, indem er sich nicht zur Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle meldet, seiner Gestellungspflicht nicht nachkommt, zur Musterung nicht erscheint, äußerstenfalls das Land verlässt.
B. Denkbar ist auch, dass die Verweigerungshaltung sich erst nach Erhalt des Gestellungsbefehls (heute: Einberufungsbescheid) herausbildet, indem sich der Rekrut z.B. zu Beginn oder während der Ausbildung weigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen.
C. Im Ernst- bzw. Kriegsfall kann eine Verweigerung sich auch darauf beziehen, eine verlangte Tötungshandlung vorzunehmen, in dem er
- bewusst "daneben zielt" oder
- seine Waffen niederlegt oder
- sich selbst wehrunfähig macht (etwa durch Selbstverstümmlung)
- sich ohne Not dem Feinde ergibt (desertiert); hierauf vor allem bezieht sich der erwähnte Aufsatz von Ziemann.
Den Zeugen Jehovas sind mehrere Beispiele zu den Fallgruppen A und B bekannt, jedoch fehlen die entsprechenden Verfahrensakten.
[1] Der Große Krieg. Stuttgart 2013, hier S. 239. - Dass Friedrich II. von Preußen die Mennoniten vom Wehrdienst befreite und damit deren religiöser Überzeugung Rechnung trug, setze ich als bekannt voraus.
[1a] Auch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen.
[2] Morlok in Dreier, GG-Kommentar, 2. Aufl. 2013, Bd. 1, Art. 4, Rz. 176